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1.2016
Magazin für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung
Textil Medienerzeugnisse
Arbeiten an elektrischen Anlagen
Sicherer
Durchblick
16 Seminare für Journalisten
Anleitung zum Überleben
in Krisengebieten
20 PER in Textilreinigungen
Messungen geben kaum Hinweise
auf unzulässige Konzentrationen
32 Grenzenlose Sicherheit
So funktioniert die gesetzliche
Unfallversicherung im Ausland
editorial
Arbeitsschutz
ohne Grenzen
Ein Hemd für weniger als 10 Euro, eine Jeans für 19,95?
Was für uns ein Schnäppchen ist, kann für andere ein
persönliches Risiko darstellen. Arbeiterinnen und
Arbeiter in den Textilfabriken in Pakistan, Bangladesch
und anderswo zahlen mit oft katastrophalen Arbeitsbedingungen den Preis für unsere billige Warenwelt.
Olaf Petermann
Vorsitzender
der Geschäftsführung
Das haben Präventionsfachleute der BG ETEM in Pakistan persönlich erfahren. Dort gehören Maschinen ohne
Schutzeinrichtungen, ungeschützter Umgang mit Chemikalien oder mangelhafte elektrische Installationen zum
Alltag. Und doch gibt es auch Anlass zur Hoffnung. Denn
die deutschen Experten haben mit ihren pakistanischen
Kollegen erste Lösungen erarbeitet.
Die internationale Zusammenarbeit nutzt nicht nur den
Menschen in Bangladesch oder Pakistan, sondern auch
Ihnen und mir. Wenn global ähnlich hohe Standards für
den Arbeitsschutz und für die soziale Sicherheit gelten,
schafft das faire Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen in Deutschland. Mehr noch: Sicherheit und
Wohlstand entziehen weltweit den Nährboden für Extremisten und Fanatiker. Und nichts braucht eine Exportnation wie Deutschland so sehr wie Frieden und Stabilität im eigenen Land und in allen Teilen der Welt.
Ich wünschen Ihnen einen guten und erfolgreichen Start
in das Jahr 2016!
inhalt
8
Titelthema
Bei Arbeiten an elektrischen Anlagen
müssen Beschäftigte und Verantwortliche
vor Arbeitsbeginn Fragen der Sicherheit
klären. Die BG ETEM unterstützt sie dabei.
22
Unfallprävention im
Spinnereivorwerk
Mit ihren aggressiven Garnituren
stellen Walzen in Vorwerksmaschinen eine erhebliche Gefahr dar. Deshalb müssen
sie rundum gut gesichert
sein.
32
Schutz im Ausland
Vor dem Start zum Auslandseinsatz gibt
es oft Unklarheiten zum Versicherungsschutz vor Ort. Ein Überblick zu internationalen Regeln zum sozialen Schutz.
kompakt
4 Zahlen, Fakten, Angebote
Fotos: Viktor Strasse; iStock by Getty Images/Mike_Kiev; Illustration: E. Nohel
Meldungen und Meinungen
16Seminar für Journalisten
Anleitung zum Überleben
19Notfall-Hotline der BG ETEM
gesundheit
28 Schlaftypen und Schichtarbeit
Mehr Einklang mit dem Körper
Anruf genügt
mensch & arbeit
8Arbeiten an elektrischen Anlagen
Sicherheit einschalten
11Checklisten zu Sicherheitsregeln
Haken dran
12Serie Chefsache
Aus Fehlern lernen
15Seminar für Führungskräfte
Schlüssel zum Erfolg
betrieb & praxis
20PER-Belastung in Textilreinigungen
Dem Dunst auf der Spur
22Prävention im Spinnereivorwerk
Kein ungesicherter Zugriff
24Zeitungszustellung
Lieferung mit Hindernissen
26Lagerung brennbarer Flüssigkeiten,
service
31 Vertreterversammlung
Ausgaben gesunken
32Unfallversicherung im Ausland
Grenzenlose Sicherheit
34Arbeitsschutz als Entwicklungshilfe
In einer anderen Welt
35 Impressum
Teil 2
Damit‘s nicht kracht
etem 01.2016
3
kompakt
Vortragsveranstaltung ELEKTROTECHNIK
Treffen der
Fachleute
Süwag gewinnt
Arbeitsschutzpreis
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat die Süwag Energie AG für die
Idee der Safety-Teams mit dem Deutschen Arbeitsschutzpreis 2015 ausgezeichnet. Arbeitet die Süwag erstmals
mit einem Partnerunternehmen zusammen oder soll die bestehende Zusammenarbeit weiter vertieft werden, wird
ein Safety-Team gebildet. Dieses setzt
sich aus je einem Verantwortlichen und
einer Sicherheitsfachkraft der Süwag
sowie des Partnerunternehmens zusammen. Die Safety Teams zeigen Wirkung: Die Unfallquote der Partnerfirmen sank bereits im
ersten Projektjahr 2013 um 50 Prozent. Ein weiteres Jahr später reduzierte sich diese nochmals um ein Drittel und lag zuletzt bei vier
Arbeitsunfällen pro eine Million Arbeitsstunden. Inzwischen
kommt das Konzept auch bei Schwesterunternehmen der Süwag
zum Einsatz.
→→info
www.deutscher-arbeitsschutzpreis.de
▪▪ Neue
Komponente psychische Belastung (Gefährdungsbeurteilung)
In der Gebühr von 300 Euro sind die Kosten für Teilnahme, die
Tagungsunterlagen und das Abendprogramm enthalten. In der
Nähe des Kongress Palais stehen Hotelkontingente bereit.
→→info und anmeldung
www.bgetem.de, Webcode 14196882
Kontakt Tagungsbüro:
Tel.: 0221 3778-6190
E-Mail: [email protected]
Neue Kampagne
Ab 2017 werden Berufsgenossenschaften und Unfallkassen für eine
bessere Kultur der Prävention in
Betrieben, Schulen und öffentlichen Einrichtungen werben. Ziel
der auf zehn Jahre angelegten Kampagne soll sein, Sicherheit und
Gesundheit zum festen Bestandteil
aller Entscheidungen und Abläufe
zu machen. Laut einer aktuellen
Befragung der DGUV geben nur vier
von zehn Betrieben an, dass das
Thema in den Führungsleitlinien
vorkommt. Das soll sich mit der
neuen Kampagne ändern. Ziel ist
es, mit einer „Präventionskultur“
Chancen für weitere Verbesserungen von Sicherheit und Gesundheit
bei der Arbeit, in der Bildung und
im Ehrenamt zu nutzen.
→→info
www.dguv.de, Webcode d1070162
Download des Fachkonzepts zur
neuen Kampagne
4
etem 01.2016
Fotos: BG ETEM; Oliver Killig; Alexander Paul Englert; Getty Images/Dave and Les Jacobs/Kolostock
Am 7. und 8. Juni 2016 ist es wieder so weit: Die BG ETEM lädt
zum 18. Mal zur Vortragsveranstaltung ELEKTROTECHNIK im
Kongress Palais in Kassel ein. Erfahren Sie mehr über die aktuellen Entwicklungen in unterschiedlichen elektrotechnischen
Themenfeldern und treffen Sie Fachleute für Arbeitssicherheit
und Gesundheitsschutz aus elektrotechnischen Betrieben und
der Berufsgenossenschaft zum konstruktiv-kritischen Dialog.
Die hohe Beteiligung der letzten Jahre – rund 600 Teilnehmende – spricht für sich. Zum Themenspektrum gehören unter anderem folgende Themen:
▪▪ Neue Gesetze und Vorschriften
▪▪ Aktivitäten in der Präventionsarbeit
▪▪ Neuerungen aus der Reihe VDE 0100 sowie die neue
DIN VDE 0105-100
▪▪ Funktionale Sicherheit, Industrie 4.0, Personen-Erfassung,
Arbeitsschutz bei kollaborierenden Robotern
▪▪ Hochspannungsübertragungsanlagen
kompakt
4. Fachtagung zur
Arbeitssicherheit in
Windenergieanlagen
Die Berufsgenossenschaftliche Bildungsstätte Linowsee e.V. veranstaltet gemeinsam mit der BG ETEM
und der BG Verkehr am 15. und 16. März 2016 die 4.
Fachtagung „Arbeitssicherheit in Windenergie-anlagen“. Vortragsthemen werden unter anderem sein:
▪▪ Unfallgeschehen an Windenergieanlagen (WEA) –
Beispiele und Analysen
▪▪ Die neue Betriebssicherheitsverordnung – Bedeutung für die Windenergie
▪▪ Inhalte von Arbeitsschutzunterweisungen und
Schulungen in der Windenergie – Überarbeitete
Module des VDSI
▪▪ Qualifizierung für Arbeiten in/an WEA – Konzepte
von Ausbildungsträgern
▪▪ Eignung – Problemstellungen und Ansätze
für Untersuchungen
▪▪ Ziel: Offshore-Bauwerk – Personaltransfer
und Überstieg
▪▪ Erste Hilfe in Offshore-Windparks – Stand
der Dinge
▪▪ Forschungsprojekt Rettungskette Offshore Wind –
Erkenntnisse und Entwicklungen bei der praktischen Umsetzung
▪▪ Elektrische Ausrüstung in WEA – Sicherheitstechnische Anforderungen
▪▪ Umspannplattformen – Elektromagnetische Felder
→→info
www.bgetem.de, Webcode 15261228
Informationen zum Veranstaltungsort, zur Hotelreservierung, zur Teilnahmegebühr und zur
Online-Anmeldung.
Video: Aufmerksamkeit
darf man nicht teilen
Der Fahrer war nur kurz abgelenkt. Dann quietschen Bremsen.
Das Auto kommt zwar noch zum Stehen. Doch ein Rollerfahrer
muss ausweichen und prallt frontal auf einen Radfahrer. Zum
Glück passiert das nur im Film. Die BG ETEM hat ihn in Auftrag
gegeben, um für mehr Aufmerksamkeit im Straßenverkehr
und bei der Arbeit zu sensibilisieren. Denn rund ein Drittel aller
Verkehrsunfälle werden durch Ablenkung verursacht. „Auch
bei der Arbeit spielt das eine immer größere Rolle“, sagt Geschäftsführer Olaf Petermann. Vor allem E-Mails und Smartphones sorgten für Ablenkungen. Der Videoclip zeigt die Folgen,
erhebt aber nicht den Zeigefinger. „Wir möchten, dass der Zuschauer selbst eine Entscheidung trifft“, sagt Holger Zingsheim,
Leiter Kommunikation bei der BG ETEM. Das Video setzt die
Kampagne „Ein Unfall ändert alles – Du bestimmst das Risiko“
fort. Es ist auf der Webseite der Kampagne und in sozialen Netzwerken zu sehen. Innerhalb kurzer Zeit wurde das Video 1,2 Millionen Mal aufgerufen. 5.800 Userinnen und User entschieden
„Gefällt mir“ und 185 kommentierten das Gesehene.
→→info
www.ein-unfall-ändert-alles.de
Deutscher Jugend-Arbeitsschutz-Preis 2016
Innovative Idee?
6.000 Euro beträgt das Gesamtpreisgeld für die ersten drei Plätze beim
Deutschen Jugend-Arbeitsschutz-Preis 2016. Die Fachvereinigung Arbeitssicherheit e.V. (FASI) verleiht den Preis alle zwei Jahre bei der „Arbeitsschutz Aktuell“. Junge Erwachsene bis 24 Jahren können bis 30. Juni 2016
teilnehmen. Ausgezeichnet werden kreative und innovative Ideen für mehr
Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, die bereits erfolgreich in der
Praxis umgesetzt wurden. Die Projekte müssen zwischen 2014 und 2016
begonnen und bis 30. Juni 2016 abgeschlossen worden sein. Die Gewinnerinnen und Gewinner werden bei der Eröffnung der „Arbeitsschutz Aktuell“
am 11. Oktober 2016 in Hamburg ausgezeichnet.
→→info
www.jugend-arbeitsschutz-preis.de
↓ Termine
Aus der Selbstverwaltung
→→info
www.bg-kliniken.de
→→Weitere Termine
www.bgetem.de, Webcode 12568821
Workshop Rücken
Freie Termine zur Weiterbildung in Sachen „Rücken“ in Augsburg:
Dabei wird das Aktionsmobil Gesunder Rücken und dessen Einsatz
in den Mitgliedsbetrieben vorgestellt. Das Seminar wendet sich an
Beschäftigte, Führungskräfte und Mitglieder des Arbeitsschutzausschusses. Tagungsort ist das Exerzitienhaus Leitershofen. Es bietet
die Möglichkeit, Abstand vom Alltag zu gewinnen und sich ganz
auf das Seminar zu konzentrieren. Freie Termine in Juni und Juli
gibt es unter der Veranstaltungsnummer 249 oder dem Stichwort
„Rücken“ in der Seminardatenbank der BG ETEM.
→→info
www.bgetem.de, Seminardatenbank
Mail: [email protected]
Fotos: BGETEM, Ralf Bauer; FASI
Hans-Peter Kern, Vorstandsvorsitzender der BG ETEM, ist zum
Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung des Klinikverbunds der Gesetzlichen Unfallversicherung gewählt worden.
Die gemeinnützige GmbH ist
ein Zusammenschluss aus
neun berufsgenossenschaftlichen Akutkliniken, zwei Kliniken für Berufskrankheiten und
zwei Unfallbehandlungsstellen. Zu ihren Kernkompetenzen gehören unter anderem die Polytraumaund Schädel-Hirn-Trauma-Versorgung nach schweren
Unfällen sowie die Behandlung von Patienten
mit Brand-, Rückenmarks- und Handverletzungen.
▪▪ 12.-13.03.2016, Wallau bei Wiesbaden
Inter-Schuh-Service
▪▪ 13.-18.03.2016, Frankfurt/Main
Light + Building, Messe für Licht und Gebäudetechnik
▪▪ 05.-06.04.2016, Dresden
Maschinensicherheits-Tagung
▪▪ 06.04.2016, Bremen
Regionale Betriebsärzteversammlung
▪▪ 31.05.-10.06.2016, Düsseldorf
drupa, Internationale Fachmesse der Printmedien
kompakt
Plakatkampagne 2016
Richtig sicher!
Die neuen Plakate der BG ETEM zur Betonung des Arbeitsschutzes gibt es unter
Telefon 0221 3778-1020 oder im Netz unter www.bgetem.de, Webcode 14822765
Bestell-Nr. P001/2016
Bestell-Nr. P002/2016
Bestell-Nr. P003/2016
Bestell-Nr. P004/2016
Bestell-Nr. P005/2016
Bestell-Nr. P006/2016
Bestell-Nr. P007/2016
Bestell-Nr. P008/2016
Bestell-Nr. P009/2016
Bestell-Nr. P010/2016
Bestell-Nr. P011/2016
Bestell-Nr. P012/2016
etem 01.2016
7
mensch & arbeit
Arbeiten an elektrischen Anlagen
Strom an!
Sicherheit aus?
Bei Arbeiten an elektrischen Anlagen ist immer
mit Gefahren durch elektrischen Strom zu rechnen.
Deshalb müssen sich Beschäftigte und Verantwortliche vor Beginn der geplanten Arbeiten intensiv
damit befassen.
D
er Anteil der Stromunfälle an der Gesamtzahl der meldepflichtigen Unfälle
scheint auf den ersten Blick gering. Die
Auswirkungen dieser Unfallart sind aber
schwerwiegender als der Durchschnitt aller Unfälle. Stromunfälle haben zum Beispiel bei den tödlichen Arbeitsunfällen einen vergleichsweise hohen Anteil. Selbst
wenn die Stromunfallopfer nur einen sogenannten Wischer erleiden, kann es
trotzdem zu Spätfolgen kommen. Diese
können noch Stunden nach der Durchströmung auftreten. Spätfolgen können u. a.
gefährliche Herzrhythmusstörungen sein.
Aus diesen Gründen ist es wichtig, Stromunfällen gezielt vorzubeugen.
Arbeiten an elektrischen Anlagen
ohne Gefahren ausführen
Wenn geplante Arbeiten gut vorbereitet
sind und während der Arbeiten keine unerwarteten Ereignisse eintreten, denken
die beteiligten Beschäftigten und Verantwortlichen in der Regel an alle notwendigen Schutzmaßnahmen. Treten bei der
Arbeit jedoch Störungen auf, die unter
Zeitdruck behoben werden müssen, übersehen die Beschäftigten häufig grundlegende Dinge oder vergessen sie. Deshalb
ist es wichtig, auch mögliche Störungen
vorherzusehen und die Störungsbeseitigung zu planen.
Die DGUV Vorschrift 1 verlangt, dass Arbeiten nur an Personen übertragen werden dürfen, die dazu befähigt sind. Bei
8
Arbeiten an elektrischen Anlagen gibt es
deshalb eine Reihe von verantwortlichen
Personen, die sich miteinander absprechen müssen. Diese werden in der DIN
VDE 0105-100 benannt.
Verantwortliche Personen
Verantwortlich bei Arbeiten an elektrischen Anlagen ist in erster Linie der Anlagenverantwortliche. Er kann die Auswirkungen abschätzen, wenn die vorgesehenen Arbeiten an der elektrischen Anlage
durchgeführt werden. Deshalb muss er
den Arbeitsverantwortlichen über die
Auswirkungen informieren. Der Arbeitsverantwortliche ist der Garant dafür, dass
diejenigen, die die Arbeiten ausführen,
sicher arbeiten können und dabei gesund
bleiben.
Zur Arbeit befähigte Personen
Arbeiten an elektrischen Anlagen dürfen
nur von Elektrofachkräften durchgeführt
werden. Als Elektrofachkraft zählt, wer die
übertragenen Arbeiten beurteilen und die
damit verbundenen Gefahren erkennen
kann. Eine Elektrofachkraft muss auch
über ausreichende Kenntnis und Erfahrung der übertragenen Arbeiten verfügen.
Weiter sind Kenntnisse der anerkannten
Regeln der Technik nötig. Das dazu benötigte Wissen wird in der Regel durch eine
elektrotechnische Ausbildung erlangt.
Bei Arbeiten an elektrischen Anlagen
sind manchmal unterstützende Tätigkei-
ten nötig. Für diese Tätigkeiten sind nicht
unbedingt Elektrofachkräfte erforderlich.
Die DGUV Vorschrift 3 lässt dafür auch
elektrotechnisch unterwiesene Personen
(EuP) unter Leitung und Aufsicht durch eine Elektrofachkraft zu.
Die EuP wird durch die Elektrofachkraft
und hier im Besonderen durch den Arbeitsverantwortlichen elektrotechnisch
unterwiesen. Dadurch ist auch die EuP in
der Lage, die unterwiesenen Arbeiten sicher durchzuführen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Elektrofachkraft die Leitung und Aufsicht für die EuP übernimmt.
Das heißt, sie ist weisungsbefugt und
verantwortlich für die Sicherheit und
Gesundheit der elektrotechnisch unterwiesenen Person.
In der Praxis bedeuten Leitung und Aufsicht, dass sich Elektrofachkraft und EuP
in räumlicher und zeitlicher Nähe
zueinander befinden, damit die Elektrofachkraft jederzeit erreichbar ist und kontetem 01.2016
mensch & arbeit
rollieren kann, ob die Arbeiten sicher und
richtig ausgeführt werden.
Zusammenarbeit von Arbeitsund Anlagenverantwortlichen
Bei Arbeiten an großen elektrischen Anlagen oder in Netzen koordiniert der
Anlagenverantwortliche die Schutzmaßnahmen und spricht diese mit dem
Arbeitsverantwortlichen durch. Der Arbeitsverantwortliche muss die Personen
auswählen, die die Arbeiten durchführen
sollen und vor Arbeitsbeginn über die konkreten Schutzmaßnahmen informieren.
Der Arbeitsverantwortliche wird häufig
erst vor Ort, kurz vor Arbeitsbeginn, benannt. Trotzdem muss ihm bewusst sein,
dass er für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der beteiligten Mitarbeiter
verantwortlich ist.
Führen Elektrofachkräfte die Arbeiten
durch, ist aufgrund ihrer Qualifikation in
der Regel eine relativ hohe Sicherheit geetem 01.2016
geben. Kritischer ist die Situation, wenn
elektrotechnische Laien erst noch elektrotechnisch unterwiesen werden müssen.
Hier übernimmt die unterweisende Elektrofachkraft die Fachverantwortung für
diese Personen.
Im Elektrohandwerk ist der Arbeitsverantwortliche in der Regel auch der
Anlagenverantwortliche. Hier wird vom Arbeitsverantwortlichen eine besondere
Verantwortung verlangt, da er in der
Doppelfunktion des Arbeits- und Anlagenverantwortlichen ist. Bekommt er erst vor
Ort oder kurz vor Arbeitsbeginn Einblick in
die Unterlagen, wird diese Aufgabe zusätzlich erschwert.
Gefährdungen beurteilen
Zur Planung gehört eine Gefährdungsbeurteilung vor Arbeitsbeginn. Im Regelfall
existiert die Gefährdungsbeurteilung bereits für eine Vielzahl der Arbeiten. Der Arbeitsverantwortliche muss vor Ort deren
Richtigkeit überprüfen und eventuell
durch eine ergänzende Gefährdungsbeurteilung vervollständigen. In der Ergänzung
wird nur vervollständigt oder abgewandelt, was vom Üblichen abweicht. In der
Praxis sind das Besonderheiten, die bei
der Arbeitsvergabe besprochen werden.
Fehlt eine Gefährdungsbeurteilung für
eine Tätigkeit komplett, muss sie in jedem
Fall vor Arbeitsbeginn erstellt werden.
Wenn spezielle Hilfsmaterialien oder Arbeitsmittel benötigt werden, muss sich
der Arbeitsverantwortliche davon überzeugen, dass die beauftragten Beschäftigten wissen, wie diese sicher benutzt
werden. Unter Umständen muss der Arbeitsverantwortliche noch Ein- und Unterweisungen vornehmen.
Arbeiten im spannungsfreien
Zustand
Das Arbeitsschutzgesetz verlangt eine Vermeidung von Gefahren. Die DGUV Vor9
mensch & arbeit
Arbeiten in der Nähe unter
Spannung stehender Teile
Häufig liegt ein falsches Verständnis für
das Arbeiten in der Nähe unter Spannung
stehender Teile (AiN) vor. Die DGUV Vorschrift 3 versteht darunter das Eindringen
in die Annäherungszone, ohne die Gefahrenzone erreichen zu können. In der Praxis hört man deshalb oft die Aussage: „Ich
pass’ schon auf“ – und meint: „Ich komme nicht an spannungsführende Teile“.
Die BG ETEM hat speziell für diese Aussagen auf Messen einen Versuchsstand
aufgebaut, an dem die Besucher zeigen
können, ob und wie sie aufpassen. Dazu
soll eine Öse um einen Draht herum von
einer Seite zur anderen geführt werden,
ohne den Draht zu berühren. Jedes Berühren ist einer Körperdurchströmung gleichzusetzen. Die Erfahrung zeigt, dass –
selbst wenn die Strecke ein- oder zweimal
ohne Berühren erfolgreich absolviert wurde – Zeitdruck, Hektik oder Ablenkung zu
Berührungen des Drahtes führen. Deshalb
lautet die klare Forderung: „... die Gefahrenzone darf nicht erreicht werden können“. Das ist in der Praxis allerdings nur
durch einen mindestens teilweisen Berührungsschutz möglich (5. Sicherheitsregel).
Arbeiten an unter Spannung
stehenden Teilen
Arbeiten an unter Spannung stehenden
Teilen (AuS) heißt sinngemäß, dass spannungsführende Teile bewusst mit dem Körper oder mit Gegenständen berührt werden. Wenn also die arbeitende Person mit
Werkzeugen spannungsführende Teile berührt, ist das AuS. Auch das unbewusste
oder unbeabsichtigte Berühren, z. B. beim
Abrutschen, wird dem AuS gleichgesetzt.
Nach der DGUV Vorschrift 3 §6 ist AuS
grundsätzlich nicht zulässig. Der §8 zeigt
jedoch Möglichkeiten auf, unter denen
AuS möglich sind. Finden AuS statt, müssen – unabhängig von der Spannungshöhe und der Spannungsart – eine gefährliche Körperdurchströmung und die Gefahr
eines Lichtbogens immer ausgeschlossen
sein. Dies ist allerdings nur in seltenen
Fällen durch die Art der Anlage gegeben.
In der DGUV Regel 103-011 „Arbeiten unter
Spannung an elektrischen Anlagen und
10
Betriebsmitteln“ werden Verfahren zum
Durchführen von AuS beschrieben. Dabei
ist zunächst eine Gefährdungsbeurteilung
nötig. Auf deren Grundlage entscheidet
der Unternehmer über die Anwendung der
AuS-Arbeitsmethode.
AuS dürfen nur durchgeführt werden,
wenn die Sicherheit und der Gesundheitsschutz aller an den Arbeiten beteiligten
Personen sichergestellt werden kann. In
der Regel wird dies nur durch geeignete
Arbeitsverfahren sowie mit gut ausgebildetem und ausgerüstetem Personal erreicht. Die Tabelle 5 zum §8 der DGUV
Vorschrift 3 gibt eine Übersicht zu den
Randbedingungen für die Auswahl des
▪▪ das
Heranführen von Spannungsprüfern
zum Durchführen der 3. Sicherheitsregel,
▪▪ das Abklopfen von Raureif mit isolierenden Stangen oder
▪▪ das Heranführen von geeigneten Hilfsmitteln zum Reinigen.
Bei allen Beispielen legt der Arbeitsverantwortliche die technischen, organisatorischen und persönlichen Sicherheitsmaßnahmen fest. Er ist für die Umsetzung
der Schutzmaßnahmen durch die Beschäftigten verantwortlich.
Durchführung der Arbeiten
Jeder, der an elektrischen Anlagen arbeitet, muss den Zustand der Anlage kennen.
Besonders wichtig ist:
▪▪ Wurden die 5 Sicherheitsregeln angewendet?
▪▪ Stehen noch Teile unter Spannung?
▪▪ Welche Fehler bestehen an der Anlage?
Der Arbeitsverantwortliche muss deshalb
die sichere Durchführung der Arbeiten
kontrollieren und bei Abweichungen sofort korrigieren. Über Veränderungen des
Schaltzustandes oder das Aufheben einer
der 5 Sicherheitsregeln muss er die Arbeitenden informieren.
Fazit
Sicherheit hat Vorrang: Arbeiten sollten generell im spannungsfreien Zustand stattfinden.
Personals bei bestimmten Tätigkeiten.
Deshalb ist es u. a. bei folgenden Arbeiten zwingend notwendig, eine schriftliche
Anweisung der notwendigen Schutzmaßnahmen mit Erläuterungen zu geben:
▪▪ Sicherungsleisten montieren und demontieren,
▪▪ Abzweigmuffen von Hausanschlusskästen montieren,
▪▪ Montagearbeiten in Hilfsstromkreisen
zur Fehlereingrenzung durchführen oder
▪▪ Teilstromkreise überbrücken.
Diese Tätigkeiten dürfen nur Elektrofachkräfte mit besonderer Ausbildung und
schriftlicher Beauftragung durchführen.
Bei Spannungen, die unter 50 V AC bzw.
120 V DC liegen, dürfen auch Laien die Arbeiten durchführen – sofern die Gefährdung durch Lichtbögen ausgeschlossen
ist. Beispiel: das Auswechseln von Batterien mit geringer Energie.
Folgende Arbeiten können in der Regel
auch EuP unter Leitung und Aufsicht einer
Elektrofachkraft durchführen:
Um an elektrischen Anlagen sicher arbeiten zu können, müssen die Arbeiten geplant werden. Dabei ist zu beachten:
▪▪ Die Gefährdungsbeurteilung zeigt die
nötigen Schutzmaßnahmen auf.
▪▪ Der Anlagenverantwortliche muss den
Arbeitsverantwortlichen über die
Schutzmaßnahmen an der Anlage einweisen.
▪▪ Der Arbeitsverantwortliche setzt die
Schutzmaßnahmen vor Ort um, indem
er alle Beschäftigte an der Anlage informiert, einweist, notfalls unterweist und
kontrolliert.
▪▪ Allen Personen, die an der elektrischen
Anlage arbeiten, müssen die Schutzmaßnahmen bekannt sein.
Peter Westphal
→→Info:
▪▪ Fachgebiet
Elektrische Gefährdung,
Tel. 0221 3778-6178
▪▪ Referat Elektrohandwerke im Fachgebiet
Elektrohandwerke/ Unternehmermodell,
Tel. 0221 3778-2414
▪▪ Ergänzende Gefährdungsbeurteilung:
Papierversion GB 002-B; App für Smartphone oder Tablet: www.bgetem.de,
Webcode 13542847
etem 01.2016
Fotos: Viktor Strasse; BG ETEM
schrift 3 verlangt deshalb im Allgemeinen
Arbeiten im spannungsfreien Zustand. Um
den spannungsfreien Zustand herzustellen, sind die „5 Sicherheitsregeln“ anzuwenden (lesen Sie dazu bitte S. 11).
mensch & arbeit
Umsetzung der 5 Sicherheitsregeln in der Elektrotechnik
Haken dran
Immer wieder kommt es zu elektrischen
Unfällen, weil die 5 Sicherheitsregeln
nicht beachtet werden. Daher hat die
BG ETEM nun Checklisten entwickelt,
mit deren Hilfe die richtige Anwendung
dieser Regeln überprüft werden kann.
D
as Unfallgeschehen bei der BG ETEM
ist erfreulicherweise seit Jahren rückläufig. Unerfreulich ist hingegen die
Entwicklung bei den Unfällen durch
elektrischen Strom (siehe Abbildung
„Gemeldete und meldepflichtige Stromunfälle“). Die steigende Zahl der elektrischen Unfälle wirft bei der BG ETEM die
Frage auf, welche Maßnahmen sinnvoll
sind, um diesen Negativtrend zu stoppen
und umzukehren.
Etwa 90 Prozent der elektrischen Unfälle
sind im Bereich der Niederspannung (bis
1000 V Wechselspannung) zu verzeichnen. Betroffen ist überwiegend Fachpersonal, die Elektrofachkräfte. Unfallursache
ist in den meisten Fällen, dass die 5 Sicherheitsregeln nicht oder nur unvollständig angewendet wurden.
Daher hat die BG ETEM beschlossen,
den Unternehmen und ihren Verantwortli-
Die Checkliste
„EVU–Arbeiten an
Zähleranlagen“
ist eine der neuen
BG-Hilfen.
chen ein Hilfsmittel anzubieten, mit dem
sie vor Beginn elektrotechnischer Arbeiten
innerhalb weniger Minuten überprüfen
können, ob die 5 Sicherheitsregeln richtig
und vollständig angewendet wurden. Da-
2000
mit wird auch überprüft, ob die in
der Gefährdungsbeurteilung festgelegten
Maßnahmen richtig umgesetzt wurden, also eine ergänzende Gefährdungsbeurteilung vor Ort gemacht wurde.
Für die drei Bereiche Energieversorgungsunternehmen (EVU), Industrie und
Elektrohandwerk hat die BG „Checklisten
zur Arbeitsfreigabe nach den 5 Sicherheitsregeln“ erarbeitet. Unterschieden
nach jeweils mehreren typischen Tätigkeitsfeldern, die den größten Teil der
elektrotechnischen Arbeiten in der Niederspannung abdecken, stehen insgesamt
elf Checklisten zur Arbeitsfreigabe zur Verfügung. Hartmut Oelmann
1500
→→info
Gemeldete und meldepflichtige Stromunfälle (Quelle: BG ETEM)
4000
Daten aus dem Unfallregister
Meldepflichtige Stromunfälle (≥3 Kalendertage Arbeitsunfähigkeit)
3500
Gemeldete Stromunfälle
3000
2500
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
etem 01.2016
773
3776
802
3334
708
3069
652
2577
599
2354
568
2266
628
2271
479
1997
472
1816
522
1922
491
1828
0
543
1966
500
571
2105
Foto: BG ETEM
1000
2011 2012 2013 2014
Die oben abgebildete und zehn weitere
Checklisten können unter www.bgetem.de,
Webcode 12201321 (Link anklicken, Rubrik
„Praxishilfen/Gefährdungsbeurteilung“)
als pdf- und als Word-Dateien heruntergeladen werden. Die Word-Dateien können
in eigene Dokumente eingefügt werden.
11
mensch & arbeit
Stichwort Zuverlässigkeit
Aus Fehlern
kollektiv lernen
Wie Organisationen Achtsamkeit erwerben und
so die Arbeitssicherheit verbessern können.
W
as haben eine kerntechnische Anlage, eine Intensivstation, ein Flugzeugträger und der internationale Bankhandel gemeinsam? Ihre Organisation
erfordert hohe Zuverlässigkeit. Ein Fehler
kann katastrophale Ausmaße annehmen.
Die Namen Tschernobyl, Bhopal, Harrisburg und Lehman Brothers haben sich
in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt. Sie stehen für die verheerenden
Folgen, die aus der Fehlfunktion eines
komplexen technischen Systems erwachsen können. Das Zusammenwirken unerwarteter Ereignisse mit
zunächst unbedeutend erscheinenden
Fehlentscheidungen
ließen die Systeme
außer Kontrolle geraten. Mit verheerenden Folgen für Menschen, Umwelt oder das weltweite Finanzsystem.
Eine ganze Forschungsrichtung hat sich
seit den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts etabliert, um dem Problem zu begegnen. Die High Reliability
Theory (HRT) – zu Deutsch: Theorie der
hohen Zuverlässigkeit.
Ihre grundlegende Annahme ist es,
dass Fehlervermeidung allein nicht ausreicht. Auch nicht mit immer detaillierteren Anweisungen. Vielmehr wird auf hintereinander gestaffelte Sicherungssysteme gesetzt und vor allem auf eine besondere Achtsamkeit gegenüber Fehlern und
Abweichungen. Das Gespür der Beschäftigten für problematische Situationen soll
genutzt werden. Dafür muss im Unterneh12
men eine Kultur etabliert werden, die diese präventive Sorge aufmerksam aufgreift
und in maßgeschneiderte Rituale oder
Prozesse bringt und diese ständig optimiert.
Viele Unternehmen verstehen sich mittlerweile als High-Reliability-Organisation
(HRO) und zeichnen sich durch ihre besondere Achtsamkeit im Umgang mit komplexen Technologien aus. Obwohl manche
technische Systeme in ihrer Dynamik prinzipiell nicht vollständig beherrschbar sind
oder kleine Fehler überproportional schwerwiegende Folgen haben können,
haben sie die Fähigkeit
entwickelt, diese nahezu unfallfrei zu betreiben. Was liegt also näher,
als ihr Wissen zu nutzen, um der Vision
Zero näherzukommen: einer Arbeitswelt
ohne Arbeitsunfälle.
Dr. Just Mields, Arbeitspsychologe bei
der BG ETEM, hat dazu die beiden Experten Dr. Annette Gebauer und Stefan Günther befragt.
?Wie gelingt es einer High-Reliability-
Organisation, dass letztlich erwartbare
Fehler nicht zu einer Katastrophe führen?
Annette Gebauer: Eine Organisation, die
sich High-Reliability-Organisation nennt,
hat ihren Titel eigentlich schon verspielt.
Wenn wir von HRO sprechen, reden wir
nicht von der festen Eigenschaft einer Organisation, auf der sie sich ausruhen
kann. Vielmehr meinen wir eine fortwähetem 01.2016
mensch & arbeit
Im Team lassen sich
unerwartete und
komplexe Situationen leichter erkennen
und durchschauen.
rende Aktivität des selbstkritischen Prüfens, Hinterfragens und Lernens in einem
komplexen, riskanten Umfeld.
?Was bedeutet das konkret?
Annette Gebauer: Das ist vielleicht am
besten mit dem fortwährenden Training
einer Fußballmannschaft im Spitzenfeld
zu vergleichen. Jedes Spiel birgt neue Risiken, auf die sich die Mannschaft vorbereiten muss, ohne genau zu wissen, ob
die Taktik von gestern für morgen noch
gilt. Hört man mit dem Training, der Analyse von besonderen Gegebenheiten oder
des Fitnesszustands des Gegners und
auch der eigenen Mannschaft auf, ist der
Abstieg sicher.
Deshalb sprechen wir auch lieber von
High Reliability Organizing oder High Reliability Seeking Organizations. Das Besondere dieser Form des Organisierens
besteht darin, sich nicht nur auf solide
„standard operating procedures“ zu verlassen, sondern Teams für das Erkennen
und den Umgang mit unerwarteten Planabweichungen und undurchsichtigen,
komplexen Situationen bewusst vorzubereiten. Gemeint ist eine kollektive Kompetenz der Organisation, die mehr ist als
die Fähigkeit der einzelnen Spieler.
?Was kennzeichnet den HRO-Ansatz
und welche „Werkzeuge“ haben sich bewährt?
Annette Gebauer: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, mit High Reliability Organizing
anzufangen. Bewährt haben sich zum Beispiel kurze, in den Alltag eingebaute koletem 01.2016
13
mensch & arbeit
?Wie kann man das im betrieblichen
Alltag umsetzen?
Annette Gebauer: Ich persönlich halte
gute strukturierte Briefing- und Debriefing-Gespräche für sehr wertvoll. Im Briefing-Gespräch gewinnt jedes Teammitglied ein besseres Verständnis von der
geplanten Aufgabe, sodass jeder mitdenken kann. Im Debriefing-Gespräch reflektiert das Team, an welchen Stellen es zu
Planabweichungen gekommen ist und wie
es mit dem Unerwarteten umgegangen
ist. Die Fähigkeit des eher geistesgegenwärtigen Handelns im Moment wird damit
nicht einfach dem Zufall oder dem Einzelnen überlassen, sondern sie wird zum
Gegenstand des Lernens im Team.
Eine weiteres Achtsamkeitsritual sind Ereignis- oder Musteranalysen von unerwarteten Fehlern und Ereignissen, die zum
Organisationslernen genutzt werden. Hierarchie- und fachübergreifende Teams ergründen vor Ort die Bedingungen und Zusammenhänge des Misslingens. Sie nutzen, wie wir es nennen, ein unerwartetes
Ereignis als Fenster zum System. Individuelle Schuldzuweisungen sind hier tabu,
und damit erleben die Beteiligten etwas,
was sonst meist nur gefordert wird: eine
Kultur des offenen Umgangs mit Fehlern.
?Hat der HRO-Ansatz Einfluss auf die
Rolle von Management und Führung?
Stefan Günther: Führung ist nicht alles,
aber ohne Führung ist alles nichts. In dieser Kultur besteht ein Unterschied für Führungskräfte darin, in bestimmten Phasen
die hierarchischen Unterschiede auszublenden, Expertise, Wahrnehmungen und
Annahmen anderer weder zu dominieren
noch abzuwerten oder einzuschüchtern.
Wir sprechen auch von Wir-Kultur statt
Ihr-Kultur, die sich eher auf Kritik, Appelle,
Vorgaben und Sanktionen reduziert.
Führungskräfte akzeptieren, dass sie oft
Unwissende sind und sie das Wissen
anderer zur differenzierten Bearbeitung
bestehender Probleme und zukünftiger
Risiken zusammenbringen müssen. Sie
werden also zu Fragenden, Ermöglichern,
Unterstützern und Ermutigern.
14
Zur Person
Dr. Annette
Gebauer
ist Inhaberin der
ICL GmbH und
auf High Reliability Organizing
sowie Kulturund Managemententwicklung
spezialisiert. Sie unterstützt Unternehmen wie ThyssenKrupp, BASF,
SAP, RWE, Coca-Cola, Commerzbank, Sabic, Boehringer-Ingelheim
und andere.
?Das bedeutet auch, Führungskräfte
müssen umdenken?
Stefan Günther: Ja, die entscheidenden
Veränderungen der Führungsrolle zeigen
sich immer sowohl im System – zum Beispiel offenes Fragen nach Besonderheiten, Szenarien zur Vorbereitung auf Unerwartetes, Reagieren auf Abweichungen
von Standards – als auch in der Arbeit
am System. Zum Beispiel die Bedeutung
von Sicherheitsverhalten in Beurteilung
und Personalentwicklung, Berücksichtigung von Sicherheitsexpertisen in der
Planung, Einführen und Sicherstellen
neuer Prozesse, Methoden, Werkzeuge.
Weitere, erfolgskritische Aspekte von
Führung sind die in der Belegschaft wahrgenommenen Entscheidungen der Führungskräfte, wenn es um den Konflikt
Sicherheit – Profitabilität/Zeit oder den
Umgang mit dem Spannungsfeld Offenheit – Umgang mit Sanktionen geht. Oft
haben Führungskräfte die bestehende
Kultur mit guten Absichten mitgeprägt,
zu deren Veränderung sie jetzt aufrufen.
Kurzum: Wenn Führung nicht bereit ist,
sich selbst als Bestandteil des Problems
und der Lösung zu sehen und zu reflektieren, hat HRO keine echte Chance.
?Lässt sich der HRO-Ansatz auch auf
kleine Unternehmen übertragen und welche Tools würden Sie hier empfehlen?
Stefan Günther: Aber natürlich, denn hier
kann Führung viel schneller ein System in
Bewegung bringen, vorausgesetzt, eine
kritische Masse sieht darin einen Nutzen
und gibt dieser Idee einen Sinn.
Ist die Notwendigkeit mal erkannt, kann
man die gesamte Führungsmannschaft
schneller an den Tisch bekommen und
mit weniger beteiligten Schnittstellen,
Gremien und einfacheren Entscheidungsstrukturen oft effektiver arbeiten. Damit
kommt man besser an die entscheidenden Einflussfaktoren der Organisation.
Die Instrumente sind prinzipiell die gleichen wie z. B. Ereignisanalysen, Selbsteinschätzung der Sicherheitsarbeit, Rituale für unsichere Zustände etc. Manchmal
muss man jedoch die Instrumente anpassen oder zuschneiden auf die konkreten
Bedingungen und die Sprache der Zielgruppen.
?Woran erkenne ich High Reliability
Organizing?
Stefan Günther: Wenn ich mich als Fremder regelwidrig verhalte, kommt schnell
eine Person auf mich zu, die mit mir die
Regel aufgreift und mich respektvoll und
bestimmt anleitet. Oder ich werde erkennen, dass in der Analyse kleiner Abweichungen oder sogenannter Beinahe-Unfälle kein Schuldiger gesucht wird, sondern die Bedingungen erkundet und die
Ursachenbehebung Zeit und Aufmerksamkeit bekommt.
?Wie groß ist der Aufwand, um sich als
Unternehmen in Richtung Achtsamkeit
und Sicherheitskultur zu bewegen?
Annette Gebauer: Die größte Herausforderung ist das Behalten eines langen
Atems. Meistens starten Unternehmen
aus einer Krisensituation heraus und sind
bereit, in die Entwicklung ihrer Achtsamkeitskultur zu investieren. HRO braucht
aber ein kontinuierliches Investment in
Kommunikation und Information, Training
und Prüf- und Lernschleifen.
Zur Person
Stefan Günther
ist Geschäftsführer der WSM
GmbH und Netzwerkpartner der
ICL GmbH.
Als Experte für
Management- und Führungskräfteentwicklung, Strategie und
Change, Coaching von Schlüsselpersonen, Beraterqualifizierung
ist er unter anderem für ABB, EnBW,
BASF, ThyssenKrupp oder Lufthansa
tätig.
etem 01.2016
Fotos: BG ETEM; iStock/Getty Images, Photo_Concepts
lektive Achtsamkeitsrituale, in denen bewusst nach Besonderheiten und Abweichungen gefragt wird. Ein zentrales Element des Crew- oder Cockpit Ressource
Managements ist das gezielte Üben von
Widerspruch gegenüber dem Piloten, ohne den Respekt voreinander zu verlieren.
Seminar für Führungskräfte
Ein Schlüssel
zum Erfolg
Zu vorausschauendem Management gehört es auch,
die Gesundheit und Motivation der Beschäftigten zu
fördern. Ein neues Seminar zeigt Strategien, die sich
praktisch bewährt haben.
etem – das Magazin für
Prävention, Rehabilitation
und Entschädigung
▪▪ Steigerung
Fotos: Fotolia, kasto; Fotolia, radub85
D
er Stellenwert der „Betrieblichen
Gesundheitsförderung“ hat in den
letzten Jahren stetig zugenommen. Viele
Unternehmen haben erkannt, dass es
ökonomisch sinnvoller ist, in Gesundheit,
Motivation und Leistungsfähigkeit der
Beschäftigten zu investieren, als hohe
Kosten für Krankheit, Produktionsausfall,
Ersatz und Wiedereingliederung zu tragen.
Wissenschaftliche Studien haben ermittelt, dass für jeden für betriebliche Gesundheitsförderung eingesetzten Euro im
Durchschnitt 2,40 Euro zurückfließen. Dieser Erfolg wird erbracht durch gesunde,
motivierte Mitarbeiter, eine hohe Effizienz
und geringere Ausfallzeiten. So steigern
Betriebe mittel- bis langfristig ihren Gewinn. Die gewinnsteigernden Effekte sind:
▪▪ Motivation der Beschäftigten,
▪▪ Verbesserung des Gesundheitszustandes aller Beschäftigten,
▪▪ Verbesserung der innerbetrieblichen
Kommunikation,
▪▪ bessere Produktqualität,
▪▪ höhere Attraktivität des Unternehmens
bzw. besseres Image,
etem 01.2016
der Produktivität und Flexibilität,
▪▪ langfristige Reduzierung der Fehlzeiten,
der Fluktuationsraten und der damit
verbundenen Kosten.
In dem vorliegenden Seminar wird gezeigt, wie diese Ziele realisiert werden
können. Im Einzelnen wird dabei den folgenden Fragen nachgegangen:
▪▪ Wie muss unser Unternehmen organisiert sein, um eine erfolgreiche Gesundheitsförderung und die Work-Life-Balance der Beschäftigten zu verwirklichen?
▪▪ Wie erreichen wir, dass die Mitarbeiter
und Vorgesetzten sich wirklich immer
richtig verhalten und das Thema Gesundheit verinnerlichen?
▪▪ Wie bekommen wir das Thema Gesundheit in die Köpfe der Beschäftigten?
▪▪ Was können wir noch machen, als immer wieder auf das richtige Verhalten
hinzuweisen?
▪▪ Wie können gesunde Angewohnheiten
entstehen?
▪▪ Wie können wir die Gesundheit der Mitarbeiter nachhaltig steuern?
Um diese Fragen zu beantworten, werden
im Seminar pragmatische Lösungen
entwickelt. Damit profitierten die Unternehmen ebenso wie Führungskräfte und
Beschäftigte.
Aufblättern
Nachlesen
Anwenden
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verfü erzeit
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→→info
Seminar: Unternehmenserfolg durch
gesunde und motivierte Mitarbeiter
Termine:
22.07.2016, 10:00-17:00,
Bildungsstätte Düsseldorf (999-16-041)
16.12.2016, 10:00-17:00,
Bildungsstätte Düsseldorf (999-16-042)
www.bgetem.de, Webcode 11326642
www.bgetem.de,
Webcode 12484059
mensch & arbeit
Seminare
Anleitung zum Überleben
BG ETEM und Bundeswehr bieten spezielles
Training für Journalisten in Krisengebieten.
D
iese fünf Tage bereiten auf
das Schlimmste vor. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer
werden beschossen, aus ihrem
Auto gezerrt oder sogar entführt.
Das Ziel dieser realistischen Szenarien auf dem Trainingsgelände
der Bundeswehr im fränkischen
Hammelburg ist es, Reporter auf
den Einsatz in Kriegs- und Krisengebieten vorzubereiten. Bundeswehr-Redakteurin Ulrike Jenssen
hat die Ausbildung mitgemacht.
Hier Teile ihres Tagebuchs.
In Krisenregionen garantiert
die Kennzeichnung „Press“
keinen Schutz vor unangenehmen
Situationen.
16
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Tag 1: Ohne Deck
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mensch & arbeit
Tag 2: Achtung Granate!
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Morgen das erste Mal eine ballistische Schutzweste
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Tag 3: Carjackin
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17
mensch & arbeit
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Tag 5: Sensibilisie
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18
Journalisten in Krisenregionen
Die BG ETEM versichert auch viele Journalisten.
Daher bietet sie dieses Seminar zusammen
mit dem Bundesverteidigungsministerium. Es
wendet sich ausschließlich an Journalistinnen
und Journalisten, die aus beruflichen Gründen
in Krisen- und Kriegsgebieten tätig sind oder
sich auf Einsätze in diesen Regionen vorbereiten. Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten, des
Personenschutzes oder von gemeinnützigen
Organisationen sind nicht zugelassen.
Ziel des Seminars
Die Veranstaltung vermittelt in fünf Tagen grundlegende Kenntnisse zum Umgang mit potenziellen Gefahren für die Arbeit in Krisen- und
Kriegsgebieten. Konkrete Gefährdungen sollen
bewusst gemacht und mögliche Vermeidungsstrategien aufgezeigt werden. Darüber hinaus
bietet der Lehrgang eine Erste-Hilfe-Ausbildung
und Hilfen zur Stressverarbeitung.
Inhalt des Seminars
▪▪ Wirkung von Waffen, Munition, Kampfmitteln
und Schutzmaßnahmen
▪▪ Erkennen und Vermeidung von Gefahren
durch Minen und Sprengfallen
▪▪ Verhalten in komplexen Situationen, einschließlich Gefangennahme
▪▪ Lebensrettende Erstversorgung Verwundeter
▪▪ Zusammenarbeit zwischen Streitkräften und
Journalisten im Einsatzland
▪▪ Begleitung der Truppe bei Patrouillen und
Schutzaufgaben
▪▪ Psychische Belastungen und Prävention von
Traumatisierungen
▪▪ Versicherungsschutz durch die BG im Inund Ausland
Anmeldung
[email protected]
Veranstaltungstermine 2016 im April, Juli,
November und Dezember. Ort: Ausbildungszentrum der Bundeswehr in Hammelburg.
→→Info
www.bgetem.de, Webcode 14363753
Seminardatenbank:
Veranstaltungsnummer 146
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Fotos: Bundeswehr/Vennemann, Getty Images/Gregor Schuster
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Notfall-Hotline der BG ETEM
Anruf genügt
Auch wer beruflich im Ausland unterwegs ist, kann auf
den Schutz durch die BG ETEM zählen. Eine Notfall-Hotline
sichert Erreichbarkeit rund um die Uhr.
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ährend der Dienstreise im Ausland
geschieht ein Unfall: Erste Hilfe ist
gefragt, gegebenenfalls müssen Versicherte zudem ärztlich versorgt werden.
Doch wie kommt man auf kürzestem Weg
zum Arzt oder ins Krankenhaus?
Um auch im Ausland optimale medizinische Versorgung gewährleisten zu können, hat die BG ETEM für ihre Versicherten
gemeinsam mit der DRK Assistance einen
24-Stunden-Notruf eingerichtet. Ein Anruf
genügt, um etwa die schnelle Verlegung
in ein geeignetes Krankenhaus vor Ort
oder einen Krankenrücktransport zu organisieren. Die DRK Assistance bietet ein
weltweites Netzwerk von Ärzten und
Dienstleistern und kann nach der Unfallmeldung sofort Kontakt mit dem behandelnden Arzt vor Ort aufnehmen. So
lassen sich Fragen zur Diagnose, Qualität
der Behandlung oder Kostenübernahme
kurzfristig klären.
Welches geeignete Arzneimittel steht
im Ausland zur Verfügung und wo sind
deutsch- oder englischsprachige Ärzte zu
finden? Auch dazu können Versicherte
über die Notfall-Hotline qualifiziert beraten werden.
Medical Report
Im Medical Report dokumentiert
der behandelnde Arzt eine ärztliche
Behandlung im Ausland. Er dient
auch als Beweismittel für spätere
Ansprüche gegenüber der Sozialversicherung.
Es empfiehlt sich, betroffenen
Mitarbeitern die Formulare zur
Verfügung zu stellen.
Bezug: Kepnerdruck GmbH,
www.kepner.de/A_20_Medical_
Report.pdf
Damit die Notrufnummer immer griffbereit
ist, bietet die BG ETEM spezielle Visitenkarten an (Bezugsmöglichkeiten unter
info). Betriebe können diese an ihre
Beschäftigten vor Auslandsaufenthalten
verteilen.
Dokumentation
Grundsätzlich muss die Berufsgenossenschaft über meldepflichtige Unfälle sofort
informiert werden – auch wenn sie im
Ausland passieren. Das gilt ebenfalls bei
begründetem Verdacht auf eine Berufskrankheit. Arbeitgeber nutzen dazu dieselben Formulare wie im Inland. Schwere
oder gar tödliche Unfälle sind telefonisch
zu melden.
Nach der Rückkehr
Wenn Beschäftigte nach ihrer Rückkehr
noch medizinische Behandlung brauchen
oder sie weiterhin arbeitsunfähig sind,
müssen sie direkt den Durchgangsarzt
aufsuchen. Dabei empfiehlt es sich,
diesem sämtliche ärztlichen Berichte aus
dem Ausland (wie z. B. den Medical
Report, siehe Infokasten links) vorzulegen.
Nur so kann sich der Arzt ein Bild über
die bisherige Versorgung machen und die
Folgebehandlung darauf abstimmen.
Wichtiger Hinweis: Einige Krankheiten
machen sich möglicherweise erst nach
der Dienstreise bemerkbar, manchmal
sogar erst Monate später. Bei Symptomen, wie beispielsweise ungeklärtem
Fieber oder anhaltenden Durchfällen,
Hautveränderungen, Gelenkschwellungen,
Kopfschmerzen, starkem Gewichtsverlust
oder Lymphknotenschwellungen, die etwa
nach einem Tropen-Aufenthalt auftreten,
heißt es: sofort zum Arzt!
Nancy Schmidt
→ info
Fotos: BG ETEM; Fotolia/brat82
Visitenkarte mit Notrufnummer der BG ETEM
(siehe oben):
als Download unter
www.bgetem.de,
Webcode 11234792
oder per E-Mail
unter [email protected]
etem 01.2016
19
betrieb & praxis
PER-Belastung in Textilreinigungen
Dem Dunst auf der Spur
Perchlorethylen, kurz
„PER“, sorgt in Textilreinigungen für saubere
Ware. Der Stoff steht
jedoch im Verdacht, Krebs
zu erzeugen. Wie hoch
ist die Belastung für die
Beschäftigten?
M
it organischen Lösungsmitteln wird
in Textilreinigungen die Ware maschinell gereinigt. Verwendet wird dazu in
Deutschland noch immer überwiegend
Tetrachlorethen, in der Branche unter seinem Trivialnamen „Perchlorethylen“, kurz
„PER“, bekannt. Prinzipiell ist eine Textilreinigungsmaschine ein geschlossenes
System. Allerdings können kleine Mengen
PER beim Be- und Entladen aus der gereinigten Ware ausdünsten und so in die
Raumluft gelangen. Bei Wartungs- und
Instandhaltungsarbeiten sowie bei Leckagen können höhere Immissionen auftreten.
Im Rahmen eines gemeinsamen Projekts
haben die Messstellen verschiedener
Bundesländer die aktuelle PER-Exposition
in Textilreinigungsbetrieben erfasst. Anlass war, dass der Arbeitsplatzgrenzwert
für PER 2011 von ehemals 345 mg/m3
(50 ppm) auf 138 mg/m3 (20 ppm) gesenkt
wurde. Die Messungen wurden in 97 Betrieben von 2012 bis 2013 durchgeführt:
Das Spektrum reichte von kleinen Ladenbetrieben bis zu einer großen Reinigung,
in der Anlagen mit 50 kg Fassungsvermögen laufen. Die Anzahl der Chargen lag
zwischen drei und sechs pro Tag.
Gemessen wurde personenbezogen
während des normalen Betriebs: zum
einen bei den Beschäftigten, die die
Maschinen bedienen, zum anderen beim
Bügeln. Wartungs- und Reparaturarbeiten
wurden nicht erfasst. Die Ergebnisse
des Projekts wurden in einer Handlungsanleitung zur guten Arbeitspraxis zusammengefasst. Der Abschlussbericht ist im
Internet veröffentlicht (mehr siehe info).
20
Messergebnisse
Bis auf eine Ausnahme lagen die PER-Konzentrationen bei den Beschäftigten an den
Maschinen unterhalb des Arbeitsplatzgrenzwertes. Beim Bügeln war in jedem
Fall der Arbeitsplatzgrenzwert eingehalten.
Bei der überwiegenden Zahl der Betriebe
lag der ermittelte Stoffindex (Index =
Messwert/Grenzwert) unter 0,5 an den
Maschinen und unter 0,2 beim Bügeln.
In Textilreinigungsbetrieben kommt es
beim Be- und Entladen der Reinigungsma-
schinen kurzzeitig zu Expositionsspitzen.
Die Konzentrationen, die während des
Projekts ermittelt wurden, lagen unterhalb des zulässigen Kurzzeitwerts.
Der Abschlussbericht der Länder zieht
folgendes Fazit: Erfüllen Betriebe die
Anforderungen der 2. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) und der
DGUV Regel 100-500, Kapitel 2.14 („Betreiben von Chemischreinigungen“), wird der
PER-Grenzwert beim Maschinenbedienen
und Bügeln eingehalten. Auf Grundlage
etem 01.2016
betrieb & praxis
der Technischen Regel für Gefahrstoffe
(TRGS) 402, die sich mit inhalativer Gefahrstoffexposition beschäftigt, könnten
die Schutzmaßnahmen damit als ausreichend bewertet werden.
Zur Minimierung der Emissionen werden folgende Maßnahmen empfohlen:
▪▪ tägliche Leckstellensuche,
▪▪ regelmäßige Wartung und jährliche
Überprüfung der Maschine und lüftungstechnischen Anlage,
▪▪ jährliche Sachverständigenprüfung der
Maschine nach 2. BImSchV.
Die Ergebnisse des Länderprojekts bestätigen auch die Erfahrungen der BG ETEM,
deren messtechnischer Dienst mittels
eigener Messungen festgestellt hat, dass
der Arbeitsplatzgrenzwert für PER in
Textilreinigungen eingehalten wird (siehe
MEGA-Auswertung unten).
In Annahmestellen („kalter Laden“) geraten Beschäftigte nicht direkt mit PER in
Kontakt. Aus der angelieferten, gereinigten
Ware kann jedoch Lösungsmittel ausdünsten, sodass minimale PER-Konzentrationen
in die Raumluft gelangen. Messungen der
BG ETEM ergaben Konzentrationen unterhalb von 2 mg/m³.
Biomonitoring
Fotos: BG ETEM/A. Kaya
Bei Messungen von PER in der Raumluft
wird erfasst, inwieweit die Atemwege belastet sind. Will man die gesamte PERExposition ermitteln, also über Atemwege,
Haut und Nahrung, wird das sogenannte
Biomonitoring durchgeführt. Dabei werden
Schadstoffe oder deren Stoffwechselprodukte in Körperflüssigkeiten oder der
Ausatemluft bestimmt.
Die TRGS 903 „Biologische Grenzwerte
(BGW)“ weist nur einen biologischen
Grenzwert für PER im Blut aus. Beschäftigte empfinden es allerdings als weniger
unangenehm, wenn statt Blutproben
Atemproben genommen werden. Im Zuge
der Messaktion hat sich die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
(BAuA) daher einem speziellen Projekt gewidmet und ein Biomonitoring-Verfahren
in der Praxis erprobt, mit dem sich PER in
der Ausatemluft bestimmen lässt. Zur
Bewertung wurde der Biological Exposure
Index (BEI) der American Conference of
Bei sachgerechter
Arbeitsweise wird der
Arbeitsplatzgrenzwert
für PER zuverlässig
eingehalten.
Governmental Industrial Hygenists (ACGIH/
USA) herangezogen. Bei Beschäftigten,
die Maschinen bedienen, wurden höhere
Werte gefunden als bei anderen, die
beispielsweise bügeln. Alle ermittelten
Werte lagen unterhalb des BEI.
Auch die Ergebnisse des Biomonitoring
bestätigen eigene Erfahrungen aus einem
früheren Forschungsprojekt: Im Rahmen
einer Pilotstudie hatte die BG ETEM bei
13 Beschäftigten aus fünf Textilreinigungsbetrieben die PER-Konzentration im Blut
bestimmt. Die Werte lagen zwischen
3,5 und 262 µg/l. Der biologische Grenzwert
für PER beträgt 1 mg/l bzw. 1.000 µg/l.
Praxishilfen
Der Bericht der Länder stellt zwar fest,
dass der Grenzwert für PER in Textilreinigungsbetrieben eingehalten wird.
Bemängelt wird aber auch, dass einige
Unternehmen grundlegende organisatorische
Arbeitsschutzmaßnahmen
nur
unzureichend umsetzen. Beispielsweise
konnte in einigen Reinigungen die Gefährdungsbeurteilung nicht vorgelegt
werden oder die Betriebsanweisung für
Tätigkeiten mit PER waren nicht bekannt.
Auswertung der Expositionsdatenbank MEGA des Instituts für Arbeitsschutz (IFA) der DGUV
Zeitraum
Anzahl Betriebe
Anzahl
Messwerte
50 %-Wert [mg/m3]
95 %-Wert [mg/m3]
2000-2014
20
92
6,2
43,4
etem 01.2016
Um diesen Unternehmerpflichten einfacher nachzukommen, bietet die BG ETEM
Praxishilfen an. In ihrem Online-Medienshop gibt es für Tätigkeiten mit PER
beispielsweise Muster für eine Gefährdungsbeurteilung und eine Betriebsanweisung sowie Unterweisungshilfen
und Prüflisten (mehr unter info).
Dr. Siegfried Hoffmann
→→info
▪▪ „Leitfaden
zur Gefährdungsbeurteilung
nach Gefahrstoffverordnung“ (S 017)
▪▪ Prüfliste „Tägliche Sichtprüfung von
Textilreinigungsmaschinen mit PER“
(PL 045)
▪▪ Prüfliste „Jährliche Prüfung von Textilreinigungsmaschinen mit PER“ (PL 046)
▪▪ Betriebsanweisung „Chemischreinigungsmaschine – Be- und Entladen –
Perchlorethylen (PER)“ (B 050)
Diese und weitere Materialien zu Tätigkeiten mit PER im Medienshop:
www.bgetem.de, Webcode 11205644
▪▪ Projektbericht „TetrachlorethenExposition in Chemischreinigungen“
▪▪ Handlungsanleitung zur guten
Arbeitspraxis „Tetrachlorethen (PER) –
Exposition von Beschäftigten bei Tätigkeiten in Chemischreinigungen“
Beide Medien erhältlich unter:
www.laendermessstellen.de
> Projektarbeit
> Expositionsbeschreibungen
21
betrieb & praxis
Unfallprävention im Spinnereivorwerk
Kein ungesicherter Zugriff
Mit ihren aggressiven
Garnituren stellen Walzen
in Vorwerksmaschinen
eine erhebliche Gefahr dar.
Deshalb müssen sie rundum gut gesichert sein.
A
n einer Produktionslinie für Vliesstoffe
verstopfte der Feinöffner, weil sich
Fasern angehäuft hatten. Um den Stau zu
beheben, stellte der Anlagenführer zunächst die Maschine ab. Dann öffnete er
einen Wartungsschieber und griff in den
Materialschacht, um die überschüssigen
Fasern herauszuholen. Er geriet mit der
Hand an die Arbeitswalze, die noch
nachlief: Dabei verletzte er seine Finger
schwer. Der Wartungsschieber befand
sich so nah an der gefährlichen Öffnerwalze, dass diese mit gestreckter Hand
noch erreichbar war. Deshalb hätte der
Schieber mit Verriegelung und Zuhaltung
gesichert sein müssen.
Von Walzen, die mit Sägezähnen, Messern, Stiften, Häkchen oder ähnlichen
Garnituren versehen sind, geht eine
erhebliche Verletzungsgefahr aus. Meist
handelt es sich um große Walzen mit
hoher Drehzahl. Aufgrund ihrer Masse
laufen sie nach dem Abschalten lange
nach. Daher verlangt die harmonisierte
Norm „Textilmaschinen – Sicherheitsanforderungen“ seit 1995 als Stand der
Technik, dass diese Maschinenelemente
durch feste Verkleidungen gesichert
werden. Dort, wo es für den Betrieb der
Anlage nötig ist, darf der Zugriff ausschließlich über bewegliche, trennende
Schutzeinrichtungen mit Zuhaltung und
Verriegelung möglich sein (mehr dazu
im Infokasten auf der rechten Seite).
Vorhängeschloss
nicht ausreichend
Aber nicht nur das technische Regelwerk zur Maschinenrichtlinie fordert
derartige Schutzmaßnahmen. Schon die
Unfallverhütungsvorschrift von 1977 „Maschinen, Anlagen und Apparate der
Textilindustrie (Textilmaschinen)“ sah
Zuhaltung und Verriegelung für solche
Gefahrstellen vor.
Der Betrieb aus dem eingangs geschilderten Unfallbeispiel hatte die Gefährdung
bereits vor vielen Jahren erkannt. Statt
Zuhaltung und Verriegelung nachzurüsten,
war der Wartungsschieber lediglich mit
einem Vorhängeschloss versperrt worden.
22
etem 01.2016
betrieb & praxis
Das erfüllte aber schon zu dieser Zeit
nicht die Forderungen der damaligen
Unfallverhütungsvorschrift und entspricht
ebenso wenig dem heutigen Stand der
Technik. Denn bei der Schutzwirkung
eines Vorhängeschlosses spielt der
Faktor Mensch eine entscheidende Rolle:
▪▪ Ein Aufsperren bei laufender Anlage
ist möglich.
▪▪ Nach einer Wartungsmaßnahme
kann vergessen werden, das Schloss
wieder rechtzeitig anzubringen.
▪▪ Der Schlüssel kann in falsche Hände
gelangen.
▪▪ Das Wissen über den Zweck der Schutzmaßnahme kann im Laufe der Zeit in
Vergessenheit geraten.
Und was war im beschriebenen Fall
passiert? Das Vorhängeschloss war im
Begriffserklärungen
Verriegelung
Bei einer Verriegelung ist die bewegliche, trennende Schutzeinrichtung (Schutztür oder – in diesem Unfallbeispiel – Wartungsschieber) so mit der Steuerung
gekoppelt, dass der Antrieb beim Öffnen abschaltet. Bei offener Schutzeinrichtung
kann der Antrieb nicht gestartet werden.
Zuhaltung
Eine Zuhaltung wird z. B. benötigt, wenn Walzen nach dem Abschalten durch ihre
Schwungmasse nachlaufen. Währenddessen hält sie Schutztür (oder Schieber)
fest geschlossen. Erst wenn die Maschine vollständig zum Stillstand gekommen
ist, gibt die Steuerung die Schutztür frei.
Sicherheitsabstände
Um zu verhindern, dass Beschäftigte Gefahrstellen durch Öffnungen im Gehäuse
erreichen, müssen Sicherheitsabstände eingehalten werden. Diese sind in der
harmonisierten Norm „Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsabstände gegen
das Erreichen von Gefährdungsbereichen mit den oberen und unteren Gliedmaßen“ festgelegt. Diese Norm definiert u. a., wie weit man durch Öffnungen
greifen kann – abhängig von ihrer Größe. Daraus ergibt sich, wie weit eine
Gefahrstelle entfernt sein muss, damit sie nicht erreichbar ist.
Eine ausführliche Übersicht über Mindestabstände zu Gefahrstellen an Maschinen
bietet die Merkkarte „Sicherheitsabstände“ (068 DP). Sie ist im Medienshop
erhältlich unter www.bgetem.de, Webcode 15169732.
Was bedeutet „harmonisiert“?
Technische Regeln helfen dabei, sichere Maschinen zu bauen. Harmonisiert
sind Normen, wenn sie europaweit mit dem Ziel gelten, die grundlegenden
Sicherheitsanforderungen der europäischen Maschinenrichtlinie zu erfüllen.
Die EU führt diese Normen in einer Liste und veröffentlicht sie regelmäßig in
ihrem Amtsblatt. Werden solche europäischen Normen eingehalten, darf man
davon ausgehen, dass auch die Anforderungen der Maschinenrichtlinie erfüllt
sind (Konformitätsvermutung).
Illustration: E. Nohel; Fotos: BG ETEM/M. Nähler
Ein Vorhängeschloss erfüllt die Sicherheitsanforderungen nicht und führte hier zum Unfall.
Laufe der Zeit verloren gegangen. Der
Mitarbeiter konnte somit ungeschützt
in den Gefahrbereich greifen, um die
Störung zu beseitigen. Und es kam zum
Unfall, weil er den Nachlauf und die
Distanz zur gefährlichen Walze unterschätzt hatte.
Der Betrieb hat aus diesem schweren
Unfall die Konsequenzen gezogen und
am Wartungsschieber sofort Zuhaltung
und Verriegelung nach dem aktuellen
Stand der Technik nachgerüstet. Außerdem wurden alle Maschinen in der
Faseraufbereitung auf ähnliche Gefahrenquellen überprüft.
Gefahrstellen prüfen
Vorbildlich nachgerüstet: Wartungsschieber
mit Zuhaltung und Verriegelung
etem 01.2016
Jedes Unternehmen, das Vorwerksmaschinen betreibt, sollte diese wiederholt
prüfen: Wurden eventuell ungeschützte
Zugriffsmöglichkeiten übersehen, wie
leicht demontierbare Sichtfenster oder
Wartungsöffnungen? Störungen und drohende Produktivitätseinbußen können
dazu führen, dass Beschäftigte leichtsinnig
dort eingreifen, wo es nicht vorgesehen
ist. Das müssen Betriebe unbedingt
verhindern, und zwar durch ein gutes
technisches Sicherheitsniveau, gute Ausbildung und Einarbeitung sowie regelmäßige Unterweisungen. Denn Finger
wachsen nicht nach.
Martin Steiner
→→info
▪▪ Unterweisungshilfen
–
Ausgabe Textil und Mode (PU 021)
▪▪ Betriebsanweisung: „Bedienen von
Vorwerksmaschinen mit besonders
gefährlichen Arbeitselementen“ (B 152)
Download der Materialien unter
www.bgetem.de, Webcode 15777881
23
betrieb & praxis
Zeitungszustellung
Lieferung mit
Hindernissen
Ob Dunkelheit, Rutschgefahr oder angriffslustige
Vierbeiner: Beim Zustellen von Zeitungen
drohen tagtäglich zahlreiche Unfallgefahren.
Wie lässt sich vorbeugen?
B
ei der Zeitungszustellung geschehen
häufig Unfälle, insbesondere Stürze,
bedingt durch Witterungseinflüsse, wie
Schnee oder Glatteis. Die Folgen: menschliches Leid für die Betroffenen, erhebliche
Kosten für die Unternehmen und Träger
der gesetzlichen Unfallversicherung. So
mussten allein für die Heilbehandlung
in den vergangenen Jahren regelmäßig
mehrere Millionen Euro ausgegeben werden. Deshalb bestand Handlungsbedarf,
um durch präventive Maßnahmen die
Unfallzahlen zu senken.
Diese präventiven Maßnahmen stehen
im Mittelpunkt der neu herausgegebenen
DGUV Information 208-046 „Sicherheit und
Gesundheitsschutz bei der Zeitungszustellung“. In dieser Information wird
erstmalig das Augenmerk auf den Arbeitsund Gesundheitsschutz von Zeitungszustellern gerichtet. Als erster Schritt
müssen die Gefahren im Rahmen der
Gefährdungsbeurteilung ermittelt und bewertet werden. Die DGUV Information gibt
Wetterfeste, gut sichtbare Kleidung schützt
Zusteller bei jeder Witterung.
24
Beim Transport
mit dem Fahrrad
müssen alle Lasten gleichmäßig
verteilt werden.
dazu Hilfestellungen und zeigt Wege auf,
um die in einer Gefährdungsbeurteilung
ermittelten Maßnahmen umzusetzen.
Wetterfeste Ausrüstung
Da Zeitungszustellerinnen und -zusteller
häufig im Dunkeln unterwegs sind, laufen
sie stärker Gefahr, umzuknicken oder
ungünstig aufzutreten. Zudem kann die
jeweilige Witterung Stolper-, Rutsch- oder
Sturz-Unfälle begünstigen, besonders bei
nassem Laub, Schnee- und Eisglätte.
Deshalb ist es notwendig, zweckmäßiges
und festes Schuhwerk zu tragen (siehe
Infokasten auf S. 25). Damit lassen sich
eine Vielzahl von Arbeitsunfällen, wie
Knochenbrüche, Verstauchungen, Sehnenund Bänderverletzungen, verhindern. Die
BG ETEM hat die praktische Anwendung
von Sicherheitsschuhen mit rutschhemmender Sohle untersucht – mit dem
Ergebnis, dass bei konsequentem Tragen
Unfälle seltener passieren und die Unfallschwere abnimmt. Nicht jeder Sicherheitsschuh eignet sich jedoch für die
Zustellung, die meisten sind für Arbeiten
in Innenräumen optimiert.
Zustellerinnen und Zusteller arbeiten
auch bei widrigen Witterungsbedingungen.
Dabei sind sie häufig Kälte und Nässe,
Wind und Regen oder Schnee ausgesetzt.
Atmungsaktive, wasserdichte Jacken haben sich dann bewährt. Sie sollen gut
sichtbar sein, möglichst in Signalfarben,
und mit Reflektoren ausgestattet.
Aber auch das eigene Verhalten jedes
Einzelnen trägt immens zur Arbeitssicherheit bei. Deshalb ist es wesentlich,
sich mit den möglichen Gefahren auf
einer Tour auseinanderzusetzen sowie
Verhaltensregeln zu beachten, bereitgestellte Sicherheitsausrüstung zu benutzen
und Mängel zu melden.
Zeitungen werden oft vor Tagesanbruch
ausgetragen, die Haus- und Straßenbeleuchtung reicht häufig für gute Sicht
nicht aus. Daher sollten Betriebe eine
geeignete Taschenlampe zum Ausleuchten dunkler Wegstrecken zur Verfügung
stellen. Als praktisch haben sich Stirnlampen mit LED-Technik erwiesen, welche
die Hände bei der Zustellung freilassen.
Verschiedene Transportmittel
Je nach Zustellbezirk und örtlichen Gegebenheiten werden verschiedene Hilfsmittel eingesetzt. Man unterscheidet die
Zustellung zu Fuß, mit dem Fahrrad oder
dem Auto, um nur die gebräuchlichsten
Transportarten zu nennen. Dabei gilt es,
die jeweilig optimale Situation für die
Zustellung zu schaffen.
etem 01.2016
betrieb & praxis
Für bessere Sicht in
den frühen Morgenstunden sorgt eine
LED-Stirnlampe; die
Hände bleiben frei.
Fotos: K. Eggers; anders.art
Um Stolper-, Rutsch- oder Sturzunfällen vorzubeugen, sind Sicherheitsschuhe das A und O.
Bei der Zustellung zu Fuß spielt das Tragen von Zeitungen oder Zeitungspaketen
eine wesentliche Rolle. Die Belastungen
werden durch folgende Faktoren bestimmt:
▪▪ Gewicht und Größe der Zeitungspakete
▪▪ Anzahl der Hebevorgänge
▪▪ eingenommene Körperhaltung
▪▪ Länge und Beschaffenheit des Transportweges
Wird ein Fahrrad genutzt, muss es
verkehrssicher sein und den Vorschriften
der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung
entsprechen. Die richtige Sattelhöhe ist
eingestellt, wenn die Fußballen beider
Füße bei gestreckten Beinen den Boden
erreichen. Leuchten mit Standlichtfunktion
sind besonders empfehlenswert, weil sie
etem 01.2016
bei Fahrtunterbrechungen mehrere Minuten genauso hell leuchten wie während
der Fahrt – bei Rückleuchten sogar bis zu
30 Minuten. Speichenreflektoren müssen
vorhanden sein. Die eingesetzten Packtaschen sollten zusätzlich reflektierende
Streifen aufweisen. Das Fahrrad muss
sich für den Transport schwerer Lasten
eignen, besonders der Gepäckträger
muss entsprechend stabil sein. Gegebenenfalls muss ein spezielles Lastfahrrad
mit Packtaschen verwendet werden. Die
Lasten der Packtaschen sollen gleichmäßig verteilt werden. Ein Helm mindert
Risiko und Schwere von Verletzungen bei
einem Unfall erheblich.
Auch bei der Zustellung mit dem
Kraftfahrzeug müssen selbstverständlich
die Regeln des Straßenverkehrs eingehalten werden. Zustellerin und Zusteller
brauchen eine gültige Fahrerlaubnis und
ihr Auto muss der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung entsprechen. Unternehmen sollten das regelmäßig überprüfen.
Fahrzeuge müssen so beladen werden,
dass die Ladung nicht verrutschen kann.
Diese ist entsprechend zu sichern. Ungesicherte Ladung gehört nicht auf den
Beifahrersitz. Wichtig ist, dass man umsichtig aussteigt, Haltegriffe benutzt und
nicht herausspringt.
Sturzgefahr und Hundebisse
Neben den beschriebenen Gefahren ergeben sich noch einige besonders gefährliche Situationen, etwa auf schlecht
beleuchteten Baustellen. Deshalb ist dort
besondere Aufmerksamkeit erforderlich.
Wenn vorhanden, müssen gekennzeichnete Wege benutzt werden. Manchmal
ist eine gefahrlose Auslieferung nicht
möglich, zum Beispiel wegen fehlender
Beleuchtung. Dann muss die Zustellung
auf eine Tageszeit verschoben werden,
zu der der Baustellenbereich gefahrlos
betreten werden kann.
Nicht wenige Zeitungszustellerinnen
oder -zusteller werden jährlich durch
Hundebisse verletzt. Betriebe sollten
ihnen daher schon bei der Einstellung
erklären, wie sie sich gegenüber Hunden
verhalten sollen, und zwar anhand
einer Unterweisung. Bewährt haben sich
Hundemerkkarten, die wichtige Informationen zu potenziell gefährlichen Hunden
Ralf Bezdek
enthalten.
→→info
DGUV Information 208-046 „Sicherheit
und Gesundheitsschutz bei der Zeitungszustellung“ im Medienshop unter
www.bgetem.de, Webcode 12282701
Sicherheitsschuhe
Sicherheitsschuhe sollten
folgende Anforderungen erfüllen:
▪▪ rutschfeste, profilierte und biegeweiche Sohlen, geeignet für
Schnee und Glatteis
▪▪ Schutz gegen Nässe durch wasserabweisende oder wasserdichte
Ausführung
▪▪ anatomisch geformtes Fußbett
mit guten Dämpfungseigenschaften
▪▪ den Fuß umschließendes
Schuhwerk in knöchelhoher Ausführung mit gepolstertem Rand
▪▪ geringes Gewicht
▪▪ atmungsaktiv, hoher Trage- und
Laufkomfort
▪▪ Innenfutter als Kälteschutz für die
Wintermonate
25
betrieb & praxis
Lagerung brennbarer Flüssigkeiten, Teil 2
Damit’s nicht kracht
Beim Lagern entzündbarer Flüssigkeiten müssen Druckereien vielfältige
Schutzmaßnahmen beachten, vor allem aber explosionsgefährdete
Bereiche festlegen.
D
ruckereien verwenden diverse entzündbare Flüssigkeiten, z. B. im Offsetdruck, Verpackungstief- und Flexodruck
oder im Siebdruck. Bei deren Lagerung
müssen sie eine Reihe von Anforderungen
erfüllen (siehe etem 5/2015). Besonders
wichtig ist es, explosionsgefährdete Bereiche festzulegen. Den Geräten, die in
diesen Bereichen verwendet werden, wie
Lampen, Ventilatoren oder Fasspumpen,
gilt darüber hinaus ein besonderes
Augenmerk.
Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)
definiert – zusammen mit der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 720 –
explosionsfähige Atmosphäre als ein
Luft/Dampf-Gemisch, das sich entzündet
und in dem sich der Verbrennungsvor26
gang dann auf das gesamte unverbrannte
Gemisch überträgt. Je nach Ausmaß
der Gefahr werden explosionsgefährdete
Bereiche in die Zonen 0, 1 oder 2 eingeteilt (mehr zur Zoneneinteilung siehe
info auf Seite 27). Diese gelten im Regelfall für brennbare Flüssigkeiten mit einem
Flammpunkt unter 60 °C. Aerosole oder
brennbare Flüssigkeiten, die in der Nähe
ihres Flammpunktes oder darüber erwärmt werden, müssen gesondert beurteilt werden. Diese Sonderfälle werden
hier nicht betrachtet.
Passive Lagerung
Bei der passiven Lagerung werden Gefahrstoffe stets verschlossen aufbewahrt,
sie werden weder aus den Behältern
Vermeidbare Zündquellen
▪▪ Zone
2: Zündquellen, die bei
normalem störungsfreien Betrieb
auftreten können (betriebsmäßig
zu erwartende Zündquellen)
▪▪ Zone 1: Zusätzlich zu Zündquellen
der Zone 2 auch Zündquellen
durch Betriebsstörungen, mit
denen man üblicherweise
rechnen muss (häufiger auftretende Betriebsstörungen)
▪▪ Zone 0: Zusätzlich zu Zündquellen
der Zone 1 auch Zündquellen
durch selten auftretende Betriebsstörungen
etem 01.2016
betrieb & praxis
entnommen noch umgefüllt. Damit sich
keine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre bilden kann, müssen Lagerräume
ausreichend belüftet sein – auch in
Bodennähe.
Werden reine brennbare Flüssigkeiten
mit einem Flammpunkt über 35 °C bzw.
Gemische über 45 °C gelagert, gilt der Lagerraum nicht als explosionsgefährdeter
Bereich. Betriebe müssen sicherstellen,
dass sich die Flüssigkeiten dabei nicht
über 30 °C erwärmen können.
Anders verhält es sich bei brennbaren
Flüssigkeiten mit Flammpunkten unter
35 °C für reine Stoffe (z. B. Isopropanol,
kurz IPA) bzw. unter 45 °C für Gemische
(z. B. Testbenzin): Dann hängt die Zoneneinteilung von der Größe des Lagerraumes und der Luftwechselrate ab.
Gleiches gilt auch für Lagertemperaturen
über 30 °C.
Alle fest installierten Betriebsmittel,
wie Lampen, Ventilatoren etc., sollten
mindestens der Gerätekategorie 3G
entsprechen (GefStoffV Anhang 1 Nr. 1.8).
Davon können Betriebe nur in Einzelfällen nach Gefährdungsbeurteilung abweichen.
Aktive Lagerung
Werden in Lagerräumen Gefahrstoffbehälter geöffnet, beispielsweise um sie
zu reinigen oder Flüssigkeiten umzu-
füllen, handelt es sich um aktive
Lagerung. Im Falle von brennbaren
Flüssigkeiten mit Flammpunkten kleiner
60 °C gilt ein solcher Bereich als Zone 1,
unabhängig von der Art der Abfüllung
und der abgefüllten Menge. Räume mit
Abfüllplätzen unterliegen der TRGS 722
„Vermeidung oder Einschränkung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre“.
Schutzmaßnahmen
Alle Geräte und Betriebsmittel, die in
explosionsgefährdeten Bereichen eingesetzt werden, müssen die Anforderungen
des Anhangs 1 Nr. 1.8 der Gefahrstoffverordnung erfüllen (siehe Grafik unten).
In unmittelbarer Nähe von Zone 0 und 1
und oberhalb aller explosionsgefährdeten
Bereiche dürfen Geräte, die als Zündquellen wirken können, nicht verwendet
werden. Das bedeutet, dass dort weder
Feuerstätten betrieben werden dürfen
(Funkenflug) noch mit Feuer oder glühenden Gegenständen hantiert werden darf
(Rauchen). Auch Beleuchtungskörper, die
bei mechanischem Defekt Zündquellen
erzeugen können, sind tabu (Glühwendel
muss aufgefangen werden). Welche Arten
von Zündquellen in welchen Zonen zu
vermeiden sind, zeigt der Infokasten auf
Seite 26).
Weitere wirksame Zündquellen, die
in der Nähe explosionsgefährdeter Be-
Zulässige Betriebsmittel für unterschiedliche Zonen
Explosionsgefährliche Atmosphäre tritt auf
Zone 0
Zone 1
Zone 2
häufig
nie
Fotos: BG ETEM/M. Zapf; Fotolia, bilderzwerg
1G
Im Normalbetrieb bei anzunehmenden und
bei seltenen Störungen
Diese werden durch elektrostatische Aufladungen verursacht und
müssen durch geeignete Maßnahmen verhindert werden:
▪▪ Materialien mit geringer elektrischer Leitfähigkeit vermeiden
▪▪ Geeignete Materialien für den
Fußboden (Ableitwiderstand < 108 Ohm) auswählen
▪▪ Ableitende Schuhe (Ableitwiderstand < 108 Ohm) tragen, vorzugsweise ESD-Schuhe
▪▪ Zone 1: Lüftungs- und Saugrohre
innen und außen leitfähig oder
ableitfähig sowie geerdet bzw.
mit Erdkontakt versehen
▪▪ Elektrostatische Aufladungen
beim Befüllen von Behältern vermeiden
▪▪ Mit Erdungsmaßnahmen Aufladen leitfähiger und ableitfähiger
Teile verhindern (für das Aufladen
isolierender Teile oder Flüssigkeiten nicht möglich!)
▪▪ Leitfähige Bauteile: elektrisch verbunden und geerdet
reiche nicht auftreten dürfen, sind u. a.
heiße Oberflächen, mechanisch erzeugte
Funken, elektrische Anlagen und statische Aufladung.
Betriebe müssen dafür Sorge tragen,
dass in Einmündungen und Schutzrohren
für Kabel und Rohrleitungen keinerlei
brennbare Flüssigkeiten und deren Dämpfe
eindringen können. Dr. Axel Mayer
→→info
▪▪ BG Infoblatt
Es gibt keine Zündquellen durch Betriebsmittel
Gefährliche
Entladungsvorgänge
2G
Im Normalbetrieb
bei anzunehmenden
Störungen
3G
Im Normalbetrieb
Nr. 402 „Lagerung brennbarer Flüssigkeiten im Bereich Druck und
Papierverarbeitung – Gefahrstofflager“:
www.bgetem.de, Webcode 11205644
▪▪ Gefahrstoffverordnung: www.baua.de
▪▪ Technische Regeln für Gefahrstoffe zur
Lagerung sowie explosionsfähiger
Atmosphäre (TRGS 510, TRGS 720,
TRGS 721, TRGS 722): www.baua.de
▪▪ Übersicht zur Zoneneinteilung bei
aktiver und passiver Lagerung sowie
Informationen zur Gerätekennzeichnung:
www.bgetem.de, Webcode 15117823
G = Gas, 1 – 3 Gerätekategorie nach „ATEX-Produktlinie“
(= Wahrscheinlichkeiten, dass Zündquellen wirksam werden)
etem 01.2016
27
gesundheit
Schlaftypen und Schichtarbeit (Teil 2)
Mehr Einklang
mit dem Körper
Dieser Beitrag stellt die Erfahrungen eines Unternehmens vor, das den Schlaftyp seiner Mitarbeiter
analysiert und seinen Schichtplan auf diese Schlafbedürfnisse abgestimmt hat.
D
ie Leistungsfähigkeit eines Menschen
ist unter anderem davon abhängig, ob
er die täglichen Herausforderungen möglichst optimal mit seinem persönlichen
Tagesrhythmus („Biorhythmus“) in Einklang bringen kann (siehe auch „etem“
6/2015). Dies ist in Betrieben mit Wechselschicht nicht der Fall. Hier muss jeder
Schichtarbeiter regelmäßig zu Zeiten arbeiten, in denen sein Tagesrhythmus auf
Tiefschlaf eingestellt ist.
So hatte auch die in Gelsenkirchen ansässige Fa. thyssenkrupp Electrical
Steel – wie die meisten Unternehmen mit
Schichtarbeit – ein Wechselschichtsystem. Hier sind die Nachteile und die finan-
ziellen Vorteile der Schichtarbeit für alle
Beschäftigten gleich. In dem Unternehmen werden von Montagmorgen bis
Samstagabend Elektrobänder für Transformatoren und Umspannwerke hergestellt.
Schichtsystem nach Biorhythmus
In der Vergangenheit wurde an 6 Tagen
die Woche in einem 4-Schicht-System produziert (Grafik 1, Schichtplan A). Dieses
Schichtsystem sollte unter Beteiligung
des Schlafforschers Prof. Dr. Till Roenneberg von der Universität München im Einklang mit dem biologischen Rhythmus
gestaltet werden, indem der Schlaftyp berücksichtigt wird. Um den Schlaftyp von
jedem der 114 Schichtarbeiter festzustellen, führte jeder Teilnehmer ein Schlaftagebuch. Zudem wurden ein Fragebogen
und das Aktimeter, das die Bewegungen
des Handgelenkes misst, ausgewertet
und miteinander verglichen.
Danach wurden die Teilnehmer entsprechend ihrer Schlafenszeit an freien Tagen
in vier gleich große Gruppen aufgeteilt:
So.
Sa.
Fr.
Do.
Mi.
Di.
Mo.
So.
Sa.
Fr.
Do.
Mi.
Di.
Mo.
So.
Sa.
Fr.
Do.
Mi.
Di.
Mo.
So.
Sa.
Fr.
Do.
Mi.
Di.
Mo.
Grafik 1: Die Schichtpläne bei thyssenkrupp Electrical Steel
G 1*
G 2*
G 3*
G 4*
So.
Sa.
Fr.
Do.
Mi.
Di.
Mo.
So.
Sa.
Fr.
Do.
Mi.
Di.
Mo.
So.
Sa.
Fr.
Do.
Mi.
Di.
Mo.
So.
Sa.
Fr.
Do.
Mi.
Di.
Mo.
A: Ursprünglicher 2-2-2-Plan. Alle Beschäftigten hatten die gleiche Schichtfolge. Hellgrün: Frühschicht (6:00 – 14:00 Uhr), grün:
Spätschicht (14:00 – 22:00 Uhr), schwarz: Nachtschicht (22:00 – 06:00 Uhr), weiß: Freischicht. *G (= Gruppe) 1-4
F 1**
F 2**
S 1**
S 2**
B: An den Schlaftyp angepasster Schichtplan: Die anstrengendsten Schichten wurden für extreme Schlaftypen abgeschafft (Nachtschicht für die frühen Lerchen, Frühschicht für die späten Eulen). ** F 1 + 2 = Frühe und späte Lerchen, S 1 + 2 = frühe und späte Eulen
28
etem 01.2016
gesundheit
Anteil der Teilnehmer in %
Grafik 2: Verteilung der Schlaftypen (Skizze)
späte
Lerchen
40
30
20
frühe
Lerchen
frühe
Eulen
10
späte
Eulen
0
22:00
6:00
0:00
8:00
2:00
10:00
4:00
12:00
Schlafzeiten an freien Tagen
Wer dauerhaft gegen seinen Schlaftyp arbeitet, muss mit Folgen für die Gesundheit rechnen.
1. Frühe Lerchen (Früh-1-Typ)
2. Späte Lerchen (Früh-2-Typ)
3. Frühe Eulen (Spät-1-Typ)
4. Späte Eulen (Spät-2-Typ).
Foto: Getty Images/iStockphoto, KatarzynaBialasiewicz
Entsprechend der Einteilung der Beschäftigten wurde der Schichtplan umgestellt.
Im ursprünglichen Schichtplan hatte jede
Gruppe in vier Wochen jeweils drei 2-tägige Früh-, Spät-, Nacht- und Freischichten.
Im angepassten Schichtsystem hatte
jede Gruppe drei Freischichten und
▪▪ Frühe Lerchen (Früh-1-Typ): 7 Frühschichten, 2 Spätschichten
▪▪ Späte Lerchen (Früh-2-Typ): 3 Früh-,
4 Spät- und 2 Nachtschichten
▪▪ Frühe Eulen (Spät-1-Typ): 2 Früh-,
4 Spät- und 3 Nachtschichten
▪▪ Späte Eulen (Spät-2-Typ): 7 Nachtschichten und 2 Spätschichten
Ergebnisse nach 5 Monaten im
angepassten Schichtplan
In ihren Schlaftagebüchern dokumentierten die Teilnehmer, wann sie schlafen gingen, aufstanden, die Qualität ihres Schlafs
und ihr Wohlbefinden. Sie führten die Bücher jeweils vier Wochen
▪▪ im alten Schichtsystem,
▪▪ direkt nach der Umstellung in den angepassten Schichtplan und
▪▪ 4 Monate nach der Einführung des angepassten Schichtplans.
etem 01.2016
Die „extremen Gruppen“, also die frühen
Lerchen und die späten Eulen, profitierten
am meisten vom angepassten Schichtplan. An den Arbeitstagen schliefen sie
ca. 25 Minuten länger und ihre Schlafqualität verbesserte sich deutlich. Zudem
fühlten sie sich deutlich besser. Diese Effekte waren bei den späten Eulen umso
ausgeprägter, je später ihre natürliche
Schlafenszeit war. Außerdem konnten die
Teilnehmer ungefähr zu den gleichen Zeiten schlafen, die ihrem Schlaftyp entsprachen. Die erzwungene Verschiebung der
Schlafzeiten nahm um ca. 1,5 Stunden ab.
Die Zufriedenheit mit der Zeit für die
Teilnahme am gesellschaftlichen Leben
nahm für die frühen Lerchen zu, für die
anderen Schlaftypen aber ab. Dies hatte
mehrere Ursachen:
▪▪ Die Produktion wurde während der Untersuchung deutlich gesteigert, sodass
an einigen Wochenenden Überstunden
geleistet werden mussten.
▪▪ Jede Änderung der Arbeitszeit bedeutet
für Schichtarbeiter einen massiven Eingriff in das Privatleben, der noch nicht
verarbeitet war.
▪▪ Die späten Lerchen und die frühen Eulen mussten jeweils eine Spätschicht
mehr leisten. Diese Tageszeit ist für die
Teilnahme am gesellschaftlichen Leben
aber besonders wichtig.
▪▪ Die späten Eulen mussten an drei von
Anteil der Teilnehmer entsprechend ihrer
Schlafzeiten an einem freien Tag und ihre Einteilung in die entsprechende Gruppe.
vier Freitag- und Samstagabenden arbeiten. Diese Zeiten sind besonders für das
Privatleben junger Leute, bei denen dieser Schlaftyp oft anzutreffen ist, wichtig.
Grenzen der Untersuchung
Die Untersuchung zeigt deutlich, dass eine Schichtplangestaltung unter Beteiligung des Schlaftyps große Vorteile für die
Schlafdauer, die Schlafqualität und das
Wohlbefinden der Betroffenen hat. Es
müssen aber weitere Untersuchungen folgen, weil die Studie einige Grenzen hatte:
▪▪ Es nahmen fast nur Männer teil.
▪▪ Die Teilnehmerzahl war mit 114 Personen relativ klein.
▪▪ Finanzielle Nachteile wurden von der
Firma ausgeglichen, wenn in weniger
Nachtschichten gearbeitet wurde.
▪▪ Der neue Schichtplan hat weniger
Schichtwechsel. Es kann sein, dass dies
positive Einflüsse auf das Wohlbefinden
hatte.
Christian Hiller
→→info
Eine Zusammenfassung der wissenschaftlichen Studie, die diesem Beitrag
zugrunde liegt, ist zu finden unter:
www.cell.com/current-biology/abstract/
S0960-9822(15)00128-1 (englisch)
29
gesundheit
Interview
„Durchmischung der
Schichten war wichtig“
? Warum wollten Sie einen neuen
Schichtplan einführen?
Bei der arbeitsmedizinischen Betreuung
der Mitarbeiter zeigte sich, dass diese
sehr verschiedene Biorhythmen haben.
Um die gesundheitlichen Belastungen
durch Schichtarbeit zu verringern, wollten
wir auf diese Unterschiede Rücksicht
nehmen. Dazu haben wir Prof. Dr. Till
Roenneberg um Hilfe gebeten. Er hat den
Schlaftyp der einzelnen Schichtarbeiter
bestimmt. Aufgrund dieser Ergebnisse
wurde der neue Schichtplan entwickelt.
?Waren die Mitarbeiter direkt von dem
neuen Schichtplan begeistert?
Nein. Tatsächlich waren nach der Ankündigung der neuen Schichtpläne insbesondere die Kollegen, die in die Spät-2Schicht eingeteilt wurden, zuerst von der
Anzahl der zu leistenden Nachtschichten
nicht begeistert. Für die anderen Schichtgruppen änderte sich ja entweder relativ
wenig (Früh-2 und Spät-1) oder es ergab
sich eine sehr positiv wahrgenommene
Veränderung (Früh-1). Hier wurde entsprechend der Wechsel des eigenen Schichtrhythmus nicht so negativ gesehen.
?Was war für die Akzeptanz der neuen
Schichtgruppen entscheidend?
Für eine Vielzahl von Mitarbeitern aller
Schichtgruppen war entscheidend, dass
die Zusammensetzung der Schichten
durchmischt wurde. Dies wurde unabhängig von den künftigen Arbeitszeiten im
Vorfeld wesentlich kritischer gesehen. Die
mit dem eingeführten Schichtplan verbundene „Durchmischung“ der früheren
Schichten führte letztendlich aber unseres Erachtens zu einer verbesserten Kom-
30
Dr. Jörg Augustin,
Leiter des Betriebsärztlichen Dienstes
der thyssenkrupp
Electrical Steel GmbH
Jens Roßkothen,
Betrieblicher Gesundheitsmanager der
thyssenkrupp Steel
Europe AG
munikation unter den Mitarbeitern, die
auch nach Beendigung des Projektes und
Rückführung der Mitarbeiter in das „alte“
Schichtsystem heute noch spürbar ist.
?Welche Vorteile ergaben sich durch die
Schichtplanänderung?
Ein großer Vorteil der veränderten Schichtenplanung lag für alle Mitarbeiter in der
teilweise deutlichen Reduzierung sogenannter kurzer Wechsel, die sonst im
Übergang der jeweils letzten Nachtschicht zur ersten Frühschicht entstehen
und die einen Großteil der Belastung des
normalen Schichtmodells ausmachen.
?Warum sind Sie zum alten Schichtplan
zurückgekehrt?
Das Projekt Chronobiologie war nur für
insgesamt fünf Monate geplant. Dies war
zuvor festgelegt und in einer Betriebsvereinbarung verankert worden. Wir mussten
daher in jedem Fall zur alten Schichtform
zurückkehren. Das Projekt sollte lediglich
zeigen, ob die Chronobiologie überhaupt
berücksichtigt werden sollte, wenn es zukünftig darum geht, neue Schichtformen
zu generieren. Bisher war dies noch nie in
der Praxis erprobt worden. Daher auch die
Empfehlung, ein ggf. erneutes Projekt mit
einer längeren Laufzeit durchzuführen.
?Die meisten Teilnehmer beklagten,
dass sie weniger Zeit für Freunde und
Familie hätten. Woran lag das? Gibt es
Lösungsmöglichkeiten?
Im Rahmen chronobiologischer Schichtsysteme bleibt immer der Konflikt zwischen den Arbeitszeiten, die das Schlafverhalten möglichst positiv beeinflussen,
und den Arbeitszeiten, die „sozialkompatibel“ sind. Manchmal ist es wichtiger,
sein soziales Leben zu gestalten als ausgeschlafen zu sein. Da alle Mitarbeiter
individuelle Bedürfnisse und Vorlieben
haben, ist es letztlich schwer, einen
Schichtplan zu erstellen, der alle zufrieden stellt. So war es leider auch hier.
Einige wenige hatten Probleme, ihr Privatleben, vor allem die Kinderbetreuung, mit
dem neuen Schichtplan in Einklang zu
bringen. So mussten wir zum alten zurückkehren, da wir vorher vereinbart hatten, den neuen Plan nur bei einhelliger
Zustimmung beizubehalten. Dabei hatte
die Mehrheit von ihm sehr profitiert.
?Was empfehlen Sie Nachahmern, wo-
vor warnen Sie?
Sollte ein Projekt zum Thema Chronobiologie noch einmal durchgeführt werden,
so würden wir unbedingt eine längere
Projektlaufzeit empfehlen, um die Ergebnisse zu konkretisieren. Für das Projekt
sollte genügend Vorlaufzeit eingeplant
werden, damit das Projektteam die Mitarbeiter über die Hintergründe ausführlich
informieren und eine hohe Akzeptanz erzielen kann. Zum Start jedoch sollten alle
betroffenen Mitarbeiter über grundsätzliche Inhalte des Projektes möglichst zeitnah und gemeinsam informiert werden,
um „Gerüchte und Flurfunk“ zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist auch
die frühzeitige Einbindung der Arbeitnehmervertretung unbedingt erforderlich.
etem 01.2016
Fotos: privat
Betriebsarzt Dr. Jörg Augustin und Betrieblicher Gesundheitsmanager Jens Roßkothen, die den ersten Test eines
an den Schlaftyp angepassten Schichtplans von betrieblicher Seite begleiteten, über ihre Erfahrungen.
service
Einstimmig nahm
die Vertreterversammlung die Jahresrechnung 2014 ab.
Vertreterversammlung
Ausgaben gesunken
Um 0,45 Prozent sanken die Ausgaben der BG ETEM
im Jahr 2014. Gleichzeitig stiegen die Einnahmen
um sechs Prozent. Diese erfreuliche Bilanz nahm die
Vertreterversammlung der Berufsgenossenschaft
im Dezember vergangenen Jahres in Köln ab.
Fotos: BG ETEM/Lothspeich
D
ie Beschlüsse dürften den je 30
Versicherten- und Arbeitgebervertretern nicht schwergefallen sein – denn die
Solidargemeinschaft der BG ETEM steht
finanziell blendend da. Der Abschluss der
Jahresrechnung 2014 weist Ausgaben in
Höhe von knapp 1,36 Milliarden Euro aus.
Das entspricht einem Rückgang um 0,45
Prozent gegenüber 2013. Gleichzeitig stiegen die Einnahmen um mehr als sechs
Prozent auf rund 87,9 Millionen Euro.
Vor allem der nur moderate Anstieg der
Entschädigungsleistungen, die rund 60
Prozent der Ausgaben der BG ETEM ausmachen, begünstigte das Ergebnis. Ausschlaggebend für das Minus waren aber
die starken Rückgänge im Bereich der
Lastenverteilung, also der Unterstützung
anderer Berufsgenossenschaften, und
der Vermögensaufwendungen. Einstimmig nahm die Vertreterversammlung die
Jahresrechnung der BG ETEM ab und erteilte Vorstand und Geschäftsführung für
das Geschäftsjahr 2014 Entlastung.
Ebenso einstimmig beschloss die Vertreterversammlung den Haushaltsplan für
das Jahr 2016. Er sieht Ausgaben von 1,38
etem 01.2016
Das Podium (v.l.n.r.): Olaf Petermann, Vorsitzender der Geschäftsführung, Dr. Bernhard
Ascherl, stellv. Vorstandsvorsitzender,
Dr. Heinz-Willi Mölders, Vorsitzender der Vertreterversammlung, Karin Jung, stellv. Vorsitzende der Vertreterversammlung, Hans-Peter
Kern, Vorstandsvorsitzender
Milliarden Euro bei Einnahmen von rund
70 Millionen Euro vor. Gegenüber dem
Vorjahresplan bedeutet dies einen Anstieg des Haushaltsausgleichs von nur
0,5 Prozent.
Mit Kosten von rund 858 Millionen Euro
rechnet die BG ETEM im Bereich der
Entschädigungsleistungen. 118 Millionen
Euro werden in die Verhütung von Arbeitsund Wegeunfällen, Berufskrankheiten und
arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren
investiert. Finanziert werden damit vor
allem die Beratung und Aufsicht der Unternehmen, Weiterbildungsmaßnahmen,
Information und Werbung für Arbeitssicherheit sowie Prüf- und Zertifizierungsmaßnahmen. Die Verwaltungskosten
betragen voraussichtlich 98 Millionen Euro und bleiben damit nahezu unverändert.
Die Vertreterversammlung stimmte zudem dem Beitritt der Unfallversicherung
Bund und Bahn und der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe
zur gemeinsamen Einrichtung der Auslandsversicherung zu, beschloss eine
neue Prüfungsordnung für Aufsichtspersonen, neue Laufbahnrichtlinien und eine
neue Entschädigungsregelung für die Mitglieder der ehrenamtlichen Organe und
der Organausschüsse der BG ETEM.
Positiv bewertete die Vertreterversammlung die anstehende Sanierung und
den Umbau der Bildungsstätte Bad Münstereifel. Der Vorstand der BG ETEM hatte
zuvor beschlossen, in der Bildungsstätte
u. a. die baulichen Voraussetzungen für
Praxisfelder zu schaffen und die Barrierefreiheit zu verbessern.
Holger Zingsheim
→→info
www.bgetem.de, Webcode ...
▪▪ 11790284: Selbstverwaltung
▪▪ 12961956: Zahlen und Fakten
▪▪ 13795046: BS Bad Münstereifel
▪▪ 11590941: Auslandsversicherung
31
service
Unfallversicherung und Schutz im Ausland
Grenzenlose
Sicherheit
Für viele Mitarbeiter von BG ETEM-Mitgliedsbetrieben
ist es selbstverständlich, dass sie Teile ihres Arbeitslebens im Ausland verbringen. Wie es dann mit dem
Unfallversicherungsschutz aussieht, sorgt vor der
Abreise oft für Fragen.
F
ür die deutsche Sozialversicherung
gilt generell das Territorialitätsprinzip
(auch Beschäftigungslandprinzip genannt). Demnach sind alle Personen, die in
Deutschland in einem Beschäftigungsverhältnis stehen und hier arbeiten, gegen
die Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten versichert. Dieses Prinzip wird
aber aufgrund bestimmter Regelungen des
Sozialgesetzbuchs IV „durchbrochen“, das
heißt der Versicherungsschutz kann grenzübergreifend erweitert werden.
Tätigkeiten außerhalb Deutschlands
können aufgrund besonderer Vorschriften
versichert sein. Dazu gehören die Regelungen des Rechts der Europäischen
Union (EU – überstaatliches Recht), der
zweiseitigen Sozialversicherungsabkommen (zwischenstaatliches Recht) und
über die sogenannte Ausstrahlung.
Grundsätzlich ist jeder Arbeitnehmer,
der im Rahmen eines deutschen Arbeitsvertrags ins Ausland entsandt wird,
gesetzlich unfallversichert, wenn der Auslandseinsatz im Voraus zeitlich begrenzt
ist. Der Versicherungsschutz im Ausland
ist auch davon abhängig, in welches Land
der Arbeitnehmer entsandt wird. Zunächst ist dabei zu prüfen, ob es sich bei
dem Entsendeland um einen Staat des
Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) –
das sind alle EU-Staaten, Norwegen,
Liechtenstein, Island und die Schweiz –
oder eines Abkommensstaates handelt.
EWR- und Abkommensstaaten
Um zu vermeiden, dass bei grenzüberschreitenden Beschäftigungen unklar ist,
ob und welches nationale Recht gilt, wur32
den über- und zwischenstaatliche Regelungen getroffen.
▪▪ Für die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) gelten nach Beschluss des Europäischen Parlaments
die EG-Verordnungen 883/2004 und
987/2009.
▪▪ Mit allen übrigen Staaten kann Deutschland
Sozialversicherungsabkommen
schließen. Diese Abkommen können
unterschiedliche Bereiche der Sozialversicherung umfassen. Das bedeutet,
dass nicht jedes Abkommen den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung einbezieht.
Aktuell sind mit folgenden zwölf Ländern
Abkommen geschlossen, die die gesetzliche Unfallversicherung mit einschließen:
Bosnien-Herzegowina, Brasilien, Israel,
Kanada (nur Provinz Quebec), Kosovo,
Marokko, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Türkei, Tunesien und Uruguay.
Die über- und zwischenstaatlichen Regelungen sorgen dafür, dass ein Arbeitnehmer, der in Deutschland von einem
Unternehmen beschäftigt wird, auch
dann den deutschen Regelungen über die
soziale Sicherheit unterliegt, wenn die Tätigkeit in einem Land des EWR oder einem
Staat ausgeübt wird, mit dem ein Sozialversicherungsabkommen besteht.
Bei allen EWR- und Abkommensstaaten
muss für den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz geklärt sein, dass die Entsendung
▪▪ im Rahmen eines in Deutschland bestehenden Arbeitsverhältnisses erfolgt und
▪▪ infolge der Eigenart der Beschäftigung
oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.
Bei den Abkommensstaaten können auch
weitere Voraussetzungen gefordert sein.
Krankenversicherung entscheidet
Ob die deutschen Sozialversicherungsregeln weiter gelten, entscheidet der für
den Beschäftigten zuständige Krankenversicherungsträger. Dort muss der Arbeitgeber im Vorfeld der Entsendung die
Entsendebescheinigung A1/E101 einholen.
Bei den EWR-Staaten ist vorgesehen,
dass die voraussichtliche Dauer der Beschäftigung 24 Monate nicht überschreiten soll. Im Einzelfall kann diese Frist aber
überschritten werden. Hierzu kann ein
entsprechender Antrag auf Sondervereinbarung bei der DVKA (Pennefeldsweg 12c,
53177 Bonn) gestellt werden.
In den Sozialversicherungsabkommen
zwischen Deutschland und den Abkometem 01.2016
service
Auch wer zeitweise für seinen Arbeitgeber im Ausland
arbeitet, ist in aller Regel
unfallversichert. Im Einzelfall
kommt es auf die Art des
jeweiligen staatlichen Abkommens an.
rung (AUV) an. Die AUV ist eine freiwillige
Versicherung und erfasst vor allem die
Fälle, in denen das inländische Beschäftigungsverhältnis während der Auslandstätigkeit ruht oder aufgrund der Länge des
Entsendezeitraums kein Versicherungsschutz im Rahmen des EU- bzw. Abkommensrechts zustande gekommen ist.
Bei der AUV handelt es sich um eine
Versicherung „auf Antrag“. Der Antrag
muss vor Aufnahme der Auslandstätigkeit
bei der BG ETEM gestellt werden (siehe
„info“). Mit dem Abschluss einer AUV erwirbt der Arbeitnehmer gesetzlichen Unfallversicherungsschutz.
Stefan Flohr/Sebastian Widiger
mensstaaten können unterschiedliche
Zeiträume und Verlängerungsmöglichkeiten vereinbart sein.
Foto: iStock by Getty Images/Mike_Kiev
Ausstrahlung
Zählt das Land, in das der Arbeitnehmer
entsandt wird, weder zu den EWR- noch
zu den Abkommensstaaten, kann der Versicherungsschutz über die sogenannte
Ausstrahlung bestehen.
Bei einer Ausstrahlung wird ein Mitarbeiter eines deutschen Unternehmens für
einen im Voraus begrenzten Zeitraum ins
Ausland entsandt – entweder aufgrund
vertraglicher Vereinbarung oder infolge
der Eigenart der Tätigkeit (z. B. Montage
einer Maschine). In diesen Fällen gilt während des Auslandsaufenthalts das deutsche Sozialversicherungsrecht weiter.
Im Unterschied zum zwischen- und
überstaatlichen Recht gibt es hier aber
keine zeitliche Höchstgrenze für den Ausetem 01.2016
landsaufenthalt. Das Unternehmen muss
die entsandten Mitarbeiter auch der
BG ETEM nicht extra melden, da der Versicherungsschutz automatisch gewährleistet ist.
Ob die für eine Ausstrahlung notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind, kann
die zuständige Einzugsstelle (Krankenkasse des Arbeitnehmers) auf Antrag des
Arbeitgebers prüfen und feststellen. Im
Einzelfall kann es dennoch zu einer
Doppelversicherung kommen – wenn der
Versicherungsschutz nach deutschem
und ausländischem Recht vorliegt.
Separate Auslandsversicherung
über die BG ETEM möglich
Wenn weder über das EU-Recht noch das
Abkommensrecht noch das Ausstrahlungsrecht für eine Auslandstätigkeit Versicherungsschutz besteht, bietet die
BG ETEM eine separate Auslandsversiche-
→→info
Das Antragsformular für eine Auslandsversicherung der BG ETEM und weitere
Informationen finden Sie unter:
www.bgetem.de, Webcode 11887337
Hinweis für die
Lohnnachweis-Meldung
Bitte beachten Sie, dass Entgelte
von entsandten Mitarbeitern im
Lohnnachweis weiterhin gemeldet
werden, wenn der Versicherungsschutz auch im Ausland gilt. Bei der
separaten Auslandsunfallversicherung (AUV) dürfen die Entgelte dagegen nicht im Lohnnachweis gemeldet werden. Der Beitrag zur AUV
wird separat nach Anzahl der Auslandsmonate berechnet.
33
service
Arbeitsschutz als Entwicklungshilfe
In einer anderen Welt
Experten der BG ETEM helfen bei der Implementierung
des Arbeitsschutzes in Textilfabriken Pakistans.
E
s ist ein Projekt, das schnell Früchte
trägt: Entwicklungsorganisationen fragen bei der BG ETEM an, ob sie bei der
Implementierung des Arbeitsschutzes in
Pakistan mit ihrem Know-how helfen
kann. Es folgt ein erstes Treffen im Februar 2015 in Pakistan. Kaum sieben Monate
später bildet die BG ETEM erste pakistanische Fachkräfte in Aspekten des Arbeitsschutzes aus.
Doch der Reihe nach: Beim ersten Besuch geht es vor allem darum, Handlungsfelder auf dem Gebiet des Arbeits- und
Gesundheitsschutzes zu ermitteln, um
daraus ein abgestimmtes Schulungsprogramm für Arbeitsschutzverantwortliche
aus den Betrieben zu entwickeln. Dazu
werden zahlreiche Gespräche mit Vertretern des Arbeitsministeriums, der Textilverbände und der Zertifizierungsunternehmen sowie den Arbeitsschutzverantwortlichen geführt. Um sich ein Bild von
den Arbeitsbedingungen zu verschaffen,
werden auch Strickereien, Färbereien, Nä34
hereien und Druckereien besucht. Es sind
die Visiten vor Ort, die einen nachhaltigen
Eindruck hinterlassen: „Wir haben gesehen, wie Arbeiter Jeans mit Schmirgelpapier den bei uns so beliebten ,used-look‘
verpassten. Sie trugen keine Atemmaske,
es gab keine Absaugeinrichtung und sie
atmeten einen Teil der Flusen ein“, erinnert sich ein Mitreisender. Auch fehlende
Schutzeinrichtungen an Maschinen oder
-ausrüstungen beim Auftragen von Chemikalien alarmierten die Experten. Es wird
allen Beteiligten klar: Es muss gehandelt
werden, dringend.
Die BG ETEM entschließt sich, die Ausbildung von Arbeitsschutzexperten in Pakistan als fachlicher Partner zu unterstützen. Dabei arbeitet sie Hand in Hand mit
der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Entwicklungsorganisation Sequa – deren Gesellschafter
die Spitzenverbände der deutschen
Wirtschaft und die GIZ sind. Hintergrund
ist ein Projekt, initiiert von der Europäi-
schen Union, der Niederländischen und
Norwegischen Botschaft sowie der Bundesrepublik Deutschland zur Förderung
der Sozialstandards, Qualifizierung von
Arbeitsinspektoren und Weiterbildungen
von verantwortlichen Akteuren im Arbeitsund Gesundheitsschutz.
„Unsere Arbeit wird nicht aus Beiträgen, sondern von Entwicklungsfonds
finanziert“, erklärt Olaf Petermann, Vorsitzender der Geschäftsführung der
BG ETEM. Er nahm selbst an der ersten
Reise teil. Anfang September reisen
schließlich drei Mitarbeiter der Präventi-
Experten der BG ETEM bildeten in zwei Workshops Inspektoren und Multiplikatoren aus.
etem 01.2016
service
on für eine Woche nach Lahore, der
Hauptstadt Pakistans. Vor Ort führen sie
zwei Workshops durch:
▪▪ Einen dreitägigen Workshop für Arbeitsschutzinspektoren und
▪▪ einen viereinhalbtägigen Workshop für
die Referenten der staatlichen Bildungsstätte „Centre for the Improvement of
Working Conditions and Environment“
(CIWCE).
Neben den fachlichen Themen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz werden
auch die beiden nationalen Arbeitsschutzsysteme miteinander verglichen,
über das Rollenverständnis der deutschen und pakistanischen Inspektoren
sowie deren jeweilige Präventionsansätze
diskutiert.
Ein weiteres wichtiges Thema war die
Organisation von Schulungen. Auch hier
werden die Vorgehensweisen der
BG ETEM und des CIWCE verglichen. Es
geht vor allem um Aspekte wie Qualifikation von Referenten, Entwicklung, Durchführung, qualitative Absicherung sowie
Öffentlichkeitsarbeit. Ziel ist es, mit den
Experten vor Ort neue Ideen und praktikable Lösungsansätze zu erarbeiten und zu
diskutieren.
Gesetze und Kontrolle nötig
Schnell wird deutlich, dass sich an den
schlechten Arbeitsbedingungen nur
dann wirklich etwas ändern wird, wenn in
den Bereichen des technischen und sozialen Arbeitschutzes gesetzliche Regelungen geschaffen werden und deren Nichteinhaltung geahndet wird. Die Kontrolle
der Betriebe durch die staatlichen Inspektoren ist hier unbedingt erforderlich.
Die Umsetzung und Zertifizierung
von Sozialstandards, beispielsweise SA
8000 Standard (Social Compliance) oder
Erste Ansätze für mehr Arbeitssicherheit:
Ein Sicherungskasten mit Abdeckung.
OSHAS 18001, ist ein wesentlicher Bestandteil für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Die Zertifizierung darf
aber auf keinen Fall die Tätigkeit der
staatlichen Inspektoren ersetzen. Dazu
kommt auch, dass diese Standards nur
bei Betrieben eingeführt werden, die von
deren westlichen Kunden und Händlern
dazu angehalten werden.
Akute Lebensgefahr
Der größte Teil der Textil- und Bekleidungsindustrie produziert jedoch für den
heimischen Markt oder beliefert die nicht
westlich orientierten Exportbetriebe. Hier
herrschen nach unserem Werteverständnis oft unzumutbare Arbeitsbedingungen.
Aufgrund der desolaten elektrischen Installation, der nicht vorhandenen Schutzeinrichtungen und dem sorglosen Umgang mit Chemikalien besteht in vielen
Bereichen akute Gesundheits- und Lebensgefahr. Ein Bewusstsein für die Gefährdungen besteht oft nicht.
Es gibt aber auch Betriebe, wo die Unternehmer die Problematik erkannt haben
und von sich aus, zum Teil mit einfachen
Maßnahmen, zur Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes beitragen (siehe Bild vom Sicherungskasten).
Eine staatliche Unfallversicherung
„Punjab Employees Social Security Institution“ (PESSI) ist vorhanden. Versichert
Leuchtende Textilfarben: Welche Chemikalien
werden eingesetzt?
sind aber nur die registrierten Beschäftigten. Der größte Teil der Arbeiter in den Betrieben ist jedoch nicht registriert, bzw.
ist im informellen Sektor tätig und somit
nicht durch PESSI versichert.
Ein weiteres großes Problem ist die fehlende Übersicht über das Unfallgeschehen. Weder die einzelnen Betriebe noch
der Staat erfassen die Unfälle. Somit sind
gezielte Präventionsmaßnahmen zurzeit
fast unmöglich.
Die pakistanischen Arbeitsschutzexperten haben sich begeistert und engagiert an den Workshops beteiligt. Die
BG ETEM steht weiterhin mit ihnen im
Austausch. Es hängt jetzt von den verantwortlichen Behörden in Pakistan ab, ob
eine Basis für bessere Arbeitsbedingungen geschaffen wird. Weitere Workshops
sind für die Zukunft geplant.
Florian Kraugmann
Fotos: BG ETEM, Florian Kraugmann
Impressum
etem – Magazin für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung. Herausgeber: Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro
Medienerzeugnisse, Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968 Köln, Tel.: 0221 3778-0, Telefax: 0221 3778-1199, E-Mail: [email protected].
Für den Inhalt verantwortlich: Olaf Petermann, Vorsitzender der Geschäftsführung. Redaktion: Christoph Nocker (BG ETEM), Stefan
Thissen (wdv Gesellschaft für Medien & Kommunikation mbH & Co. OHG, Dieselstraße 36, 63071 Offenbach). Tel.: 0221 3778-1010, ­
E-Mail: [email protected]. Bildredaktion: Theresa Rundel (wdv); Gestaltung: Jochen Merget (wdv). Druck: VS Broschek Druck GmbH.
etem erscheint sechsmal jährlich (jeden zweiten Monat). Der Bezugspreis ist durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten. Gedruckt auf
umweltfreundlichem, chlorfreien Papier. Titelbild: istockphoto/eyjafjallajokull; Leserservice (Adress- oder Stückzahländerung):
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