ISSN 0073-8433 PUBLIKATIONEN ZU WISSENSCHAFTLICHEN FILMEN SEKTION TECHNISCHE WISSENSCHAFTEN NATURWISSENSCHAFTEN SERIE 3 NUMMER 6 1977 FILM E 2099 INSTITUT F Ü R DEN WISSENSCHAFTLICHEN FILM GÖTTINGEN Angaben zum Film: Tonfilm (Komm, deutsch), 16 mm, farbig, 155 m, 14V2min (24 B/s). Hergestellt 1972, veröffentlicht 1976. Das Filmdokument ist für die Verwendung in Forschung und Hochschulunterricht bestimmt. Die Aufnahmen wurden von D . L U C K M A N N , Bovenden bei Göttingen, und W . H I N S C H , Lauen- burg (Elbe), hergestellt (mit Unterstützung durch das Institut für den Wissenschaftlichen Film, Göttingen, und der Stiftung Deutsches Schiffahrtsmuseum, Bremerhaven). Bearbeitet und veröffentlicht durch das IWF, Göttingen, Dipl.-Ing. H . A D O L F . Zitierform: L U C K M A N N , D., und W. H I N S C H : Raddampfer „Gisela", erbaut 1872, Traunsee (Österreich) - Betrieb der oszillierenden Dampfmaschine. Film E 2099 des IWF, Göttingen 1976. Publikation von D . L U C K M A N N , Publ. Wiss. Film., Sekt. Techn. Wiss./Naturw., Ser.3, Nr.6/E2099 (1977), 16S. Anschrift des Verfassers der Publikation: D . L U C K M A N N , Breslauer Str.3, D-3406 Bovenden 1. PUBLIKATIONEN Z U WISSENSCHAFTLICHEN FILMEN Sektion BIOLOGIE Sektion MEDIZIN Sektion E T H N O L O G I E Sektion TECHNISCHE WISSENSCHAFTEN NATURWISSENSCHAFTEN Sektion GESCHICHTE • PUBLIZISTIK Herausgeber: H . - K . G A L L E - Schriftleitung : G.BEKOW, E . B E T Z , I.SIMON PUBLIKATIONEN Z U WISSENSCHAFTLICHEN FILMEN sind die schriftlichen Ergänzungen zu den Filmen des Instituts für den Wissenschaftlichen Film und der Encyclopaedia Cinematographica. Sie enthalten jeweils eine Einführung in das im Film behandelte Thema und die Begleitumstände des Films sowie eine genaue Beschreibung des Filminhalts. Film und Publikation zusammen stellen die wissenschaftliche Veröffentlichung dar. PUBLIKATIONEN Z U WISSENSCHAFTLICHEN FILMEN werden in deutscher, englischer oder französischer Sprache herausgegeben. Sie erscheinen als Einzelhefte, die in den fachlichen Sektionen zu Serien von etwa 500 Seiten zusammengefaßt und im Abonnement bezogen werden können. Jede Serie besteht aus 4 Lieferungen mit einer entsprechenden Zahl von Einzelheften; jährlich erscheinen 1-4 Lieferungen in jeder Sektion. Bestellungen und Anfragen an: Institut für den Wissenschaftlichen Film Nonnenstieg 72 • D-3400 Göttingen Tel. (05 51) 2 10 34 © I n s t i t u t für den Wissenschaftlichen Film, Göttingen 1977 ISSN 0073-8433 Techn. Wiss./Naturw. 3/6 - E 2099 ENCYCLOPAEDIA CINEMATOGRAPHICA DETLEV LUCKMANN, Bovenden bei Göttingen, und - Editor: WERNER HINSCH, G.WOLF Lauenburg (Elbe): Film E 2099 Raddampfer „Gisela", erbaut 1872, Traunsee (Österreich) Betrieb der oszillierenden Dampfmaschine Verfasser der Publikation: D E T L E V L U C K M A N N Mit 4 Abbildungen Inhalt des Films: Raddampfer „Gisela", erbaut 1872, Traunsee (Österreich) - Betrieb der oszillierenden Dampfmaschine. Am Liegeplatz des Raddampfers „Gisela" in Ebensee erfolgt nach Anheizen des mit Kohle befeuerten Flammrohrkessels die Inbetriebnahme der oszillierenden Verbunddampfmaschine, Leistung 120 PS. Die Bedienung der Maschine durch den Maschinisten wird dargestellt, dabei erfolgt eine Beschreibung der Maschinenbauart. Nach Erläuterung der Wirkungsweise und der Bedienung der Handumsteuerung werden die Seitenräder gezeigt. Bei betriebsklarer Maschine folgt dann eine Fahrt des Schiffes über den See mit einem Anlegen an der Unterwegsstation Traunkirchen. Summary of the Film: Paddle Steamer „Gisela", built in 1872, Traunsee (Austria) - Operation of Oscillating Steam Engine. The oscillating compound steam engine, rated at 120 HP, of the paddle steamer „Gisela" in its berth at Ebensee is put into operation after start-up of the coal-fired flue boiler. Operation of the engine by the machinist is shown accompanied by a description of this particular engine design. After an explanation of the function and operation of the manual reversal mechanism, the side wheels are shown. With the engine in an operational condition, the steamer travels over the lake stopping along the way at Traunkirchen. Résumé du Film: Le vapeur à roues „Gisela", construit en 1872, à Traunsee (Autriche) - Fonctionnement de la machine à vapeur oscillante. Au mouillage du vapeur à roues „Gisela" à Ebensee, la machine à vapeur compound oscillante, d'une puissance de 120 chevaux-vapeur, est mise en route après la chauffe de la chaudière à tubes à flammes actionnée au charbon. La commande de la machine par le mécanicien est représentée, puis la construction de la machine décrite. Après l'explication du mode opératoire et de la commande du mécanisme de renversement manuel, les roues latérales sont montrées. Une fois la machine opérationnelle, le bateau effectue un trajet sur le lac, avec accostage à l'escale de Traunkirchen. 3 Techn. Wiss./Naturw. 3/6 - E 2099 Allgemeine V o r b e m e r k u n g e n 1 Der Traunsee als Wasserstraße Die Ruderschiffahrt Der Traunsee, auch Gmundener See genannte, ist im oberösterreichischen Salzkammergut gelegen und hat eine Fläche von 25,7 k m , seine größte L ä n g e beträgt 12 km bei einer mittleren Breite von 2 km. Seit ältester Zeit ist in diesem Gebiet Schiffahrt betrieben worden; schon in der R ö m e r z e i t m u ß das Hallstätter Salz vom heutigen Ebensee zu einem Umschlagplatz am Nordende des Sees transportiert worden sein [18]. Ü b e r Jahrhunderte ist das im inneren Salzkammergut gewonnene Salz [26] über die Traun und den Traunsee befördert worden. Die Wasserstraße begann bei Steeg am Hallstätter See, wo die Traun diesen See verläßt. Nach 32 km wurde bei Ebensee der Traunsee erreicht. Nach D u r c h f l i e ß e n dieses Sees fließt die Traun weiterhin in nördlicher Richtung; auch dieser Abschnitt von Gmunden bis zur M ü n dung in die Donau (73 km) diente als Wasserstraße. Der durchgehende Schiffsverkehr war m ö g l i c h geworden, nachdem die Floßrinne am 17 m hohen Traunfall bei Lambach im Jahre 1552 fertig geworden war [18]. Das Salz wurde in sogenannte Zillen verladen, einem Schiff aus Holz mit einer L ä n g e von 18 Klafter, 10 F u ß Breite und rund 2 F u ß Tiefgang , versehen mit einem flachen Boden. M i t diesen Schiffen wurde das Salz aus Hallstatt über den gleichnamigen See gebracht, erst bei Steeg begann die eigentliche Traunfahrt. Die Fortbewegung der Schiffe erfolgte durch Rudern oder durch Treideln mit Pferden, auf der Flußstrecke unterstützt durch die S t r ö m u n g . Durch Seeklausen konnte den Schiffen das n ö t i g e Wasser mitgegeben werden [18]. Auf der Donau gelangte das in Fässern verladene Salz bis nach Wien und N i e d e r ö s t e r r e i c h oder auch nur bis Mauthausen und von dort mit Fuhrwerken nach Budweis. U m das Jahr 1800 m u ß t e n rund 300 z w e i s p ä n n i g e Wagen gleichzeitig unterwegs gewesen sein. Der größte Teil der Ladung ist dann weiter auf der Moldau f l u ß a b w ä r t s befördert worden [4]. Diese langen Transportwege waren notwendig, weil in ganz B ö h m e n keine Salzlagerstätten zur V e r f ü g u n g standen. Durch die Inbetriebnahme der für den Salztransport nach B ö h m e n erbauten Pferdebahn [4], [12] Budweis-Linz— Gmunden (1827—1836) wurde der Schiffsverkehr ab Gmunden beeinflußt, wie nachfolgende Aufstellung abgehender Schiffsladungen zeigt; neben dem Salz sind auch andere Güter t r a u n a b w ä r t s befördert worden [18]: 2 2 1834 •• 374733 Zentner Salz 220 Flöße 139 Zillen mit Töpfer-und Drechslerwaren 1852 : 29686 Zentner Salz 17628 „ Gips 22490 Drechslerwaren 394 Schleifsteine Töpferwaren 1640 andere Güter 650 Dieser Abschnitt ist gekürzt wiedergegeben. Der vollständige Text, der im wesentlichen weitere Ausführungen zur Geschichte der Schiffahrt in Österreich enthält, ist im Institut für den Wissenschaftlichen Film, Göttingen, und im Deutschen Schiffahrtsmuseum Bremerhaven archiviert. 1 Wiener Klafter = 1,8965 m; 1 Wiener Fuß = 0,316 m. 1 2 4 Techn. Wiss./Naturw. 3/6 - E 2099 Auf der oberen Traun zwischen dem Hallstätter See und dem Traunsee blieb der Schiffsbetrieb bis zur Eröffnung der normalspurigen Kronprinz-Rudolf-Bahn oder Salzkammergutbahn im Jahre 1877 erhalten. Der Salztransport auf der Traunstrecke unterhalb von Gmunden wurde durch diesen Bahnbau ebenfalls beeinflußt, hat sich aber länger halten k ö n n e n [18]. Im Jahre 1910 haben 24 Trauner, so nannte man die Salzschiffer, nur noch 370 t Salz zur Donau gebracht, und am 4.11.1911 verließ das letzte Salzschiff Gmunden [18]. In den letzten Jahrzehnten des Bestehens der Salzschiffahrt hatten Reisende die M ö g l i c h k e i t , mit den Salzschiffen zwischen Gmunden und Lambach (26,5 km) mitzufahren [2], [11]. Bis zur Jahrhundertwende erfolgte P e r s o n e n b e f ö r d e r u n g über den See mit Plätten, einem Boot ohne Kiel. Auch eine größere Anzahl Gondeln ist dafür verwendet worden [10]. Die Kraftschiffahrt Die Dampfschiffahrt begann mit der ersten erfolgreichen Fahrt eines Raddampfers am 17. Aug. 1807 auf dem Hudson bei New York, w ä h r e n d in Europa 1812 bei Glasgow zuerst ein Dampfschiff in Betrieb kam. In Deutschland wurde am 19. Juni 1816 mit einem englischen Schiff der Verkehr auf der Elbe zwischen Hamburg und Cuxhaven aufgenommen. Das erste in Deutschland gebaute Dampfschiff war der Mittelraddampfer „Prinzessin Charlotte von Preußen", der ab 27. Okt. 1816 die Route Berlin-Potsdam befuhr. Auf dem Rhein fuhren vor 1820 die ersten Raddampfer, w ä h r e n d auf dem Bodensee und Genfer See 1823 je ein Dampfschiff in Fahrt kam. Auf vielen W a s s e r s t r a ß e n wurde ein reger Schiffsverkehr betrieben, die Eisenbahn konnte erst nach 1840 zunehmend Bedeutung erlangen [9], [19], [27], [29], [30]. Der Engländer J . A N D R E W S , der an der G r ü n d u n g der Donau-DampfschiffahrtsGesellschaft in Wien im Jahre 1829 beteiligt war, erhielt das Privileg, auf dem Traunsee die Dampfschiffahrt einzuführen. Durch den in seinen Diensten befindlichen Landsmann J O S E F R U S T O N wurde 1837 mit dem Bau eines h ö l z e r n e n Raddampfers begonnen. Das mit einer Seitenhebelmaschine der englischen Maschinenfabrik Boulton, Watt & Co in Soho bei Birmingham ausgerüstete Schiff begann seine r e g e l m ä ß i g e n Fahrten zwischen Gmunden und Ebensee am 15. M a i 1839. Die „ S o p h i e " war das erste Dampfschiff, welches auf einem österreichischen Binnensee in Fahrt kam; es war eingerichtet für den Transport von Personen und G ü t e r n . Auf dem Hallstätter See wurde erst 1867, auf dem Attersee 1869 und auf dem Wolfgangsee 1873 jeweils ein Dampfer in Dienst gestellt [13], [18], [30]. J O S E F R U S T O N , der in B ö h m e n auch eine Schiffahrtslinie von 1840—1850 betrieben hatte [13], [22], war inzwischen Besitzer des ersten Raddampfers auf dem Traunsee geworden und ließ 1858 den zweiten Raddampfer, die „Elisabeth", in Betrieb nehmen. Dieses Schiff wurde von der Schiffswerft Floridsdorf bei Wien erbaut, ist in Einzelteilen zum Traunsee gebracht und bei der Ortschaft Ort zusammengesetzt worden, die oszillierende Dampfmaschine lieferte die Prager Maschinenbau Aktiengesellschaft. Beide Firmen befanden sich im RusTONschen Besitz [6], [13]. Die beiden Schiffe dienten dem Lokalverkehr und später auch dem aufkommenden Reiseverkehr zwischen den g r ö ß e r e n Orten. Die Zahl der beförderten Personen von den 5 Techn. Wiss./Naturw. 3/6-E 2099 Stationen G m u n d e n , T r a u n k i r c h e n u n d Ebensee w i r d für das J a h r 1870 m i t 3 2 4 0 7 angegeben [18]. D u r c h die fehlende S t r a ß e n v e r b i n d u n g entlang des Seeufers, das letzte T e i l s t ü c k w u r d e erst 1861 fertiggestellt, k a m der Schiffahrt besondere B e d e u tung z u [10]. Die beiden R a d d a m p f e r m ü s s e n a u c h z u m Schleppen eingesetzt w o r d e n sein, denn i m Jahre 1 8 7 0 s i n d 5 0 0 0 0 0 Z e n t n e r B r a u n k o h l e , die v o n der i n z w i s c h e n auf L o k o m o t i v b e t r i e b umgestellten Teilstrecke der Pferdeeisenbahn nach G m u n d e n gebracht w u r d e , ü b e r den See z u Saline Ebensee gebracht w o r d e n [12], [18]. Dieser T r a n s p o r t h ö r t e n a c h E r ö f f n u n g der K r o n p r i n z - R u d o l f - B a h n n a c h 1 8 7 7 auf, w e i l die K o h l e jetzt d i r e k t z u den S u d h ä u s e r n i n das S a l z k a m m e r g u t b e f ö r d e r t w e r d e n k o n n t e [18]. E i n dritter R a d d a m p f e r , die „ G i s e l a " , w u r d e 1872 i n Betrieb g e n o m m e n . D i e B a u f i r m e n w a r e n die gleichen w i e bei d e m Schwesterschiff „ E l i s a b e t h " , nur erfolgte der Z u s a m m e n b a u jetzt i n E b e n s e e - R i n d b a c h , a n der Stelle, w o sich heute a u c h der Liegeplatz befindet. Dieser D a m p f e r g e h ö r t z u den letzten Schiffen, die v o n der ein J a h r s p ä t e r geschlossenen Schiffswerft F l o r i d s d o r f n o c h i n H a n d a r b e i t gebaut w o r den w a r [13]. Jetzt w a r e n auf dem Traunsee drei Dampfschiffe v o r h a n d e n , sie w u r den benannt nach M i t g l i e d e r n der kaiserlichen F a m i l i e ( „ S o p h i e " n a c h der M u t t e r des K a i s e r F r a n z Josef I., „ E l i s a b e t h " n a c h des Kaisers G a t t i n u n d „ G i s e l a " n a c h deren Tochter) [10]. D i e D a m p f e r bedienten nur die g r ö ß e r e n O r t e entlang des Seeufers. R . I P P I S C H gelang es 1 9 1 1 , einen L i n i e n d i e n s t m i t E l e k t r o b o o t e n aufzunehmen, auch an kleineren O r t e n w u r d e angelegt. Es entstand ein erbitterter K o n k u r r e n z k a m p f , der m i t dem V e r k a u f der sich n o c h i m englischen Besitz befindlichen D a m p f s c h i f f a h r t a n die heute n o c h bestehende F a . I p p i s c h i m Jahre 1918 endete. D e r Neffe v o n J O S E F R U S T O N hat als A u s l ä n d e r d u r c h die schwierigen V e r h ä l t n i s s e i m ersten W e l t k r i e g die Schiffahrt n i c h t m e h r halten k ö n n e n [13]. D i e F a . I p p i s c h hat die beiden g r o ß e n R a d d a m p f e r weiterbetrieben, w ä h r e n d die 1 8 6 2 i n Eisen d u r c h die Schiffswerft F l o r i d s d o r f erneuerte „ S o f i e " m i t der n o c h v o r handenen alten englischen M a s c h i n e u m 1920 verschrottet w u r d e . Z w e i kleinere Schraubendampfer, die m i t ü b e r n o m m e n w u r d e n , sind b a l d verkauft w o r d e n , die „ E l i s a b e t h " blieb bis z u m Jahre 1968 i n F a h r t u n d w u r d e n a c h 110 Betriebsjahren abgewrackt. D e r R a d d a m p f e r „ G i s e l a " f ä h r t n o c h heute u n d w i r d nur bei besonderen A n l ä s s e n eingesetzt; 1 9 7 2 w a r e n u m 2 0 u n d 1975 w a r e n 2 9 Betriebstage z u verzeichnen. D e r ü b r i g e Personenverkehr auf dem Traunsee erfolgt m i t den z . T . n o c h i m Betrieb befindlichen m i t Batterien angetriebenen E l e k t r o b o o t e n oder m i t neueren M o t o r s c h i f f e n m i t Dieselantrieb [10], [18], [20]. Die Entwicklung der oszillierenden Dampfmaschine D i e oszillierende D a m p f m a s c h i n e ist als Schiffsmaschine schon sehr f r ü h verwendet w o r d e n . D e r R a d d a m p f e r „ A a r o n M a n b y " ist als erster m i t einer A n t r i e b s m a s c h i n e dieser B a u a r t a u s g e r ü s t e t w o r d e n . D i e s e r R a d d a m p f e r w a r für die F a h r t auf der Seine bestimmt, w u r d e v o n A . M A N B Y i n den H o r s e l e y I r o n w o r k s i n T i p t o n bei B i r m i n g h a m 1 8 2 0 / 2 1 erbaut u n d ist d a n n i n L o n d o n zusammengesetzt w o r d e n . Dieser R a d d a m p f e r gilt z u g l e i c h als erstes eisernes D a m p f s c h i f f , ist i m Jahre 1 8 2 2 6 Techn. Wiss./Naturw. 3/6 - E 2099 von der Themse n a c h Paris gefahren u n d fand auf der Seine bis 1 8 5 5 V e r w e n d u n g . In F r a n k r e i c h begann C A V É 1 8 2 3 oszillierende M a s c h i n e n f ü r F l u ß d a m p f e r z u verw e n d e n . D e r V o r s c h l a g z u m B a u v o n oszillierenden D a m p f m a s c h i n e n ist allerdings zuerst v o n T R E V I T H I K gemacht w o r d e n ; dieser hat sich aber die V e r w e n d u n g dieser B a u a r t als Schiffsmaschine erst 1 8 2 7 gesetzlich s c h ü t z e n lassen [15]. N a c h weiteren k o n s t r u k t i v e n Verbesserungen d u r c h J . P E N N gelang es, die oszillierende D a m p f m a s c h i n e als Schiffsmaschine i n g r ö ß e r e m U m f a n g e i n z u f ü h r e n . Diese B a u a r t ist d a d u r c h gekennzeichnet, d a ß die Kolbenstange u n m i t t e l b a r an der K u r b e l angreift, die Z y l i n d e r sind daher beweglich angeordnet u n d v o l l z i e h e n eine s c h w i n gende oder oszillierende B e w e g u n g . Ihre A n o r d n u n g unterscheidet sich i n z w e i B a u arten. E n t w e d e r stehen die Z y l i n d e r b e i der E n d s t e l l u n g der K o l b e n s t a n g e n senkrecht oder sie sind s c h r ä g angeordnet. Besonders b e i g r ö ß e r e n M a s c h i n e n l e i s t u n g e n ist die zweite Aufstellungsart der Z y l i n d e r g e w ä h l t w o r d e n . D i e K u r b e l w e l l e ist aber d u r c h w e g h ö h e r als die Z y l i n d e r angeordnet. D e r D a m p f w i r d d u r c h die h o h l e n D r e h z a p f e n g e f ü h r t ; bei den ersten M a s c h i n e n befanden sich die S c h i e b e r k ä s t e n z w i s c h e n D r e h z a p f e n u n d Z y l i n d e r , deren S c h w i n g u n g m i t zur Steuerung des D a m p fes verwendet w u r d e [7], [15]. D e r wesentlichste technische Fortschritt, der auf P E N N z u r ü c k g e h t , lag i n einer V e r besserung der D a m p f v e r t e i l u n g . D a z u m u ß t e der Schieberkasten auf dem schwingenden Z y l i n d e r selbst angeordnet w e r d e n , u n d es w u r d e die nach i h m benannte Kulisse e i n g e f ü h r t . Diese PENNsche Kulisse e r m ö g l i c h t eine v o n der Z y l i n d e r s c h w i n g u n g u n a b h ä n g i g e Ü b e r t r a g u n g der E x z e n t e r b e w e g u n g z u m Schieberkasten. D i e U m steuerung der D r e h r i c h t u n g geschah d u r c h lose E x z e n t e r . S p ä t e r w u r d e n auch U m steuerungen verwendet, die e i n z w a n g s l ä u f i g e s U m s t e u e r n der D r e h r i c h t u n g nach B e d i e n u n g eines H a n d r a d e s oder H e b e l s gestatteten [15]. A b b . 1—4 zeigen die Z e i c h n u n g einer oszillierenden D a m p f m a s c h i n e m i t senkrecht angeordneten Z y l i n d e r [5]. D i e hier dargestellte M a s c h i n e w u r d e v o n der F i r m a Penn &c Sons i n G r e e n w i c h 1 8 4 2 geliefert u n d i n H a m b u r g i n den E l b d a m p f e r „ K ö n i g i n M a r i e " eingebaut. Sie ersetzte eine Seitenhebelmaschine BouLTONscher Bauart, die v o n d e m M a s c h i n e n b a u e r E G E L L S i n B e r l i n hergestellt w u r d e . D i e „ K ö n i gin M a r i e " k a m 1 8 3 7 als zweiter R a d d a m p f e r der s ä c h s i s c h e n E l b e i n Betrieb. B e i den geringen d o r t z u r V e r f ü g u n g stehenden Wassertiefen erwies sich die Seitenhebelmaschine als z u schwer, deswegen w u r d e die wesentlich leichtere PENNsche M a schine eingebaut [5]. D i e s e oszillierende M a s c h i n e ist m i t einer U m s t e u e r u n g nach S E W A R D a u s g e r ü s t e t , einer K l i n k s t e u e r u n g m i t losen E x z e n t e r , die auch Schleppoder Schlagexzenterumsteuerung genannt w u r d e . E i n U m s t e u e r n der D r e h r i c h t u n g geschah auf folgende W e i s e ( s . A b b . 1—4): Z w i s c h e n E x z e n t e r u n d Kulissenantrieb befindet sich eine A u s k l i n k v o r r i c h t u n g , die d u r c h eine H e b e l b e w e g u n g ein L ö s e n der Exzenterstange v o m Schieberantrieb e r m ö g l i c h t . M i t einem anderen H a n d h e b e l w i r d die PENNsche Kulisse m i t Schieberantrieb so bewegt, d a ß n a c h D a m p f z u g a b e die M a s c h i n e i n G e g e n r i c h t u n g a n l ä u f t . D e r auf der K u r b e l w e l l e lose angebrachte E x z e n t e r w i r d n a c h einer halben M a s c h i n e n u m d r e h u n g d u r c h M i t n a h m e v o n einem auf der K u r b e l w e l l e angebrachten Z a p f e n v o n der anderen Anschlagseite her mitgen o m m e n . D e r E x z e n t e r befindet sich i n Gegenlage, u n d der Schieberantrieb k a n n w i e d e r eingerastet w e r d e n , die M a s c h i n e l ä u f t v o n selbst weiter. B e i Z w i l l i n g s m a 7 Techn. Wiss./Naturw. 3/6 - E 2099 schinen m u ß für jeden Z y l i n d e r dieses M a n ö v e r d u r c h g e f ü h r t w e r d e n , w ä h r e n d bei der erst wesentlich s p ä t e r e i n g e f ü h r t e n V e r b u n d m a s c h i n e meist n u r der H o c h d r u c k zylinder umgesteuert w i r d . D e r N i e d e r d r u c k z y l i n d e r steuert sich v o n selbst u m . D i e oszillierende D a m p f m a s c h i n e hatte sich besonders als A n t r i e b s m a s c h i n e f ü r flachgehende F l u ß d a m p f e r durchgesetzt, v o r w i e g e n d sind schnell fahrende Fahrgast- Abb. 1-4. Oszillierende Dampfmaschine Maschine des Raddampfers „Königin Marie", erbaut 1842 von Penn & Sons in Greenwich Abb. 1. Ansicht der Maschine von der Bedienungsseite aus Abb. 2. Schnitt A—B mit Steuerung und Zylinder Die Exzenterstange ist eingeklinkt, die Drehrichtung ist rechtsherum {Pfeil) Abb. 3. Exzenter, Exzenterstange, Ausklinkvorrichtung und PENNsche Kulisse Die Exzenterstange ist ausgeklinkt; durch Betätigung der Hebel in Pfeilrichtung läuft die Maschine in Gegenrichtung an Abb. 4. Luftpumpe mit Kondensator und zusätzlich angehängter Kesselspeisepumpe 1: Zylinder; 2: Kolbenstange; 3: Kurbelwelle und Kurbel; 4: Exzenter mit Mitnehmerzapfen auf der Kurbelwelle; 5: Exzenterstange mit Ausklinkvorrichtung; 6: Handhebel zum Ausklinken der Exzenterstange; 7: Rückstellfeder für die Ausklinkvorrichtung; 8: PENNsche Kulisse; 9: Führungsstange der Kulisse (gleichzeitig Maschinenständer); 10: Hebel zum Verstellen des Schiebers von Hand; 11: Kulissenstein; 12: Übertragungshebel Kulissenstein-Schieberstange; 13: Schieberstange; 14: Schieberkasten; IS: Dampfregler; 16: Drehzapfen des Zylinders Abdampfseite; 17: Drehzapfen des Zylinders Frischdampfseite; 18: Kurbel und Kurbelzapfen der angehängten Luftpumpe; 19: Gehäuse der Luftpumpe mit Einspritzkondensator; 20: Hahn am Kondensator zum Einspritzen von Wasser 8 Techn. Wiss./Naturw. 3/6 - E 2099 schiffe m i t dieser platzsparenden B a u a r t a u s g e r ü s t e t w o r d e n . A u f der D o n a u w a r e n n a c h einer Statistik aus dem Jahre 1 8 6 7 v o n 2 0 0 D a m p f s c h i f f e n 9 2 m i t oszillierenden M a s c h i n e n a u s g e r ü s t e t [17]. A u c h auf den Schweizer Seen s i n d Schiffe m i t M a s c h i n e n dieser B a u a r t i n Betrieb g e n o m m e n w o r d e n . A u f d e m R h e i n allerdings hat sich die oszillierende D a m p f m a s c h i n e n i c h t durchsetzen k ö n n e n . E i n g r o ß e r T e i l der M a s c h i n e n ist m i t der oben e r w ä h n t e n H a n d u m s t e u e r u n g ausg e r ü s t e t w o r d e n , die z w a r einfach i n der H e r s t e l l u n g aber i n der B e d i e n u n g recht u m s t ä n d l i c h w a r e n . A b e r die H a n d u m s t e u e r u n g e n w u r d e n v o n vielen M a s c h i n i s t e n u n d Schiffseignern a u s d r ü c k l i c h g e w ü n s c h t [17]. A l l e r d i n g s hatten die H a n d u m - Abb. 3 Abb.2 / Techn. Wiss./Naturw. 3/6 - E 2099 Steuerungen auch Nachteile; es konnte der Füllungsgrad der Zylinder nicht verstellt werden. Bei manchen Maschinen sind daher gesonderte Expansionseinrichtungen angebracht worden. Noch ein paar Bemerkungen zu den Leistungen der hier interessierenden Maschinenbauart. Die ersten oszillierenden Maschinen für F l u ß d a m p f e r dürften unter 50 PS gehabt haben, die meisten der späteren gebauten Anlagen erreichten Leistungen von 100-200 PS. Auf der Donau waren dagegen z . T . auch größere Maschinen notwendig gewesen. Im Jahre 1891 ist z.B. für den Bosporus ein Raddampfer, ausgerüstet mit einer oszillierenden Maschine von 560 PS, in Dienst gestellt worden [25]. Die letzten Radschiffe, in denen Dampfmaschinen mit schwingenden Zylindern eingebaut waren, ehe diese von den schrägliegenden Dampfmaschinen mit Kreuzkopf ganz verdrängt wurden, sind Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut worden. Auf der Donau wurde durch die „ D o n a u - D a m p f s c h i f f a h r t s - G e s e l l s c h a f t " noch im Jahre 1904 ein Raddampfer mit einer oszillierenden Dampfmaschine mit einer Leistung von 515 PS in Dienst gestellt. Das letzte Schiff, ausgerüstet mit einer Maschine dieses Typs, dürfte ein Raddampfer sein, der 1911 auf der Oberelbe in Fahrt gebracht wurde [23]. Binnenschiffe k ö n n e n lange in Betrieb bleiben. Noch heute sind bei den V E B „ W e i ß e Flotte", Dresden (DDR), neben einigen modernen Schiffen etwa ein Dutzend Raddampfer im Einsatz, die aus den letzten drei Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts stammen und alle wegen der schwierigen Fahrwasserverhältnisse auf der Oberelbe mit oszillierenden Maschinen, z . T . aus der RusTONschen Fabrik, versehen sind [21], [23]. Diese Schiffe sind in einem guten Zustand und k ö n n e n noch weiterhin eingesetzt werden. Neben dem Raddampfer auf dem Traunsee ist in den letzten Jahren noch ein weiteres sehr altes Schiff in Betrieb gewesen, es ist die 1861 erbaute „ H j e l e n " in D ä n e m a r k mit einer Maschinenleistung von 25 Pferdestärken. In der Bundesrepublik Deutschland sind nur noch in Museen oszillierende Dampfmaschinen zu sehen. Das Deutsche Museum in M ü n c h e n besitzt eine Maschine aus dem Jahre 1847, w ä h r e n d das Elbschiffahrtsmuseum in Lauenburg [14] eine Anlage, Baujahr 1855, aus Prag erwerben konnte, die über 110 Jahre gelaufen ist. Das Deutsche Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven bewahrt das Mittelschiff des Raddampfers „ M e i ß e n " aus dem Jahre 1881. Dieses Schiff verkehrte von 1907—1968 unter dem Namen „Kronprinz Wilhelm" auf der Oberweser. Alle drei Maschinen sind für Raddampfer der früheren S ä c h s i s c h - B ö h m i s c h e n Dampfschiffahrts-Gesellschaft beschafft worden. Die Konstruktionsmerkmale der Schiffskörper, der Kesselanlagen, der Vorrichtungen zur Kondensation des Dampfes, der Seitenräder und der sonstigen Hilfsmaschinen sind weitgehend von der in die Raddampfer eingebauten Maschinenbauart una b h ä n g i g . Darum sollen diese Anlagen hier nicht weiter behandelt werden (s. hierzu [3], [8], [15], [24], [28]). Mitte des 19. Jahrhunderts sind auch Seeschiffe mit oszillierenden Dampfmaschinen ausgerüstet worden. N u r wenige Angaben seien gemacht. Nach einer Aufstellung [16] aus dem Jahre 1855 sind von 107 Raddampfern der englischen Marine 17 Schiffe mit oszillierenden Maschinen ausgerüstet gewesen. In die „ G r e a t Eastern", 1858 fertig geworden, ist die größte je gebaute Dampfmaschine mit schwingenden 10 Tech n. Wiss./Naturw. 3/6-E 2099 Zylindern eingebaut worden [1], Im Seeverkehr haben die Raddampfer nur kurze Zeit eine Bedeutung erlangen k ö n n e n , bald ist der besonders bei Wellengang anfällige Radantrieb durch den Schraubenantrieb v o l l s t ä n d i g ersetzt worden. Der Raddampfer „Gisela" Die folgende Aufstellung der wichtigsten Daten von Schiff und Maschine ist einer Schiffsliste der Traunseer Schiffahrt und Seilschwebebahn Rudolf Ippisch & C o . K G aus dem Jahre 1965 entnommen. Baujahr 1872, Schiffswerft Floridsdorf bei Wien Schiffskörper aus Schiffbaustahl mit 3 Querschotten und gedeckt mit Aufbauten Länge über alles, mit Bugspriet und Steuer 52,00 m Länge über alles, ohne Bugspriet und Steuer 48,82 m Länge zwischen den Steven in der Leerwasserlinie 43,97 m Größte Breite über Außenhaut 4,95 m Größte Breite über Radkasten 9,35 m Seitenhöhe auf halber Schiffslänge 2,60 m Höchster Fixpunkt über der Leerwasserlinie 7,37 m Ausmaß des Freibords (bis Unterkante Bullauge) 0,45 m Mittlere Leertauchung 1,21 m Zugelassene tiefste Eintauchung 1,50 m Dieser Tauchtiefe entsprechende Wasserverdrängung 187,5 t Wasserverdrängung im Leerzustand 135,0 t Tragfähigkeit 52,5 t Zugelassene größte Belastung 501 Personen Antriebsmaschine: Oszillierende Verbund-Dampfmaschine mit Einspritzkondensator, Leistung 120 PS/40 Upm, erbaut von der Prager Maschinenbau-Aktiengesellschaft (Fabrik-Nr. 506), Kolbenhub 780 mm, Kolbendurchmesser 460/665 mm Kessel: 1 Flammrohrkessel für Kohlenfeuerung ohne L'lberhitzer, Dampfspannung 10 at (Uberdruck), erbaut von den Paukerwerken Wien 1939, 150 Siederohre 51,5/57,0 mm, Kesselspeisung mit Injektor und Worthingtonpumpe Geschwindigkeit 12 kn Die in den Abb. 1—4 dargestellte Maschine hat g r o ß e Ä h n l i c h k e i t mit der Maschine des Traunseedampfers, von der eine Originalzeichnung nicht mehr greifbar ist. Die Maschine der „ G i s e l a " war zuerst für einen Kesseldruck von 2,5 at ausgelegt. A n läßlich des Einbaues eines neuen Kessels mit einem Überdruck von 10 at wurde die ursprüngliche Zwillingsmaschine durch Ä n d e r u n g des Durchmessers eines Zylinders im Jahre 1939 in eine Verbundmaschine umgebaut. Dieser damals eingebaute Kessel durfte in den letzten Jahren nur noch mit einem verminderten Druck von 7 at betrieben werden, aus diesem Grunde wurde 1974 ein neuer Kessel eingebaut. Ü b e r die ersten drei Kessel liegen keine Angaben vor, es dürften aber ebenfalls Flammrohrkessel gewesen sein. 11 Techn. Wiss./Naturw. 3/6 - £ 2099 Die beiden Seitenräder des Traunseedampfers sind mit beweglichen eisernen Schaufeln ausgerüstet worden. Diese werden je Rad durch einen Exzenter über Zugstangen so verstellt, d a ß ein günstiger Anstellwinkel im Wasser erreicht wird. Dieses zuerst von B U C H A N A N beschriebene und von G A L L O W A Y 1829 verbesserte System wurde durch M O R G A N 1842 in England und später auch auf dem e u r o p ä i s c h e n Festland allgemein eingeführt [28]. U m den Wirkungsgrad noch weiter zu verbessern, wurden die Schaufeln, wie auch bei diesem Schiff, g e k r ü m m t ausgeführt. Der Raddampfer „ G i s e l a " auf dem Traunsee wird nach Einbau des fünften Kessels noch für Jahre in Betrieb bleiben k ö n n e n , um die Tradition zu wahren. N u r ganz wenige Schiffe haben in Europa ein Alter von über hundert Jahren erreicht, ohne d a ß Maschine und Schiffskörper erneuert worden sind. Zur Entstehung des Films Das Deutsche Schiffahrtsmuseum besitzt als Exponat das Mittelschiff eines Raddampfers, erbaut i m Jahre 1881. Das Schiff war fast 90 Jahre auf Elbe und Weser in Betrieb, zum Antrieb der R ä d e r diente eine oszillierende Dampfmaschine mit Handumsteuerung, erbaut von der Prager Maschinenbau-Aktiengesellschaft vormals Ruston & C o . Die Bedienung einer Maschine dieser Bauart sollte in einem Film dokumentiert werden, die Wahl fiel auf die von der gleichen Maschinenfabrik erbauten 100 Jahre alten und noch in Betrieb befindlichen Anlage des Raddampfers „ G i s e l a " auf dem Traunsee in Ö s t e r r e i c h . Die Aufnahmen wurden am 20. und 21.8.1972 mit U n t e r s t ü t z u n g des Instituts für den Wissenschaftlichen Film, G ö t t i n g e n , und der Stiftung Deutsches Schiffahrtsmuseum, Bremerhaven, durchgeführt. (Kamera: Arriflex 16, Filmmaterial: GevachromeT600,T605). Schiffsbesatzung am 21.8.1972: WALTER S C H I F F B Ä N K E R (Kapitän), KARL KASBERGER (Maschinist), F R A N Z VOGL (Steuermann), J O S E F I P P I S C H (Heizer) und ein Matrose. Filmbeschreibung Wortlaut des gesprochenen Kommentars Die Dampfschiffahrt auf dem im oberösterreichischen Salzkammergut gelegenen Traunsee begann im Jahre 1839. Der einzige dort noch vorhandene Raddampfer wurde 1872 von der Schiffswerft Floridsdorf bei Wien erbaut und ist in Einzelteilen zum Traunsee gebracht worden. Das Schiff befindet sich jetzt an seinem Liegeplatz in Ebensee. Der Heizer kommt morgens als erster an Bord, um den Kessel anzuheizen. Die Rauchkammer ist geöffnet. Der liegend angeordnete Flammrohrkessel hat 150 Siederohre. Ein getränkter Lappen wird direkt unter dem Schornstein zur Erleichterung des Feuermachens e n t z ü n d e t . 12 Techn. Wiss./Naturw. 3/6 - E 2099 A u f der R o s t f l ä c h e i m F l a m m r o h r des Kessels w i r d das Feuer angesteckt. Kesselanlagen haben eine begrenzte Lebensdauer. Dieser Kessel ist der vierte, 1938 eingebaut. D i e A n t r i e b s m a s c h i n e dieses R a d d a m p f e r s ist eine oszillierende V e r b u n d d a m p f maschine m i t einer L e i s t u n g v o n 120 PS. Sie ist stehend angeordnet m i t oben liegender K u r b e l w e l l e , ist m i t einem E i n s p r i t z k o n d e n s a t o r versehen u n d v o n der Prager M a s c h i n e n b a u - A k t i e n g e s e l l s c h a f t 1872 erbaut w o r d e n . V o r Betriebsbeginn werden alle Schmierstellen ü b e r p r ü f t . D e r Z y l i n d e r k e s s e l m i t r ü c k k e h r e n d e r F l a m m e , auch schottischer Kessel genannt, hat eine H e i z f l ä c h e v o n 80 m u n d ist ohne Ü b e r h i t z e r a u s g e f ü h r t . B e i n o r m a l e m Betrieb des Schiffes werden 3—4 Z e n t n e r Steinkohle i n der Stunde verbraucht. D i e wichtigsten Instrumente a m Kessel s i n d Wasserstandsglas u n d M a n o m e t e r , der Ü b e r d r u c k b e t r ä g t 7 A t m o s p h ä r e n . E i n e Speisepumpe versorgt den Kessel m i t W a s s e r aus d e m See u n d m i t K o n d e n s a t v o m A b d a m p f . D i e K o h l e n b u n k e r befinden sich seitlich neben d e m Kessel u n d fassen mehrere T o n n e n . A m D a m p f d o m des Kessels w i r d v o n D e c k aus das H a u p t v e n t i l geöffnet. Z u m A n w ä r m e n w i r d die M a s c h i n e bei festliegendem Schiff i n langsame D r e h u n g versetzt, d a z u m ü s s e n viele H e b e l bedient w e r d e n . D i e jetzt v o r w ä r t s laufende M a schine ist m i t einer U m s t e u e r u n g m i t losen E x z e n t e r versehen. Diese sogenannte Schleppexzenterumsteuerung ist i n der B a u a r t einfach, erfordert aber viel E r f a h r u n g des M a s c h i n i s t e n . 2 D i e B e w e g u n g des Exzenters steuert die D a m p f z u f u h r z u m Z y l i n d e r . Ü b e r G e s t ä n g e w i r d diese B e w e g u n g z u m Schieberkasten ü b e r t r a g e n . B e i einer V e r b u n d m a s c h i n e d u r c h s t r ö m t der D a m p f nacheinander die beiden Z y l i n d e r , der H o c h d r u c k z y l i n d e r ist daher kleiner als der N i e d e r d r u c k z y l i n d e r . D i e K o l b e n s t a n g e greift u n m i t t e l b a r an der K u r b e l an, ein K r e u z k o p f ist nicht v o r h a n d e n , die Z y l i n d e r machen eine oszillierende oder schwingende B e w e g u n g . D i e Exzenterstange, hier a m N i e d e r d r u c k z y l i n d e r , treibt eine n a c h seinem E r f i n d e r benannte PENNsche K u l i s s e . A m Kulissenstein greift ein H e b e l ein, der die E x z e n terbewegung u n a b h ä n g i g v o n der Z y l i n d e r s c h w i n g u n g zur Schieberstange ü b e r trägt. Im V o r d e r g r u n d die Schieberstange u n d der Schieberkasten, i n dem die D a m p f z u fuhr z u m Z y l i n d e r gesteuert w i r d . D e r D a m p f w i r d d u r c h die h o h l e n D r e h z a p f e n g e f ü h r t ; sie w e r d e n d u r c h Stoffbuchsen abgedichtet. Diese L u f t p u m p e i m K o n d e n s a t o r w i r d v o n der K u r b e l w e l l e angetrieben u n d sorgt für U n t e r d r u c k . Ü b e r diesen H a h n w i r d kaltes Seewasser eingespritzt, so d a ß der A b d a m p f kondensiert. Z w i s c h e n Exzenter u n d Schieberantrieb befindet sich eine V o r r i c h t u n g z u m A u s k u p p e l n der Exzenterstange. D e r schwingende H e b e l , hier v o r d e m H o c h d r u c k z y l i n der, dient b e i m U m s t e u e r n der D r e h r i c h t u n g zur V e r s t e l l u n g des Schiebers v o n Hand. N a c h A b s t e l l e n der M a s c h i n e w i r d die Exzenterstange ausgeklinkt. M i t d e m H a n d hebel w i r d der Schieber so verstellt, d a ß n a c h D a m p f z u g a b e die M a s c h i n e i n G e g e n 13 Techn. Wiss./Naturw. 3/6 - E 2099 richtung anläuft. Nach einer halben Umdrehung bewegt sich auch die Exzenterstange gegenläufig. Jetzt kann diese am Schieberantrieb wieder einrasten und die Maschine läuft von selbst weiter. Der Exzenter mit Gegengewicht ist drehbar gelagert und wird durch einen Zapfen der Drehrichtung entsprechend mitgenommen. Bei dieser Bauart der Steuerung mit losen Exzenter kann der Füllungsgrad der Zylinder nicht verändert werden. Z u r besseren Darstellung wird von dem Maschinisten die Maschine noch einige Male umgesteuert. Durch diese Vorrichtung wird die Exzenterstange ausgeklinkt. Kulisse mit Schieberantrieb wird von H a n d je nach der g e w ü n s c h t e n Drehrichtung verstellt. Nach Anlaufen gelangt der Exzenter in die Gegenlage, und die Exzenterstange kann wieder einrasten. Die Maschine läuft zurück und wird wieder umgesteuert. Der Exzenter wird durch einen Zapfen, in Bildmitte, von der anderen Anschlagseite her mitgenommen. Die Kupplung wird ausgeklinkt. Ein Hebel wird bedient, — und jetzt rastet sie wieder ein. Nur am Hochdruckzylinder wird die Maschine umgesteuert. Durch den d a z u g e h ö r i gen Exzenter steuert sich der Niederdruckzylinder selbst um. Nur bei ungünstiger Kurbelstellung m u ß die Maschine durch diesen Zylinder in Gang gebracht werden. Die Räder haben einen Durchmesser von 3,75 m und haben je 12 eiserne Schaufeln, deren Eintauchwinkel w ä h r e n d der Raddrehung durch einen Exzenter gesteuert wird. Über die Kurbelwelle der Dampfmaschine sind die beiden Seitenräder starr miteinander verbunden. Sie sind durch R a d k ä s t e n verkleidet, um Spritzwasser zur ü c k z u h a l t e n . Die Schaufeln selbst sind fast 2 m lang und V2 m breit, und es tauchen je Rad drei Schaufeln gleichzeitig ein. M i t einem langen Feuerhaken wird von Zeit zu Zeit das Feuer d u r c h g e s t o ß e n , um die Asche von der brennenden Kohle zu trennen und um die Schlacke in kleinere Stücke zu zerteilen. Durch verstellbare Luftklappen kann das Feuer und damit die Dampferzeugung des Kessels beeinflußt werden. Die Maschine b e n ö t i g t ungefähr 1,21 Dampf in der Stunde. Einige Stunden nach A n z ü n d e n des Feuers unter dem Kessel ist die „ G i s e l a " betriebsbereit und kann ablegen. Es ist eine Besatzung von 6 M a n n erforderlich: K a p i t ä n , Maschinist, Steuermann, zwei Matrosen und ein Heizer. Das Schiff hat eine L ä n g e von insgesamt 52 m und eine Breite über die R a d k ä s t e n von 9,35 m. Im Leerzustand hat der Dampfer eine W a s s e r v e r d r ä n g u n g von 135 t, die Tragfähigkeit beträgt 521 bei einem Tiefgang von 1,50 m. Es kann eine Geschwindigkeit von 18 km in der Stunde erreicht werden. Die Dampfmaschine, jetzt vom Deck aus gesehen, läuft dann mit 40 Umdrehungen in der Minute. Oben rechts die Kurbel des Hockdruckzylinders. Die mittlere Kurbel treibt die a n g e h ä n g t e Luftpumpe für den Kondensator. Daneben die beiden Exzenter zur Steuerung der Dampfzufuhr zu den Zylindern. Der Niederdruckzylinder mit dem angebauten Schieberkasten. — Der Kolbenhub der Maschine beträgt 780 mm, die Kolben der beiden Zylinder haben 460 und 670 mm Durchmesser. Früher waren sie gleich g r o ß , aber beim Einbau des jetzigen Kessels, 14 Techn. Wiss./Naturw. 3/6-E 2099 für h ö h e r e n D r u c k ausgelegt, w u r d e ein Z y l i n d e r verkleinert. D i e Z w i l l i n g s m a s c h i n e w u r d e i n eine V e r b u n d m a s c h i n e umgebaut. Z u s a m m e n m i t einem Schwesterschiff diente der R a d d a m p f e r „ G i s e l a " v o r w i e g e n d dem L i n i e n v e r k e h r z w i s c h e n den O r t s c h a f t e n a m Seeufer. W e g e n der h o h e n Betriebskosten w i r d er heute n u r n o c h selten eingesetzt, w ä h r e n d das andere Schiff 1969 n a c h einer Betriebsdauer v o n 110 J a h r e n a u ß e r D i e n s t gestellt w u r d e . Dieses Eindeckschiff ist besonders geeignet z u r F a h r t bei s c h ö n e m W e t t e r u n d k a n n bis z u 5 0 0 Personen b e f ö r d e r n . A u c h i m V o r - u n d Achterschiff befinden sich R ä u m e für F a h r g ä s t e . D a s Steuerhaus befindet sich ü b e r der M a s c h i n e , Kessel u n d S c h o r n stein sind d a v o r angeordnet. D a s R u d e r w i r d n u r v o n H a n d bewegt. Das Schiff v o n hinten m i t den beiden R a d k ä s t e n , d a z w i s c h e n die B r ü c k e m i t d e m Steuerhaus. Z u m A n l e g e n bedient der K a p i t ä n auf der B r ü c k e den M a s c h i n e n t e l e g r a p h e n , u n d der M a s c h i n i s t steuert die M a s c h i n e u m . D i e R ä d e r drehen r ü c k w ä r t s , u n d die F a h r t v e r l a n g s a m t sich. D i e Anlegestelle des O r t e s T r a u n k i r c h e n . N a c h diesem k u r z e n H a l t erreicht der D a m p f e r n a c h einer weiteren h a l b e n Stunde F a h r t die Stadt G m u n d e n , a m n ö r d l i c h e n E n d e des Traunsees. Literatur [1] BAKER, W. A . : From Paddle-Steamer To Nuclear Ship. London 1965. [2] BAEDEKER, K.: Süd-Deutschland und Österreich. Handbuch für Reisende. Leipzig 1879. [3] BUSLEY, C.: Die Schiffsmaschine, ihre Construktion, Wirkungsweise und Bedienung. 3 Bde. Kiel 1885/86. [4] ENDERES, B.: Die „Holz- und Eisenbahn" Budweis - Linz, das erste Werk deutscher Eisenbahnbaukunst. Beitr. Gesch. Techn. Ind. 16 (1926), 13-64. [5] FISCHER, H.: Einführung und Entwicklung der Dampfschiffahrt auf der Elbe im Königreiche Sachsen. Civilingenieur 36 (1890), 257-296. [6] FUCHS, H . , und A . G Ü N T H E R : Die ersten betriebsfähigen Dampfmaschinen in Böhmen. Beitr. Gesch. Techn. Ind. 5 (1913), 230-249. 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