Wirtschaft und Verbände
Schweizer Planertag 2016 – Gebäudetechnik digital und vernetzt
Wandel gestalten
statt abwarten
Wohin geht die Reise für die Gebäudetechnik? Mit dieser Frage beschäftigten sich die zahlreichen Teilnehmenden des Schweizer Planertags 2016
in Zürich. Digitalisierung und Vernetzung sind zwar in aller Munde, doch
die konkreten Aspekte der damit verbundenen Entwicklungen geben Anlass für Diskussionen und sachliche Auseinandersetzungen. Beides zeichnete den traditionellen Anlass aus.
Die Protagonisten: Monika Schläppi, Chefredaktorin Haustech und Moderator Adrian Altenburger,
Leiter Gebäudetechnik der Hochschule Luzern.
Jürg Wellstein*
«Gebäudetechnik – digital und vernetzt» war das Thema des 11. Schweizer Planertags vom vergangenen Februar in Zürich. Für über 500
Teilnehmende stehen diese Fragen um
eine digitale Vernetzung im Mittelpunkt, wenn es um die künftigen Strukturen und Prozesse in der Bauwirtschaft
geht. Deshalb lag es auch auf der Hand,
* Jürg Wellstein, Fachjournalist SFJ
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Experten für die Zukunft der Digitalisierung und Vernetzung das Wort zu
geben. Dass diese Funktionalitäten aber
bereits im Alltag Fuss gefasst haben,
zeigte sich im Holzhausbau. Hier werden mit dem Prinzip der Vorfertigung
die Planungsdaten zur Fertigung und
Montage integral genutzt. Digitalisierung und Vernetzung stellen in der
Vorfertigung des Holzbaus den Stand
der Technik dar, im Allgemeinen wird
in der Baubranche jedoch noch ein
Spannungsfeld identifiziert. Wohl sind
bereits heute zahlreiche Chancen erkennbar und wollen auch genutzt werden. Architekten entscheiden sich für
diesen Weg und arbeiten mit dafür geeigneten Systemen.
Die digitale Transformation erfasst
zurzeit die ganze Gesellschaft. Für Zukunftsberater Gerd Leonhard steht fest:
«Technologie hat keine Ethik.» Und eine Gesellschaft ohne Ethik wird ein
Ende haben. Mit diesen Aussagen hat er
das für Gebäudeplaner angedachte
Thema gleich auf eine höhere Ebene
katapultiert. Mit dem exponentiellen
Wachstum der digitalen Datenmengen
und Verarbeitungskapazitäten nimmt
auch Macht zu, was mit Verantwortung
gekoppelt sein müsste. Deshalb: «Wir
brauchen eine digitale Ethik, denn der
digitale Darwinismus ist bereits im
Kommen.»
Bei Hannes P. Lubich von der Fachhochschule Nordwestschweiz standen
am Planertag Fragen zur Sicherheit in
einer digital vernetzten Welt oder einem Gebäude im Mittelpunkt: «Wann
fangen die digital vernetzten Dinge in
meinem Namen an, selbstständig Entscheide zu treffen?» Denn nun werden
Einrichtungen vernetzt, die bisher nicht
physikalisch miteinander gekoppelt waren. Wer ist dann haftbar, wenn sich
Software-Fehler ereignen? Die Gesellschaft einerseits und die betroffenen
Branchen anderseits müssen sich diesen
Fragen stellen und einen Konsens finden, dies unter dem Druck eines gleichzeitig raschen Entwicklungstempos der
Digitalisierung.
Im Gebäudebereich werden allerdings grosse Chancen geortet, denn mit
der vernetzten Zusammenarbeit können rascher optimierte Resultate – sei
es im Gebäude oder bei Betriebsphasen
– erreicht werden. Sowohl Wolfgang
Schwarzenbacher, Cofely AG, als auch
Lars van der Haegen, Belimo Holding
AG, konnten plausibel die Vorzüge der
digitalen, vernetzten Gebäudetechnik
Forschung als Umsetzer
von künftigen Anforderungen
Viele Highlights der modernen Gebäudetechnik haben ihren Ursprung in der
Forschung und Entwicklung. Über den
aktuellen Stand bei der Empa und beim
entsprechenden
SCCER-Programm
(Swiss Competence Center of Energy
Research) berichtete Peter Richner,
Empa. Mit zahlreichen Akteuren und
Industriepartnern ist man zurzeit daran,
Innovationen für die künftigen Anwendungen zu schaffen. Treiber dieser Entwicklung im Gebäudebereich sind beispielsweise das immer wärmer werdende Klima, die Energiethematik, Veränderungen bei Demografie und Lebensformen sowie der klar postulierte Auftrag zur Verdichtung in Agglomerationen. Als Beispiel der Forschungstätigkeiten zeigte Peter Richner Arbeiten an
Glasfassaden auf, bei denen der g-Wert
je nach Einfallswinkel der Sonnenstrahlen verändert wird. Oder Untersuchungen zu künstlichen Beleuchtung von
Innenräumen mit dem Ziel eines verminderten Energieverbrauchs.
Offensichtlich ist, dass stets ein
Mehrwert für den Nutzer generiert
werden muss, falls die Entwicklung
eines neuen Produkts oder einer
Dienstleistung erfolgreich sein soll.
Allerdings besteht das Dilemma der
Zeitdifferenz: Während bei Energiestrategie und Gebäuden Jahrzehnte als
Zeithorizont dienen, sind Herausforderungen der Digitalisierung und Vernetzung heute anzunehmen. Daher müssen
diese Anforderungen bereits in der Aus-
bildung aufgenommen werden. Christoph Widler, TeleConex GmbH, informierte über den neuen Verband Swiss
GIN (www.swiss-gin.ch) sowie über
Lehrgänge für Gebäude-Informatiker.
Dass mit der Methode des BIM
(Building Information Modeling) ein
veränderter Planungsablauf entsteht,
bestätigte Marco Waldhauser, Waldhauser + Hermann AG: «Zunächst muss
die eigentliche Planung geplant werden.» Hier geht es um eine hohe Wertschöpfung, die durch integrierte Anwendungen erreicht werden kann.
Ebenfalls überzeugt von der digitalen
Transformation ist Peter Scherer, Amstein + Walthert AG. Er sieht neben
dem Vernetzen des Wertschöpfungsprozesses auch eine neue Ordnung von
Rechten und Pflichten in der Planungsund Bauphase sowie das Generieren
neuer Geschäftsmodelle. Dabei Unterstützung bieten soll beispielsweise die
neu gegründete Organisation Bauen
Digital Schweiz (www.bauen-digital.ch),
bei welcher bereits 120 Partnerfirmen
und 30 Verbände dabei sind. Sie will
den gesamten Lebenszyklus abdecken
können und gleichzeitig Hemmnisse
abbauen.
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präsentieren. Diese wird offenbar auch
von Kunden gewünscht, weil Funktionen der Fernüberwachung und -steuerung, Visualisierung der konkreten Daten eines Gebäudes heute dazugehören.
Als Hersteller von GebäudetechnikGeräten mit integrierter Sensorik und
übergeordneten Cloud-Services wird
eine ideale Grundlage für Inbetriebnahmen, Betriebsüberwachung und Unterhalt geboten. Dann werden Volumenstromregler zum Partner der Effizienzanstrengungen, und eine Drosselklappe
lässt sich mit dem Smartphone einstellen und im Prozess begutachten. Man
darf sich nebenbei fragen, ob die junge
Smartphone-Generation damit in der
Gebäudetechnik-Branche sich heimischer fühlen wird, als dies in der Vergangenheit zu beobachten war.
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Die Temperaturentwicklung ist einer der Treiber für Innovationen in der Gebäudetechnik. Seit 1961 wird
ein Anstieg der mittleren Temperatur von ca. 1,9 °C registriert. (Bild: Peter Richner, Empa, SCCER
FEEBD)
Den gesamten Lebenszyklus digital im
Auge behalten
Tatsächlich hört die digitale Vernetzung
im Bau nicht bei der Inbetriebnahme
auf, sondern hat auch Einfluss auf den
jahrzehntelangen Betrieb. Am Beispiel
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eines Spitals konnte Susanna CaravettiFelchlin, IFMA Schweiz (International
Facility Management Association), die
Möglichkeiten für das Facility Management aufzeigen. Mit dem FM-Beziehungsmodell wird einerseits ein Aus-
gangspunkt für die Bauentwicklung
vorgegeben, anderseits eine Basis für einen Lebenszyklus von 30 Jahren. BIM
kann die FM-Ziele unterstützen und
Transportaufgaben innerhalb eines Spitals erleichtern, beispielsweise bei Türöffnungssystemen mit Venenbiometrie
nützlich sein oder bei der Bewirtschaftung von non-territorialen Arbeitsplätzen.
Adrian Altenburger, der erstmals als
Leiter der Abteilung Gebäudetechnik
an der Hochschule Luzern – Architektur & Technik den Planertag moderierte, hat eingangs die Trends im Gebäudebereich aufgelistet. Neben der
CO2-Freiheit im Gebäude, weil Verbrennungsvorgänge nicht mehr notwendig sind und klimapolitisch abgelehnt werden, erhält die digitale
Vernetzung immer mehr Gewicht.
Gleichzeitig wird klar, dass die Gebäudetechnik von der gewerblichen Basis
sich zu einer eigenen Form der Industrialisierung hin bewegt. Dabei werden
die Digitalisierung und Vernetzung eine
wichtige Aufgabe übernehmen können.
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www.haustech-planertag.ch