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Suche nach dem Sprengstoff aus Kahla | Manuskript
Suche nach dem Sprengstoff aus Kahla
Autoren: Alexander Ihme, Heiner Hoffmann
In einem Waldstück in Thüringen. Fünf Kilo TNT fliegen in die Luft. So oder so ähnlich soll sie
ausgesehen haben - die Vernichtung des brisanten Diebesguts aus dem Sprengstoffklau bei
Kahla. Das ist zumindest die aktuelle Version der Geschichte, die uns die
Generalstaatsanwaltschaft Thüringen präsentiert.
Stefan Tilch, Generalstaatsanwaltschaft Thüringen:
"Dazu liegt uns nur eine Aussage eines ehemaligen Beschuldigten vor, der angab, man habe
das spielerisch im Wald oder zu Versuchszwecken in die Luft gejagt. Nähere Erkenntnisse
haben wir dazu nicht."
Sprengstoffdiebe jagen also ihr Beutegut im Wald einfach selber hoch. Diese Version ist auf
dem Markt, seitdem Exakt vergangene Woche Fragen nach dem Verbleib der Beute aus
einem spektakulären Diebstahl stellte. Rückblick - Frühjahr 1990. Hier im thüringischen Kahla
wird ein Munitionsdepot der Nationalen Volksarmee geplündert. Die NVA steht damals kurz
vor der Abwicklung. Das sogenannte Komplexlager 22 wird in diesen Tagen nur halbherzig
bewacht. Exakt recherchiert und kann alle vier Täter von damals treffen. Wir bekommen das
erste Interview seit dem Diebstahl vor über 20 Jahren. Gerhard S. berichtet, dass sie über
einen der Luftschächte ins Innere des Munitionslagers gelangten.
Gerhard S., Beteiligter am Sprengstoffraub:
"Dann sind wir in das Stollensystem reingekommen, wo sie so ihren Sprengstoff und alles
hatten. Tretminen, Panzerminen, was weiß ich. TNT rund, in Würfeln, was weiß ich nicht
alles. Alles was die Armee so zum Rumfug braucht."
Kurz nach dem Einbruch beginnt die fieberhafte Suche nach den Tätern und dem Diebesgut.
Auch im Fernsehen der DDR.
Prisma, DDR-Fernsehen:
"Dazu möchte ich sagen, dass Sprengstoff entwendet worden ist und das Zubehör dazu. Das
heißt: Sprengkapseln, Sprengzünder, wie auch Sprengschnur. Also es muss jemand sein, der
etwas vom Sprengen versteht."
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Moderatorin: "Innenminister Diestel bittet darum, dass die Bevölkerung mithilft bei der
Aufklärung. Was ich noch einmal wiederholen möchte: Es wurde auch eine Belohnung von
10.000 Mark ausgesetzt."
10.000 Mark der DDR locken damals offensichtlich niemanden mehr hinter dem Ofen vor.
Aber wie konnten die Diebe sechs Jahre danach doch gefasst werden? Der Täter Martin A.
erzählt, dass die Bande aufgeflogen sei, weil ein Komplize Teile des TNTs verkauft habe.
Martin A., Beteiligter am Sprengstoffraub:
"Der Andreas L., der war damals Alkoholiker und der hat halt Durst gehabt, da hat er so ein
Ding verkauft."
Wir recherchieren weiter. Die Täter geben zu, knapp 20 Kilo reines TNT geklaut zu haben.
Ermittler finden damals aber nur knapp 15 Kilo in einem Versteck im Wald. Wo sind die
restlichen fünf Kilo geblieben? Wir erinnern uns: Laut Staatsanwaltschaft haben es die Diebe
selbst gesprengt. Erstaunlich: Uns gegenüber spricht der Täter Andreas L. nur von ein paar
Gramm, die in die Luft gejagt wurden.
Andreas L., Beteiligter am Sprengstoffraub:
Reporter: "In den Ermittlungsunterlagen steht, dass Sie damals bei der Polizei angegeben
haben, es könnte eventuell verübt worden sein, also im Wald hochgegangen sein."
"Fünf Kilo mitnichten."
Reporter: "Wie viel sind im Wald hochgegangen?"
"Wir haben, glaube ich, mal eine 70-Gramm-Ladung in die Saale geschmissen. Und das war's.
Also von mehr weiß ich nicht."
Sind also kiloweise TNT einfach verschwunden? Für die Ermittler hatte damals alles seine
Ordnung. Sie gingen davon aus, der gesamte Sprengstoff wurde sichergestellt
beziehungsweise vernichtet. Zwei Jahre später werden 1,4 Kilo TNT bei den
Rechtsterroristen in Jena gefunden. Gibt es eine Verbindung zum Sprengstoff-Klau im nur 20
Kilometer entfernten Kahla? Exakt hat beim Landeskriminalamt Thüringen mehrfach
nachgefragt, wurde immer wieder vertröstet. Nach mehreren Wochen schließlich eine
hinhaltende Antwort: "Auch im Landeskriminalamt Thüringen müssen zunächst [...] Akten
gesichtet und ausgewertet werden." Eine Woche später heißt es plötzlich: "Die
Ermittlungsunterlagen wurden entsprechend der Verjährungsfristen gelöscht."
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Alle Erkenntnisse seien also verloren. Doch hat es jemals welche gegeben? Uns wird
bestätigt, dass der Sprengstoff des Terror-Trios gar nicht erst mit dem Diebesgut aus Kahla
abgeglichen wurde - zumindest laut offizieller Aktenlage. Hans-Christian Ströbele sitzt für die
Grünen im Bundestag und ist empört über die Art und Weise der Ermittlungen.
Hans-Christian Ströbele, Bundestagsabgeordneter Bündnis 90/Die Grünen:
"Sprengstoff überhaupt unterwegs, Sprengstoff in der Hand von gefährlichen Rassisten ist
von höchster Explosionsgefahr. Warum man da nicht alle Hebel in Bewegung setzt und alle
Vergleiche vornimmt, die man vornehmen kann. Indem man Proben nimmt, die untersucht:
Ist das ein ähnliches Zeug, wie das, was entwendet worden ist und wo sind dann die anderen
Teile, sind die anderen Kilo? Das ist unfassbar, dass man das nicht gemacht hat."
Fehlende Untersuchungen, vernichtete Ermittlungsakten, fragwürdige Täteraussagen, die
unkritisch von den Behörden übernommen wurden. Hans-Christian Ströbele fordert nun
Aufklärung - auch in Sachen Sprengstoff.
Hans-Christian Ströbele, Bundestagsabgeordneter Bündnis 90/Die Grünen:
"Die müssen sich jetzt warm anziehen, die Ermittler, wenn sie das noch entschuldigen
wollen."
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