Online Version kostenlos downloaden.

KULTUR-KOMMUNIKATION
IM WETTBEWERB
HAMBURGER PREIS FÜR KULTUR-KOMMUNIKATION 2015
RUDOLF STILCKEN
KULTUR-KOMMUNIKATION IM WETTBEWERB
HAMBURGER PREIS F ÜR
KULTUR-KOMMUNIKATION 2015
RUDOLF STILCKEN
2
INHALT
6
GRUSSWORTE:
ELMAR LAMPSON
Präsident der Hochschule für Musik und Theater Hamburg
10
REINHARD FLENDER
14
IMPULSE
ALEXANDER DEICHSEL
Direktor des Institutes für kulturelle Innovationsforschung
und Leiter des Instituts KMM
Substanz als Gestalt –
Kundschaft will Lei(s)tung in der Kultur-Kommunikation
38
RUDOLF STILCKEN
50
ANDREAS HOFFMANN
Wie Kultur (kritische?!) Kundschaft schafft!
Wie Kunst zu erlebter Kultur wird –
Hamburgs Museumslandschaft im Aufbruch
136
DOKUMENTATION
DER HAMBURGER PREIS FÜR KULTUR-KOMMUNIKATION 2015
138
140
142
144
Die Auszeichnung
Der Stifter
Die Jury
Die Teilnehmer
KATEGORIE I KAMPAGNE
150
151
153
KATEGORIE II MARKE
KATEGORIE IIIJUNGE KOMMUNIKATION
145
148
Preisträger: Hamburger Kunsthalle
Nominierte: Deutsches Schauspielhaus,
Hamburgische Staatsoper, ZuFlucht Wendland
Preisträger: ELBJAZZ
Nominierte: Förderverein Grünes Forum Selbstverwaltung,
Musikhochschule Lübeck, Buchhandlung Felix Jud
92
ELISA ERKELENZ
155
156
158
116
FRIEDRICH LOOCK
160
164
Impulsveranstaltung und Preisverleihung
Impressionen – Gäste und Teilnehmer in Kommunikation
128
CHRISTIAN KELLERSMANN
166
168
170
Der resonanzraum
Preisträger 2013
Über das Institut für kulturelle Innovationsforschung
Über das Institut für Kultur- und Medienmanagement
172
SCHLUSSWORT
RUDOLF STILCKEN
174
176
Danksagungen
Impressum
Kulturkommunikation als Kunst der Resonanz. Eine Annäherung
Wir müssen reden!
Die Suche nach dem „richtigen“ Event
4
Preisträger: TONALi
Nominierte: Stiftung Kulturpalast, Affordable Art Fair
5
PROF. ELMAR LAMPSON
GRUSSWORT
Der Hamburger Preis für Kultur-Kommunikation Rudolf Stilcken
ist eine Innovation in der Hamburger Kulturlandschaft. Er wurde
2013 von Rudolf Stilcken, Ehrensenator unserer Hochschule gestiftet und im Oktober 2015 zum zweiten Mal an drei Hamburger
Kulturinstitutionen verliehen. Mit dieser bemerkenswerten Initiative wird eine Lücke geschlossen, die sich allzu leicht zwischen
Kulturproduktion und ihrer Vermittlung auftut. Wir bilden in
unserer Hochschule ca. 750 Komponisten, Dirigenten Instrumentalisten, Sänger, Musiklehrer, Musiktherapeuten, Regisseure und
Schauspieler aus. Diese konzentrieren sich auf ihre künstlerische
Exzellenz. Ohne diese Hochleistungen wären unsere Absolventinnen und Absolventen im harten globalen Markt der besten Talente chancenlos. Auf der anderen Seite hat sich mit dem Institut
für Kultur- und Medienmanagement die größte Ausbildungsstätte
Europas für Kulturmanagement in Hamburg etabliert. Somit
reicht das Feld der Ausbildung an der Hochschule weit über Musik
und Theater hinaus: die bei uns ausgebildeten Kulturmanagerinnen
und Kulturmanager setzen Impulse in Museen, Stiftungen, in der
Kulturpolitik und in der Kulturwirtschaft.
Was geschieht aber, wenn die einen produzieren, die anderen vermarkten, aber das eine mit dem anderen nicht substantiell verbunden ist? Hier sind Einfühlungsvermögen und Kompetenz in beiden
Feldern gefragt. Der Hamburger Preis für Kultur-Kommunikation
soll an dieser Schnittstelle ein Zeichen setzen: Preisgekrönt werden
Kulturmarken, Kampagnen und Kulturvermittlungsaktionen für
junge Kulturnutzer, in denen die Beziehung zwischen künstlerischer Exzellenz und ihrer Kommunikation in der Öffentlichkeit
6
evident ist. Somit ist Kulturkommunikation selber eine Kunst, die
überzeugt und Bestand hat, wenn sie künstlerische Substanz in die
Gesellschaft trägt.
Die drei Preisträger stellen dies überzeugend unter Beweis:
Wer heute auf dem Weg zur Arbeit an der Hamburger Kunsthalle
vorbeifährt, der wird mit dem Claim: „Weiter offen“, der mit
gepixelter Schrift auf blendendem Gelb an den Bauzäunen der sich
im Umbau befindlichen Kunsthalle aufgemalt wurde, animiert,
sich bewusst zu machen, dass diese traditionsreiche Institution ein
offener Raum ist, der nur dadurch lebt, dass Hamburger Bürgerinnen und Bürgern ihn beleben. Mit „ELBJAZZ“ hat die Hamburger
Kulturmanagerin Tina Heine eine identitätsstiftende Hamburger
Kulturmarke geschaffen: Die Hamburger Docks als Kulisse für
eine Neuinszenierung von Jazzmusik eingebettet in einer einzigartigen Festivalatmosphäre, die grenzüberschreitend jazzaffine
Musiken aller Genres mit einschließt. Auch die originellen Kulturvermittlungsideen der TONALi-Gründer Boris Matchin und
Amadeus Templeton zeigen beispielhaft, wie das Image klassischer
Musik, das mit dem „Silbersee“, also einem Publikum 60 plus
assoziiert wird, überzeugend und authentisch an eine junge
Generation vermittelt werden kann. In allen drei Fällen wird
deutlich, wie wichtig gute Kulturkommunikation für die Vermittlung künstlerischer Exzellenz ist.
Ich wünsche mir, dass der Hamburger Preis für Kultur-Kommunikation Rudolf Stilcken zu einer festen Institution wird und freue
mich auf die Fortsetzung dieser privaten Initiative im Jahre 2017.
7
PROF. ELMAR LAMPSON
ist Präsident der Hochschule für
Musik und Theater Hamburg.
8
9
PROF. DR. REINHARD FLENDER
GRUSSWORT
Als Friedrich Loock und Rudolf Stilcken mich im Herbst 2014
um ein Gespräch baten und fragten, ob das Institut für kulturelle
Innovationsforschung die Trägerschaft für den Hamburger Preis
für Kultur-Kommunikation 2015 Rudolf Stilcken übernehmen
könne, habe ich spontan zugestimmt. Kulturkommunikation ist
ein zentrales Feld in der kulturellen Innovationforschung. Die
Produktion von „Neuem in der Kultur“ ist erst einmal inflationär.
Als innovativ kann eine Ausstellung, eine Premiere, ein Wettbewerb oder eine Festivalidee erst bezeichnet werden, wenn sie
nachhaltig im Bewusstsein der Gesellschaft implantiert sind. Die
Innovationsforschung nennt dies: „Innidation“. Die Bedingung
für die erfolgreiche Verankerung eines Kunstwerkes im Bewusstsein einer Gesellschaft ist Kommunikation. Von daher benennt
die These: „Kultur kann nur erfolgreich sein, wenn sie in ihrer
Kommunikation erfolgreich ist“, ein wichtiges Element im Prozess
kultureller Innovationen.
Damals konnte ich nicht ahnen, dass ich ein Jahr später die Leitung
des Instituts für Kultur- und Medienmanagement übernehmen
würde. So begrüße ich heute die nominierten Preisträger, die
KMM Studierenden und alle Gäste in einer Doppelfunktion: als
Direktor des Instituts für kulturelle Innovationsforschung und als
Leiter des Instituts für Kultur- und Medienmanagement, dem mit
über 500 Studierenden Präsent- und Fernstudierenden größten Institut seiner Art in Europa. Der 27. Jahrgang des Master-Präsenzstudiums hat gerade sein Studium begonnen und die Teilnahme an
der vorangegangenen Impulsveranstaltung ist Teil des Curriculums.
Die Studierenden befinden sich hier in dem speziellen Ambiente
10
des resonanzraums und erleben, wie Kultur in Theorie und Praxis
gemacht wird. Prof. Deichsel hat uns eben erklärt, dass die Kommunikation eines Kunstwerkes nur dann erfolgreich sein kann,
wenn das Kunstwerk Substanz hat und wenn es in sich den Keim
von Kommunizierbarkeit enthält. Nun gibt es Kunstwerke, die sich
offensichtlich selbst erklären und geradezu zur Kommunikation
anregen und andere, die schwerer zugänglich sind. Aber alles
hat seine Berechtigung: Kunst und Kultur können leicht und beschwingt daher kommen, wie in dem eben gehörten Quartettsatz
von Dvořák oder hoch spezialisierte Formen der Kunst können
auch mentale Vorbereitung, intensives konzentriertes Zuhören oder
kontemplative Versenkung erfordern.
Dies ist insbesondere der Fall bei Werken der sogenannten
„Hochkultur“, wobei heute Hochkultur in unserer demokratisch
konstituierten Gesellschaftsform einen Beigeschmack von
„elitistisch“ bekommen hat, was aber den Tatsachen nicht entspricht. Eher sollte man von „Intensivkultur“ sprechen, also einer
Kunstform, die Vorkenntnisse erfordert und dafür auch Hörund Seh-Welten erschließt, die einen hohen Grad von Erlebnisintensität versprechen. Die Jury, die die Preisträger heute bekannt
geben wird, hat darauf geachtet, dass die ausgezeichneten Kommunikationskonzepte nicht auf die Kunst projiziert werden im
Sinne der Vermarktung eines Produktes, sondern sich sensibel in
die Substanz des kulturellen Erbes oder der aktuellen Kulturproduktion hineingefühlt haben, um die in ihr angelegten Kommunikationsprozesse zu verstärken und in der Öffentlichkeit bekannt zu
machen als Kampagne, Marke oder „Junge Kommunikation“.
11
Letztere Kategorie ist der Tatsache geschuldet, dass jede neue
Generation ihre eigene Kommunikationskultur entwickelt und
Kulturkommunikation für die verschiedenen Kohorten Gruppen
ausdifferenziert werden muss.
Von der Theorie zur kulturellen Praxis. Dieser Preis wurde gestiftet von Rudolf Stilcken, wobei der Stifter sich bei der zweiten
Ausgabe des Preises anders positioniert hat. Hieß der Preis noch
2013 Rudolf Stilcken Preis für Kultur-Kommunikation, so heißt er
heute: Hamburger Preis für Kultur-Kommunikation 2015 Rudolf
Stilcken. In dieser Formalie steckt mehr als ein reines Formkalkül.
Der Stifter verortet diesen Preis in Hamburg und schließt die
Metropolregion Hamburg mit ein. Hamburg war immer schon ein
Stadtstaat, der politisch und wirtschaftlich autark war und keine
Gebietsansprüche an das Umland stellte wie das in Hannover oder
München der Fall war. Hier sind die Städte Landeshauptstädte
und hier stützt sich die staatliche Kulturförderung auf alte aristokratische Traditionen. In Hamburg gilt seit jeher die Maxime, dass
Kunst und Kultur von den Bürgern der Stadt selbst zu gestalten
und natürlich auch selbst zu finanzieren seien. Die Initiative von
Rudolf Stilcken steht in dieser Tradition, denn die Wirkung dieses
Preises in der Stadt sollte nicht unterschätzt werden, was wir an
der hohen Zahl von Einsendungen gemerkt haben. Von daher ist
dieser Preis eine wahre „Hamburgensie“.
Um den Claim von Rudolf Stilcken noch einmal aufzugreifen
und zu variieren: „Kunst und Kultur können nur dann erfolgreich
sein, wenn sie gefördert werden“. Das ist der Grundsatz, den wir
12
nicht vergessen dürfen. Dabei kommt es auf die Qualität und
Nachhaltigkeit der Förderung an. Es gäbe in Hamburg keine
Kunsthalle, wenn sie nicht von Hamburger Bürgerinnen und
Bürgern gestiftet worden wäre. Auch der jetzige Umbau wird von
der Dorit- und Alexander Otto Stiftung finanziert. Die Kunsthalle
und alle anderen Museen in Hamburg können der Hamburgischen
Öffentlichkeit nur das kommunizieren, was neu angekauft oder
in ihren Räumen als Leihgabe gezeigt wird. Da die Stadt sich in
alter Hamburger Tradition hauptsächlich um die Grundversorgung
kümmert, sind die Stifterinnen und Stifter gefragt, als Kulturträger aktiv zu werden und die Form mit Inhalt zu füllen. Der
Hamburger Preis für Kultur-Kommunikation ist deshalb nicht nur
eine Auszeichnung für die Kulturbetriebe und Kulturinitiativen
der Stadt, neue Wege in der Kulturkommunikation zu gehen und
voneinander zu lernen, sondern er ist auch ein Mutmacher an alle
Hamburger Bürgerinnen und Bürger, sich für Kunst und Kultur
zu engagieren. Es ist von daher wünschenswert, dass dieser Preis
zu einer festen Institution im Hamburger Kulturleben wird. Die
Planungen für die nächste runde 2017 sind schon in vollem Gange.
Vielen Dank
PROF. DR. REINHARD FLENDER
ist Direktor des Institutes für kulturelle
Innovationsforschung an der Hochschule
für Musik und Theater Hamburg und seit
Oktober 2015 Leiter des Instituts KMM.
13
PROF. DR. ALEXANDER DEICHSEL
SUBSTANZ ALS GESTALT – KUNDSCHAF T SUCHT
LEI(S)TUNG IN DER KULTUR-KOMMUNIKATION
10 ANTWORTEN AUF 11 FRAGEN
EIN INTERVIEW MIT ALEXANDER DEICHSEL
1
1. Prof. Dr. Deichsel – Was hat die Markensoziologie als Zweig
einer modernen Nationalökonomie mit Substanzen zu schaffen?
Das passt doch überhaupt nicht zusammen.
Das passt hervorragend zusammen. Die Soziologie ist die Lehre
vom förderlichen Zusammenwirken der Menschen. Und was ist
wohl wichtiger für ein Gemeinwesen als die Zusage des verlässlichen Wirtschaftens zwischen Herstellern, Händlern und Laien?
Oder soll ich sagen: zwischen Laien, Händlern und Herstellern?!
Wer löst was aus? Jeder dieser Handelnden erschafft Verbindungen innerhalb einer vorab schon existierenden Vorverbundenheit.
In ihr versammeln Unternehmen uns leistungshungrigen Laien
zu Kundschaften, zu freiwilligen Zahlungsgemeinden. Dadurch
entsteht kulturelles Leben im weitesten Sinne. Allerdings gelingt
dies nur in dem Maße, in dem die Leistungen sauber, anständig,
ehrlich, ehrenwert kalkuliert sind – substanziell. Wir alle spüren
das Maß an Substanzialität einer Leistung. Vor allem auch, weil
wir Gleichgültigkeit, falsche Versprechungen, Täuschungen sogleich bemerken. Mit Substanz ist innere Kraft gemeint. Eigenartigerweise überträgt sie sich in die Leistung, sei sie Ding oder
Dienst; und über diese sogleich auf andere Menschen. Der Wille
zur Würde strahlt ab - unabhängig vom Inhalt der Leistung.
Ob T-shirt oder Trinkwasseraufbereitungsanlage, ob Akropolis
oder Gartenlaube, ob große Symphonik oder Vorstadtband – wir
bezahlende Menschen zahlen am liebsten für den Stolz in einer
14
1
Prof. Dr. Deichsel hielt
anlässlich der Verleihung
des Hamburger Preis für
Kultur-Kommunikation 2015 –
Rudolf Stilcken – Preis am
15. Oktober 2015 den
gleichlautenden Vortrag.
Anschließend entstand das
hier veröffentlichte Interview.
Leistung. Das gälte nicht für eine Käsepackung im Supermarkt?
Welch ein Irrtum, denn beobachten Sie sich, wann und warum
Sie zum Fachhändler gehen, der aus eben diesen Gründen mehr
und mehr auch in den Großflächen auftaucht. Besonders in den
Künsten zeigt sich, dass die substanzielle Kraft unabhängig
vom mechanischen Aufwand wirkt. Der Pantomime auf dem
Marktplatz vermag sie ebenso auszustrahlen wie die Inszenierung
im Opernhaus. Der Wille zu Substanz ist also die beste Geschäftsgrundlage. Angesichts dieses Sachverhaltes ist die Trennung von
Betriebs- und Volkswirtschaft in zwei akademische Bereiche
durchaus problematisch. Die moderne Markensoziologie erweist
eben die unaufhebbare – substanzielle! – Verbindung beider in
der, bei aller Globalisierung, unausweichlich weiterhin örtlichen
Nationalökonomie. Das liegt eben daran: Substanz zeigt sich immer örtlich. Von den Pflanzen über die Tiere zu den Menschen
und deren kulturellen Kernkraftwerken bis zur Luft.
2. Kulturelle Kernkraftwerke? Sie sehen die Gestalt unserer
Kulturleistungen als Schnittstelle zwischen Substanz und Geld –
ist das nicht ein bisschen plump?
Nicht plump, aber deutlich. Nicht nur ein Jazzfestival oder
eine Kunsthalle, jedes Kinderlied und jede Theateraufführung
strahl Stolz und Leistungsfreude ab – mehr oder weniger.
Auch unsere Kleidung, unsere Sprechweise, unsere Waren
sind solche ausstrahlenden Leistungen des Menschen. So
betrachtet, begegnen wir allen Vorgängen in der Welt immer
in Form von Gestalt.
15
Ob als Mensch, als Ware, als Klang, als Bewegung – immer
ist es Gestalt gewordene Materie, die uns bedrängt beglückt,
begeistert – entsetzt. Auch als innere Gestalt beschäftigt uns das
Universum, denn unsere inneren Stimmen, unsere Träume und
Erinnerungen sind bevölkert von solchen Gestalten, die schließlich lebendige Beweggründe für unser Handeln werden. Ihr naht
euch wieder, schwankende Gestalten ... - der verzweifelnde Faust
versucht, ihrer drohenden Gewalt bekanntlich Herr zu werden;
auch wenn wir als Schüler dachten, er meine die Freunde vom
gestrigen Gelage in Auerbachs Keller, so beschreibt der Dichter
doch nur die Allgewalt der Gestalt gewordenen Materie.
Wenn uns vorhin das Streichquartett Opus 96 von Dvorjak vorgespielt wurde, so war auch dies Gestalt gewordene Substanz.
So ungewohnt es klingt: Gestalt hat nur sich selbst zur Ursache.
Sie wird zwar mittels mechanischer Vorgänge ermöglicht, es
bedarf also der Noten, einer Violine, und der Schallwellen,
doch das irgendwie Dvorjaksche ist keineswegs mechanisch zu
erzeugen. Die Dvorjaksche Musik tritt immer als sinnlich
wahrnehmbarer Klang in Erscheinung, die Klänge selber sind
jedoch eine spezifisch geordnete Gestalt, die nun sich selber zur
Ursache hat und die man technisch nicht erzeugen kann. Oder
nochmals anders: Es bedarf der Mechanik, um sie freizulegen.
Das Freigelegte selber gehorcht aber keinen mechanischen
Gesetzen. Es ist wie in der Natur: Wenn Samen und Eizelle
sich verbinden, entsteht ein vielfach beschriebener Prozess –
die Gestalt des entstehenden Kindes jedoch ist substanzielle
Schöpfung. Denken Sie nur an Parthenogenese – in Natur und
Kultur! Was die Natur uns vormacht, versuchen wir nachzubilden,
16
nachzugestalten: Wir erschaffen Gestalt in unseren kulturellen
Erscheinungen, von denen die Künste ganz besondere Leistungen darstellen. Denn jeder Sitte, jeder Speise, jedem Gedanken
begegnen wir als Gestalt. Insofern begegnet uns Substanz immer
als Gestalt und in jeder Gestalt begegnet uns mehr oder weniger
kräftige, ausdrucksstarke Substanz. Dies ist für den Kaufmann, ja
für jede kulturelle Tätigkeit von gedanklich doch wohl nachvollziehbarer Bedeutung, oder? Je substanzieller eine Gestalt gefüllt
wird, desto dauerhafter ordnet sie die Welt um sich herum. Also
auch den Markt und die Geldbewegungen. Warum die einen
Tausende von Jahren, die anderen nur zwölf ? Naja – wann erlaubt
Ihre Zeit ein nächstes Gespräch?
3. Sind das dann die Wirkungen?
Die Wirkung solcher in Gestalt gebrachten Leistungen führt
dazu, dass wir Laien uns um sie versammeln. Je ausstrahlungskräftiger die Substanz, desto enger die Bindung, sowohl hinsichtlich der Intensität als auch hinsichtlich der Dauer. Der pfiffige
Leibniz bezeichnete uns Menschen als die Kleinen Götter –
tatsächlich entdecken wir Möglichkeiten innerhalb unserer je
örtlichen Natur und formen sie zu Leistungen – heute sind die
meisten kaufbar. Die Waren sind als kulturelle Leistungen mehr
oder weniger typisch und individuell. Manchem Künstler erscheint ein solcher Vergleich erniedrigend, dies jedoch zu
Unrecht. Jede Leistungsgestalt enthält, bei genauem Hinsehen,
die Chance, Begabungen anzuregen und zu wecken. Nehmen
wir doch wieder das Streichquartett. Unsere vier Musiker
17
entwickeln ihre Begabungen, in dem sie Instrumente und Noten
kaufen, Räume mieten und schließlich interessierte Zuhörer zum
bezahlten Lauschen veranlassen. Was wir Wirkung nennen,
besteht darin, dass Menschen, die etwas bestimmtes besonders gut
können, durch eben diese Leistung(en) anderen Menschen, in
denen Freude an der Teilhabe zwar vorhanden ist, die Leistungsbefähigung jedoch nicht, die Möglichkeit bieten, eben diesen
Impuls auf diese Weise zu wecken, zu stärken, anzuregen. Das
apriorisch Angelegte wird angeregt, geweckt und diese Entfaltung
im eigenen Innen nennen wir Wirkung. Dabei spielt die in die
Mechanik einer Gestalt gebrachte Substanz die entscheidende
Rolle, metaphysische Wirkung läuft über Physisches, ist jedoch
in dem Maße dauerhaft, indem sie vor-mechanisch innere Kräfte
anregt. Anregung der Seele. Auf diese Weise leitet Leistung durch
Gestalt. Auch hier sind die Künste exemplarische Beispiele.
Wir gehen in ein Konzert, weil es uns gefällt, wir besuchen eine
Gemäldegalerie, weil wir die Bilder bestaunen oder studieren,
durch sie hindurch andere Zeiten und Gegenden unserer Welt
besser erkennen wollen; wir setzen uns in ein Theater, um Problemdarstellungen beizuwohnen, die uns unsere eigenen Lebenslagen verständlicher machen. Insofern sind dies alles geistige
Lebensmittel, für die Gleiches gilt, was auch für deutlicher
anfassbare Lebensgeräte gilt – sie helfen uns, unsere Lebenssituationen zu gestalten – und schon wieder taucht das Wirken der
Gestalt auf. Die Wirkung liegt dabei nicht nur in einer mechanischen Übertragung von optischen, klanglichen, olfaktorischen,
haptischen oder gustatorischen Signalen. Diese Wahrnehmungen
sind nur die eine Seite des Vorgehens. Die zweite liegt in unserer
18
Wahrnehmung, also in dem schöpferischen Deuten dieser Eindrücke. Alle äußeren Eindrücke kommen zwar durch die Sinne
in den Sinn, doch der Sinn selber nicht. Er entsteht durch unsere
innere Deutungskraft – aus unserer eigenen Substanz heraus. So
entsteht dauerhafte Tiefenbindung. Der Kaufherr will eben dies
auch erreichen, er will binden, nicht nur verscherbeln; Sie sehen ja,
was dabei rauskommt, wenn man das versucht.
4. Wie nun aber bitte: entsteht daraus eine Marke?
Nun – ein Kaufherr will binden, insbesondere jener, der ein
Markengeschäft aufbauen will, der sein Geschäft vererben will.
Auf diese Weise entsteht ein Rückkopplungssystem – eben das,
was die Markensoziologie als Marke, als eigentliche wirtschaftliche Brennzelle unseres Gemeinwesens identifiziert hat.
Die Marke arbeitet als Energiesystem. Darf ich Ihnen, in
gebotener Kürze, illustrieren, wie ein solches System entsteht?
Als Erstes entsteht immer irgendeine Leistung – ob als Maggi,
als Computer oder als Streichquartett. All diese Schöpfer waren
Leister, bedenken Sie nur, wie sich der Dvorjak geplagt hat,
jahrelang sind sie durch die Lande gezogen und haben Musik
gemacht. Aber dann sind diese Leistungen auf einen Menschen
getroffen, der eben diese interessant fand, sie ausprobierte, beim
Speisen, beim Schreiben oder beim Tanzen und der dann erneut
nach ihr verlangt. Die in der Garage wurden gebeten, noch
mal einen Personal Computer zu basteln, – das war also eine
Innovation gegenüber den IBM-Schränken – und Dvorjak sollte
wieder kommen und spielen.
19
Diese Skizze entstand im
Rahmen der Impulsveranstaltung & Preisverleihung
des Hamburger Preises
für Kultur-Kommunikation
am 15.02.2015.
Prof. Dr. Alexander Deichsel
gab eine Einführung zum
Thema „Substanz als Gestalt Kundschaft will Lei(s)tung in
der Kultur-Kommunikation“.
Für diese Broschüre brachte
der Autor die Skizze zu Papier.
20
21
GEGENSTAND
STRUKTUR
FÜHRUNG
Leistungen
● Substanz
Eigenbewegt
aus Kraft
● Gestalt
Körperlich
erfahrbar
● Wirkung
Geld
Name/
Zeichen
Leistung
Produkt
Distribution
Kommunikation
Positives Vorurteil
Preis- und Wertstellung
Kreativität
Grenze füllen
22
● Individuelles
Selbst
Kundschaft
● Stärken
stärken
● Selbstähnlich
wachsen
Mittels Substanz als Gestalt
gilt es, durch Leistung zu
leiten und Kundschaft zu
erschaffen; der Gegenstand
der Marke entsteht aus
der Substanz als eigenbewegte Kraft, die als Gestalt
körperlich erfahrbar wird;
als Wirkung zieht sie Geld
auf sich: die Struktur dieses
Gegenstandes: Eine Leistung
wird in ein Produkt verdichtet,
welches über Kanäle der
Distribution Menschen um
sich versammelt: Kundschaft
aufbaut – Name und Zeichen
eben so wie Kommunikation sind in diesem Vorgang
markenindividuell einzusetzen;
dieses Rückkopplungssystem
erschafft stetig durch aktuelle
Leistungen Positive Vorurteile
und damit die Preis-­und
Wertstellung des Leistungssystems; vom Prinzip der
Selbstähnlichkeit gesteuert,
verlangt dies, die Stärken des
Systems zu stärken und damit
die Individualität des substanziellen Selbst einer Marke
im Markt dauerhaft durchzusetzen. Die für Kommunikation wichtige Kreativität soll
dabei dessen Grenzen füllen.
Die roten Pfeile:
Links: aus der inneren Kraft
heraus gestalt(en) und wirken.
Rechts: Nach dem Prinzip der
Selbstähnlichkeit die Stärken
stärken und dadurch die
individuelle Leistungsgestalt
sichern. Auf diese Weise sind
Kausal-­und Finalursachen
optimal verbunden.
23
Jetzt passiert im Markt etwas Hochinteressantes: Die Menschen
vernetzen sich, sie empfehlen diese Leistung Anderen und dabei
entsteht ein Zusammenhang. Aus den vielen potenziellen Konsumenten entstehen erst Kenner, die durch immer wieder neuartige
Begegnungen mit der Leistung zu Neugierigen werden, die sich
dann zu Käufern mausern und schließlich zu Kunden. Merken
Sie – die Verbindung zur Leistung wird immer enger, immer
stabiler. Doch damit ist der Prozess der Verbindung noch nicht
zu Ende. Immer mehr Kunden entstehen in den Gelegenheitskäufern und den vielen Kennern innerhalb der Konsumenten
und über die Zeit vernetzen sich diese Menschen zu etwas, was
auch wir in der deutschen Sprache extra bezeichnen – es entsteht
Kundschaft. Worin besteht das Eigenartige von Kundschaft?
Sie überlebt die vielen Einzelnen, sie überlebt die Kunden, die in
der Regel das Leistungssystem irgendwann verlassen. Die Bravo
lasen Sie mit 17, jetzt sind sie SPIEGEL-Leser. Als Mädchen
haben Sie PERSIL bei der Mutter kennen gelernt, als selbstständige junge Frau nahmen Sie natürlich etwas anderes, ARIEL
zum Beispiel; und als das erste Kind da war, war‘s dann doch wieder PERSIL. Wenn eine Marke zu einer Sitte gehört, hat sie es
geschafft – markensoziologisch gesehen. Auch in der Musik wird
ein Verhältnis immer dichter – unabhängig von den Inhalten, ob
Dvorjak oder Heavy Metall. Auch der Künstler ist ein Unternehmer, ein schöpferischer Unternehmer, der seine Anhänger erzeugt
und damit mehr oder weniger sein Geld verdient; sich und seine
Leute, seine Familie ernährt und also Komponente des Wirtschaftens wird. In diesem Energiesystem Marke ist das Unternehmen der Generator, die Kundschaft der Akku. Nun erkennt
24
man, wo die eigentliche Markenkraft sitzt – nicht im Unternehmen, sondern in der Kundschaft. Die Kundschaft ist der
eigentliche, der wirkliche Financier des Systems, nicht die
Banken. Eben deshalb sucht die Kundschaft immer Leistungen,
die sie leiten – das meint ja die Unterzeile meines Vortrages.
Man kann dies beobachten, wenn eine im Heimatmarkt gut
eingeführte, starke Marke ins Ausland geht. Sie nimmt alles mit:
die Leistungen, die Damen, die Kleidung, das Farbklima und
die Waren. Doch in Frankfurt brummt der Laden, in der chinesischen Provinzstadt kommen vielleicht einige Neugierige. Warum
ist es so leer? Weil man die Marke nicht mitnehmen konnte. Sie
muss erst wieder aufgebaut werden.
5. Nun aber echt: Meinen Sie wirklich, dass dieses betriebswirtschaftliche Konzept gälte auch für künstlerische Schöpfungen?
Na ist doch völlig klar. Jede künstlerische Leistung braucht
ihre Distribution. Eine Partitur das Orchester, ein Manuskript
den Verleger, den Buchhändler, ein Chanson seine Chansonette,
ein Maler seine Ausstellung, sei es in der heimatlichen
Sparkasse oder in der Kunsthalle. Schließlich gibt es Leistungsligen. Leitung braucht Distribution. All diese wunderbaren
kulturellen Geschöpfe der Menschen müssen ja zu uns, den
nach Leistungen Hungrigen gebracht werden. Das Produkt –
und nochmal: nicht nur Käse und Parfum sind Produkte, auch
eine Symphonie, eine Jazz-Improvisation und ein Gedicht sind
solche Erzeugnisse. Die Künste spielen dabei eine besondere
Rolle, auch wenn der Kunstmarkt heute manche bizarre Blüte
25
hervorbringt – immer ist Gestalt die Schnittstelle zwischen Leistung und Geld, dieser für jede Art von Schöpfung doch durchaus
zündenden Energie seit einigen tausend Jahren, der belebenden
Verbindung zwischen Substanz und Wirkung, was immer meint:
der Entfaltung von Anlagen in uns Laien, irgendwo, aber immer
vor Ort. Eine Leistung muss distribuiert, verbreitet, angeboten
werden. Auch hier darf man sich das nicht als Entwertung sich
vorstellen. Im Gegenteil – ein Orchester beispielsweise, ein
Theater, ein Verlag, ein Festival ist ein jeweils aktueller Propagandabeitrag eines Werkes. Dvorjak, von Brahms freundschaftlich
unterstützt, bekam einen Verleger, der ihm den Kontakt zum
großen Publikum ermöglichte. Die Galerien für die Maler und
die Labels und Interpreten für jede Art von Musik sind derartige
Händler – im wertvollen Sinne des Wortes – sie be- und verhandeln eine Schöpfung, man denke nur an die Messen oder
auch an die Zeitschriften, die zum Beispiel die Weimarianer
begründeten, um ihre Gedanken zu verteilen und zu verkaufen –
im Direktvertrieb. Eine bedeutende Rolle spielten und spielen
in diesem kunstvollen Geflecht die Preisverleihungen. Preisstifter
sind die Kolumbusse, die Entdecker. Wenn man verstanden hat,
welche Rolle die Gestalt als die schon genannte Schnittstelle
zwischen Substanz und Geld darstellt, wird sogleich erkennbar,
welche Rolle die Gestaltung auch solcher Händler und ihrer
eindrucksvollen Veranstaltungen spielt. Ich hatte einmal einen
bekannten Regisseur zu einer Gastvorlesung eingeladen zu dem
Titel ´Kleist als Marke´ - und er war zuerst empört: Kleist und
Persil? Nachdem er den Zusammenhang nachvollziehen konnte,
wurde es eine lebendige Veranschaulichung, wie eine Kulturmarke
26
an seinen Distributeuren hängt; denn der Theatermanager
Goethe hatte beispielsweise den Zerbrochenen Krug 1808 im
Weimar so miserabel inszeniert, dass das Stück durchfiel; Sie
erinnern sich: ein Todessignal für Kleist. Der Distributeur gehört
eben ganz entscheidend zur Gesamtgestalt eines Werkes, denn
das Publikum erkennt, ja schätzt sehr wohl den Unterschied
zwischen dem Schauspielhaus und einem Café Téatre. Dabei
kann das Theater im Zimmer der Gmelins sehr wohl ihr
Renommé aufbauen, also Markenkraft entwickeln, doch der
Unterschied zur Mailänder Scala bleibt eben bestehen. Das ist
ja auch höchst sinnvoll, denn Grenzwille stärkt Leistungswille!
Eben deshalb entstehen sie: die zahlreichen, für ein Gemeinwesen so wichtigen Orte der Distribution schöpferischer Kultur.
6. In der professionellen Kommunikation spielen ja Botschaften eine
wichtige Rolle – wie übertragen sich diese?
Nun beginnt der Erzeuger sich zu organisieren und wichtige
Zwischenstufen entstehen. Als erstes muss ein Name gefunden
werden, sodann auch ein Zeichen. Oft sind es Namen des Erfinders, Erzeugers Schöpfers. Dann das Zeichen – heute sehr oft
eine Chiffre, eine geometrische Spielerei, die erst erklärt werden
muss – der diagonale Strich bei einer Bank – der dann kommentiert werden muss: Das sei Dynamik – während die Bohne bei
Tchibo ist ein Symbol- jeder weiß, was der Hersteller kann und
anbietet. Für den Kulturmanager sind solche Zeichen insbesondere wichtig. Auch für den Kaufmann. Eine Leistung will immer
bezeichnet werden, sonst kann sie nichts im Publikum und in
27
der Kundschaft auslösen; gerade dies ist aber doch für
Kommunikation heute durchaus von Bedeutung: Außerhalb
der Präsenz der Leistung selber von eben dieser zu künden.
Diese Unabhängigkeit, diese Selbständigkeit, diese eigenaktive
Leistung des Kommunizierenden ist der Grund für das
Entstehen einer bedeutenden eigenen Branche: der Kommunikationsindustrie mit ihren vielfältigen Sparten, beispielsweise
der Werbung. Dazu benötigt man nun also zuerst am besten einen Namen für eine Leistung. Der persönliche Name ist deshalb
so stark. Weil er sogleich persönliche Verantwortung signalisiert.
Und das Zeichen? Wie gesagt: gerne wird heute auf abstrakte
Formen gesetzt, die nichts erwecken, es sei denn Rätselraten.
Markenwerbung aber keine Denksportaufgabe. Der professionelle
Kommunikator sollte den Unterschied zwischen Chiffre und
Symbol kennen. Und die hier gemeinte Kommunikation
ist eine Mitteilungsart, die viele gestalterische Aufgaben hat,
einen Sachverhalt jedoch deutlich im Auge haben sollte: Sie
darf die Verbindung zum Be-Kommunizierten nie verlieren.
Und dazu sollte deutlich erkannt werden: der Akku der Marke,
die Kundschaft greift unablässig auf den Gestaltkörper einer
Leistung zu, auch überall dort, wo keinerlei operative Mitteilung
geplant wurde. Das Verkehrsverhalten eines Lieferwagens, auf
dem stolz der Firmenname prangt, ist ganz selbstverständlich
eine höchst aktive Komponente der Markengestalt; denn wenn
er in der zweiten Reihe parkt und die Straße verstopft wird er
Anlass zu Ärger und sicherlich kein positiver Markenbeitrag.
Dienstkleidung hingegen ist immer Ausdruck von starkem
Markenwillen, denn Gestaltdisziplin unterstützt den Eindruck
28
von Eigenwille und Leistungskraft. Das nutzen nicht nur Bundesbahn und Militär, sondern auch so etwas Hehres wie das Bundesverfassungsgericht.
7. Bleiben wir noch bei der Kommunikation – wie können aus dem
Dargelegten Instrumente für die Markenführung gewonnen werden?
Der professionelle Kommunikator ist durchaus einem fürsorglichen Hausarzt gleichzusetzen. Er soll einen lebendigen Menschen insgesamt kraftvoll erhalten oder ihm bei Störungen auf die
Sprünge helfen. In dem Maße, in dem ihm der jeweilige Körper
vertraut ist, wird er dessen Möglichkeiten kennen. So muss der
Kulturkommunikator also seinen Gegenstand genau kennen – am
besten nicht nur kennen, sondern auch verstehen. Er muss seine
Innereien verstehen, seine Geschichte und den Ort, an und in
dem er lebt und wirkt. Ich hebe ja versucht, zu veranschaulichen,
dass sich diese kulturellen Leistungssysteme als ebensolche
Lebewesen zeigen, wie die Lebewesen in der Natur – nur allerdings mit dem wichtigen Unterschied, dass die Kulturkörper viel
deutlicher dem menschlichen Führungswillen unterliegt. Ihre
Frage zielt mit Recht auf jene Aufgabenstellung, die Substanzielles
nicht nur eigentätig zur Wirkung kommen lassen will, sondern die
deren Ausstrahlung durch bestellte berufliche Kommunikation
zu unterstützen sich angelegen sein lässt. Die beiden ersten
Schritte der hier vorgelegten Darstellung haben den zureichenden
Grund des Wahrnehmbaren einer Leistung ausgeführt, und den
daraus jeweils unvermeidlich entstehenden kulturellen Körper
durchsichtig gemacht; nun also geht es um jene Instrumente, die
29
einen auf diese Weise entstandenen Gestaltkörper mehr oder
weniger anziehend, das meint bindend, also, kaufmännisch
gesprochen, kaufwirksam zu machen. Ausdrücklich organisierte,
professionelle Kommunikation spielt dabei heuer ihre wichtige
Rolle, sie soll die Durchsetzung von Substanz unterstützen – sie
soll also helfen beim Verkaufen. Dabei hat sie einen Leistungskörper aus Kultur insofern zu kräftigen, als dass sie die Eigenarten,
die Fähigkeiten eben eines solchen Leistungszusammenhanges
zusätzlich und ergänzend veranschaulicht; und dadurch Energie
aus dem Akku in den Generator und seine herstellenden Abteilungen zurückführt – einfacher ausgedrückt: den Zufluss an Geld
in die Lohnbereiche des Unternehmens zu erhöhen beiträgt.
Da man sich diesen Leistungskörper tunlichst ganz konkret als
individuellen Arbeitszusammenhang, als tätige Einheit, ja, es sei
nochmals darauf verwiesen,: warum nicht als Lebewesen vorzustellen hat, ist eine wichtige Aufgabe zu lösen: Welche Leistungsfacette aus dem zur Förderung vorliegenden Substanzkörper gilt es
gegenwärtig nach Vorne zu bringen, öffentlich, zum öffentlichen
Thema zu machen? Durch welches Detail kann der Erfahrungsakku des Markensystems am kräftigsten energetisch unterstützt
werden? Schließlich hat der Etwas Mitteilende, der Mitteilungsbeauftragte ja einen hochkomplexen Lebenszusammenhang vor
sich; er sollte also genau entscheiden, wann er was und auch wo er
dieses mitteilt, um seiner Aufgabenstellung gerecht zu werden –
die Kaufkraft der Leistungsgestalt zu optimieren. Mit optimieren
ist hier die qualitative Stärkung der Substanz gemeint, nicht nur
die Maximierung eines Grössenverhältnisses.
30
8. Das klingt alles nicht schlecht – aber wie machen
Sie draus ein Programm?
Ja – ernste Frage – aber daraus ergibt sich ein eindeutiges
Programm; es lautet: Stärken stärken! Der Menschen-Akku will
sich ja immer wieder in seinen typischen Erfahrungen bestätigt
wissen. Diesbezüglich arbeiten die Künste allerdings mit elastischeren Resonanzräumen. Der eben angeführte Unterschied
zwischen Kleist und Persil ist doch durchaus deutlich. Die Freude
an geistigen Gestalten lebt durchaus auch von Überraschungen.
Die neuartige Inszenierung und manche ungewöhnliche Performance veranlassen heute manchen Künstler zu Spektakulärem.
Die sogenannten Bildenden Künste sind dabei sicherlich auffallender als die Musik. Meist sind es jedoch Distributeure, die das
Unbekannte zu präsentieren sich freuen oder nach bislang unbekannten Falten im vorhandenen Werken suchen. Auch der
Kulturkommunikator sucht ja nach unghobenen Schätzen oder
nach bislang verborgenen gold nuggets. Wer die soziale Struktur
eines Markensystems verstanden hat, wird jedoch wohl überlegen,
ob er die Kundschaft durch eine vertraute Leistungsbegleitung
kräftigen will oder das Programm Epatez le Bourgois! zu fahren
vorschlägt. In jedem Fall ist es seine Pflicht, zur Verkaufbarkeit
eines kulturellen Produktes beizutragen, zur Strahlkraft eines wie
auch immer inhaltlich angereicherten kulturellen Kernkraftwerkes
beizutragen. Immer ist es jedenfalls auch für ihn hilfreich, in den
Lebensfacetten des zu unterstützenden Gestaltkörpers nach
jenen Komponenten zu suchen, die aktuell, hier und heute, dafür
eingesetzt werden sollten. Wirksame Werbung orientiert,
31
ja beruhigt – die Konsumenten, die Kenner, die Käufer und die
Kunden, wir Laien suchen nach Leitung durch Leistung – und
also gilt es, jene Leistungsfacetten zu mobilisieren, die im hic et
nunc das Ganze zu kräftigen vermögen. Stärken stärken lautet
das Programm – also gilt es, die Stärken zu finden.
Hans Domizlaff, im ersten Weltkrieg als Jagdflieger abgeschossen,
ist in seinem Werk als Markentechniker ein gutes Beispiel für die
Verbindung beider Möglichkeiten. Als Künstler – er hatte
in Paris bei Picasso studiert und in Leipzig Ausstellungen seiner
Bilder sowie brandaktuelle Uraufführungen bewerkstelligt –
Büchner Woyzeck zum Beispiel – Hans Domizlaff führt anspruchsvolle künstlerische Motive für die von ihm entwickelten
Marken ein und hält deren Gesamtgestalt als wirtschaftliche
Geldverdienkörper beharrlich selbstähnlich durch – manche
seiner von ihm geschaffenen und betreuten Gestaltsysteme
verdienen heute noch ihr Geld, um die sie Herstellenden mit
ihren Familien zu ernähren. Sogar anlässlich der Konfrontation
mit den Wahlplakaten der Faschisten und Kommunisten gegen
Ende der Weimarer Republik verließ er nicht seine Linie und
versuchte, in Gesprächen mit dem Reichskanzler Brüning,
deutlichere nationale Symbole zu reaktivieren und auf die Straßen
zu bringen. Erst angesichts der Stuyvesand-Strategie überließ
er anderen Stilisten das Feld. Die Stuyvesand ist längst verschwunden, die Ernte 23 gibt es immer noch.
32
9. Ihre Erklärungen wirken irgendwie recht konservativ – ist nicht
alles in heftigem Wandel und muss man da nicht mithalten?
Naja, da muss man aufpassen. Wenn wir uns nochmals den aufgeladenen Akku eines Markensystems vergegenwärtigen, also den
Financier Kundschaft, so besteht eine wichtige Aufgabe darin, in
den stetig sich wandelnden Zeitgeschmackslagen das Typische
einer Leistung immer wieder zu gewährleisten und zu veranschaulichen. Wandel sollte man deshalb so managen, dass Publikum,
öffentliche Meinung, vor allem aber die zahlenden Kundschaften
mitgenommen werden. Alle sollten möglichst nachvollziehbar
verstehen, warum man die sinnvollen Änderungen einführt, denn
die aufgebaute Zahlungstreue ist ja jene Zusageverläßlichkeit der
Kundschaft, die ein Unternehmen planen lässt. Sie wird aber nur
in dem Maße erhalten bleiben – als Kundentreue – in dem auch
das Unternehmen zusageverlässlich bleibt. Abrupte Neuerungen
sind vielleicht für eine mediale Aufregung gut, für die Erfahrungskonstanz der Kundschaft jedoch eher problematisch. Die
professionelle Kommunikation sollte sich für einen bestimmten
Kulturkörper einen Kommunikationscode erarbeiten, der
situative Variationen ermöglicht, nicht jedoch durch zu heftige
Gestaltausschläge den Verdacht unzuverlässiger Beliebigkeit im
Publikum aufkeimen lässt. Zum Akku des Energiesystems gehören die kulturellen Resonanzfelder. Die Suche nach bindungsstarken Motiven lohnt sich – also nach Bildern, Worten, Bewegungen,
die auf geschichtlich aufgebaute Erfahrungsfelder treffen und
diese positiv mobilisieren. Die schöpferische Wiederholung
erfüllt dann die Aufgabe, Kundschaft durch Leistungen zu leiten.
33
Derartige Instrumente aktivieren das Prinzip der Selbstähnlichkeit. Selbstähnlichkeit ist das Erfolgsrezept des Universums – also
auch der kulturellen Körper. In letzten nutzt es die jeweils aufgebauten positiven Vorurteile und aktualisiert die darin enthaltenen
Neigungsbereitschaften. In belebter Wiederholung wird das Neue
freigesetzt, die Natur macht es uns wieder vor. Kulturkommunikation gewinnt aus diesem Prinzip kraftvolle Instrumente, um den
Kulturkörper durch die Zeiten zu führen – seit vielen Jahrhunderten urbanen Lebens, in dem die Marke ja überhaupt erst notwendig wird. Wachstum kann auf diese Weise organisch gesteuert
werden, mechanische Vergrößerungen, durch anflanschenden
Zukauf, bekommen Juristen schneller zustande. Die Werteinseln
aus künstlerischen Leistungssystemen sind jedenfalls von ganz
besonderer Art und bedürfen entsprechend feinsinniger kommunikativer Unterstützung, weil die ästhetischen Urteilskräfte des
Marktes ihre „Wahrgebungszugriffe“ sehr viel lebhafter praktizieren und zum Ausdruck bringen als bei grobsinnlichen Waren.
10. Wenn man Ihnen so zuhört fällt auf: Sie haben bisher nie von
Kreativität gesprochen – ist Ihnen, der immer nach Zusammenhängen
sucht, das zu anarchisch und also suspekt?
Oh – da haben Sie mich ja noch an einer wichtigen Stelle erwischt.
Tatsächlich ist dies eine wunderbare Begabung des Universums;
also auch des gestaltschaffenden Menschen. Wer wollte diese
Begabung zur Kreativität wohl hemmen? Von der Substanz her
gesehen – was meint kreativ? Das komplementäre Verhältnis
von Substanz und körperlicher Gestalt hat uns beschäftigt und
34
wohl möge auch deutlich geworden sein, dass die Substanz ihren
Körper nur dadurch determiniert, dass sie den Fächer aller seiner
Möglichkeiten eben dieser individualen Lebensgestalt bereit hält.
Frei jedoch ist der Körper, das Angemessene auszuwählen. Immer
muss er durch das Nadelöhr seines täglichen Handelns. Dieses
Verhältnis von Bestimmung im Bereich des Möglichen und Freiheit beim auswählenden Tun ist seit langem bekannt und unter
anderem als das Verhältnis von Kausal- und Finalursache behandelt worden. Die Markensoziologie hat diesen Zusammenhang
wieder genutzt, insbesondere bei der Gestaltung ökonomischer
Leistungskörper. In den Künsten kann man sie gut erkennen.
Der Künstler erschafft (s)einen Stil – und wird dann eben diesen
Gestaltkorridor weiterhin nutzen. Seine Schöpferkraft wird aus
sich selber, aus seinem substanziellen Selbst, heraus - dem ähnlich zu bleiben ihm große Freude macht – immer wieder Neues
schaffen – aber eben als dieser Gestalter. Bei ihm kann man gut
beobachten, dass in der Wiederholung das Neue schlummert. Er,
wie man heute gerne sagt, erfindet sich jeden Tag neu – doch eben
im Rahmen der unendlichen Möglichkeiten, die er als eben dieser
eigenbewegter Substanzkern zur Verfügung hat. Dies erlaubt zu
erkennen, wie gebunden die Kreativität funktioniert. Sie ist das
Ergebnis einer individualen Schöpferkraft, determiniert in der
Fülle seiner Möglichkeiten und frei, daraus auszuwählen. Er ist
begrenzt durch sein unendliches Potenzial, frei jedoch, daraus
etwas zu machen – seine Gestalt(ungen). Stil ist unser Wort dafür,
denn durch die selbstähnliche Reproduktion entsteht eben dieser.
Ein Haufen Steine ist noch keine Kathedrale und ein Sack voller
Noten noch keine Symphonie, und doch gibt es die Gotik und
35
die Wiener Klassik. Dies lässt aber ganz unerbittlich erkennen:
Nicht sprengt Kreativität Grenzen sondern füllt eben diese. Es ist
die Substanz, welche die Grenze etabliert – allerdings determiniert
durch die möglichen Möglichkeiten einer individualen Materiepartikel. Bekanntlich gibt es nicht zwei gleiche Schneeflocken und
keine zwei gleichen Eichenblätter. Das Universum komponiert
sich insgesamt aus solchen eigenbewegten Substanzkörpern; die
allerdings allesamt durch die gemeinsame Geschichte vorverbunden sind. – wir sprechen daher ja auch von einem Universum,
einer Einheit. Kreativ ist also jemand, der seine Grenzen füllt –
und eben dies führt zu der atemraubenden Vielfalt an Gestaltwillen; die sich durch ihre Grenze als jeweils Eines zeigen.
Grenze ist Bedingung für Substanz als Gestalt. Wissen Sie, was
Sophia Loren antwortete, als man sie fragte, wie viele Sprachen
sie spräche? ´Signori, antwortete sie, ich spreche nur italienisch –
aber ich weiß in 32 Sprachen NEIN zu sagen.
PROF. DR. ALEXANDER DEICHSEL
Universität Hamburg, ist Markensoziologe,
Präsident der Ferdinand Tönnies Gesellschaft e.V. Kiel
und Wissenschaftlicher Associate am Büro für
Markenentwicklung.
11. Nun aber ernsthaft: Was würden Sie jemandem im Job raten?
Tja - diese Antwort muss ich schuldig bleiben; denn das muss der
suchende Jemand vor Ort entscheiden. Der Geplagte im Job
möge das hier durch Sie anlässlich des Stilcken-Preises Formulierte
studieren und dann – der Freiheit in der leiblichen SubstanzGestaltung sei´s geklagt – die optimierenden Lösungen finden.
In fine laus ! 2
36
2
In fine laus – Schließlich
der Ruhm! Motto der 1683
gegründeten akademischen
Anstalt im dänischen Altona,
die seit 1744 als Christianeum
eine Anstalt der Höheren
Bildung ist. Der Interviewte
ist Absolvent dieser Schule.
37
RUDOLF STILCKEN
WIE KULTUR (KRITISCHE)
KUNDSCHAF T SCHAFF T
ZUR VERLEIHUNG DES HAMBURGER PREISES
FÜR KULTUR-KOMMUNIKATION 2015
Erlauben Sie vorweg eine Anmerkung zum Hamburger Preis für
Kultur Kommunikation 2015: In meiner beruflichen Zeit habe
ich selbst bei global agierenden Unternehmen erlebt, dass intern
ausgeschriebene Kommunikations-Wettbewerbe für die Qualität
und Effektivität der Marken-Entwicklung mehr getan haben als
Vorgaben oder gar Anweisungen. Diese Erfahrungen haben mich
angeregt den Hamburger Kommunikationspreis für Kultur 2013
und 2015 zu schaffen.
Natürlich ist die Lage in der Metropolregion Hamburg nicht
vergleichbar mit einem wirtschaftlichen Konzern. Aber es
herrscht hier ein Mangel an Identitätstiftenden Maßnahmen, die
in der Bevölkerung öffentliches Bewusstsein schaffen.
Wodurch, wenn nicht durch Kultur, durch die Künste könnte ein
Austausch entstehen aus dem sich die Metropolregion zu einer
Region mit Markencharakter entwickelt. Wie etwa im traditionsreich, modernen München – Oberbayern oder im neu erwachten
Kulturraum Ruhrgebiet. Dass die Ausschreibung und die heutige
Veranstaltung dazu nur einen kleinen Anstoß geben können,
ist mir bewusst. Aber ich sehe den Trend, dass die Menschen in
der globalen Wirtschaftswelt und dem (zu großen?) politischen
Europa lokal und regional nach Heimat suchen.
38
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Kent Nagano,
ein Dirigent mit internationaler Reputation, gerade in Hamburg
angekommen, mit seinen Philharmonikern anstrebt, den
Hamburger Ton in Konkurrenz zu Berlin und München zu
finden, also Alles, was in der Musizierpraxis und in der Thematik
typisch Hamburgisch ist. Auch Regionen brauchen Konkurrenz!
Mehr als eine Randbemerkung: Eine aktiv, bekannte Metropolregion Hamburg kann, trotz des Vier-Bundesländer-Charakters,
im nationalen und internationalen Wettbewerb nur gewinnen.
Zu dem heutigen Thema „ Wie Kultur (kritische) Kundschaft
schafft“: Medienwissenschaftler, Inside-Praktiker und Vertreter
verwandter Disziplinen beschäftigen sich seit Langem damit,
die Unterschiede von Wirtschafts- und Kulturkommunikation
herauszuarbeiten. Häufig übersehend, dass Albrecht Dürer von
1471 bis 1528 schon einer der erste Markenartikler war, mit
kontrollierter Produktion, Logo Kennzeichnung, eigenständiger
Vertriebs- und Preispolitik, die bis heute sichtbar in den Wohnzimmern wirken.
Monogramm
Albrecht Dürer
39
In unseren Tagen vollziehen sich rasante Veränderungen
mit unmittelbaren Folgen für die Wirtschafts- und KulturKommunikation. Durch die kulturelle Angebotsfülle, die Vielfalt
der Interessen in der Freizeitnutzung und durch die Entwicklungen der elektronischen, digitalen, teils dialogischen Medien,
nähern sich Inhalte, Techniken, Methoden, sprich auch Ziele
der Kommunikation immer mehr an. Dass dabei, nicht zuletzt
durch den wirtschaftlichen Druck Markenentwicklungen eine
hervorragende Rolle spielen, darauf werde ich im Zusammenhang von Kulturmarken als Wertekommunikatoren und
Kampagnenangeboten noch eingehen. Prof. Alexander Deichsel
wird das Bild in seinem Einführungsbeitrag zur Preisübergabe
noch spannend, tiefer gehend ausbreiten. Es wird darin klar,
dass das Wort „Kunde“, der Krämersprache entnommen, für das
Kulturmanagement nicht mehr ein Reizwort ist, sondern
„Kundschaft“ eine Zielvorstellung sein muss.
DER BILDSCHIRM IST DIE NR. 1
Die beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen
Angaben in Prozent
Fernsehen
100
90
Radio hören
89
Telefonieren (von zuhause)
73
Interent
Zeitungen/Zeitschriften lesen
72
Gedanken nachgehen
71
Telefonieren von unterwegs
71
68
Zeit mit dem Partner verbringen
Ausschlafen
65
Über wichtige Dinge reden
64
Computer
61
Sich in Ruhe pflegen
61
54
CD/MP3 hören
Sehen wir uns einmal die mögliche Kundschaft an. In einer
aktuellen Studie der Stiftung Zukunftsfragen, veröffentlicht
in der Fachzeitschrift „Horizont“ (Basis 2000 Personen ab
14 Jahren) zeigt sich, dass der TV-Bildschirm immer noch
mit 97% die Nr. 1 der Zeitverwendung ist. Das Radio knapp
dahinter mit 90%. Rechnet man die Zeitschriften und Zeitungen
mit 72% im Unterhaltungs- und Informations-Pulk dazu,
sind die klassischen Medien noch immer bestimmend für die
Zeitnutzung. Das ist aber nur oberflächlich so, vor allem bei
Rückgang der Printmedien.
40
52
Kaffee trinken/Kuchen essen
0
Basis 2000 Personen ab 14 Jahre
20
40
60
80
100
Quelle Stiftung für Zukunftfragen/ Horizont 35/2015
Von da an wird die Mediennutzung individuell: 89% telefonieren zu Hause, 71% telefonieren mit ihren Handys unterwegs.
Individuell gestaltet sich auch die Freizeitnutzung in Form von
Geselligkeit: 52% bevorzugen das gemeinsame Kaffeetrinken
und Kuchenessen und somit, bekommt die alte Mund zu Mund
Werbung neue Bedeutung.
41
Diese Bedeutung der direkten Kommunikation wird in unseren
Tagen noch von der Internetnutzung mit 73% teils dialogisch
mit Facts und Figures Urteilen und Vorurteilen unterfüttert.
Tröstlich, dass dabei immer noch Zeit bleibt für das ganz
Persönliche, jedenfalls wenn man die untersuchte Zielgruppe
ab 14-Jahren ziemlich breit anlegt. Immerhin 71% gehen
eigenen Gedanken nach oder schlafen zu 65% aus, reden gar
zu 65% über wichtige Dinge.
Kein Wunder, dass in dieser Situation die Marketing-Experten
aller Branchen nach Geschichten suchen, die sie werbend
erzählen können. „Storytelling“ ist wieder gefragt und Content
einschließlich Events wird praktiziert.
Ehe ich mich im Advertising Slang verirre, mache ich lieber
darauf aufmerksam, dass Kulturmanager es in der Regel im
Vergleich zu Werbetextern einfacher haben. Kultur, insbesondere
ausgedrückt durch die Künste, ist immer gut für eine Geschichte,
die zu erzählen ist und die von selbst zu einem Ereignis wird
ohne künstliche Eventplanung oder gar freie Erfindung.
Dennoch bleibt die Aufgabe der Kundengewinnung gleich. Es
gilt, das Interesse der Angesprochenen zu gewinnen bzw. zu erhalten, trotz ihrer vielfältigen Interessen, postulierter Zeitnot und
der deutlich sichtbar gewachsenen kulturellen Angebotsvielfalt.
INTERENT LEGT DEUTLICH ZU
Gewinner im Fünfjahresvergleich/Veränderung 2015 zu 2010
Angaben in Prozent
25
Internet
CD/MP3 hören
15
Angaben
6 in Prozent
Gartenarbeit
Internet
Telefonieren von unterwegs
CD/MP3
hören
Sich in Ruhe
pflegen
25
15
4
Gartenarbeit
Computer
4 6
Telefonieren von unterwegs
0
Basis 2000
Personen
ab 14 Jahre
Sich
in Ruhe
pflegen
Quelle Stiftung
4 für Zukunftfragen/ Horizont 35/2015
Computer
5 6 10
15
20
25
4
0
Basis 2000 Personen ab 14 Jahre
LUST AUF
PRINT
Angaben
in Prozent
5
10
15
20
25
Quelle Stiftung für Zukunftfragen/ Horizont 35/2015
LÄSST NACH
Verlierer-12im Fünfjahresvergleich
Kaffee trinken/Kuchen essen
-9
Shopping/Einkaufsbummel
Angaben in Prozent
-8
-12
Freunde/Bekannte zuhause treffen
Kaffee trinken/Kuchen essen
Video-/DVD-Filme sehen
-7
-9-7
Shopping/Einkaufsbummel
mit Kindern spielen
-8-7
-15
-7
-10
Freunde/Bekannte zuhause treffen
Zeitungen/Zeitschriften lesen
-5
Basis 2000 Personen ab 14-7
Jahre
0
-10
Basis 2000 Personen ab 14 Jahre
Video-/DVD-Filme sehen
Quellemit
Stiftung
für Zukunftfragen/
Kindern
spielen Horizont 35/2015
-7
-15
42
6
Zeitungen/Zeitschriften lesen
-5
0
Quelle Stiftung für Zukunftfragen/ Horizont 35/2015
43
Dazu auch ein Blick auf die 73%, die sich mit dem Internet
sowie 61%, die sich mit dem Computer beschäftigen mit
zunehmender Tendenz. Schon im Fünfjahres-Vergleich dieser
Untersuchung hat die Nutzung des Internets um 25% seit 2010
zugenommen. Das CD/MP3 Hören hat immerhin um 15%
hinzugewonnen und das von einem hohen Niveau aus (54%).
Es ist sicher nicht zu gewagt angesichts der verbreiteten und sich
weiter verstärkenden Kommunikation im Alltag festzustellen,
dass es für die Kulturkommunikation mehr denn je darauf
ankommt, Interesse zu wecken.
Erst durch die Auseinandersetzung im eigenen Kopf, verstärkt
durch die Medien von Feuilleton bis Facebook, kann eine
positive Wahrnehmung als Kundschaft entstehen, auch, wenn
die Kundschaft informierter und dadurch kritischer wird.
Das unterscheidet Kulturkommunikation von Wirtschaftskommunikation, die den Verbraucher häufig klischeehaft mit
einfachen Botschaften für ein Produkt anspricht oder ein
Unternehmen mit einem Produkt.
In der Kulturkommunikation wirbt ein Unternehmen, eine
Institution oder gar Person (siehe von Dürer über Picasso bis
Jeff Koons) für möglicherweise häufig wechselnde, nicht nur in
kreativen Formen, auch in inhaltlichen Aussagen wechselnder
Künste. In den Ausschreibungsbedingungen für die heutigen
Preise wurde dieser Herausforderung mit der Formulierung von
drei Preis-Kategorien Rechnung getragen.
44
Marke, Kampagne und Junge Kommunikation
Die Marke stellt das Image der Kultur-Unternehmung dar.
Als Kultur-Unternehmung bezeichne ich zusammengefasst
alle Aktiven, ob Solisten oder Teams, Vereine, Stiftungen oder
öffentliche Institutionen, nicht zuletzt privatwirtschaftliche
Unternehmen. Für die Gewinnung von Kundschaft und
deren Pflege sind inhaltliche Kontinuität und eine Kontinuität
im Auftritt Voraussetzung. Erneuerung ist dabei nicht ausgeschlossen, Geschmacks- oder Zeitgeiständerungen aber nur
behutsam wünschenswert.
Für die Kundschaft, auch die potentielle Kundschaft ist die
Marke nicht nur Navigation, sie löst gut gemacht Erwartungen
aus, die zu erfüllen sind. Dass da nicht Launenhaftigkeit oder
Selbstdarstellung einzelner Verantwortlicher gefragt sind,
versteht sich. Im Idealfall wird aus der Kultur-Marke eine
Marken-Persönlichkeit als Identität. Spannend wird die
Kultur-Markenkommunikation, wenn es nicht nur darum
geht, die an einer bestimmten Art der Künste Interessierten,
die sogenannte Kernzielgruppe zu erreichen, sondern durch
das glaubhafte Zusammenspiel von Marke und Kampagne die
interessierte Kundschaft zu vergrößern. Folgt man nämlich
Medienanalysen, repräsentieren segmentierte Zielgruppen z.B.
für Moderne Kunst oder Klassische Musik nur einen geringen
Prozentsatz der erwachsenen Gesamtbevölkerung.
45
In der Kulturwelt bedeutet Kampagne werbende Kommunikation
für Inhalt und Darbietung des Anliegens und Werkes. Anders
als etwa in der Konsumgüter-Werbung wird in der Kultur, in
den Künsten, vom ersten Erleben, vielleicht gar im ersten Augenblick spontan entschieden, ob ein neuer Kunde zur Kundschaft
wird. Die Wirkung einer Mund zu Mund Kommunikation ist
besonders in diesem Stadium ein nicht zu unterschätzender
Faktor. Frank Schirrmacher hat kurz vor seinem jungen Tod in
dem Buch „Payback“ festgestellt, dass Produktwerbung Versprechen abgibt, die jeweils nur Versprechen mit einem verdeckten
Verfallsdatum (NEU) sind, während Kulturwerbung direkt auf
den Wahrheitsgehalt zu prüfen ist und sich sofort bewähren muss.
Aus gebildeten Meinungen und gewachsenen Einstellungen sind
um manche Kulturunternehmungen, ob groß oder klein, mehr
oder weniger strukturierte bzw. organisierte Beziehungs- oder
Freundeskreise mit Echowirkung für die Marken entstanden. Sie
können gut gepflegt zu einer Kernkundschaft für jede Kampagne
werden. Auf jeden Fall tragen sie zur Identität der institutionellen
Marke bei, sind vielfach auch finanziell fördernd und können in
kritischen Situationen sogar existenzerhaltend wirken. Aktuelles
Beispiel ist das aktive Wirken des Freundeskreises der Hamburger Kunsthalle in der großen Umbauphase.
Bei aller Liebe auch zur kleinen Form, das ständig wachsende
kulturelle Angebot im erweiterten Sinne und die werbende
Kommunikation dafür sind für Jeden eine professionelle
46
Herausforderung im Wettbewerb. Wer hätte zur Gründung
des Schleswig-Holstein-Festivals schon daran gedacht, dass
Deutschland zu einem Festival-Land werden würde, bis in die
kleinste lokale oder Themennische.
Wer hätte schon bei der Aufführung des ersten Musicals am
Spielbudenplatz („Anatevka“) geglaubt, dass Hamburg eine
Europäische Musical Hauptstadt werden würde, die auch die
klassischen Theater mit erfasst. Mangels statistischer Unterlagen
muss ich mir ersparen, auch noch auf die vielen ehrenamtlichen
Neugründungen, Stadtteil-Initiativen, lokalen Vereine und Stiftungen einzugehen, von denen eine sogar heute für die international nominierte Hip Hop-Akademie steht. Reizvoll wäre es,
festzustellen, wie viele der kulturellen Aktionsbesucher sich zu
Kulturkundschaft entwickelt haben und in welche Richtung bzw.
Einrichtung. Und, ob und wie der Kultur-Konsum in Intensität
gewachsen ist.
Dies ist nicht der Ort, die Zeit und das Publikum für eine
Kultur-Werbe-Schule. Mir liegt aber daran, immer mehr bewusst
zu machen, dass Kultur im Wettbewerb lebt und dass dieser
Wettbewerb großen Einfluss auf das Leben in unserer Gesellschaft hat und das, obwohl die Rezeption von Kultur ein höchst
individuelles Erleben ist. Ohne dass wir dies ständig registrieren,
spielt sich der Werbe-Wettbewerb zwischen Konsumgüterund Kulturangeboten in unserem Umfeld auf den gleichen Spielplätzen ab – auf City-Lights, Radiospots, Print-Anzeigen usw.
47
Umso mehr kommt es darauf an, den ideellen Wert der KulturMarke im Zusammenklang mit dem Unterhaltungs- und
Bildungsversprechen der Kampagne zu kommunizieren.
Mit dem Ziel aus Individuen Marken-Kundschaft zu machen.
Unter dem von der Betriebswirtschaft übernommenen Begriff
„Controlling“ wird neuerdings immer mehr nach Erfolgskriterien
für kulturelle Aktivitäten gesucht.
Die schwarze Null ist bei öffentlich finanzierter Kultur schon ein
Erfolg, private Unternehmen wollen mehr, auch für ihre Zukunft.
Experten erheben dazu häufig Teilnehmer- Besucher- und
ähnliche Zahlen. Qualifizierte Besucherbefragungen sind nach
meiner Kenntnis meist nur angefragt, wenn Hauptsponsoren
den Erfolg ihres Einsatzes beurteilen wollen. Dass dabei eine
eigene Vorstellung von Wirkung auf Unternehmens-Kundschaft
im Vordergrund steht, versteht sich. Da die meisten kulturengagierten Sponsoren die Verantwortung und Eigenständigkeit
der Kulturschaffenden respektieren, könnten aus unterschiedlichen Blickwinkeln dennoch durchaus gemeinsame Ergebnisse
entstehen. Vielleicht könnte sogar aus mehr Wissen um Wirkung
mehr Sponsoring mit neuer Kundschaft wachsen und es können
sogar Kenntnisse gewonnen werden über die Auswirkungen in
der Regional-Identität. Von der RWE-Stiftung weiß ich, dass
die Auswirkungen des kulturellen Engagements auf die KulturRegion mit erheblichem Aufwand untersucht wurden.
So einfach wie beim Sport-Sponsoring mit Trikots, gefüllten
Stadien und gezählten Toren ist der Wirkungsnachweis beim
Kultur-Sponsoring nicht. Nachdem sich die TV-Branche,
ob öffentlich-rechtlich oder privat, des Sponsoring in Ankündigungen und Abbindungen bedient, hilft vielleicht die Anregung
weiter, die Wirkung kultureller Programme und ihre Kundschaften nicht nur zu intensivieren, sondern interpretierend
zu veröffentlichen. Wie Sie sehen, befindet sich die Kulturkommunikation, die Kommunikation für Kultur erst am Anfang.
Prof. Deichsel wird sich nach der Pause der Entwicklung von
Kundschaft systematisch annehmen. Ich wollte dazu Brücken
bauen. Ich kann es Ihnen aber nicht ersparen, noch einen
Blick auf die Wirtschaft zu werfen und von der Kundschaft
auf die Mannschaft. Jim Stengel, Ex-Marketingmann von
Procter&Gamble hat das Wort geprägt „Die Marke ist nichts
anderes als das Verhalten der Menschen, die für sie arbeiten“
(W+V 36 31.08.15).
Mein Wunsch ist, dass Sie morgen angeregt und entspannt
wieder an die Arbeit gehen, wenn es Ihr Job ist, in der Kulturkommunikation für die Wirkung einer Kulturmarke zu arbeiten.
Alle anderen mögen Nutzen haben von dieser Markengesellschaft
und zu dem Ergebnis kommen, dass Nichts ohne Kommunikation
geht, Kultur schon gar nicht.
RUDOLF STILCKEN
ist Initiator und Stifter des Preises, sowie Senator h.c.
der Hochschule für Musik und Theater Hamburg
48
49
PROF. DR. ANDREAS HOFFMANN
WIE KUNST ZU ERLEBTER KULTUR WIRD
NEUE INITIATIVEN UND CHANCEN FÜR DIE KULTUR-
KOMMUNIKATION IN DEN HAMBURGER KUNSTMUSEEN
UND AUSSTELLUNGSHÄUSERN 1
Kommunikation ist notwendiger denn je
Rudolf Stilckens Feststellung „Kultur kann nur erfolgreich sein,
wenn sie in ihrer Kommunikation erfolgreich ist“ gilt mehr denn je.
Auch wenn sich das Publikum der Kunst- und Kulturinstitutionen verändert hat und sich insbesondere die Hochkulturinstitutionen damit konfrontiert sehen, dass das Stammpublikum
schwindet 2, verzeichnet die Museumlandschaft in Deutschland
steigende Besucherzahlen 3. Seit mehr als einem Jahrzehnt
sind Blockbusterausstellungen wie „Das MoMA in Berlin“ von
aufwändigen Kommunikationskampagnen begleitet. Sie zeigen,
wie wichtig eine Kommunikation für den Erfolg eines Kulturangebotes ist. Neben der Angebotsqualität entscheidet sie ganz
wesentlich darüber, wie gut es gelingt, ein breites Publikum mit
veränderten Voraussetzungen und Erwartungen zu erreichen.
Der folgende Beitrag wirft, exemplarisch und ohne Anspruch auf
Vollständigkeit, einen Blick auf die neuen Wege, die die großen
Hamburger Kunstmuseen und Ausstellungshäuser beschreiten,
um Kunst in einer globalisierten und digitalisierten Gesellschaft
zu erlebter Kultur zu machen. Dem vorgegeben begrenztem
Rahmen dieses Beitrages entspricht, dass manches Hamburger
Beispiel für gelungene Kunstkommunikation in diesem
50
1
Für Kritik, Hinweise
und Anregungen danke
ich Reinhard Flender
und Annette Haug, für
Unterstützung und
Hilfestellung Max Münz.
2
Lediglich zehn Prozent
der deutschen Bevölkerung
nutzen regelmäßig öffentlich geförderte Kulturangebote, nur ein Bruchteil der
Bevölkerung äußert dafür
ein persönliches Interesse:
Birgit Mandel, PR für
Kunst und Kultur. Handbuch für Theorie und Praxis,
2. Auflage, Biele-feld 2009,
besonders S. 7, S. 22ff.., vgl.
Birgit Mandel, „Audience
Development als Aufgabe
von Kulturmanagementforschung“, in: Jahrbuch
Kulturmanagement 2012
(1), S. 15-27; Karl-Heinz
Reuband, „Die Institution
Oper in der Krise? Generationsbedingte Änderungen
des Opernbesuches im
Langzeitvergleich, in:
Newsletter kulturmanagement.net 2009/38
(Dezember).
exemplarisch angelegten Beitrag unberücksichtigt bleiben muss.
Er konzentriert sich auf die die großen an, der Kunstmeile
aufgereihten Hamburger Kunstinstitutionen: die Deichtorhallen,
den Kunstverein, das Museum für Kunst und Gewerbe und die
Hamburger Kunsthalle sowie das private Bucerius Kunst Forum
und stellt damit Norddeutschlands erfolgreichstem Verbund an
Kunstmuseen und Ausstellungshäusern in das Zentrum, dessen
Angebot 2015 eine Million Besucher angezogen hat 4.
Neue Räume für Kunst.
Hamburgs Kunstmuseen und Ausstellungshäuser
erfinden sich neu.
Ebenso wie Rudolf Stilckens Feststellung „Kultur kann nur
erfolgreich sein, wenn sie in ihrer Kommunikation erfolgreich
ist“, gilt auch ihr Umkehrschluss. „Kulturkommunikation kann
nur erfolgreich sein, wenn die Qualität der Kultur stimmt und die
Rahmenbedingungen, unter denen sie präsentiert wird, attraktiv
sind.“ Erfolgreiche Kulturkommunikation beginnt auch in den
Hamburger Kunstmuseen und Ausstellungshäusern beim
Produkt und seiner adäquaten Präsentation und Inszenierung.
3
Staatliche Museen zu
Berlin – Preußischer
Kulturbesitz, Institut für
Museumsforschung (Hrsg.),
Materialien aus dem Institut für Museumsforschung,
Heft 69, Statistische
Gesamter-hebung an den
Museen der Bundesrepublik
Deutschland für das Jahr
2014, Berlin 2015, S. 3;
S. 7; S. 9: 2014 wurden in
den Museen 111.984.066
Besuche gezählt. Im Vergleich zu 2013 ist damit die
Besuchszahl um 1.559.064
(+1,4 %) höher als im
Vorjahr (2013: 110.425.002
Besu-che). Hinzu kommen
5.885.635 Besuche in Ausstellungshäusern (gegenüber
5.309.434 Besuchen im
Jahr 2013)
4
Maike Schiller,
„Zusammenschluss. Eine
Million Besucher in den
Häusern der Kunstmeile“,
in: Hamburger Abendblatt,
06.01.2016: http://www.
abendblatt.de/kultur-live/
article206889721/EineMillion-Besucher-in-denHaeusern-der-Kunstmeile.
html (Stand: 09.01.2016).
Hamburgs Kunstmuseen und Ausstellungshäuser sind derzeit
im Aufbruch und erfinden sich neu. Fast zeitgleich realisieren
die Deichtorhallen, die Hamburger Kunsthalle, das Museum für
Kunst und Gewerbe und das Bucerius Kunst Forum in den Jahren bis 2018 umfangreiche Um- und Neubaumaßnahmen. Das
Museum für Kunst und Gewerbe unterziehen zugleich auch die
51
Präsentation ihrer Sammlungsbestände einem Relaunch. Die
Zeiten, als Hamburg bundesweit durch die temporäre Schließung
der Galerie der Gegenwart auf sich aufmerksam machte, in
denen die Kunsthalle ihre Gäste in einem Foyer empfing, das
den Charme eines heruntergekommenen Kleinstadtbahnhofes
versprühte, in der im Museum für Kunst und Gewerbe eine
Schwammsanierung dazu führte, dass weite Teile des Hauses
für das Publikum gesperrt werden musste und in den Deichtorhallen sogar Eimer aufgestellt werden mussten, um das durchs
löchrige Dach dringende Regenwasser aufzufangen, gehören
der Vergangenheit an.
Diese räumliche Neuerfindung der städtischen musealen
Kunstlandschaft in der Freien und Hansestadt Hamburg sucht
bundesweit Parallelen. Ihre Bedeutung für die städtische Kulturlandschaft in der Freien und Hansestadt Hamburg ist bislang
nur ansatzweise diskutiert und gewürdigt worden 5. Dabei ist
schon das finanzielle Engagement zur räumlichen Neuerfindung
der Hamburger Kunstinstitutionen beachtlich. Die Stadt als
Eigentümerin der Immobilien der Museumsstiftungen hat im
Lauf von weniger als einem Jahrzehnt mehr als 60 Millionen
Euro in die Sanierung gesteckt, andererseits springen Mäzene
ein, um die Attraktivität der Häuser zu erhöhen.
Mit einem sich bis zur Eröffnung der ersten Ausstellung im
Bucerius Kunst Forums im Jahr 2018 sich hinziehenden Eröffnungsreigen der renovierten Museen und Ausstellungshäuser
52
schaffen die gegenwärtigen Umbaumaßnahmen damit eine ganz
Reihe großartiger Anlässe für Kulturkommunikation.
5
Matthias Gretzschel,
„Hamburgs Museen im
Aufwind“, in: Hamburger
Abendblatt, 05.03.2015:
http://www.abendblatt.de/
meinung/article205192841/
Hamburgs-Museen-imAufwind.html
(Stand 09.01.2016).
Zusätzlich verstärkt wird die Wirkung dieser bundesweit einzigartigen Neuerfindung der Hamburger Kunstmuseen durch die
Bewilligung eines dreistelligen Millionenbetrages durch
den Haushaltsausschuss des Bundestages, mit dem auch die
Historischen Museen Hamburgs in die Lage versetzt werden,
sich vollkommen neu zu präsentieren. Mit diesen Mitteln kann
nicht nur das Hamburg Museum am Holstenwall bis 2019
komplett modernisiert werden, sondern zugleich auch das bisher
nicht finanzierbare Deutsche Hafenmuseum Wirklichkeit
werden. Die Bundesmittel machen es außerdem möglich, die
Viermastbark „Peking“, die zurzeit noch in desolatem Zustand
in New York liegt, nach Hamburg zu holen und als Wahrzeichen
des künftigen Hafenmuseums zu restaurieren 6.
6
Der Betrag von 138
Millionen Euro schlüsselt
sich wie folgt auf: Für die
Modernisierung des
Hamburg Museums stellt
der Bund 18 Millionen
Euro zur Verfügung, die
von der Hamburger
Kulturbehörde in etwa
gleicher Höhe aufgestockt
werden. Nur für dieses
Projekt ist eine Ko-Finanzierung durch die Stadt
erforderlich, denn die
Investition für das
Hafenmuseum kommt
komplett vom Bund.
Vgl. dazu: Matthias
Gretzschel, „Hafenmuseum.
Ein neuer Leuchtturm für
die Hamburger Museumswelt“, in: Hamburger
Abendblatt, 13.11.2015:
http://www.abendblatt.de/
hamburg/article206570237/
Ein-neuer-Leuchtturmfuer-die-HamburgerMuseumswelt.html
(Stand 09.01.2016).
Ein neuer Blick auf die Sammlungen
Im Museum für Kunst und Gewerbe ist die Neueinrichtung der
ständigen Sammlungsbereiche fast vollständig abgeschlossen.
Sie verfolgt das Ziel einer zeitgemäßen, an den Fragen der
Gesellschaft der Gegenwart orientierten, ästhetisch in der
Gegenwart angekommene Neupräsentation der Sammlungsbestände.
53
1. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Blick
in die neue Jugendstilabteilung des Museums.
Eine neue Halle für die aktuelle und zeitgenössische Kunst
Ebenfalls bereits abgeschlossen ist die Sanierung der nördlichen
Deichtorhalle, die mit mehr als 17 Millionen Euro aus dem städtischen Sanierungsfonds beispielhaft erneuert worden ist (Abb. 3).
Die reizvolle Architektur aus der frühen Moderne öffnete am
1. April 2015 mit einer Ausstellung zu Picassos Einfluss auf die
Kunst der Gegenwart ihre Türen. Die Erneuerung versetzt das
Haus in die Lage, auf Augenhöhe mit den großen internationalen
Ausstellungshäusern von Paris bis New York zu agieren.
2. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.
Plakat der Ausstellung „Jugendstil. Die große Utopie
Mit der Neueinrichtung der weltweit bedeutenden ständigen
Jugendstilsammlung (Abb. 1) und dem begleitenden Ausstellungsprojekt „Jugendstil. Die große Utopie“ (Abb. 2) ermöglichte das
Museum für Kunst und Gewerbe vom 17. Oktober 2015 bis zum
28. Februar 2016 einen neuen Zugang zu dieser Epoche 7. Mit
der Historischen Turnhalle wird zudem an zentraler Stelle ein
prominenter Ort entstehen, der die Besucher empfängt und in
Form wechselnder Ausstellungen und Vermittlungsangebote auf
die Sammlungen und Ausstellungen des Museums vorbereitet.
Die Finanzierung erfolgt durch eine großzügige Spende von
Dr. Michael und Christl Otto in Höhe von 500.000 Euro.
Der Bund beteiligt sich mit 300.000 Euro aus dem Denkmalschutz-Sonderprogramm V und die Stiftung Denkmalpflege
Hamburg mit 200.000 Euro an dem Projekt 8.
54
7
Museum für Kunst und
Gewerbe Hamburg, http://
www.mkg-hamburg.de/de/
ausstellungen/vorschau/jugendstil/die-grosse-utopie.
html, (Stand 09.01.2016).
8
Museum für Kunst und
Gewerbe Hamburg, http://
www.mkg-hamburg.de/
filead-min/user_upload/
MKG/Presse/2015_Turnhalle/MKG_Projekt_HistorischeTurnhalle_
25Maerz2015.pdf, (Stand
09.01.2016).
3. Dr. Dirk Luckow, Intendant der Deichtorhallen
Hamburg und Bert Antonius Kaufmann,
kaufmännischer Direktor der Deichtorhallen
Hamburg in der sanierten Halle für aktuelle Kunst
der Deichtorhallen Hamburg
55
4. Hamburger Kunsthalle. Architektur-Modell zum
Modernisierungsprojekt der Hamburger Kunsthalle
im Maßstab 1:66
Mehr Besucherorientierung und Raum für Vermittlung
Die Kunsthalle wird bis zum Mai 2016 dank einer 15-MillionenSachspende der vom Hamburger Unternehmer und Mäzen
Alexander Otto und seiner Frau gegründeten Dorit- und
Alexander Otto-Stiftung modernisiert. Das Modernisierungsprojekt ist getragen von der Leitidee der Wiederbelebung des
historischen, zentralen Haupteingangs im Gründungsbau.
Mit seiner Wiedereröffnung werden alle Gebäudeteile zu einem
einzigen Museumskomplex zusammengeführt. Das repräsentative
Foyer und Treppenhaus des Gründungsbaus wird modern und
serviceorientiert umgestaltet. Die Räume für die Alten Meister
und das 19. Jahrhundert werden modernisiert, die ständige
Sammlung erhält ein besucherfreundliches Leitsystem. Frei
werdende Flächen in den bisherigen Eingangsbereichen werden
zukünftig für die Präsentation von Kunst genutzt. Der gestiegenen
Nachfrage nach Bildungs- und Vermittlungsprogrammen wird
die Kunsthalle mit renovierten und besser gegliederten Räumen
und der Schaffung eines zentralen Saales für Veranstaltungen
gerecht. Am Ort des alten Café Liebermann wird ein neues Museumscafé eingerichtet 9. Doch es geht bei den Modernisierungsmaßnahmen auch um den nachhaltigen und langfristigen Schutz
der Bestände. So wurde die von der Stadt mit rund vier Millionen
Euro finanzierte Sanierung des zentralen Gemälde- und Skulpturendepots in der Hamburger Kunsthalle in diesem Jahr bereits
abgeschlossen, so dass die Kunstwerke künftig nach höchsten
internationalen Standards gelagert werden können (Abb. 4) 10.
56
5. Bucerius Kunst Forum. Visualisierung des Foyers
mit Kassenbereiches des neuen Ausstellungshauses
Ein neues Forum für alle Künste
Auch das von der ZEIT-Stiftung getragene Bucerius Kunst
Forum gab im Februar 2015 bekannt, dass es 2018 ein neues,
größeres und attraktiveres Domizil am Alten Wall beziehen wird
– nur wenige Meter vom alten Standort entfernt. Durch
den großen, über die Jahre stark gestiegenen Publikumszuspruch
mit inzwischen etwa 200.000 Besuchern im Jahr und drei bis vier
Veranstaltungen pro Woche sind die räumlichen Kapazitäten an
eine Grenze gekommen. Am Alten Wall wird das erfolgreiche
Konzept konzentrierter Themenausstellungen künftig auf einer
Etage fortgeführt. Für das stark nachgefragte Veranstaltungsprogramm entsteht eine eigene Etage mit Auditorium und Lichthof,
der doppelt so groß ist wie dieser Bereich im alten Ausstellungshaus. Die Servicebereiche werden großzügiger und für die Publikumsbedürfnisse angemessener gestaltet.
(Abb. 5)
9
Der Betrag von 138
Hamburger Kunsthalle,
http://hamburgerkunsthalle.de/index.php/
Modernisierungsprojekt.
html (Stand 09.01.2016)
10
o.V, „Modernisiert. Depot
der Hamburger Kunsthalle
fertiggestellt“, Blachreport
Museum 2, 2015, S. 8.
57
Das neue Bucerius Kunst Forums wird eine Tiefgarage erhalten,
über die man direkt in die neue Bucerius Passage gelangt, die
den Alten Wall mit dem Neuen Wall über eine neue Fleetbrücke
verbindet. Der Umzug des Bucerius Kunst Forums gibt der
ZEIT-Stiftung Gelegenheit, neue Entwicklungen in der Lichtund Klimatechnik zu berücksichtigen. Das sichert dem Ausstellungshaus auch zukünftig Leihgaben aus Museen wie dem
Louvre, dem Prado und der National Gallery. Der Umzug in
die neuen Räume wird ohne Unterbrechung des Ausstellungsbetriebes erfolgen 11.
Eine zeitgemäße Ästhetik, mehr Besucherorientierung
und nachhaltiger Schutz für die Sammlungsbestände als Ziel
Die gegenwärtig realisierten Umbaumaßnahmen, Sanierungsmaßnahmen und Neupräsentationen in den Hamburger
Kunstinstitutionen dienen der Verbesserung der Besucherorientierung und Wegeleitung und damit der Umwandlung in noch
besucher- und dienstleistungsorientierte Kunstinstitutionen.
Mit adäquaten klima-, sicherheits- und lichttechnischen Bedingungen schaffen sie aber auch die Voraussetzungen dafür, auch
künftig am internationalen Leihverkehr zu partizipieren und
schaffen damit, wie die Picasso-Ausstellung zur Eröffnung der
neuen Deichtorhal-len, den Rahmen für attraktive, beim Publikum begehrte Sonderausstellungen mit möglichst hochkarätigen
Leihgaben. Sie dienen aber auch der Schaffung einer neuen, zeitgemäßen Ästhetik in der Präsentation von Sammlungsbeständen
und ermöglichen, wie die zahlreichen, schon in den vergangenen
58
Jahren neu eingerichteten Sammlungen im Museum für Kunst
und Gewerbe, einen neuen, ästhetisch ansprechenden und zeitgemäßen Blick auf die Sammlungsbestände.
Sanierungsmaßnahmen sind nicht nur eine Herausforderung,
sondern auch eine Chance für die Kulturkommunikation
11
Bucerius Kunst Forum,
http://www.buceriuskunstforum.de/ueber-uns/
neue-raeume-am-rathaus/
(Stand 09.01.2016)
Zeiten der Umbaus und der Sanierung stellen große Herausforderungen an Museen und Ausstellungshäuser. Es gilt, trotz
der mit den Umbaumaßnahmen fast immer verbundenen Einschränkungen, nicht zuletzt, was die Präsentationsmöglichkeiten
der Sammlungsbestände, die Zugänglichkeit und Wegeleitung des
Publikums angeht, präsent zu sein und den Besucher schon vor der
Eröffnung der neuen Räume für das neue Angebot zu begeistern.
Noch ohne Konzerthaus an der Kehrwiederspitze und lange vor
seiner immer wieder verschobenen Eröffnung hat die Hamburg
Musik gemeinnützige GmbH in den vergangenen Jahren mit
den Elbphilharmonie-Konzerten eine Konzertreihe erfolgreich
beim Hamburger Musikpublikum etabliert, die mit ihrem
Markennamen, aber auch mit ihrem Umfang, Anspruch und
ihrem Profil auf die Fertigstellung des neuen Konzerthauses
vorausweist und die Vorfreude des Publikums steigert. Die Elbphilharmonie Konzerte machen deutlich, welche zentrale Rolle
die Kulturkommunikation bereits in der Phase lange vor der
Eröffnung einer Institution spielen kann und wie sich schon in
dieser Phase die Weichen für die Zeit nach der (Neu)-eröffnung
der Institution stellen lassen.
59
6. Hamburger Kunsthalle. Kampagne „Weiter offen“
Auch in der Hamburger Kunsthalle, die nach Abschluss der im
Sommer 2014 begonnenen Sanierung ihre neuen Räume am
30. April/1. Mai 2016 mit einem Bürgerfest mit umfangreichem
Programm eröffnen wird, wird die Zeit des Umbaus als Herausforderung und Chance für die Kulturkommunikation begriffen.
Die eigens entwickelte Kampagne mit dem Claim „Weiter
Offen“ (Abb. 6) macht deutlich, dass das Museum trotz der
Umbaumaßnahmen und mancher Umwege für das Publikum
weiterhin geöffnet ist. Wesentliche Elemente des neuen temporären Erscheinungsbildes sind die Signalfarbe gelb, in der der
Bauzaun vor der Kunsthalle leuchtet, die eigens entwickelten
Dot-Schrift und der Pfeil, der Prozess und Fortschritt visualisiert.
Verschiedene, mit bedeutenden Werken der Sammlung verknüpfte Botschaften wie „Weiter diskutieren“, „Weiter sammeln“,
„Weiter riskieren“, „Weiter verführen“ oder „Weiter blicken“
stehen dabei Pate. Diese aus dem „Weiter offen“ abgeleiteten
Claims machen deutlich, dass sich die Kunsthalle ihren
Besuchern, Freunden und Mitarbeitern zukünftig sich noch
stärker für neue Ideen öffnen möchte.
60
Im Rahmen der Modernisierungsphase präsentiert die
Hamburger Kunsthalle zudem ausgewählte Meisterwerke aus
ihrer Sammlung in der konzentrierten Ausstellung „Spot on“.
Das visuelle Konzept der Ausstellung korrespondiert mit dem
Interims-Corporate Design der Kampagne und rückt die
Meisterwerke der Hamburger Kunsthalle ins Scheinwerferlicht.
Ein eigener Blog und Aktionen wie #EmptyHamburgerKunsthalle mit 30 geladenen Instagrammern ergänzen das Kommunikationskonzept. 12
Die Kampagne zeigt, dass Sanierungsmaßnahmen nicht nur
mit vielen Einschränkungen verbunden sind, sondern sich als
Herausforderung und Chance für die Kulturkommunikation
nutzen lassen. Kampagnen wie „Weiter offen“ sind immer auch
ein Stückweit Versprechen und weisen auf die Vision einer
großen Zukunft voraus. Die Kampagne ist Preisträger des
Hamburger Preises für Kulturkommunikation Rudolf Stilcken in
der Kategorie „Kampagne“ 2015. Im Rahmen des Wettbewerbs „Gute Gestaltung“ vom Deutschen Designer Club
(DDC) ist die Kampagne im Dezember 2014 zudem mit Silber
prämiert worden. Die Leistungsschau des DDC gehört zu den
renommiertesten Designwettbewerben Deutschlands.
12
http://www.weiter-offen.
de/ (Stand 01.10.2015);
http://www.olegehling.de/
hamburger-kunsthalleweiter-offen/
(Stand 01.10.2015)
61
8. Plakatkampagne Große Freiheit für große Kunst.
Neu im Programm. Aktuelle gesellschaftspolitische
Fragen und Themen
Blickt man auf das vergangene Ausstellungsjahr 2015, so
wundert es kaum, dass in den Kunstmuseen und Ausstellungshäusern Projekte wie „Verzauberte Zeit“ in der Hamburger
Kunsthalle, „Miró. Malerei als Poesie“ im Bucerius Kunst Forum
und „Nolde in Hamburg“ ebenfalls in der Kunsthalle zu den
besonders erfolgreichen gehören. 13
Neben diesen monographischen und großen Themenausstellungen des klassischen Repertoires aber etablieren sich auch
beim Hamburger Publikum neue Themen und Themenbereiche.
Kunst ist für viele Besucher nicht mehr nur ein Fluchtpunkt in
eine schöne Welt, sondern wird immer mehr als Spiegel aktueller Themen und Probleme begriffen. Kunst wird kritischer und
politischer. Diese veränderte Erwartungshaltung des Publikums
bestimmte nicht nur die internationalen Kunstevents wie die
aktuelle Biennale in Venedig 14, sondern auch die Programmgestaltung in den Hamburger Museen.
Gerade mit den Ausstellungen im Museum für Kunst und
Gewerbe dringen aktuelle Themen in die Programmgestaltung
der Hamburger Museumslandschaft ein und verwandelt das
Museum in eine Brücke zur Gegenwart 15. Die mit insgesamt
83.000 Besuchern ausgesprochen gut besuchte Ausstellung
Tattoo (13. Februar bis 6. September 2015) bot einen Einblick
62
13
Verzauberte Zeit.
Meisterwerke aus der
Sammlung Arthur und
Hedy Hahnloser-Bücher,
20.2. bis 16,8,2015,
Hamburger Kunsthalle
(136.000 Besucher),
Miró. Malerei als Poesie,
31.1. bis 25.5.2015,
Bucerius Kunst Forum
(97.000 Besucher),
Nolde in Hamburg,
18.9.2015 bis 10. Februar
2016 (87.000 Besucher bis
31.12.2015). Vgl. zu den erfolgreichsten Ausstellungen
in Hamburg 2015 Wiebke
Tomescheit, „Großes
Kunstjahr für Hamburg
Punks, Picasso und Pariser
Schick“ in Hamburger
Morgenpost 06.01.2016.
Siehe http://www.mopo.
de/hamburg/ausgehen/
events/grosses-kunstjahrfuer-hamburg-punks--picasso-und-pariser-schick23255896-seite2
14
Sabine Spindler, „Biennale
Venedig. Den Zustand
der Welt reflektieren“, in:
Handelsblatt 23.05.2015.
Siehe http://www.
handelsblatt.com/panorama/kunst-kulturmarkt/
biennale-venedig-den-zustand-der-welt-reflektieren/11553570 (Stand
01.10.2015): „Der neue
Trend zur Politisierung
der Kunst bestimmt Venedigs große Kunstschau.“
7. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Plakat
der Ausstellung „Tatoo“.
in die vielfältige Tattoo-Kultur (Abb. 7). Sie zeigte, dass Tattoos
als Kunstwerk, Stigma oder Identitätsmerkmal allgegenwärtig
in unserer Gesellschaft und weit mehr als ein Massenphänomen
oder modisches Accessoire sind. Aber auch die Ausstellungen
„Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode“, die mit insgesamt
71.000 Besuchern ebenfalls zu den bestbesuchten Hamburger
Ausstellungen im Jahr 2015 gehörte, die einen kritischen Blick
hinter die Kulissen der glamourösen Modewelt warf, und
„Fette Beute. Reichtum zeigen“ (17. Oktober 2014 bis 8. Februar
2015), eine Schau, die sich der Darstellung von Reichtum
und der Selbstdarstellung von Reichen in der Photographie
und den Massenmedien widmete, nehmen direkt Bezug auf
aktuelle Themen und Probleme in unserer Gesellschaft.
„Der diesjährige Leiter
der tra-ditionsreichen
Kunstschau, der 52jährige
Nigerianer Okwui Enwezor,
beschrieb sein Konzept
als eine Neubewertung
zwischen Künstlern und
den brennenden Problemen
unserer Zeit. Dazu zählt
er die globalen geopolitischen Konflikte ebenso
wie Umweltzerstörung
und sozi-ökonomische
Entwicklungen.“ Kritisch
dazu: Sebastian Frenzel,
„Hört die Signale, Venedig
Biennale, Hauptausstellung“, in: Monopol. Magazin für Kunst und Leben,
Juni 2015, S. 64-67; S. 64:
„Muss man wirklich auf die
Venedig-Biennale fahren,
um sich den „drängenden
Fragen unserer Gegenwart“
zu stellen oder reicht dafür
ein Blick in die Tageszeitung?“ „Ok-wui Enwezor,
künstlerischer Leiter dieser
Biennale, hatte eine explizit
politische Schau ange-kündigt, und er bemüht dafür
keinen geringeren als Karl
Marx.“
15
o.V., „Für mich der schönste
Ort der Welt., in: Public
Marketing, Juli/August
2013, S. 45-48 mit Blick auf
ähnlich aktuelle Themen im
Ausstellungsprogramm des
Museums für Kunst und
Gewerbe in den vergangenen Jahren wie „Klimakapseln (2010) und „Endstation
Meer? Das Plastikmüllprojekt“ (2012/13).
63
Auch Triennale-Ausstellungen unter dem Triennale-Motto
„The Day will come“ wie „When there is hope“ in der Hamburger
Kunsthalle zur Frage von Identität und Emigration, von Flüchtlingspolitik und Migration als Thema in der Photographie, wie
„When we share more than ever“ über die digitale Fotografie
und das Teilen von Bildern im Museum für Kunst und Gewerbe, „When man falls“ mit Bildserien von Philipp Toledano
in den Deichtorhallen, die sich mit gesellschaftlich relevanten
Fragen wie „Zukunft“ und „Individualität“ auseinandersetzen,
oder aber „When Water Matters“ im Bucerius Kunst Forum als
erfolgreichste Ausstellung der Triennale mit insgesamt 49.000
Besuchern und künstlerischen Positionen, die die Zukunft der
Meere oder die Rolle des Meeres als Grenze – etwa zwischen den
USA und Mexiko thematisieren, dokumentieren eine explizite,
vielleicht neue Erwartungshaltung an die Institution Museum:
Es soll die aktuellen Themen und die Probleme, die uns umgeben,
spiegeln und zum Think Tank werden, der uns künstlerische
Positionen und Lösungsvorschläge für aktuelle Probleme vorund für die Diskussion zur Verfügung stellt.
8. Triennale der Photographie Hamburg 2015.
Plakat der Ausstellung „The Day will come“ in den
Deichtorhallen Hamburg.
Auch viele Ausstellungen der Triennale der Photographie im
Sommer 2015 setzten sich mit aktuellen politischen und
gesellschaftskritischen Themen auseinander. Unter dem Motto
„The Day will come“ (Abb. 8) dokumentierte das Hamburger
Photofestival in seiner 6. Ausgabe nicht nur die gesamte Bandbreite der foto-grafischer Techniken und Stile, sondern regte
Kuratoren, Künstler, Wissenschaftler und Besucher dazu an, über
die Zukunft der Fotografie nachzudenken: Wie beeinflusst die
digitale Bildwelt unsere Gesellschaft? Warum knipsen wir täglich
Milliarden von Fotos? Hat die Handykamera unsere Wahrnehmung verändert? Welche Rolle spielt der Fotograf heute noch?
Was kommt nach der digitalen Revolution? Neben einer Vielzahl
von Foto-Ausstellungen namhafter Fotografen kreisten zahlreiche Veranstaltungen und Diskussionen um diese Frage und
versuchten Antworten zu finden. 16
64
16
Triennale der Photographie, http://www.
phototriennale.de/, (Stand
09.01.2012); hamburg.de
GmbH & Co. KG, http://
www.hamburg.de/ausstellung-hamburg/4386962/
triennale-der-photographie/
(Stand 06.01.2016)
65
Kooperationen machen Hamburgs Museumslandschaft erlebbar
Kooperationen spielen auch in der Hamburger Museumslandschaft eine immer größere Rolle, ob das überregionale Marketing
und die Doppelausstellungen auf der Kunstmeile Hamburg 17
oder die inhaltliche Zusammenarbeit bei der Triennale der
Photographie. Kooperationen tragen dazu bei, dass die Aktivitäten der Hamburger Museen und Ausstellungshäuser zu bündeln
und die Marketingaktivitäten der Einzelinstitutionen zu stärken.
Kooperationen spielen für die nationale und internationale Wahrnehmbarkeit des Kunststandortes Hamburg eine wichtige Rolle.
2015 bereits zum sechsten Mal dokumentierte die Triennale
den Stellenwert der Photographie in den Sammlungen und
Ausstellungsprogrammen in der Freien und Hansestadt. Nicht
zufällig ging die Initiative vom Photographen und Sammler
F.C. Gundlach aus, der das älteste und größte Kooperationsprojekt in der Hamburger Museumslandschaft aus der Taufe
gehoben hat. 2015 präsentierte sich das Festival noch vielfältiger
als in den Jahren zuvor. Die besondere Strahlkraft der sechsten
Ausgabe verdankte sich auch den Ausstellungen der 2010 als
Kooperation zwischen den fünf großen Museen und Ausstellungshäusern der bildenden Kunst ins Leben gerufenen Kunstmeile Hamburg. Alle fünf Kunstmeilen-Institutionen widmeten
im Sommer 2015 große Ausstellungen der Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Photographie. Aber auch die Stiftung
Historische Museen, die die Schau „Hamburg in der Fotografie“
mit den drei Einzelausstellungen „Stille Bauern und kernige
66
17
Dazu ausführlich:
A. Hoffmann/ C. Oetzel,
„Die Kunstmeile Hamburg.
Eine Kooperation der
Künste mit Modellcharakter“, in: F. Loock/O. Scheytt
(Hg.), Kulturmanagement
& Kulturpolitik (2013) J
1.15; Andreas Hoffmann,“
Die Kunstmeile Hamburg.
Bundesweites Marketing
für die Freie und Hansestadt als Kunststandort.“,
in: Reinhard Flender (Hg.):
Offene Räume für Kunst &
Kultur. Innovatives Kulturmanagement aus Hamburg,
Münster 2013, S. 41-73.
Fischer“ im Altonaer Museum (19.06.-232.11.2015), „StadtBildWandel“ im Hamburg Museum (19.06.-18.10.2015) und
„Fofftein“ im Museum der Arbeit (19.06.-27.09.2015) beisteuerte – insgesamt knapp 60 Ausstellungshäuser, Galerien
und weitere Veranstaltungsorte beteiligten sich an einem der
wichtigsten Photofestivals Deutschlands. Erstmals koordinierte
mit Krzysztof Candrowicz, dem ehemaligen künstlerischen
Leiter des Photofestivals Łódź, ein international anerkannter
Kurator als künstlerischer Leiter die Ausstellungen der Triennale
2015, der auch die Triennale-Special-Show „Snapshot“ (19.06.28.06.2015) kuratiert hat. Die zahlreichen von ihm initiierten
Projekte verorteten Hamburg in neuer Weise in der internationalen Szene der Photographie.
Große Freiheit für große Kunst. Die Kommunikation der
Kunstinstitutionen bekommt Verstärkung
Eine gelungene Kulturkommunikation nutzt keineswegs nur
den einzelnen Institutionen. Eine vitale Kunst- und Kulturszene
ist eine essentielle Lebensader für Metropolen wie Hamburg.
Ebenso wie Theater, Konzert- und Literaturhäuser tragen auch
die Museen und Ausstellungshäuser gerade in den Metropolen,
in denen sich die Lebensräume so vieler Menschen verdichten,
wesentlich dazu bei als Brennpunkte der zentralen Fragen unserer
Gesellschaft die Botschaft zu übermitteln, dass unsere Städte
lebenswert sind 18. Sie sind eine der wichtigsten Lebensadern
urbaner Räume und eine wichtige Inspirationsquelle für alte und
neue Einwohner, aber auch für ihre Besucher.
18
Zur Bedeutung einer vitalen
Kunst- und Kulturszene als
Lebensader von städtischer
Kultur grundsätzlich:
Martin Roth, „Kunst und
Kultur als Inspiration für
urbane Räume“, in: Deutsche Bank AG/Deutschland
– Land der Ideen (Hg,),
Stadtansichten. Thesen
und Positionen für die
Stadt von morgen. https://
www.land-der-ideen.de/
publikationen/stadtansichten-thesen-und-positionen-f-r-stadt-von-morgen
(Stand 09.01.2016)
67
Spätestens seit Richard Floridas Bestseller „The Rise of the
Creative Class“ gelten blühende städtische Kulturlandschaften
und florierende Kunst- und Museumsszenen mit einem interessanten Ausstellungsprogramm als Standortfaktor, der für den
Zuzug oder den Wegzug nicht nur der vielumworbenen Creative
Class in eine Stadt eine entscheidende Rolle spielt 19.
Die Hamburg Marketing GmbH setzte in der Kulturvermarktung in der Vergangenheit vor allem auf das Label der Musikstadt
Hamburg, wohingegen die Kunstinstitutionen in der Kulturvermarktungsstrategie eine eher untergeordnete Rolle spielten.
Das ist mit Blick auf fast 1. Mio. Besucher im Jahr auf der Kunstmeile Hamburg mit den fünf renommierten Kunstinstitutionen
Bucerius Kunst Forum, Deichtorhallen Hamburg, Hamburger
Kunsthalle Kunstverein Hamburg und Museum für Kunst
und Gewerbe Hamburg erstaunlich, denn schon heute ist die
Kunstmeile Hamburg der besucherstärkste Museumsverbund
im norddeutschen Raum 20.
Während das Angebot der Hamburger Kunstmuseen bei anderen
touristischen Partnern wie im bundesweiten Kooperationsangebot
der Deutschen Bahn schon seit vielen Jahren ein steter und wichtiger
Bestandteil ist und die Hamburger Museen dort seit langem eine
national wahrgenommene Rolle spielen, spricht sich allmählich auch
bei der Hamburg Marketing und Tourismus GmbH herum, dass
Hamburgs Kulturlandschaft mehr zu bieten hat als die Elbphilharmonie, Musicals und der Reeperbahnfestival und dass die Kulturstadt Hamburg noch mehr sein könnte als nur eine Musikstadt.
68
21
19
Richard Florida, The Rise
of the Creative Class, New
York 2011/12, 2. Auflage,
(Originalaus-gabe 2002)
20
Maike Schiller, „Zusammenschluss. Eine Million
Besucher in den Häusern der
Kunstmeile“, in: Hamburger
Abendblatt, 06.01.2016:
http://www.abendblatt.de/
kultur-live/article206889721/
Eine-Million-Besucherin- den-Hae sern-derKunstmeile.html
(Stand: 09.01.2016); .o.V.,
„Kunstmeile Hamburg lockt
eine Million Besucher an“,
in: Hamburger Abendblatt,
21.02.2014. Siehe:
www.abendblatt.de/hamburg/
article125075773/kunstmeileHamburg-lockt-eine-MillionBesucher-an.html
(Stand 09.01.2016).
9. Plakatkampagne Große Freiheit für große Kunst.
Monokultur ist nicht genug, das gilt auch mit Blick auf städtische
Kulturräume in Metropolen wie Hamburg. Erst wenn sich Hamburg in seinem Selbstverständnis von der Musik- zur Kulturstadt
wandelt, wird Hamburg seinem Anspruch als wachsende Stadt
auch kulturell gerecht werden. Hamburgs Kunstinstitutionen
müssen als Standortfaktor in der Konkurrenz städtischer Kulturräume konsequenter entdeckt und vermarktet werden.
Ein erstes Ergebnis der intensivierten Zusammenarbeit ist die
Kulturkampagne „Große Freiheit für große Kunst“, gemeinsam
initiiert und umgesetzt von der Kulturbehörde und der Hamburg
Marketing GmbH 21 mit insgesamt 2000 Plakaten allein im ers-
ten Durchgang der Kampagne in Hamburg, der Metropolregion
und den norddeutschen Ballungsräumen (Abb. 9). Finanziert
wird die von der Werbeagentur Gürtlerbachmann ausgeführte
Kampagne aus der Kultur- und Tourismustaxe. 140.000 Euro
nimmt die Hamburg Marketing GmbH für die Realisierung
allein 2015 in die Hand.
https://marketing.hamburg.
de/kulturkampagne/html
(Stand 09.01.2016):“
Hamburg bietet im
bundesweiten Vergleich ein
außergewöhnlich reichhaltiges und hochwertiges
Angebot an Kultur, das über
300 Einrichtungen – davon
rund 60 Museen und rund
45 Theater – umfasst. Das
vielfältige Kulturangebot
prägt in besonderer Weise
das Bild der Stadt und
spielt in der Gunst um
Neubürger, Unternehmen
und Touristen eine entscheidende Rolle. Nach
innen wirkt die spartenreiche Kulturlandschaft
zudem identitätsstiftend
und steigert die Lebensqualität. Um Hamburg als
Kulturmetropole sichtbar
zu machen, haben
Hamburg Marketing
GmbH, Kulturbehörde
und die Kulturinstitutionen
eine bildstarke Kampagne
umgesetzt, die die individuelle Qualität der Häuser
und Sparten deutlich
wahrnehmbar nach innen
und außen transportiert.
Neben einer starken Optik,
langfristig angelegter Laufzeit und der Umsetzbarkeit
für alle nationalen und
internationalen Kommunikationskanäle sticht die
Kampagne vor allem durch
eine zentrale Stärke heraus:
Sie läßt die Kulturinstitutionen zu Wort kommen.;
vgl. auch o.V. „Große
Freiheit für Große Kunst,
Die Welt, 07.11.2014. Siehe
http://welt.de/regionales/
hamburg/article134113445/
Grosse-Freiheit-fuerGrosse-Kunst.html,
69
Eingebettet in das Hamburg Marketing GmbH-Design zeigen
die Plakate unter dem programmatischen Motto „Kulturmetropole Hamburg“ Varianten des Themas „Große Freiheit für…“.
Die Motive stammen nicht nur aus dem Thalia Theater, der
Staatsoper, vom Ensemble Resonanz, von Kampnagel, den
Elbphilharmonie Konzerten der Laeiszhalle und dem
Dockville-Festival, sondern auch aus dem Bucerius Kunst Forum,
den Deichtorhallen, der Hamburger Kunsthalle und dem
Museum für Kunst und Gewerbe. Dauern soll die Kampagne
mindestens bis zur Eröffnung der Elbphilharmonie 2017 22.
Die Kampagne „Große Freiheit für große Kultur“ wurde beim
Kulturmarken-Award 2015 als Stadtmarke des Jahres ausge
zeichnet 23. Hamburg wird sich dessen bewusst, dass es sich
mit seinem Kunst- und Kulturangebot, auch über die Elbphilharmonie und sein Angebot als Theaterstadt hinaus, nicht zu
verstecken braucht.
Doch nicht nur als wichtige Säule in der Kampagne „Große
Freiheit für große Kultur“, auch in der Durchführung von Pressereisen sowie bei internationalen Messepräsenzen im Zusammenhang mit der Triennale der Photographie 2015 profitierte die
Hamburger Museumsszene von der Kulturvermarktung durch die
Hamburg Marketing GmbH 24.
70
22
Joachim Mischke,
„Große Freiheit wird
Leitmotiv neuer Hamburger Kulturkampagne“,
Hamburger Abendblatt,
08.11.2014. Siehe:
http://www.abendblatt.de/
hamburg/article134131724/
Grosse-Freiheit-wirdLeitmotiv-neuer-Hamburger-Kulturkampagne.html
(Stand 09.01.2016).
Doch alle beschriebenen Aktivitäten können erst ein Anfang sein.
Gerade mit Blick auf die besondere Rolle von Kunst und Kultur
als wichtiger Standortfaktor in der Konkurrenz der Metropolen
gilt es, diesen eingeschlagenen Weg mit aller Konsequenz weiterzuverfolgen und den Kunstmuseen und Ausstellungshäusern
in der städtischen Kulturvermarktungsstrategie künftig den Platz
einzuräumen, den sie verdienen.
Museen und Ausstellungshäuser erschließen neue digitale Räume
23
Enno Isermann,
Kulturbehörde Hamburg,
„Kulturmarken-Award 2015.
Hamburg ist Stadtmarke des
Jahres 2015“ Pressearchiv
der Freien und Hansestadt
Hamburg, 30.1.2015.
Siehe http://www.hamburg.
de/pressearchiv-fhh/4626754/
hamburg-stadtmarke-desjahres/ (Stand 09.01.2016).
24
https://marketing.hamburg.
de/id-6-triennale der
photographie.html
Damit Kunst auch in Zukunft zu erlebter Kultur wird, müssen
sich die Hamburger Kunstinstitutionen und Ausstellungshäuser
der digitalen Herausforderung stellen. Traditionelle Kulturorte
und damit auch die etablierten Kunstinstitutionen erhalten zunehmend Konkurrenz durch das Internet. Das Internet avanciert
zu einem neuen alternativen, und digitalen Kulturraum, der sich
zunächst einmal dadurch auszeichnet, dass viele Menschen
viel Zeit damit verbringen. Die Digitalisierung prägt das gesellschaftliche Leben, immer stärker auch der älteren Generation.
Wir alle, ob alt oder jung, kommunizieren über Apps, Posts
und Tweets. Allen kritischen Punkten und Diskussionen um das
Urheberrecht, Leistungsschutz und den Wert des Werkes zum
Trotz, bietet die Digitalisierung der Kulturkommunikation
neue Chancen. Über das Social Web erreicht sie eine breite
Community. Schon heute ist der durchschnittliche deutsche
Internetnutzer in drei Social Networks registriert.
71
Im Museumsbereich gilt in Deutschland das Städel Museum in
Frankfurt mit seiner teilweise bereits umgesetzten digitalen
Erweiterung als Vorreiter dieser Entwicklung. Mit neuen Technologien und Kommunikationswegen entsteht ein alternatives
Angebot parallel zum realen, physischen Museumsbesuch 25.
Digital bereitgestellte Inhalte und Zusatzinformationen sollen
die Verbreitung und Vertiefung des analogen Kunstangebotes
erleichtern. Ziel ist es, auch im digitalen Zeit-alter dem Bildungs- und Vermittlungsauftrag gerecht zu werden, diesen weiter
auszubauen sowie innovative technologische Entwicklungen für
die Kernaufgaben des Museums nutzbar zu machen.
Durch den unbegrenzten digitalen Raum lässt sich die Reichweite der Aktivitäten um ein Vielfaches erweitern. Sammlungsund Ausstellungsinhalte werden mit einer völlig veränderten
Skalierung vermittelt und der Wirkungsraum des Muse-ums
signifikant vergrößert. Darüber hinaus lassen sich neue Formen
der Narration entwickeln, welche die Möglichkeiten der digitalen
Vermittlung von kulturellen Inhalten in Gänze nutzen.
Mit vielfältigen Aktivitäten, die von einer digitalen Exponate-Plattform über Städel-Games bis hin zu Online-Kunstgeschichtskursen reichen, werden mit der multiplen Vernetzung
von Inhalten unterschiedlichster Herkunft neue Wege der
Darstellung, Erzählung und Vermittlung von Kunst beschritten.
Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen weit über die Dauer
von Ausstellungen/Projekten hinaus bewahrt und ungesehene
sowie nicht zugängliche Aspekte der Museumsarbeit und der
Sammlung sichtbar gemacht werden können.
72
25
Zum folgenden grundsätzlich:
Städel Museum, http://
newsroom.staedelmuseum.
de/system/files_force/field/
file/2014/st_presse_digitale_
erweiterung_mission_statement.pdf, (Stand 25.08.2015)
Ziel ist es, auf diese Weise möglichst vielen verschiedenen
Zielgruppen je nach Nutzererwartung und -verhalten einen
spezifischen Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen.
Somit wird eine neuartige umfassende Wissensvermittlung
Wirklichkeit, die verstärkt auf interaktive und partizipative
Elemente setzt.
Auch für die Freie und Hansestadt Hamburg hat das Thema
zentrale Bedeutung. Mit vielfältigen Aktivitäten verfolgt sie
die Entwicklung zur Smart City. Um den digitalen Zugang zur
Kultur strukturiert und ressourceneffizient planen und gestalten
zu können, hat die Kulturbehörde Anfang 2014 ihre eCulture
Agenda 2020 verfasst 26. Wesentliche Aufgabe von eMuseum
im Rahmen dieser Agenda ist es, Hamburgs Museen auf ihrem
Weg in das digitale Zeitalter zu begleiten und das Museumserlebnis an veränderte Besucherwünsche und -bedürfnisse anzupassen. Das Museumserlebnis soll durch den Einsatz digitaler
Technik real und virtuell bereichert werden. 27
Zu den ersten ausstellungsbezogenen Digitalprojekten im
Rahmen der Agenda gehörte ein Projekt im Rahmen der Ausstellung „Krieg und Propaganda 14/18“ im Museum für Kunst
und Gewerbe. Hier wurden Interviews mit Zeitzeugen und
zusätzliche Inhalte bereitgestellt und zudem die Besucher in das
Ausstellungserlebnis integriert und auch bei der Ausstellung
„Die große Utopie“ ermöglichte der IT-Globalfonds der Freien
und Hansestadt Hamburg die Bereitstellung und Aufbereitung
digitaler Inhalte.
26
www.hamburg.de/kulturbehoerde/eculture/ (Stand
09.01.2016)
27
www.hamburg.de/kulturbehoerde/eculture/4452068/
museum (Stand 09.01.2016)
73
10. Museum für Kunst und Gewerbe. Blog „Stilbrise“
in der Ausstellung Fast Fashion, 2015
Entscheidend für den Erfolg derartiger Projekte ist, dass in den
neuen Kulturräumen anders miteinander kommuniziert wird
als in vielen traditionellen Kulturorten und -institutionen. Hier
gibt es die traditionellen Gatekeeper nicht mehr. Nutzer können
sowohl als Konsument wie auch als Produzent kultureller Inhalte
agieren und konsequent an einer nicht hierarchischen kulturellen
Kommunikation teilnehmen. Diese Kultur des Mitmachens
und des kollektiven Ausprobierens verändert auch die Nutzungserwartungen an kulturellen Einrichtungen. Für den Rezipienten
wird Kultur dadurch nahbarer, sie unterhält und motiviert zum
Mitmachen 30.
11. Multimediaguide zur Ausstellung „When Man falls“
mit Werken von Philipp Toledano.
Aber auch Angebote wie der Blog „Stilbrise“, der seit der Ausstellung „Mythos Chanel“ im Jahr 2014 die Modeausstellungen
des Museums für Kunst und Gewerbe begleitet (Abb. 10), versuchen auf die veränderte Anspruchshaltung und das veränderte
Informationsbedürfnis des Publikums einzugehen 28.
Anlässlich der Triennale-Ausstellung „When Man falls“ mit
Werken von Philipp Toledano im Haus der Photographie boten
die Deichtorhallen ihren Besuchern erstmals einen eigenen
multimedialen Ausstellungsguide (Abb. 11) mit weiterführenden
Informationen zu den gezeigten Werkserien, Audio-Einführungen der Kuratorin, Video-Statements des Künstlers, zusätzlichen
Bilderserien und Texten an. Darüber hinaus konnten die
Besucher einen Blick in die Entstehung der Ausstellung werfen.
Diese neuen Möglichkeiten der Kunstvermittlung sollen auch
zukünftig bei ausgewählten Ausstellungen in den Deichtorhallen genutzt werden. 29
74
28
Museum für Kunst und
Gewerbe, http://stilbrise.de/
(Stand 09.01.2016).
29
www.hamburg.de/pressearbchiv-fhh/4539800/
multimedia-guide/, (Stand
09.01.2016). de/pressearchiv-fhh/4626754/hamburg-stadtmarke-desjahres/ (Stand 09.01.2016).
Wie begeistert das Publikum die mit der Digitalisierung verbundenen neuen Partizipationsangebote annimmt, dokumentiert
auch eine Photo-Aktion zur Ausstellung „Über Wasser. Malerei
und Photographie von William Turner bis Olafur Eliasson“ im
Bucerius Kunst Forum (13. Juni bis 20. September 2015). Mit
die-sem hat das Bucerius Kunst Forum im Sommer 2015 zum
ersten Mal ein großes User-Generated-Content-Projekt realisiert. Anknüpfend an die Über Wasser-Schau, die die anhaltende Inspirationskraft von Wasser für Maler und Photographen
beleuchtete, wurde mit Beginn der Ausstellung die Aktion Mein
#ÜberWasser gestartet. Ziel war die partizipative Fortführung
der Ausstellung im digitalen Raum 31.
30
Martin Roth, „Kunst und
Kultur als Inspiration für
urbane Räume“, in: Stadtansichten. Thesen und Positionen für die Stadt von morgen,
https://www.land-der-ideen.
de/publikationen/stadtansichten-thesen-und-positionen-f-r-stadt-von-morgen
(Stand 09.01.2016).
31
Einen Blick auf die Pinnwände eröffnet der folgende
Link: https://www.pinterest.
com/buceriuskunst/ Die im
Rahmen der Mein #ÜberWasser-Aktion ent-standenen
Photographien sind weiterhin
auf der Pinterest-Seite des
Bucerius Kunst Forums
sichtbar.
75
12. Bucerius Kunst Forum. Pinterest-Aktion „Mein
#ÜberWassser“.
Das Ausstellungshaus rief Nutzer dazu auf, Wasser in seiner Vielgestaltigkeit zu photographieren und die Photos mit dem Hashtag
#ÜberWasser bei Instagram oder Twitter hochzuladen (Abb. 12).
Diese von der Ausstellung inspirierten Wasserphotos wurden im
Anschluss auf der Pinterest-Seite des Bucerius Kunst Forums
gesammelt und auf verschiedenen Pinnwänden den einzelnen Ausstellungsthemen zugeordnet – von Tropfen, Wasser im Fall, Wellen,
Eis und Reflexionen bis zu Wasser als unbezähmbares Element.
Insgesamt sind 550 Photographien via Twitter und Instagram
hochgeladen worden, darunter eine Vielzahl äußerst qualitätvolle
Arbeiten von sehr aktiven Instagramern und Twitterern. Damit ist
Mein #ÜberWasser eine der erfolgreichsten User-GeneratedContent-Aktionen in der deutschen Museumslandschaft 32.
Diese und ähnliche Aktionen zeigen eindrücklich, welche Chancen
und Gestaltungsmöglichkeiten der digitale Wandel für Kulturinstitutionen eröffnet. Das Bucerius Kunst Forum kann heute mit
Kunstinteressierten auf vielen Wegen und überall in der Welt in
den Dialog treten und zur unmittelbaren Teilnahme aufrufen. In
der Vermittlung von Ausstellungen kann die digitale Kommunikation ein sehr bedeutender Bestandteil werden. Dabei spielt das
Abbauen von Hürden eine wichtige Rolle. Ein detaillierter Blick
auf die Teilnehmer der Mein #ÜberWasser-Aktion zeigt, dass
sowohl neue, sehr junge Zielgruppen als auch Stammbesucher
wie die Mitglieder des Bucerius Kunst Clubs, der Freundeskreis
des Bucerius Kunst Forums, erreicht wurden. Das spiegelte sich
76
während der Ausstellung auch in der Besucherstruktur im Ausstellungshaus selbst wider.
Einmalige User-Generated-Content-Projekte wirken nur kurzfristig. Sie reichen nicht aus, um ein neues Publikum dauerhaft auf
eine Institution aufmerksam zu machen und langfristig zu binden.
Eine langfristig angelegte Strategie zum Umgang mit den
neuen Möglichkeiten der Digitalisierung tut not, um nachhaltige
Wirkung zu erzielen.
32
Die Aktion ist genauso
erfolgreich wie die vergleichbare Aktion „Monet
Momente“ (Städel Museum,
http://blog.staedelmuseum.de/
kunst-der-moderne/
monetmoment) im Städel
Museum und das, obwohl
die Frankfurter Ausstellung
ein Vielfaches an Gesamtbesuchern generiert hat und,
anders als das Bucerius Kunst
Forum bereits zahlreiche
weitere ähnliche Projekte
realisiert hat.
Das Bucerius Kunst Forum setzt mit ähnlichen Aktionen zu den
Ausstellungen „Von Poussin bis Monet. Die Farben Frankreichs“
und „Picasso. Fenster zur Welt“ kontinuierlich auf die digitale
Partizipation der Nutzer und die visuellen Plattformen. Und das
ist nur ein Teil der digitalen Kommunikationsstrategie. Ebenso wie
die genannten Pinterest-Aktionen vermitteln Ausstellungsvideos
auf YouTube in Ausstellungsrundgängen und Kuratoreninterviews
die Inhalte der Ausstellungen. Hier knüpft das Ausstellungshaus
an die erfolgreichen Videos etwa zu Miró oder Pompeji an.
Die mögliche Vielfalt neuer digitaler Zugänge verdeutlicht auch
die bundesweit erste Instaswap-Aktion, die die Hamburger
Museen im November 2015 durchgeführt haben. Teilnehmende
Museen des #MuseumSwapHamburg waren das Archäologisches
Museum Hamburg, das Bucerius Kunst Forum, die Deichtorhallen
Hamburg, das Hamburg Museum, die Hamburger Kunsthalle, die
KZ-Gedenkstätte Neuengamme, der Kunstverein in Hamburg
sowie das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.
77
13. Bucerius Kunst Forum. Schüler führen Schüler
des Wilhelm Gymnasiums
Ausgehend von Fragen wie „Was sieht man vom Dach der
Kunsthalle?“, „Was ist das älteste Objekt im MKG?“, „Wie
sieht es im Depot des Archäologischen Museums aus?“ oder
„Wer hat den aufregendsten Job im Hamburg Museum?“
besuchten sich die Instagrammer der Hamburger Museen vom
27. November bis zum 1. Dezember 2015 gegenseitig und schauten hinter die Kulissen. Zum ersten Mal in Deutschland
schrieben die Ausstellungshäuser einer Stadt unter #Museum
SwapHamburg zusammen mit ihren Besuchern und virtuellen
Freunden eine große digitale Erzählung über die Museumswelt
in Hamburg. Wie in einem Fortsetzungsroman entstand durch
die vielen Instagram-Autoren ein eindrucksvoller Bilderbogen,
der die reale Kunstwelt um eine Dimension erweiterte. Die
bildorientierte Social-Media-Plattform Instagram eignet sich
besonders als Medium für spannende Reportagen aus dem Museumsalltag. Mittlerweile hat Instagram einen ähnlichen Stellenwert wie Facebook oder Twitter, wird aber von einem jüngeren,
bildaffinen Publikum genutzt.
Die Idee geht zurück auf eine Initiative in London, wo der
erste „InstaSwap“ u.a. mit Beteiligung des Victoria and Albert
Museum, des British Museum und des Science Museum über
400 Posts generierte. Die Idee macht inzwischen auch andernorts
Schule. Im Dezember 2015 wurde auch in den Münchner
Museen ein Instaswap durchgeführt 33.
78
Museen und Ausstellungshäuser werden wichtige
außerschulische Lernorte
In den letzten Jahren sind in vielen öffentlichen Kultureinrichtungen über die Positionen für Marketing hinaus neue
Positionen für die kulturelle Bildung geschaffen worden.
Auch in den Hamburger Museen nimmt das Thema breiten
Raum ein. Die Kulturinstitutionen reagieren damit auf das in
vielen Befragungen herausgearbeitete Ergebnis, dass ein
Großteil der Menschen in Deutschland der kulturellen Bildung
in Zusammenarbeit von Kulturinstitutionen und Schulen eine
sehr hohe Bedeutung beimisst. 34
33
o.V., „#Munichinstaswap.
Die Sammlungen der
Anderen“, in: Monopol.
Magazin für Kunst und
Leben, Dezmber 2015,
siehe: http://www.monopol-magazin.de/die-s
ammlungen-der-anderen
(Stand 09.01.2016).
Eines der zahlreichen Projekte, die die Hamburger Kunstmuseen
und Ausstellungshäuser in außerschulische Lernorte verwandeln
ist „Schüler führen Schüler“, ein gemeinsames Projekt des Bucerius Kunst Forums mit dem Wilhelm-Gymnasium: Schüler der
Profilkurse Kunst des Wilhelm-Gymnasiums befassen sich mit
der Thematik aktueller Ausstellungen des Bucerius Kunst Forums
und geben ihr Wissen in Führungen an andere Klassen unterschiedlicher Schulformen und Jahrgangsstufen weiter (Abb. 13).
34
Zentrum für Kulturforschung, Lernorte oder
Kulturtempel. Infrastrukturerhebung: Bildungsangebote in klassischen
Kultureinrichtungen,
Köln 2010.
79
Aktuell beteiligen sich ca. 50 Schülerinnen und Schüler der Studienstufe des Wilhelm-Gymnasiums an dem Projekt, das von
Dr. Karin Maak, Kunsthistorikerin und Kunsterzieherin am
Wilhelm-Gymnasium, Anfang 2009 initiiert wurde und seit
einigen Jahren von den Kunsterziehern Uwe Niemann und Juliane
Pietsch weitergeführt wird. Mittlerweile hat das Projekt bundesweite Anerkennung gefunden und wurde im Rahmen der Wettbewerbe schule@museum sowie Kinder zum Olymp ausgezeichnet.
Geführt werden pro Ausstellung ca. 400 Schüler vom Grundschulalter bis zum Abitur – darunter zunehmend auch Schulklassen
aus sozial schwächeren Stadtteilen. Neben Schülern aus Hamburg
nehmen auch Gruppen aus Schleswig-Holstein das Angebot wahr.
Wie wichtig die kulturelle Bildung in den Hamburger Kunstmuseen und Ausstellungshäusern ist, zeigt auch die Ankündigung
der Hamburger Kunsthalle, bis zu ihrer Neueröffnung 2016 ihr
Angebot für Schulen überarbeiten zu wollen. Mit Methodenfortbildungen lädt die Kunsthalle Lehrerinnen und Lehrer zur
intensiveren Auseinandersetzung mit Themen und Verfahren
der Kunstgeschichte und Kunstvermittlung und künstlerischen
Praxis ein. Ein- bis eineinhalbstündige Lehrereinführungen in
die jeweiligen Ausstellungen durch die Kunstvermittler, die die
Ausstellungen und Themen unter kunsthistorischen und didaktischen Gesichtspunkten in den Blick nehmen und erste Impulse
für den praktischen Transfer geben.
Bei der Vorbereitung werden die jungen „Kunstexperten“ vom
wissenschaftlichen Team des Bucerius Kunst Forums unterstützt,
das ihnen mit Informationen zum Ausstellungskonzept und
museumspädagogischen Tipps zur Seite steht. Mit viel Freude
und Engagement bereiten sich die Schüler auf ihre Führungen vor,
in denen sie ihr Wissen an andere Schulklassen weitergeben. Im
direkten Kontakt mit den gleichaltrigen oder nur wenig älteren
Schüler-Guides erfahren die jungen Besucher Kunst ganz anders –
ohne das Gefühl, von einem Erwachsenen belehrt zu werden.
Fachwissen wird auf Augenhöhe vermittelt und regt dazu an, sich
durch Nachfragen und Kommentare aktiv zu beteiligen. Auch die
erwachsenen Besucher profitieren von diesem neuen Zugang zur
Kunst: Bei der Langen Nacht der Museen fungieren die Schülerinnen und Schüler als Kunstscouts und stehen allen Ausstellungsgästen für Fragen zur Verfügung.
Noch entscheidender aber als kulturnahe Bildungsschichten für
die Hamburger Kunstinstitutionen ist es, auch bildungsferne
Schichten für die Kunstinstitutionen zu gewinnen. Ein langjähriger Vergleich der Kulturnutzer in Deutschland macht
deutlich, dass das Bildungsniveau als Einflussfaktor auf kulturelle
Partizipation an Bedeutung gewonnen hat. Es besteht somit ein
enger Zusammenhang von sozialer Herkunft und kultureller
Inklusion bzw. Exklusion. Das Elternhaus ist der wichtigste
Einflussfaktor, noch weit vor der Schule, um Menschen für
Kultur zu gewinnen oder zu verlieren. Die bei quantitativen
Befragungen am häufigsten genannten Barrieren der Nutzung
kultureller Angebote sind „zu wenig Geld“ und „zu wenig Zeit“.
Erste qualitative Studien zeigen, dass es vor allem soziale
Barrieren sind, die Nichtkulturnutzer abhalten: die Annahme,
dass Kunst langweilig ist, die Annahme, dass Kunst anstrengend
80
81
ist und die Angst, sie nicht zu verstehen; die Annahme, dass
Kunst nicht zum eigenen Leben und Lebensstil passt, die
Angst, nicht über die über die richtigen Formen im Umgang
mit kulturellen Angeboten zu verfügen. Obwohl Kunst und
Kultur in der breiten Bevölkerung ein positives Image haben,
werden kulturelle Angebote von einem Großteil als nicht
relevant für ihr eigenes Leben betrachtet: „Kultur ist wichtig,
hat aber nichts mit meinem eigenen Leben zu tun.“ 35
2015 hat der Bucerius Kunst Club im Rahmen des Projektes
„Deine Stadt“ erneut Hamburger Grundschüler in das Bucerius
Kunst Forum eingeladen. Ziel dieses Projektes ist es, Kinder aus
bildungsfernen Elternhäusern für kulturelle Erlebnisse zu
begeistern. An drei Vormittagen besichtigten Schulklassen aus
Altona, Harburg und Billstedt die Ausstellung „Über Wasser.
Malerei und Photographie von William Turner bis Olafur
Eliasson“ und setzten sich in kreativer Weise mit dem Inhalt
dieser Ausstellung auseinander. Dank der Unterstützung des
Bucerius Kunst Clubs entstehen den Schulen keine Kosten:
Fahrt, Führung und Materialien werden übernommen; dazu
gibt es noch einen kleinen Imbiss für die Schülerinnen und
Schüler. Auf Einladung eines Vorstandsmitglied des Bucerius
Kunst Clubs und durch dieses privat finanziert wird das
Projekt im November 2015 auf vier Schulen in Langenhorn,
Wandsbek, Bergedorf und Billstedt ausgeweitet.
82
Museen und Ausstellungshäuser werden zu Orten des Dialoges
zwischen den Kulturen und Weltreligionen
35
Birgit Mandel, „Audience
Development als Aufgabe von
Kulturmanagementforschung“,
in: Jahrbuch Kulturmanagement 2012 (1), S. 23.
Nicht nur die kulturelle Bildung hat Konjunktur in den Hamburger Museen. Durch die Zunahme von Menschen aus anderen
Kulturen und Religionen sind auch die Hamburger Kunstinstitutionen gezwungen, ein neues Verhältnis zu Menschen mit
Migrationshintergrund zu entwickeln. Das setzt neue Formen
der Kulturvermittlung voraus, denn Menschen aus anderen
Herkunftsländern bringen einen anderen Kulturbegriff und
andere Rezeptionsweisen von Kunst und Kultur mit. So ist bei
Menschen mit Migrationshintergrund ein breiterer Kulturbegriff
erkennbar und eine weniger starke, typisch deutsche Trennung
von E- und U-Kultur. Außerdem haben sie, so zeigen erste
Studien, noch weniger Interesse an traditionellen Hochkulturangeboten als der Durchschnitt der Bevölkerung 36.
Das neue Interesse am interkulturellen und interreligiösen
Dialog zeigt sich zunächst am größeren Stellenwert, der den
Sammlungen anderer Kulturkreise und Religionen in den
Neupräsentationen zugemessen wird. Das lässt sich beispielsweise an den Museen und Sammlungen islamischer Kunst
ablesen. Überall in der internationalen Museumslandschaft
vom Louvre bis hin zu Pergamonmuseum erleben Museen und
Sammlungen islamischer Kunst in den ersten Jahren des
21. Jahrhunderts eine ungeahnte Renaissance 37.
36
Birgit Mandel, „Audience
Development als Aufgabe von
Kulturmanagementforschung“
in: Jahrbuch Kulturmanagement 2012, (1), S. 23-24.
Zentrum für Kulturforschung/S. Keuchel, Erste
vorläufige Ergebnisse und
Empfehlungen des Interkulturbarometer, Bonn 2012.
37
Stefan Weber, „Zwischen
Spätantike und Moderne.
Zur Neukonzeption des
Museums für Islamische
Kunst im Pergamonmuseum“,
in: Stiftung Preußischer Kulturbesitz/Hermann Parzinger
(Hg.), Jahrbuch Preußischer
Kulturbesitz, Band XLVIII,
Berlin 2014, S. 227 mit
Zusammenstellung der
wichtigsten Neueinrichtungen
in Anmerkung 1.
83
13. Museum für Kunst und Gewerbe. Neueinrichtung
Sammlung Islamische Kunst, Ausstellungsansicht
vielfältigen und lange Zeit erstaunlich toleranten Kultur vor
Augen (Abb. 14). 40
Ein neues Interesse an anderen Religionen in den Hamburger
Kunstinstitutionen dokumentiert aber auch die Veranstaltungsreihe „Auf Augenhöhe. Kunst im interreligiösen Dialog“, die
bereits 2010 von Marion Koch in der Hamburger Kunsthalle
entwickelt wurde, inzwischen aber auch im Hamburg Museum
oder dem Museum für Kunst und Gewerbe stattfindet und
von jeweils mit unterschiedlichen Kooperationspartnern wie
der Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg,
der Katholischen Akademie und der Evangelischen Akademie
Hamburg unterstützt wird (Abb. 15). 41
15. Hamburger Kunsthalle. Veranstaltungsreihe
„Auf Augenhöhe. Kunst im interreligiösen Dialog“.
Von li nach re: Friedrich Brandi-Hinnrichs,
Ev.-luth. Pastor; Özlem Nas, SCHURA, Rat der
islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V.;
Micheal Nüssen, Liberale Jüdische Gemeinde und
Jüdische Gemeinde Hamburg. Moderation: Marion
Koch, freie Mitarbeiterin der Hamburger Kunsthalle
Im Louvre widmet sich seit 2012 eine neue Abteilung der Kunst
des Islam und demonstriert eine faszinierende Verschränkung
zwischen westlicher und islamischer Welt, die über jeden Fanatismus hinwegsieht 38. Mit der Neupräsentation ist auch die
kulturpolitische Aussage verbunden, den Mahgreb als Teil der
Grande Nation endlich ernst zu nehmen 39.
Auch das Museum für Kunst und Gewerbe führt seit April 2015
in seiner neu eingerichteten Islamabteilung mit historischen
Objekten, die teilweise schon vom Gründungsdirektor des
Museums Justus Brinckmann gesammelt wurden, aber auch
mit aktuellem Werken von Künstlern aus dem Libanon oder
dem Iran das Panorama einer zwar religiös geprägten, aber enorm
84
38
Joseph Haniman, „Wo sich
Kulturen durchwirken.
Abteilung für Islam im
Louvre“ in: Südde-tusche
Zeitung, 26.9.2012. Siehe
www.sueddeutsche.de/kultur/
abteilung -fuer-isalm-imlouvre-wo-sich-kulturendurchwirken--1.1478941-2
(Stand 09.01.2016).
39
Französische Botschaft Berlin,
www.ambafrance-de.org/
Wiedereröffnung-dersammlung (Stand 02.10.2015).
Regelmäßig treffen sich in den Veranstaltungen der Reihe
Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften. Sie diskutieren anhand ausgewählter Gemälden der Kunsthalle Themen wie
Gottesvorstellungen, Tod und Auferstehung oder die Stellung
von Mann und Frau 42. Die Gemälde bieten Gesprächsanlass zu
aktuellen gesellschaftlichen Debatten wie z.B. die Sichtbarkeit
von Minaretten, Kirchtürmen und Synagogen im Stadtbild. So
entstehen Impulse für Diskussionen und fruchtbaren Austausch.
Die Referentinnen und Referenten sind wichtige Multiplikatoren der jeweiligen Gemeinschaften; der Schura Hamburg,
der Evangelisch-lutherischen Kirche in Norddeutschland, der
Liberalen Jüdischen Gemeinde, der Jüdischen Gemeinde
Hamburg oder der Buddhistischen Gemeinde Hamburg.
40
Matthias Gretzschel, „Neue
Islam-Abteilung: Mit Kunst
gegen den Hass“, Hamburger
Abend-blatt 10.4.2015, www.
abendblatt.de/meinung/
article205247487/Neue-Islam-Abteilung- Mit-Kunstgegen-den-hass.html (Stand
01.10.2015).
41
Die 2015 am Institut KMM
entstandene Masterarbeit
Kristina Pecia, Interkulturelle Öffnung von Museen.
Herangehensweisen und
Herausforderungen im
Umgang mit dem Phänomen
Migration anhand ausgewählter Fallbeispiele, unpublizierte
Masterarbeit Hamburg 2015
setzt sich mit diesem und vier
weiteren richtungsweisenden
Fallbeispielen für die interkulturelle Öffnung von Museen
auseinander.
42
Als einer von drei Preisträgern wurde das Projekt
mit dem BKM-Preis
Kulturelle Bildung 2014
ausgezeichnet. Der Preis
würdigt die herausragende
Bedeutung der kulturellen
und künstlerischen Vermittlungsarbeit öffentlicher
und privater Kultureinrichtungen sowie bürgerschaftlicher Initiativen. Zur
Begründung www.stiftunggenshagen.de/uploads/
media/Laudatio_Kunst_
in_interreligioesen_Dialog_
Eckart_Koerhne.pdf.
85
Es geht um das Entdecken von Gemeinsamkeiten wie auch
um das Raumlassen für Brüche und Unterschiede. Ganz im
Sinne der aktiven Partizipation orientiert sich das Projekt an
der Kompetenz der Teilnehmer und verzichtet darauf, Defizite
zu thematisieren. Die Expertise der Religionsvertreter, die aus
verschiedenen Blickwinkeln die Kunstwerke betrachten, wird
geschätzt und die sich daraus er-gebende Multiperspektivität
als Bereicherung erkannt. Für die Teilnehmer, aber nicht zuletzt
auch für das Museum, das sich neue Zugänge zur Sammlung
erschließt. Man darf im besten Sinne von einer Win-WinSituation für alle Teilnehmer sprechen.
Ein Dialog zwischen den Religionen findet außerhalb des
Museums oft nur unzureichend und unter Bedingungen statt,
die Stereotypen nur noch mehr festigen. Mit dem Projekt ist
es gelungen, die Hamburger Kunsthalle zu einem lebendigen
Ort des Dialoges werden zu lassen. Blickt Deutschland auf eine
vorwiegend christlich geprägte Tradition zurück, so prägt unsere
heutige Gesellschaft eine Vielfalt der Religionen. Diese Vielfalt
holt sich die Hamburger Kunsthalle ins Haus. Projekte wie
der Interreligiöse Dialog weisen den Museen und Kunstinstitutionen eine neue, in der Vergangenheit unbekannte Funktion
zu. Als weitgehend neutrale Räume werden sie zu wichtigen
Orten des Dialoges zwischen den Kulturen und Religionen.
Das Projekt erhielt 2014 den BKM-Preis Kulturelle Bildung der
Staatsministerin. Vom Preisgeld wird an der Hamburger Kunsthalle derzeit unter Federführung von Marion Koch das Projekt
„Kunst im interreligiösen Dialog für Schulen“ entwickelt.
86
Die Zivilgesellschaft kann Verantwortung
für die Museen übernehmen und die Kommunikation
der Institutionen verstärken
Damit Kunst immer wieder zu erlebter Kultur wird, dazu
benötigen die Kunstmuseen und Ausstellungshäuser aber mehr
denn je die nachhaltige Unterstützung der Zivilgesellschaft. Die
Ausgangslage ist gut. Hamburgs Museen und Ausstellungshäuser
verfügen über eine deutschlandweit einzigartige Unterstützung
durch die Zivilgesellschaft. Schon seit vielen Jahren ist Hamburg
Deutschlands Hauptstadt der Freundeskreise. Nirgendwo sonst
gelingt es, so viele Kunstinteressierte als Freunde oder Fans an
ihre Museumsinstitutionen zu binden wie in Hamburg. Mehr als
18.000 Freunde hat die Kunsthalle. Sie hat damit den größten
Freundeskreis eines Museums der bildenden Kunst aufzubieten. 43
Mit mehr als 4.000 Mitgliedern der Justus Brinckmann
Gesellschaft am Museum für Kunst und Gewerbe hat Hamburg
überdies den größten Freundeskreis eines Museums für angewandte Kunst 44. Mit dem Bucerius Kunst Club mit seinen
2.600 Mitgliedern stellt die Freie und Hansestadt überdies den
größten Freundeskreis eines Ausstellungshauses in Deutschland 45
und mit dem Freundeskreis Photographie wissen auch die
Deichtorhallen Hamburg einen starken Partner als Förderer an
ihrer Seite. 45
43
Hamburger Kunsthalle:
www.hamburger-kunsthalle.
de/index.php/fördervereine.
html (Stand: 09.01.2016).
44
Justus Brinckmann Gesellschaft: http://www.justusbrinckmann.org/leitbild (Stand
09.01.2016).
45
Bucerius Kunst Forum: http://
www.buceriuskunstforum.
de/bucerius-kunst-club/derbucerius-kunst-club/ (Stand
09.01.2016).
46
Deichtorhallen Hamburg:
http://www.deichtorhallen.
de/index.php?id=203 (Stand
09.01.2016).
87
Keine andere Stadt in Deutschland hat so große Fanclubs für ihre
Kunstinstitutionen. Hamburgs deutschlandweit einzigartig breite
Freundeskreislandschaft zeigt, wie die Zivilgesellschaft in dieser
Stadt, die in den Museen und Ausstellungshäusern Volontariate
und Ausstellungen finanziert und durch die Unterstützung von
Neuerwerbungen in einzigartiger Weise Verantwortung übernimmt für die Zukunft der Sammlungen. Zugleich sind diese
Freundeskreise mit ihren vielfältigen Aktivitäten ein wichtiger
sozialer Klebstoff und wichtige Multiplikatoren für das Programm ihrer Museen 47. Hamburgs Museumsfreundeskreise
sind aber auch wichtige Motoren für Innovation. Kein anderer
Freundeskreis verfügt seit vielen Jahren über so viele Junge
Mitglieder wie die Freude der Kunsthalle, kein anderer versucht
so sehr junge Sammler in eigenen Veranstaltungsformaten an
das Sammeln heranzuführen wie dieser.
Ein Beispiel für die enge Bindung der Hamburger an ihre Museen ist auch die Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen,
die seit 1956 als gemeinnützige Institution kunstinteressierter
Bürger, der Hamburger Wirtschaft sowie der Freien und Hansestadt Hamburg besteht. Die jährlich von den Förderern eingeworbenen Spenden sollen durch Zuschüsse des Senats jeweils
verdoppelt werden. Die Mittel dienen dem Ankauf von Kunstwerken für die beiden großen Museen der Stadt –die Hamburger
Kunsthalle und das Museum für Kunst und Gewerbe. Die Stiftung hat seit ihrem Bestehen über 600 Kunstwerke erworben, die
den Museen als Dauerleihgaben zur Verfügung gestellt wurden.
Die Stiftung damit eine der ältesten – seit 60 Jahren kontinuier-
88
47
Zahlreiche Untersuchungen
im Bereich des Kultur- und
Medienmanagements
widmen sich augenblicklich
dem Thema Freundeskreise:
Grundlegend zum Thema:
A. Welling/St. Roll/F. von
Reden/M. Otten/M. Christ/
St. Frucht (Hg.), Förder- und
Freundeskreise in der Kultur.
Er-gebnsse einer umfassenden
Untersuchung des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft, Berlin 2007, Carsten
Baumgarth/Marina Kaluza,
„Erfolgsfaktoren von Brand
Communities im Kul-tursektor. Wie lassen sich aus Freundeskreisen Gemeinschaften
von Freunden bilden?“ in: S.
Bekmeier-Feuerhahn/K. van
den Berg/St. Höhne/R. Keller/B. Mandel/M. Tröndle/T.
Zembylas (Hg. im Auftrag des
Fachverbandes für Kulturmanagement),Zukunft Publikum,
Jahrbuch für Kulturmanagement 2012, S. 309-340, Birgit
Mandel, PR für Kunst und
Kultur. Handbuch für Theorie
und Praxis, Bielefeld, 2. Auflage 2009, S. 54, Sarah Meffert,
„Dependenz oder Inter-dependenz? Markenverhältnisse
von Kultureinrichtungen
und ihren Freundeskreisen
am Bei-spiel der bildenden
Kunst“, Fr. Loock/O. Scheydtt
(Hg.), Handbuch Kulturmanagement, Signa-tur: F 3.22
Hauptkapitel F: Finanzierung
und Förderung / Unterkapitel
F 3: Private Kulturför-derung
(2015), Annette Welling,
Förder- und Freundeskreise
für die Kultur in Deutschland,
unpublizierte Dissertation,
Institut KMM 2015.
lich praktizierten – „Public Private Partnerships“ in Deutschland. 48
Die Stiftung engagiert sich nicht nur mit Neuerwerbungen für
die Hamburger Kunsthalle und das Museum für Kunst und
Gewerbe, sondern finanziert darüber hinaus auch die neue
Ausstellungsreihe in der Galerie der Gegenwart der Hamburger
Kunsthalle unter dem Reihentitel „Neuland“, in der sich jeweils
ein internationaler Künstler im jährlichen Wechsel mit einer
Werkgruppe präsentierten kann. Den Auftakt dieser Reihe macht
die seit einigen Jahren in Berlin lebende Koreanerin Haegue
Yang (ab 30. April 2016) 49.
Alle genannten Freundeskreise und die Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen leisten aber nicht nur einen wichtigen
finanziellen Beitrag zur Sicherung des Kunststandortes Hamburg.
In der Kommunikation ihrer Mitglieder verbreiten die Freundeskreise die Programme der Museen und Ausstellungshäuser, die
sie unterstützen. Ihre Veranstaltungen regen zu einer intensiven
Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Ausstellungen an und
machen sie zu einer der wichtigsten langfristigen Bezugsgruppen
der Institutionen.
48
Stiftung für die
Hamburger Kunstsammlungen, http://
www.shk-museum.de/
SHK/content/
49
Matthias Gretzschel,
„Manet zum Abschied.
Hochkarätige Ausstellungen
in Hamburger Kunsthalle“
in Hamburger Abendblatt
20.11.2015. Siehe http://
www.abendblatt.de/
kultur-live/article206696821/
Hochkaraetige-Ausstellungenin-Hamburger-Kunsthalle.
html (Stand 09.01.2016).
Blickt man auf die Mitgliederzahlen der Freundeskreise in
angelsächsischen Museen, gewinnt man den Eindruck, dass
die Grenze des Wachstums noch klängst nicht erreicht ist.
Die Hamburger Kunstmuseen und Ausstellungshäuser haben
noch sehr viel mehr Multiplikatoren verdient und die Rolle
Hamburgs als Hauptstadt der Freundeskreise lässt sich auch
für die Zukunft noch weiter ausbauen.
89
Fazit: Hamburg Kunstmuseen und Ausstellungshäuser
sind gut aufgestellt für die Zukunft
Alle zuvor beschriebenen Beispiele zeigen, wie viele Aktivitäten
Hamburgs Kunstmuseen und Ausstellungshäuser unternehmen,
damit Kunst erlebte Kultur wird. Hamburgs Kunstmuseen und
Ausstellungshäuser stellen sich räumlich für die Zukunft neu
auf und nutzen die Chancen der räumlichen Veränderungen
für die Kulturkommunikation. Sie sind in vielversprechender
Weise Teil einer Kulturkampagne der Hamburg Marketing
GmbH, die hoffen lässt, dass Hamburg auch sein Profil als
Kunststandort künftig viel offensiver kommuniziert. Sie setzen
sich darüber hinaus in innovativen Projekten mit den Themen
der Digitalisierung, der kulturellen Bildung und dem Dialog
der Kulturen und Weltreligionen auseinander und verstehen
sie für die Kulturkommunikation nutzbar zu machen. Die
Unterstützung der Kunstinstitutionen in Hamburg durch ihre
Freundeskreise ist einzigartig, in keiner anderen Stadt Deutschlands verfügen die Kunstmuseen und Ausstellungshäuser über
so viele Multiplikatoren wie hier.
PROF. DR. ANDREAS HOFFMANN
ist Geschäftsführer des Bucerius Kunst Forum
und Programmleiter Kunst und Kultur der
ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.
90
91
ELISA ERKELENZ, MASTER OF ARTS
KULTURKOMMUNIKATION ALS KUNST
DER RESONANZ. EINE ANNÄHERUNG.
Prozess verwoben: Umberto Eco formulierte schon in den
70er Jahren: „Jede Rezeption ist eine Interpretation und eine
Realisation, da bei jeder Rezeption das Werk in einer neuen
Perspektive neu auflebt.“ 3 Kurz: Erst durch die Resonanz des
»GUTE KOMMUNIKATION ERZEUGT RESONANZ«.
Diese jahrtausendealte Erkenntnis könnte aktueller nicht sein
und betrifft unseren persönlichen Alltag ebenso wie die Kunst
und ihre Rezeption. Doch wie sollte sie gestaltet sein, eine Resonanz bringende Kommunikation im Dienste der Kultur? Eine
normative Antwort auf diese Frage kann es – zum Glück – nicht
geben. Eine Annäherung soll im Folgenden erfolgen.
Publikums vollendet sich das Kunstwerk in seiner „fundamentalen
Ambiguität“ 4.
Eine ganzheitliche Kulturkommunikation, die Raum für dieses
Erleben von Kunst schafft, ist eng mit dem künstlerischen
92
Umberto Eco, Das offene
Kunstwerk, Suhrkamp
Verlag, 1977, S. 30.
4
Ebd., S. 11.
So lohnt sich der Blick auf die Kanäle und Wege der Resonanz
zwischen Werk und Publikum aus künstlerischer Perspektive:
Eine glückliche Kulturkommunikation ermöglicht Freiräume des
Erlebens von Kunst. Das Kunstwerk entsteht in seiner Resonanz.
1. Resonanz
Physikalisch betrachtet bezeichnet Resonanz das „Mitschwingen
eines Körpers mit einem anderen Körper“. Laut dem Soziologen Hartmut Rosa lässt sich das Phänomen übertragen auf das
Erleben von Sinn, es geht um Erfahrungen, die uns als lebendig
erscheinen, ob traurig oder froh, die uns berühren, die Reibung
erzeugen und uns „in Beziehung zur Welt setzen“. 1 Er prägt das
Bild von einer antwortenden Welt: „Resonanz stellt sich nicht
durch das Machen, das Beherrschen ein, sondern durch das
Öffnen, durch das Offenwerden für etwas.“ Die Parallelen zur
Wirkungsweise von Kunst und einer Kulturkommunikation, die
die Rezeption im Sinne der Musik öffnet, liegen auf der Hand:
ihr Ziel ist ein Publikum, das im Konzert oder beim Hören einer
Aufnahme „mitschwingt“, also Resonanzerfahrungen macht.
3
1
Dem entgegengesetzt
ist die Entfremdung des
spätmodernen Subjekts
von der Welt in Folge
mangelnder ResonanzErfahrungen.
2
Hartmut Rosa,
Leben wir zu schnell?,
Philosophie Magazin
02/2013, S.58.
Doch wie kann dies gelingen? Sind Resonanz-Erfahrungen nicht
etwas sehr Subjektives und so frei wie die Kunst selbst? In dem
wir die Resonanz und Rezeption stärker ins Blickfeld künstlerischer Ideen nehmen, können wir Räume für Resonanz schaffen, die aus der Musik heraus gedacht sind. Wie können diese
aussehen? Welche Faktoren im Feld der Kulturkommunikation
begünstigen Resonanzräume, welche verhindern sie?
Das Ensemble Resonanz – die Namensgebung fand wohl 1994
nicht ganz zufällig statt – stellt sich diesen Fragen als demokratisches Orchester, das seine Heimat in St. Pauli hat, die Elbphilharmonie als Ensemble in Residence bespielen wird und auf
internationalen Gastspielen „Hamburgs Ruf zur Welt hinaus“
(Hamburger Abendblatt) trägt. Und immer wieder an den Punkt
kommt: Kunst ist Kommunikation. Und anders herum.
93
diversen Ebenen. Der Kampf um Aufmerksamkeit und Rechtfertigung ist überall präsent, der Hunger nach Innovation groß.
Von Jeans- zu Late Night-Konzerten über Klassik Raves, Anne
Sophie Mutter vor Graffiti-Wänden und immer wieder den
„Vier Jahreszeiten“ im Club wächst die Liste der „Innovationen“,
die die Anschlussfähigkeit der Klassik im Hier und Jetzt unter
Beweis stellen sollen. Und die nicht selten von den avisierten
jungen und jung gebliebenen Zielgruppen selbst als hübsche
Verpackung entlarvt werden, wenn sich der Inhalt nicht mit dem
deckt, was draufsteht. Trauen wir der Musik wirklich so wenig zu?
2. Ausgangspunkte
Bei der Annäherung an kulturelle Kommunikation im Bereich
der klassischen Musik lohnt ein beobachtender Blick auf die Ausgangspunkte der Diskussion. In welcher Situation befindet sich
die klassische Musikkultur heute? Welche Auswirkungen auf ihre
Kommunikation bringt die Digitalisierung mit sich und welche
Bedürfnisse prägen unsere Gesellschaft?
2.1. Klassik im Wandel
Betrachtet man die klassische Musikwelt in Deutschland von
außen, zeigt sich ein Kosmos im Wandel: Die viel beschworene
Krise der Klassik hat ihre Spuren hinterlassen. Zwar halten laut
einer Forsa-Studie 88% der Befragten klassische Musik für ein
wichtiges kulturelles Erb 5, die Diskussionen um schwindende
Publikumszahlen, Fusionen und Schließungen aber sprechen
eine andere Sprache. Gerald Mertens, Geschäftsführer der
Deutschen Orchestervereinigung, wird nicht müde, Alarm zu
schlagen: „Wir müssen aufpassen, dass der jetzige Bestand
erhalten bleibt und gesichert wird. Ein weiterer Abbau würde die
kulturelle Substanz Deutschlands unwiederbringlich und dauerhaft beschädigen.“ Der Legitimationsdruck wächst in gleichem
Maße wie die Suche nach dem „Publikum von morgen“.
Wie viel Nervosität und Existenzangst sich in die Diskussion der
nun über Jahre notorisch beschworenen Krise geschlichen hat,
zeigt sich im Kosmos Klassik heute an vielen Orten und auf
94
Nach der „Auftauphase“ befindet sich der Veränderungsprozess
Klassik heute nach dem Lewinschen Modell 6 in der „Bewegungs-
5
Forsa-Studie der Körber
Stiftung, http://www.
koerber-stiftung.de/presse/
pressemeldungen/pressedetails-stiftung/artikel/
kaum-interesse-anklassischer-musik.html,
Stand: 10.08.2015
phase“: Ideen und Lösungen für eine neue Musikkultur sprießen
aus dem Boden und werden ausprobiert. Der lange von gesellschaftlichen Interessen und zum Teil tradierten Formen dominierte Klassik-Kosmos wurde aufgerüttelt. Nicht immer werden
die neuen Ideen aus der Musik heraus gedacht. Und nicht immer
zeigen sie einen nachhaltigen Weg auf, Hemmschwellen abzulegen und Nähe zu schaffen, ohne sich aus Existenzängsten auf
dem dünnen Eis kurzlebiger Trends zu bewegen. Aber: Für aus
den Inhalten und der Kunst gedachte neue Formen gibt es
genügend Nährboden. Eine Kulturkommunikation, die in dieser
Zeit der Suche Publikum und Kunst in einen reibungsvollen
Dialog zu bringen vermag, sollte heute mehr denn je mit einem
beginnen: Mit dem Inhalt, der Suche nach der eigenen Identität,
dem radikalen Kunstverständnis, dem „Warum“, das uns im
Kern antreibt.
6
Der Soziologe
Kurt Lewin beschreibt
in seiner Theorie des
Change Managements
drei Phasen: Auftauen Verändern - Stabilisieren.
Online-Lehrbuch
„Change Management“
der Uni Erlangen: http://
www.economics.phil.
uni-erlangen.de/lehre/
bwl-archiv/lehrbuch/kap3/
change/change.pdf,
Stand: 10.08.2015.
95
2.2. Digitale Resonanz
In diesem Kontext spielt ein Faktor eine entscheidende Rolle,
der unsere Kommunikation und Rezeption stark beeinflusst:
die digitale Welt. Unsere Beziehungen haben sich durch die
Digitalisierung rasant verändert und tun dies noch, die Märkte
sind globaler und partizipativer zugleich. Die Kommunikation
ist im Zuge dieser Entwicklungen zum aktuellen Zeitpunkt
eine Suchende, sowohl im Privaten, als auch in der Kunst.
Neue Klassik-Stars sprießen über soziale Medien in wenigen
Minuten aus dem Boden, der CD-Markt stagniert 7, Konzertmitschnitte und Clips verbreiten sich nach den Gesetzmäßigkeiten von zum Teil unvorhersehbaren Algorithmen. Sie werden diskutiert, kommentiert, geteilt. Nach ersten unbeholfenen
Versuchen wie Twitter-Bänken im Konzertsaal und vielfältigen
missglückten Orchester-Flashmobs, erwachsen auch im stets
etwas hinterherhinkenden Klassik-Markt interessante digitale
Wege: Das VAN Magazin zum Beispiel, ein digitales Magazin
für klassische Musikkultur, bereichert das Feuilleton mit guten
Texten, Videos und Design. Eine eigensinnige Musikredaktion
befördert eine wachsende Nische. Gute Konzertvideos machen
intime Konzerte für ein großes Publikum erlebbar. Neue
Streaming-Angebote wie iDagio fokussieren die Klassik.
Vereinzelte gute Blogs wie der Bad Blog of Musick sorgen für
einen Diskurs im Feld der klassischen Musik, wie es ihn länger
nicht gab.
96
So bewirkt das Internet mit all seinen partizipativen Möglichkeiten auch eine Chance der Demokratisierung von Kultur:
Als Vermittlerin erreicht sie völlig neue Zielgruppen. Nicht
mehr große Marketing-Budgets, sondern das Publikum selbst
lenkt mit, wie und in welchen Kanälen kommuniziert wird;
die digitale Mund-zu-Mund-Propaganda hat eine bedeutende
Reichweite erreicht, und gibt offenes und ehrliches Feedback, das
das Spektrum von Buh und Bravissimo facettenreich erweitert.
7
Vgl. hierzu Musikwirtschaftsforschung,
https://musikwirtschaftsforschung.wordpress.com/
2014/04/07der- phonografische-markt- indeutschland-2003-2013/,
Stand: 30.09.15
Zu einer flächendeckenden Verflachung der Inhalte muss diese
Öffnung keineswegs führen. So heißt Partizipation nicht, den
kleinsten gemeinsamen Nenner in der Programmatik finden zu
müssen oder Twitter im Konzert einzuführen. Im Gegenteil:
Eine resonanzreiche, digitale Kommunikation kann das Publikum noch gezielter erreichen, kann im Brechtschen DemokratieVerständnis „aus dem kleinen Kreis der Kenner einen großen
Kreis der Kenner“ machen. Hier kann für experimentelle Formate
und Ideen langfristig eine große Chance liegen. Es geht darum
zunächst lokale Nischen zu besetzen und über digitale Kanäle die
entsprechenden Zielgruppen auch international zu erreichen.
Langfristig kann diese Öffnung auch zu einer Katharsis des
Authentischen führen, als „Gegenentwurf zu einer medial
vermittelten Wirklichkeit“ 8: Falsche Versprechen werden noch
schneller entlarvt. Hypes, die auf Marketing-Blasen beruhen,
zerplatzen. Die nachhaltigste Kommunikationsstrategie beruht
gerade jetzt darauf, sich mit Liebe, Mut und Lust der „wahren
Gestalt der Dinge“ 9 zu widmen.
8
Christoph Zeller,
Ästhetik des
Authentischen,
De Gruyter,
2010, S. 1.
9
Ebd, S. 1.
97
2.3. Aura und Nähe
Während laut Rosa im Zuge der digitalen Globalisierung soziale
und physische Räumlichkeit zunehmend auseinander driften und
eine wachsende Entfremdung zu einem „Verstummen unserer
Resonanz-Achsen zwischen Selbst und Welt“ führen kann 10 ,
gewinnt auf der anderen Seite die Aura der Nähe zunehmend an
Bedeutung: lokale Szenen werden wieder wichtiger und unser
Bedürfnis nach unmittelbaren Konzerterfahrungen, Sinnen und
Werten wächst. 11 Die Einmaligkeit des Kunstwerks rückt im
„Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ in den Vordergrund; die Sehnsucht nach unwiederbringlichen Augenblicken,
wie sie Walter Benjamin mit dem Begriff der „Aura“ beschreibt,
nimmt zu. 12
Im Bereich der Popularmusik ist die Rückkehr zum Lokalen mit
intimer werdenden Clubkonzerten und kleinen Festivals längst
angekommen, doch auch im Bereich der klassischen Musik lässt
sich diese Tendenz beobachten: Während Tonträger-Aufnahmen
durch die digitale Technik so perfekt geworden sind, dass die reine
musikalische Perfektion kein schlagkräftiges Unterscheidungsmerkmal mehr ist, rückt die individuelle Interpretation und
Spezialisierung in den Fokus. Im gleichen Zuge wächst im Zeitalter der digitalen Entfremdung auf Seiten des Publikums (und
vielleicht auch der Musik) das Bedürfnis nach direkter Resonanz
und einmaligen Live-Erlebnissen. 13
98
10
Hartmut Rosa, Beschleunigung und Entfremdung,
Suhrkamp, 2013, S. 123.
11
Vgl. Opaschowski, Horst,
Wachstumsgrenzen des
Erlebnismarktes - Folgen
für die Kulturpolitik,
Vortrag im Rahmen des
3. Kulturpolitischen
Bundeskongresses „publikum.macht.kultur“ am
24. Juni 2005 in Berlin.
12
Vgl. hierzu
Walter Benjamin, Das
Kunstwerk im Zeitalter
seiner technischen
Reproduzierbarkeit,
Suhrkamp, 1980.
13
Vgl. hierzu zum Beispiel
die GfK-Konsumstudien
des Veranstaltermarktes:
2011 wurden 34% des
Umsatzes im Musikmarkt
aus Tonträgern, 66% aus
Live-Veranstaltungen
generiert.
Diese Entwicklung ist noch in einem anderen Kontext zu sehen:
Klassische Musik ist als gesellschaftliches Distinktionsmerkmal
weitgehend unbrauchbar geworden. Ralph Philipp Ziegler formuliert es wie folgt: „Die Teilnahme an Angeboten der Hochkultur, die noch in den 80er Jahren für sich als gesellschaftliches
Ereignis gelten konnte, hat diese per-se-Wirksamkeit als sozialer
Indikator im Bevölkerungsdurchschnitt mittlerweile nahezu
vollkommen eingebüßt.“ 14 Paradoxerweise hat diese zunächst
positiv zu bewertende Veränderung der Bedürfnisstruktur
zugleich neue Zwänge erbracht: „Je leichter der Zugang zur
Musik ist, je weniger sie als soziales Statussymbol wahrgenommen wird, desto schneller verliert sie an Glanz, der Anreiz zu
sozialem Aufstieg sein könnte. Dieser Glanz muss nun durch
Nützlichkeit ersetzt werden“ 15, formuliert es Jan Brachmann.
Musik macht schlau, friedlich und sozial, lautet seither eine
beliebte Legitimationslinie auf dem Feld der Sinnproduktion.
Spürbar lichter wird es hingegen im Bereich der Argumente,
die die klassische Musik in ihrer künstlerischen Autonomie
und Selbstbestimmtheit verstehen; sie abseits überholter
Kategorien von E und Uin ihrer Vielfalt als Kunst ernst nehmen.
Hier scheint die Musikwelt teilweise polar zwischen Anbiederung und elitärer Abkehr vom Publikum zu stehen. Es scheint,
als sei ihr die Welt abhanden gekommen. Warum ist das so?
14
Ralph Philipp Ziegler,
Entwurf eines Modells
zu Grundlagen der
Markenführung in
Kulturinstitutionen am
Beispiel der Präsentation
klassischer Musik, in:
Höhne, Steffen/Ziegler,
Ralph Philipp, Kulturbranding II, Weimarer
Studien zu Kulturpolitik
und Kulturökonomie,
2009, S. 61.
15
Jan Brachmann,
Keynote zur dritten
Heidelberger Music
Conference, http://
www.heidelbergerfruehling.de/wpcontent/uploads/2015/04/
Keynote- Brachmann_
hdmc-2015.pdf, Stand:
15.08.2015.
99
Hierzu ein kleiner Exkurs. Das Ensemble Resonanz machte 2011
eine Erfahrung, die für die Musiker zum Ausgangspunkt für
Ideen wie die Konzertreihe urban string oder den resonanzraum
werden sollte: Im ersten Stock des Kulturhaus 73, mitten auf dem
Schulterblatt im Hamburger Schanzenviertel zwischen Roter
Flora und Partyrauschen, veranstalteten die Musiker ein Konzert.
Es wurde nur mit wenigen Flyern im Viertel selbst beworben.
Es sollte ein Konzert für Freunde und Nachbarn werden. Die
Nachfrage war da – viele junge Leute, für die klassische Musik
inzwischen schon wieder Underground ist, kamen und brachten
Freunde mit. Es wurde Bier getrunken. Als die ersten Töne von
Bachs Chaconne erklangen, entstand plötzlich etwas Sonderbares
im Raum: eine konzentrierte Aufmerksamkeit und Energie,
die den von außen hörbaren Partylärm ausblenden ließ: »Man
kann sich gar nicht vorstellen, wie glücklich es uns gemacht hat,
zu begreifen, dass wir unsere Musik und uns selbst gerade völlig
ungeschützt exponieren, um dann zu erfahren, dass wir mit den
anderen 100 anwesenden Menschen – für die das zum großen
Teil ganz unvertraute Musik war – in einer Blase von Konzentration und Aufmerksamkeit sitzen, niemand mehr den Lärm hört,
die Musik also in dieser ungeschützten Situation ihre Größe und
Kraft auf eine einzigartige Weise beweisen konnte... und damit
schließlich festzustellen, dass es nicht an unserer Musik lag, dass
wir so selten für Gleichaltrige spielten.« 16 Für viele scheint das
passiert zu sein, was Hartmut Rosa eine Resonanz-Erfahrung
nennt. In Gesprächen berichteten die Gäste von dem Gefühl
100
„in direktem Kontakt mit den Musikern“ zu stehen, eine seltene
Form von „Präsenz“ zu spüren. In einem späteren Konzert in dem
Raum erzählte eine Besucherin, den Eindruck gehabt zu haben,
„mit den Fußsohlen zu hören“ und „über die Musik die Welt zu
verstehen“, ohne vorher mit Klassik im Kontakt gewesen zu sein.
Die gemachten Erfahrungen haben die Musiker in einem tiefen
Glauben radikal bestärkt: Nicht die klassische Musik hat ein
Problem. Die Krise liegt in einer defizitären Rezeption, die durch
zum Teil musealisierte Präsentationsformen oder unglaubwürdige
Innovationen behindert wird.
Resonanz-Erfahrungen, wie sie in Konzerten klassischer und
neuer Musik gemacht werden können, stillen eine Vielzahl an
Bedürfnissen sinnlicher, eskapistischer, intellektueller und emotionaler Natur 17. Sie können uns „in Kontakt zur Welt bringen“:
„Wir werden durch etwas Äußeres in unserem Innersten berührt
und ergriffen, und zwar so, dass Innen und Außen eine räsonierende, konstitutive Verbindung eingehen“ 18, beschreibt es Rosa.
16
Tobias Rempe,
Rede zur Eröffnung
des resonanzraums,
31.10.2014.
Doch wie können wir als Kulturschaffende dazu beitragen?
Wie entstehen Resonanzräume? Das Ensemble Resonanz hat
sich auf die Suche begeben: Neue Resonanzräume entstehen
durch innovative Konzerte und Programme, neue Räume und
durch Kommunikation! Einige Gedanken hierzu sollen im
Folgenden vorgestellt werden.
17
Vgl, hierzu Ziegler,
Gaedeke, Schreiber und
Klein in Elisa Erkelenz,
Markenbildung für
Kulturorchester,
Peter Lang, 2012.
18
Hartmut Rosa,
Rasender Stillstand.
Die Beschleunigung
der Gesellschaft,
http://www.swr.de/
-/id=10177642/
property=download/
nid=660374/1ijym09/
swr2-wissen-20120923.
pdf, Stand: 20.09.2015.
101
3. Räume für Resonanz
Resonanzerfahrungen im Konzert-Kontext sind subjektiv, fluide
und hängen von verschiedenen persönlichen Faktoren ab. Dennoch stößt man bei der Suche nach Elementen, die Resonanzräume vergrößern und solchen, die Entfremdungs-Erfahrungen
vermehren, auf verschiedene Punkte des künstlerischen Prozesses,
die aus kulturmanagerialer Perspektive für eine resonanzreiche
Kommunikation interessant sind: von der Glaubwürdigkeit der
künstlerischen Identität über den Faktor „Zeit“, das Prinzip der
Neugier und Fragen der Körperlichkeit, Räumlichkeit und des
Designs.
3.1. Die künstlerische Identität
Ein wichtiger Punkt auf dieser Reise ist die längst zum Unwort
erklärte „Authentizität“. Diese wiederum fußt im Bereich Musik
auf einer klaren und ehrlichen künstlerischen Identität, die sich
selbst treu bleibt und im festen Glauben an das eigene „Kernprodukt“ steht. Jede künstlerische Entscheidung, jede Suche nach
der passenden Präsentationsform der Musik, jede kommunikative
Strategie ist abhängig von dieser Essenz. Je klarer diese gefasst
ist, desto stärker die Glaubwürdigkeit, Stringenz – und Resonanz
der Kommunikation.
»Je mehr wir darüber nachdenken, wer wir sind und was wir
wollen, desto weniger müssen wir uns verbiegen«, fasste es ein
102
Musiker des Ensemble Resonanz zusammen. Und trifft einen
wichtigen Punkt: Das Wissen um die eigene Identität und
Wirksamkeit kann nicht nur wertvolle Rückschlüsse für die
Kommunikation bieten, sondern auch das eigene Selbstverständnis stärken und im zweiten Schritt zu einer neuen künstlerischen
Freiheit führen. Denn statt auf anbiedernde Formate, Oberflächlichkeiten und grelle Plakate zu setzen, aus Angst, nicht gut
anzukommen, wird die Resonanz dort entstehen, wo eine starke
und autonome Kunst hinter allen Entscheidungen steckt.
3.2. Die Zeit
Ein ernst zu nehmender Faktor für diese Entwicklung ist die
Zeit. „Wenn wir die Struktur und Qualität unseres Lebens untersuchen wollen, sollten wir uns seinen Zeitstrukturen zuwenden“ 19,
lautet eine Haupt-These Hartmut Rosas. Der von ihm formulierte
Beschleunigungsprozess modernen Lebens mit seinen systematischen Imperativen und Entfremdungs-Folgen ist durchaus
auch im Bereich der Musikkultur wiederzufinden; ob in der professionellen musikalischen Ausbildung, die oft keinen Blick nach
rechts und links erlaubt, oder im Vermarktungseifer mancher
Veranstalter, die Musiker nach dem Prinzip des Starmarktes über
musikferne Markenzeichen profitorientiert aufbauen.
Langfristig schneidet diese Strategie der Klassik-Branche ins
eigene Fleisch. „Wettbewerb ist zu einem Grundprinzip des
Klassikbetriebes geworden. Das ist doch seltsam, denn eigentlich
hat Musik mit Wettbewerb rein gar nichts zu tun“ 20, wundert
19
Hartmut Rosa, Beschleunigung und Entfremdung,
Suhrkamp, 2013, S. 8.
20
Ulrich Haider,
Probespiele II,
https://van.creatavist.
com/probespiele-haider,
Stand: 25.09.2015.
103
sich Ulrich Haider, stellvertretender Solo-Hornist bei den
Münchner Philharmonikern. „Da wir Musiker uns aber mitten
im Räderwerk des Klassikbetriebes befinden, können wir seinen
Mechanismus nicht umbauen.“
Kunst selbst“. Für die Musiker des Ensembles wirkt das Prinzip
Demokratie in viele Richtungen, die untrennbar mit dem Prinzip
der Resonanz zusammenhängen. Die dynamische und manchmal
auch entschleunigte Zeitlichkeit der Entwicklung ist eine weniger beachtete und doch elementare Facette.
Fest steht: Die die Klassik-Branche bestimmenden, auch zeitbezogenen und zum Teil erstarrten Normen zu durchbrechen,
erfordert Mut. Wer sich von Hypes und Trends weitgehend
unabhängig macht, verpasst möglicherweise die eine oder andere
schnelle Aufschwungskurve. Das Ergebnis einer in gewisser
Weise beharrlich an der eigenen Vision festhaltenden, gereiften
Positionierung ist jedoch eine starke künstlerische Persönlichkeit,
die von Publikum wie Entscheidern als „nicht austauschbar“
wahrgenommen wird. „Identität durch Alterität“ ist ein Topos,
der in der Lust zur Unterscheidung und dem Mut zur eigenen
Position auch für die Resonanz seine Wirkung entfaltet.
Als freies und demokratisches Orchester ist es das Ensemble
Resonanz gewohnt, Entscheidungsprozesse intensiv zu diskutieren. Über die Jahre hat sich unter den Musikern eine Prozessund Diskussionskultur entwickelt, die von Arbeitsgruppen über
Versammlungen manchmal nicht sehr schnell erscheinen mag –
und sich doch im direkten künstlerischen Sinne erfüllt. „Die
unternehmerische Struktur des Ensembles ermöglicht so nicht
nur die Kunst, sie wirkt in sie hinein“ 21, formuliert es Christian
Holst und fordert: „Die Kultur braucht mehr davon. Nicht nur im
Sinne wirtschaftlicher Stabilität, sondern vor allem im Sinne der
104
3.3. Das Prinzip Neugier
Ein weiteres Prinzip der Resonanz widerspricht den gängigen
Verkaufsstrategien: Dem Verkauf klassischer Konzerte durch
das als sicher geltende Rezept der Bekanntheit von Werken
wie Künstlern steht die Resonanz als das Moment des Überraschenden in der Musik gegenüber: Ihre Stimme ist die der
Kunst-Rezeption immanente Neugier.
21
Christian Holst,
Im Sinne der Kunst:
Mehr Unternehmertum!,
https://van.creatavist.
com/unternehmertum,
Stand: 26.09.2015.
In der ZEIT forderte Volker Hagedorn kürzlich unter dem Titel
„Immer nur Mahler, Mozart, Brahms“ eine Debatte über neue
Impulse in der Werkauswahl. „Orchester spielen immer dasselbe,
lähmende Spielpläne enthalten uns viele Genies“, lautet eine
These, die sich mit den Zahlen einer aktuellen Studie zum Thema
Konzertprogramme von bachtrack 22 deckt. Doch wie sicher
und zukunftsorientiert ist diese Programmatik der Affirmation?
Bergen unerhörte Werke wirklich ein Marketing-Risiko – oder
sind sie nicht vielmehr Futter für die Neugier des Publikums und
die Lebendigkeit unseres Konzertwesens? Natürlich wünscht sich
das Publikum im ersten Moment das Bekannte. Das klassische
Verhältnis von Angebot und Nachfrage existiert im Bereich
22
http://bachtrack.com/
de_DE/classical-musicstatistics-2014,
Stand: 02.09.2015.
105
der Kunst nicht im direkten Sinne: Die Nachfrage muss erst
geschaffen werden. Schlimmer noch: Im ersten Moment existiert
eine natürliche Angst vor dem Unbekannten. Und doch gehört
das Überraschende, das „Unerhörte“ zu den schönsten Beutestücken, die uns die Musik zu bringen vermag. Hans Zender
beschreibt es wie folgt: „Nietzsche hat etwa gesagt: Das Verhältnis von Altem zu Neuem ist immer so, dass das Neue das Alte
destruiert. Es gibt nur eine Möglichkeit, dies zu vermeiden und
das ist ein „furchtloses Schweben“ über dem Abgrund der
Geschichte. Dieses Schweben zwischen den uns vertrauten Stilen
ist ein eigener Reiz, der nicht nur beim Komponisten, sondern
auch beim Hörer neue Erfahrungen auslösen kann.“ 23
Das Ensemble Resonanz bedient sich diesen Prinzips seit seiner
Gründung und stellt in seiner Reihe „Resonanzen“ alte und
neue Werke in unerhörten Kombinationen gegenüber:
Carl Philipp Emanuel Bach trifft auf finnischen Blues von Eero
Hämeenniemi, John Cages buddhistisch inspierierte Ryoanji auf
Bachs Magnificat oder Haydns „Sieben letzte Worte für den Erlöser
am Kreuze“ auf Wolfgang Herrndorfs „Arbeit und Struktur“.
Dabei geht es nicht darum, im Publikum nur Wissende zu erreichen, die jeden Komponisten in seiner Zeit einordnen können
oder darum, die Rezeption des Neuen durch das Bekannte zu
erleichtern. „Das Hören von vertrauten, möglicherweise sogar
superbekannten und schlimmstenfalls durch Werbung- und
Telefonklingelkarrieren eigentlich schon gar nicht mehr autonom
106
als Kunst erfahrbaren alten Kompositionen kann durch das Knüpfen von zeitgenössischen Bezügen im Programm wieder aufregend
und lebendig werden“, so Tobias Rempe, Geschäftsführer des
Ensembles. Die Resonanz entsteht in unerwarteten Wendungen,
die uns in ihrer Tiefe erfassen, in sinnlich-ästhetischen Erkenntnissen, die unser Bewusstsein erweitern – und vielleicht auch im
Dialog des Programms, der sich auf der Bühne entfaltet.
3.4. Körperlichkeit
23
Hans Zender,
33 Veränderungen über
33 Veränderungen.
Eine „komponierte
Interpretation“ von
Beethovens DiabelliVariationen,
Breitkopf, 2011.
Bei der Frage wie sich Kompositionen in Resonanzwellen
verwandeln, spielt mit Blick auf die Interpretation auch der
Faktor der Körperlichkeit eine wichtige Rolle. Die Materialität
der Musik ist transitorisch: So lohnt es sich, den Blick auf den
performativen Aspekt der Musik zu richten. Erika Fischer Lichte
formuliert es in ihrer Ästhetik des Performativen wie folgt: „Für
Aufführungen gilt, dass der ‚produzierende’ Künstler nicht von
seinem Material abgelöst werden kann. Er bringt sein‚ Werk’ (…)
in und mit einem höchst eigenartigen, ja eigenwilligen Material
hervor: mit seinem Körper oder, wie Helmuth Plessner es ausgedrückt hat, ‚im Material der eigenen Existenz.“ 24 So selbstver-
ständlich dies klingt, sind im heutigen klassischen Konzertwesen
die Folgen der Entwicklung einer „Entkörperlichung“ der abendländischen Kunstmusik deutlich spürbar. 25 Für die Resonanz ist
dies verheerend: Sie entsteht dort, wo die Musiker als Individuen
mit ihrer klanglichen und körperlichen Präsenz und Existenz mit
dem Publikum in Dialog treten.
24
Erika Fischer-Lichte,
Ästhetik des Performativen, Suhrkamp, 2004,
S. 129.
25
Vgl. hierzu
Kurt Blaukopf, Was ist
Musiksoziologie?,
Peter Lang, 2010, S. 125.
107
Hier geht es nicht um übersteigerte Darbietungen – sondern um
eine innere wie äußere körperliche Authentizität, eine angstfreie
Performance in künstlerischer Freiheit. Diese Grundsatzfrage
der Körperlichkeit ist komplex und setzt bereits bei der musikalischen Ausbildung an. Im Sinne der Resonanz jedoch sollte ihre
Behandlung im künstlerischen Alltag ihren selbstverständlichen
Platz erlangen.
Auf der anderen Seite ist auch die Rezeption auf Seiten des
Publikums ein körperlicher Prozess, dem die klassische Konzertsituation nicht immer gerecht wird. „Ob ich sitze, stehe, liege
oder mich bewegen kann, hat einen entscheidenden Einfluss
auf das Hörerlebnis“, so Steven Walter vom Podium Festival
Esslingen, bei dem seit Jahren neue Konzertformen im Sinne
der Musik ausprobiert werden. Den Weisen aus Athen folgt das
Klangforum Wien mit seinen „Symposia“, die acht Stunden
aktuelle Musik in geruhsamer Berauschung bieten: „Pölster,
Futons und bequeme Sitzgelegenheiten bilden eine Installation,
die von den Gästen während der Konzerte nach Belieben
bewohnt wird. In längeren Pausen werden Speisen und Weine
gereicht. Im Lauf einer langen Nacht treten sehr allmählich
verschiedene Stadien der Berauschung ein. Ein Wandel zwischen
apollinischer und dionysischer Welt, deren Grenzen im Lauf der
Nacht verschwimmen und verschwinden.“ 26
108
3.4. Räumlichkeit
Bei der Suche nach Resonanzmomenten zwischen Publikum
und Bühne spielt neben der Programmatik und der Spielweise
das Raumerleben eine wichtige Rolle. Ohne dem klassischen
Konzertsaal des 19. Jahrhunderts seine Bedeutung abzusprechen,
ist die dramaturgisch durchdachte Eroberung neuer Konzerträume für die Entstehung von Resonanzmomenten klassischer
Musik elementar.
26
Klangforum Wien,
http://www.klangforum.at/
projekt-detail/symposion-e
in-rausch-in-achtabteilungen.html,
Stand: 27.09.2015.
Dabei tangiert die Frage nach dem Raum verschiedene Bereiche
der Resonanz. Die auditive Wahrnehmung, also die zentrale
Frage der Akustik, steht im Sinne der Musik an erster Stelle. So
klingen manche auf elektronische Musik ausgerichtete Clubs, in
die klassische Musik nun neuerdings mit Vorliebe exportiert
wird, oft so schlecht, dass sie das Hörerlebnis einschränken und –
pathetischer gesagt – der Musik ihre Würde nehmen. Im Sinne
der Resonanz sollte eine gute Akustik den minimalen Faktor
einer neuen Aufführungskultur stellen. Auch visuelle Fragen
der Raumgestaltung wie der Einsatz von Licht, Dunkelheit und
Bühnenbild können unsere Wahrnehmung und Rezeption
dergestalt prägen, dass wir die Musik anders erleben; so sollten
sie dramaturgisch im Sinne eines Gesamtkunstwerks durchdacht werden. Folkert Uhde widmet sich diesen Themen unter
dem Stichwort „Konzertdesign“: „Es geht ausschließlich darum,
die Wirkung der Musik so intensiv wie möglich erfahrbar zu
machen.
109
Dafür muss man Konzentration erzeugen, Assoziationsräume
öffnen, die Musik in Beziehung zu unterschiedlichen Kontexten
setzen. Was schon die Baumeister mittelalterlicher Kathedralen
wussten, ist uns im Konzertsaal verloren gegangen: Das Spiel
zwischen Licht und Architektur, die eine ständig sich verändernde Aura erzeugt. In unseren Konzertsälen begnügen wir
uns damit, die Bühne hell und das Auditorium etwas dunkler zu
machen. Zwei Stunden lang.“ 27
Letztlich tangiert die Frage nach dem Raum natürlich auch soziale
Hemmschwellen der Publikumsdurchmischung: Wen erreiche
ich an welchem Ort und wie wohl fühlt sich mein Publikum hier?
– oder die Frage des Austauschs: Herrscht eine Aura der Nähe,
die mich die Musik in direkter Resonanz wahrnehmen lässt und
habe ich die Möglichkeit zum Austausch mit den Künstlern und
anderen Gästen?
All diese Fragen haben das Ensemble Resonanz 2014 dazu bewegt, die Suche nach einem neuen Proberaum mit dem Bau eines
neuen Konzertsaals zu verbinden, der nicht nur gut klingt und
in der Lichtgestaltung flexibel ist, sondern auch soziale Hemmschwellen abbaut, nah und offen ist. Nach Jahren der Suche ist
mit dem resonanzraum im Hochbunker St. Pauli ein Konzertsaal
entstanden, der mit flexiblen Raumelementen wie drehbaren
Eisentoren die Raumstimmung wie die Akustik regulieren kann.
Der Raum ist offen, es gibt diverse Kontaktmöglichkeiten
zwischen Publikum und Musikern, die Bar ist mitten im Saal
110
und doch übertrifft die Stille und Aufmerksamkeit regelmäßig
die häufig Huster- und programmheftgerascheldurchsetzte
Hörhaltung im Konzertsaal: Die Musik verschafft sich ihren
Respekt von allein, ohne räumliche Barrieren.
27
Folkert Uhde,
Die Zukunft des Konzertes,
http://www.concerti.de/
de/2772/essay-folkertuhde.html,
Stand: 25.09.2015.
Was dabei auch passiert: Vom Klassik-Kenner zum Punk treffen
schlichtweg Menschen mit offenen Ohren aufeinander, ohne
elitäre Rituale der Abgrenzung. In dieser entspannten Rezeption
kann die Musik in einem fluiden Zustand der Offenheit ganz für
sich sprechen.
3.5. Teilhabe und Diskurs
Ein weiterer Faktor der Resonanz ist die Kommunikation mit
dem Publikum im direkten Sinne. Von der werbeüblichen
One-Way-Information kommend sollten wir unser Publikum
auch als Kommunikations- und Diskurspartner erst nehmen:
Wenn ich einen Interpreten oder Komponisten kennen lerne,
kann sich meine Rezeption verändern, ich höre das Konzert
möglicherweise mit anderen Ohren.
Das Ensemble Resonanz hat diese Erfahrung sowohl bei der
jungen Konzertreihe urban string im resonanzraum, wo jedes
Konzert von den Musikern selbst moderiert wird, gemacht, als
auch innerhalb der Konzertreihe Resonanzen in der Laeiszhalle,
die seit 2013 in ihrem Enstehungsprozess für das Publikum
geöffnet wird.
111
In fünf so genannten Ankerangeboten hat das Publikum die
Möglichkeit, sich einzubringen und hinter die Kulissen zu
blicken – vom Dramaturgie-Gespräch mit Programm-Machern,
Komponisten und Solisten beim Glas Rotwein (»Intro«) über
Werkstätten und Einführungen mit ganzem Ensemble (»HörStunde«) bis zum experimentellen Format Offbeat, bei dem das
Konzertthema in die Hände von künstlerischen Partnern gegeben
wird und Hör-Experimente entstehen – vom Filmabend zum
Thema Siebenbürgen über Yogakurse mit Bruckner, ClubKonzerte zu Philosophie-Lesungen. Die Öffnung des Prozesses
wirkt sich nicht nur auf das Publikum aus, dessen Rezeption sich
laut Angaben vieler Gäste spürbar verändert, sondern auch auf
den künstlerischen Prozess als solchen. Der Bezug zu aktuellen
Themen holt die Programme spürbar ins Hier und Jetzt. Wenn
das Ensemble im Rahmen des »Ausflugs« das Konzertprogramm
in einer Berufsschule, für Geflüchtete oder einem Wohnheim für
Demenzkranke präsentiert, sammeln die Musiker Erfahrungen
der Wirkung ihrer Kunst im echten Leben. Die Öffnung ist nicht
rein sozialer Natur, sondern kann künstlerische Aspekte wie die
Spielweise und Präsentation ebenso beeinflussen wie die Rezeption auf Seiten des Publikums. Das Konzert wird zu einem Raum
des Diskurses.
Über Blogs, Social Media oder Podcasts kann dieser Diskurs
medial und digital fortgeführt werden – der Raum der Resonanz
kann, sofern glaubwürdig und gut kommuniziert wird, um ein
Vielfaches erweitert werden. Auch hier steht die klassische Musik
noch am Anfang und kann von verschiedenen Bereichen der
112
Popularkultur lernen. Mit der neuen Sendung ByteFM Klassik
hat das Ensemble Resonanz gemeinsam mit dem Internetradio
ByteFM ein Konzept der Begegnung klassischer Musik und
Popmusik entwickelt. In der Zusammenarbeit wird mehreres
deutlich: Die Hörer von ByteFM lernen die klassische Musik
ganz selbstverständlich als komplexe, gute Musik kennen – und
das funktioniert ohne die verunsicherte Hipness marktschreierischen Crossovers. Und: die Entwicklung eines solchen
Formats ist ein eigener künstlerischer Prozess. Unsere Kreativität
darf – spätestens im Zeitalter der Digitalisierung – nicht beim
Konzertprogramm aufhören.
3.6. Künstlerisches Design
Neben der visuellen Ebene des Konzertes spielt auch die Ästhetik
und das Design der begleitenden Gestaltungserzeugnisse für die
Rezeption eine Rolle, auch wenn diese sicherlich indirekter zu
bewerten ist.
Wenn mich ein Plakat oder Programmheft auch ästhetisch
erreicht, verbinde ich diese visuell-sinnliche Wahrnehmung mit
dem künstlerischen Erlebnis. Darüber hinaus kann ich über
lange Sicht eine Markenidentität aufbauen, die auch visuell die
gleiche Sprache spricht wie meine künstlerische Idee. Im Bereich
der elektronischen Musik funktioniert der Schulterschluss zum
anspruchsvollen Design gerade in kleineren Szenen wie selbstverständlich: von der Covergestaltung bis zum Plakat.
113
Für die Gestaltung werden Künstler beauftragt, die dem Produkt ihre eigene visuelle Interpretation hinzufügen. Hier ist der
klassischen Musik manchmal mehr Mut zur Kunst zu wünschen:
Statt auf klassische Werbung zu setzen, die nach den bekannten
psychologischen Prinzipien der Manipulation funktioniert,
oder redundant den Star des Abends in den Fokus nimmt, sollte
die Kommunikation im Sinne der Resonanz eine ästhetische,
identitätsstiftende Sprache entwickeln, die die Augen und das
Bewusstsein für das Unerwartete öffnen.
4. Fazit
Schon bei dieser ersten Skizzierung möglicher Wege einer
resonanzreichen Kommunikation ist klar geworden: Das „Mitschwingen eines Körpers mit einem anderen“ ist ein Prinzip,
das die Kunst als solche betrifft – die Suche nach kommunikativen Räumen der Resonanz untrennbar mit vielen Faktoren
und Fragen verbunden, die den gesamten künstlerischen Prozess
beschäftigen.
Sich auf diese Reise der Suche zu begeben, kann zu radikalen
Veränderungen führen, die unsere Liebe erfordern - und unseren
Mut. Durchsetzen werden sich im Zuge dieses Prozesses langfristig diejenigen Ideen, die des „Mitschwingens“ mächtig sind.
Die Reibung erzeugen, verstören, uns im Tiefsten bewegen.
114
Statt die immer gleichen Programme zu präsentieren, sich als
Bittsteller um Geld und Ressourcen zu empfinden, in Kommunikation und Gestaltung der Inhalte auf herkömmliche werbliche
Strategien zu setzen und kritische Fragen zum Thema kulturelle
Subvention mit stetem Pochen auf den nötigen Erhalt jeder
Institution einfach wegzuschieben, könnte dieser Prozess des
eigenen Hinterfragens im Sinne der Resonanz hin zu einer
Stärkung der Vielfalt der Musikkultur führen. Über neue
Nischen, die besetzt werden, neue Argumentationslinien, aber
auch über eine veränderte Rezeption. Der wachsenden Entfremdung und Verstummung der Resonanzachsen kann eine
„singende Welt“ entgegentreten, die die klassische Musik endlich
dort ankommen lässt, wo sie hingehört: im echten Leben.
ELISA ERKELENZ, MASTER OF ARTS
ist Kulturmanagerin und freie Autorin,
verantwortlich für Development und
Kommunikation beim Ensemble Resonanz.
115
PROF. DR. FRIEDRICH LOOCK
„WIR MÜSSEN REDEN!“
KOMMUNIKATION IST KULTUR
Medienwissenschaftler haben herausgefunden, dass einer der
am häufigsten in deutschen Filmen und Serien verwendeten
Sätze mehr oder weniger sinngleich lautet: „Wir müssen reden!“
Dankenswerterweise gibt es solche Untersuchungen, denn
über derart alltägliches oder für manche von uns wenig wichtig
Erscheinendes würden wir uns vielleicht explizit keine Gedanken machen. Und doch schärft es unsere Sinne. Denn nunmehr
macht man sich Gedanken, was wohl dahinter stecken und wie
man mit dieser Erkenntnis umgehen mag.
Weshalb soll oder will man reden?
Eine szenische Sequenz dieser Art können wir uns leicht vorstellen, allzu vertraut erscheint sie uns. Wahrscheinlich aber denken
wir dabei an ganz unterschiedliche Szenen, denn dieser Satz bzw.
diese Aufforderung ist ausgesprochen vielseitig und vielfältig
einsetzbar. Das erklärt auch den herausragenden Platz auf der
Drehbuch-Hitliste.
„Wir müssen reden!“: Dazu fordert beispielsweise eine Polizistin
ihren Kollegen auf, während beide einen Tatort untersuchen.
Oder es ist eine Szene mit zwei Menschen, deren Partnerschaft
einige Abnutzungserscheinungen aufweist. Oder KollegInnen
begegnen sich – zufällig oder beabsichtigt – im Betrieb bzw.
im Büro und vereinbaren ein Treffen. Oder – eine beliebte
Familien-Szene – Ältere fordern Jüngere zum Dialog auf, um
116
beispielsweise über Schulleistungen, Tischmanieren oder die
Mitwirkung im Haushalt zu reden.
Die drei Worte „Wir müssen reden!“ ergeben einen einfach
konstruierten Satz. Zugleich ist diese Konstellation jedoch
enorm komplex und ausgesprochen vieldeutig interpretierbar.
Wollte man sämtliche Deutungsfacetten aufzeigen und analysieren –
falls dies überhaupt gelingen kann –, dann ließen sich damit
viele Regalmeter mit erkenntnisreichen Schriften füllen.
Der einfach klingende Satz, die simpel erscheinende Aufforderung beabsichtigt aus dramaturgischer Sicht ein gesteigertes
Interesse. Denn wenn wir im Film oder auf der Bühne die
Aufforderung „Wir müssen reden!“ hören, dann erhöht sich
bei uns die Spannung. Wir fragen uns, weshalb die Angesprochenen miteinander reden sollen und wollen? Die die Initiative
ergreifende Person spürt offenbar den Wunsch nach Austausch.
Unklar ist jedoch zunächst, ob die angesprochene Person dazu
die erforderliche Bereitschaft zeigt bzw. Fähigkeit mitbringt.
Und: Ist es ein Wunsch nach „Kommunikation“ oder eher nach
„Information“; ist also ein aufeinander aufbauender Austausch
von Einschätzungen beabsichtigt oder geht es vorrangig um
die Weitergabe der eigenen Gedanken? Geht es um Weiterführendes oder um Abschließendes, um Wissensaufnahme
oder Wissensvermittlung, um meinungsoffene Einbeziehung
oder um Verfestigung einer Deutungshoheit, begleitet von
Wohlwollen oder von Argwohn?
117
Jene Steigerung ist ein durchaus übliches und bewährtes Muster
in der Dramaturgie eines Theaterstücks bzw. Films – manche von
ihnen leben einzig von und mit der Frage: Weshalb sollten und
wollten die Angesprochenen miteinander reden? Die Hoffnung
auf Klärung dieser Frage hält die Zuschauer bzw. Zuhörer. Aus
eigener Lebenserfahrung wissen wir, dass sich keineswegs alle
Fragen beantworten, sobald der Austausch stattgefunden hat,
dem jene Aufforderung voranging. Nicht selten ist anschließend
die Ratlosigkeit sogar größer als zuvor.
„Reden“ ist nicht gleich „Reden“
Das Verb „reden“ selbst offenbart bei näherer Betrachtung ein
definitorisches Dilemma. In der allgemein anerkannten Lehrmeinung wird „reden“ mit „sprechen“ gleichgesetzt. „Sprechen“
wird dabei verstanden als der vorwiegend auf zwischenmenschliche Interaktion ausgerichtete Gebrauch der menschlichen
Stimme, zu der man Sprachlaute erzeugt. Die Bedeutung des
Wortes wird auch auf andere Kommunikationsformen ausgeweitet, z. B. mit den Händen in einer Gebärdensprache, mit
Gesichtsmuskeln, durch Bilder und Schrift.
Die wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Erforschung
des Sprechens bzw. der Sprache beschäftigt, ist die Sprech- bzw.
Sprachwissenschaft. Eine „Redewissenschaft“ gibt es nicht.
Friedemann Schulz von Thun gilt als einer der führenden sprechund sprachwissenschaftlichen Denker. Auch wenn der Psychologe
118
und Kommunikationsforscher sein „Vier-Seiten-Modell“ bereits
vor vielen Jahrzehnten erstellt hat, so hat es bis heute an Relevanz
kaum eingebüßt. Danach waren und sind Informationsübermittlung, Selbstoffenbarung, Appell und Beziehungsveränderung die
vier wichtigsten Aspekte der sprachlichen Kommunikation.
Paul Watzlawick, seines Zeichens Psychotherapeut, Soziologe und Philosoph, hat für die Kommunikationswissenschaft
ebenfalls Wegweisendes geschaffen. Er unterscheidet ergänzend
zu Schulz von Thun zwischen verbaler und non-verbaler Kommunikation. Ihm zufolge kann man „nicht nicht kommunizieren“.
Einer besonderen Aufforderung wie „Wir müssen reden!“ bedarf
es demnach eigentlich gar nicht, da man immer und jederzeit
„spricht“.
Dass sich mit dem Phänomen des „Sprechens“ zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen befassen, dokumentiert dessen umfassende Bedeutung für das Miteinander von Menschen und die
Vielschichtigkeit der Analyse. Ob Linguisten oder Psychologen,
Neurologen oder Kulturwissenschaftler – sie alle widmen sich
dem bewussten Formungs- und Mitteilungswillen des Sprechenden, der Voraussetzung für ein sinn- und bedeutungsvolles Sprechen. Denn: Das Sprechen ist ein höchst komplexer Vorgang, da
der ganze Mensch am Sprechen beteiligt ist.
„Meine innere Stimme (aber) sagt mir, …“ - inneres Sprechen ist
dabei eine lautlose Form des Sprechens. Von ihr wird angenommen, dass sie der Steuerung von Aufmerksamkeit dient.
119
Es gibt verschiedene Definitionen und Konzeptionen des inneren
Sprechens. Deren Hauptgedanke ist, dass sich inneres Sprechen
aus dem äußeren, sozialen Sprechen entwickelt und dabei Form
und Funktion gegenüber dem äußeren Sprechen verändert:
Es wird lautlos, es dient nicht (mehr) der Kommunikation mit
anderen Menschen.
Was hat es auf sich mit dem inneren Sprechen? Es handelt sich
um ein allseits bekanntes Phänomen. Wissenschaftlich lässt es
sich jedoch nur schwer fassen, da es empirisch nur vermittelt
untersuchbar ist. Trotz oder gerade wegen dieser Schwierigkeit
begibt sich das vorliegende Buch auf die Suche nach Indizien
zum inneren Sprechen. Die Erforschung des inneren Sprechens
gehört zu den zentralen Themen einer kulturhistorisch fundierten
Psycholinguistik. Nach einer umfassenden Recherche theoretischer Ansätze, wird eine empirische Studie dargelegt, die sich
dem inneren Sprechen experimentell annähert. Psycholinguistik
wird dabei als Grenz- und Übergangsfeld zwischen Psychologie
und Linguistik aufgefasst, so dass die grundsätzliche Aufgabe
der Psycholinguistik darin besteht, die Dualität von Sprache
und Sprechen im Spannungsfeld von Linguistik (Sprachbeschreibung) und Psychologie (Sprachgebrauch) zu fassen.
Diese Dualität wird von der Studie gespiegelt, wenn es beim
inneren Sprechen darum geht, Aspekte der Struktur mit
Aspekten der Funktion in Zusammenhang zu bringen. Ergebnis
dieser psycholinguistischen Untersuchung ist eine umfassende
Darstellung, Reflexion und Erweiterung bisher bestehender
Konzeptionen des inneren Sprechens. 1
120
Logische und empirische Fehler führen dazu, dass neue
Erfahrungen so interpretiert werden, wie sie den Grundannahmen entsprechen. Korrigierende Erfahrungen bleiben somit aus,
die Folge ist eine kognitive Verzerrung – ein Phänomen, das
in der Psychologie ebenso verankert ist wie in den Sozialwissenschaften, wenn es um die Bestimmung von Auslösern bzw.
Auswirkungen sozialen Denkens und Handelns geht. 2
„Reden“ oder „sprechen“ ist hierbei vielfältig deutbar, so z.B.
1
Anke Werani:
Inneres Sprechen.
Ergebnisse einer
Indiziensuche.
Lehmanns Media,
Berlin 2011.
(1) in Worten äußern,
(2)
Zeichen geben,
(3) einen Vortrag halten,
(4) ein Gespräch führen,
(5) Gedanken in einer zusammenhängenden Rede äußern,
(6) durch Reden in einen bestimmten körperlichen und/oder geistigen Zustand versetzen,
(7) gepflegt Konversation betreiben oder „quatschen“,
(8) einen eher belanglosen Schwatz halten oder etwas bewusst zum Ausdruck bringen.
2
Helmut Martinetz –
Die klingende
Visitenkarte, das was
ich spreche bin ich…
Grundgesetze des
Sprechens. Münster /
London 2005
121
Auch die Rede-Dimensionen sind vielschichtig, so z.B.:
(1) ermahnend („Erst nachdenken, dann reden!“),
(2) bewertend („Er redet nur Unsinn.“),
(3) abgrenzend („Lass die Leute reden.“),
(4) herabsetzend („Es wird viel geredet.“),
(5) ausgrenzend („Der hat gut reden.“),
(6) beschwerend („Sie lässt mich nicht zu Ende reden.“),
(7) resignierend („Mit ihm kann ich nicht reden.“),
(8) rätselnd („Was redest Du denn da?“),
(9) stigmatisierend („Sie ist ja schon unmöglich, nicht
zu reden von ihrem Mann.“),
(10) beendend („Reden wir nicht mehr darüber!“).
122
Von gesprächsausgerichteten Austauschen unterscheiden sich
Reden durch:
(1)
Reden sind häufig schriftlich verfasst und werden
abgelesen. Geübte Redner ziehen jedoch den freien
Vortrag vor; auch dann, wenn Redner extemporieren
(„aus dem Stegreif“ sprechen), versuchen sie ihre Worte dem Niveau der geschriebenen Sprache anzugleichen.
(2)
Reden zeichnen sich dadurch aus, dass sie stets
„zur Sache“ sind. Weitschweifigkeit führt dazu, dass
das Publikum ungeduldig wird. Eine gute Rede ist so
kurz wie möglich.
(3)
Die Zuhörer unterbrechen den Redner nicht durch
längere eigene Mitteilungen, sondern höchstens durch
Beifalls- oder Missfallenskundgebungen. Zwischenfragen und Zwischenrufe sind bei Redebeiträgen zu Debatten
statthaft, aber eher nicht bei Reden in festlichem Rahmen.
(4)
Redner sprechen Prosa. Versreden eignen sich eher zu Anlässen wie Feiern und zu Büttenreden. 3
3
Ziegler, Katharina:
Mediennutzung der
Generation 50+,
Dissertation am Institut
für Kultur- und Medienmanagement Hamburg,
S. 113 ff.
123
Kultur ist Kommunikation ...
… Kommunikation ist Kultur
Künstler reden eher selten selbst über ihre Werke, häufiger
überlassen sie dies anderen Interpretatoren. Gleichwohl ist ihr
Wunsch nach Kommunikation groß, er ist vielfach sogar der
zentrale Antrieb für ihr Tun. „Wir müssen reden!“ könnte man
somit auch durchaus als eine Einladung zur Rezeption ihrer
künstlerischer Leistungen ansehen. Sich mit anderen über
musikalische, bildnerische oder poetische Botschaften auszutauschen, das erscheint vielen Kultur- und Kunstinteressierten
mindestens ebenso reizvoll wie das unmittelbare Kunsterlebnis.
Wer mit wem wann und wie kommuniziert, ist zugleich eine
Kulturfrage. Entsprechende Regeln bestimmen unseren Alltag,
und nahezu jeder Tag bringt neue Erfahrungen. Neue Erfahrungen sind nicht selten auch neue Herausforderungen. Dies
erfahren wir beispielsweise aktuell darin, dass – bedingt durch
den enormen Zustrom an Menschen aus anderen Regionen –
unser bestehender Kulturkreis auf einen anderen, uns eher
unbekannten Kulturkreis trifft.
Doch auch bei Künstlern und dem Austausch über ihr Tun
fragt man sich: Weshalb und worüber sollen und wollen wir
reden? Bei dem artikulierten Wunsch nach Austausch weiß
man oft nicht, ob der Austausch auf „Augenhöhe“ – also auf
ähnlicher Basis hinsichtlich Intellekt und (Vor)Wissen –
stattfinden kann oder die Initiativperson im Vergleich zum
Gegenüber höher- bzw. niederstehend agiert. Insbesondere
bei einem Austausch über Kunst und Kultur zeigt sich häufig
erst mit zunehmender Intensität des Austausches, wo die
Beteiligten stehen, was sie beabsichtigen und worum es ihnen
(tatsächlich) geht – um einen Austausch über Weiterführendes
oder über Abschließendes, zur Wissensaufnahme oder zur
Wissensvermittlung, um meinungsoffene Einbeziehung oder
um Verfestigung einer Deutungshoheit.
124
Die aktuell europaweit spürbare Dimension an Integrationsbedarfen von geflüchteten Menschen gibt dem Satz „Wir müssen
reden!“ eine vollkommen neue Dimension. Es geht nicht mehr
um den einen, den unmittelbaren Austausch. Es geht vielmehr
um ein ständiges Bewusstsein, zumal die „Kultur des MiteinanderRedens“ hierzulande eine vollkommen andere ist als die in den
Ursprungsländern dieser Menschen.
„Wir müssen reden!“ ist anerkanntermaßen eine zentrale
Bedingung zur Einbeziehung und verbindlichen Integration
von Menschen. Dazu aber müssen sich die Beteiligten nicht
nur sprachlich verstehen, sondern auch kulturell annähern.
Um diese große Herausforderung zu meistern, helfen nicht nur
neuere Erkenntnisse. Die gesellschaftlichen und sprachgebundenen Phänomene lassen sich auch mit lang bewährten Modellen
erklären und bewältigen.
125
Die Ansätze von Watzlawik und Schulz von Thun stehen
hierfür stellvertretend: Auch traditionsreiche Ansätze können
dazu dienen, der Aufforderung zum Austausch angemessen
zu folgen. „Wir müssen reden!“ im Sinne von „Wir müssen
kommunizieren!“ ist ein unverzichtbarer Beitrag zu einer
perspektivreichen Integration und nicht weniger als ein
zentraler Baustein zur kulturellen Sicherung.
PROF. DR. FRIEDRICH LOOCK
ist Geschäftsführender Vorstand der Stiftung
EmMi Luebeskind, Berlin und war bis
September 2015 Direktor des Instituts KMM.
126
127
CHRISTIAN KELLERSMANN, MAGISTER ARTIUM
DIE SUCHE NACH DEM „RICHTIGEN“ EVENT
EVENT HEISST DAS ZAUBERWORT FÜR JEDEN
sich zu gewinnen. Eine beeindruckende Marketingaktion. Aber
mehr auch nicht.
Die Inszenierung von Kultur an gewöhnlichen und ungewöhnlichen Orten. Mit dem Ziel, eine künstlerische Idee zu verkaufen
oder auch nur, um „die Hütte voll zu kriegen“. Ich habe hierzu
einige unterschiedliche Erfahrungen gemacht, von denen ich
berichten möchte.
Immerhin verbesserte sich meine Laune etwas, als wir uns die
MoMa-Collection anschauten. Legendäre Exponate live.
Doch auch hier fühlte ich mich wie auf einem Jahrmarkt.
Das Geschiebe hörte nicht auf. Nur Popcorn oder Pommes
fehlten. Nach zwei Stunden war ich endlich raus dem MoMa.
Zurück im Großstadtdschungel Manhattans.
VERANSTALTER UND MARKETINGPROFI.
Im letzten Frühjahr besuchte ich das MoMa – das Museum of
Modern Art – in New York. Ich war bereits vor der Anreise
ordentlich ‚angehypt’, da die hiesigen Feuilletons die gerade
laufende Ausstellung der isländischen Künstlerin Björk feierten.
Im MoMa angekommen, standen wir lange in der Schlange, um
ein Ticket zu bekommen. Nach über einer Stunde waren wir
endlich drin im Museum.
Ich fühlte mich wie in einem Shopping-Center an einem verkaufsoffenen Samstag vor Weihnachten: Gedrängel, Gewusel,
Geschiebe, lautes Gerede. Waren die Besucher alle wegen der
Björk-Ausstellung gekommen? Mir kam es zumindest so vor,
denn erneut mussten wir anstehen, um in die Björk-Sonderausstellung zu gelangen. Nach weiteren endlosen Minuten hatten
wir dann auch diese Etappe erreicht. Dann ging es schnell voran:
es gab nicht viel zu sehen. Zu jedem Björk-Album wurden die
Kostüme und ein paar Requisiten gezeigt. Im Kinosaal wurden
alle Videos vorgeführt, die meisten kannte ich bereits. Wieder
einmal hatte Björk es geschafft, eine namhafte Institution für
128
Kurz danach traf ich Herrn Stilcken und erzählte ihm von
meinem enttäuschenden MoMa-Besuch. Er kam jedoch sofort
ins Schwärmen, wie einflussreich und großartig doch das MoMa
sei. Natürlich hat er recht: die Sammlung ist unvergleichbar.
Und manchmal braucht es auch die großen Namen, die Stars,
die unabhängig von ihrer inhaltlichen Qualität die Türöffner
für eine neue Welt sind. In diesem Fall war es Björk, die
vermutlich dafür sorgte, dass viele Menschen erstmalig in das
Museum gingen.
Ich dachte aber auch an das „Inhotim“-Museum im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. 60 Kilometer von Belo Horizonte entfernt (wo Brasilien 7:1 gegen Deutschland verloren hat).
Im Nirgendwo. Das Open-Air Museum wurde 2004 eröffnet.
Auf 35 Hektar Land wurde nach den Skizzen des Landschaftsarchitekten Roberto Burle Marx ein tropischer Park entworfen.
Über 20 Pavillons, die ständige und wechselnde zeitgenössische
Ausstellungen präsentieren, wurden darin errichtet.
129
Viele Arbeiten beschäftigten sich mit dem Alltag Brasiliens:
Kriminalität, Armut, Leben in den Favelas, aber auch Musik,
unterschiedlichste ethnische Einflüsse und Naturgewalten.
Außeninstallationen und zahlreiche Skulpturen sind überall im
Park verteilt. Man wandert von einem Pavillon zum nächsten.
Ab und an begegnet man anderen Besuchern. Oder stößt auf eine
Skulptur – inmitten des Parks mit den unterschiedlichsten Bäumen
aus ganz Brasilien. Wenn man den Park wieder verlässt und das
erste Städtchen erreicht, gibt es ein Deja-Vu-Erlebnis: das typische
Brasilien – Chaos, Vielfalt, Durcheinander, Armut, Existenzkampf.
Ist das Kunst oder Realität? Alles befindet sich inmitten in einer
atemberaubenden Landschaft. Wie dicht und vielfältig Natur,
Kunst und Realität beieinanderliegen. Hand in Hand werden diese
Gegensätze geradezu aufgelöst. Beeindruckend.
In Hamburg begann ich vor fünfzehn Jahren ein Klassik-Event,
das in dieser Stadt nicht funktionierten sollte: die Yellow Lounge.
Ausgestattet mit einem Budget, dass von Universal Music zur
Verfügung gestellt wurde, startete ich mit einigen Kollegen diese
Veranstaltungsreihe, die klassische Musik an ein neues Publikum
heranführen sollte. Die Idee: wir gehen dorthin, wo das Zielpublikum auch gerne hingeht – in Bars, Galerien und Clubs. Und nicht
in die Oper. DJs legen klassische Musik auf. Dazu ein klassisches
Live-Set. Da konnte man David Garrett noch kostenlos vor 50
Zuschauern sehen. Doch es war schwer, geeignete Locations oder
Veranstalter in Hamburg zu gewinnen. Obwohl ein kleines Publikum es wohlwollend annahm. Aber mehr auch nicht. Knapp zwei
Jahre versuchten wir, dieses Konzept in Hamburg zu etablieren.
130
Die Yellow Lounge wäre vermutlich eingeschlafen, wenn Universal
nicht damals nach Berlin gezogen wäre. Dort machten wir einen
Neustart. Wir fanden sofort einen coolen Club, der uns seine
Location und seinen Verteiler zur Verfügung stellte. Gleich die
erste Veranstaltung war nahezu ausverkauft vor dem Publikum,
das sich jeder Intendant wünscht: jung, interessiert und neugierig.
In den darauffolgenden Jahren öffneten alle Berliner Clubs die
Türen für die Yellow Lounge. Am Wochenende noch überhitzte,
exzessive Technoparties und am Montagabend Klassik!
Nach einigen Jahren hatte es sich dann auch unter den Klassikfans herumgesprochen, dass die Yellow Lounge ein Event ist, wo
man große Klassikstars für vier Euro aus nächster Nähe erleben
kann. Es kamen jetzt vermehrt Musikstudenten und Konzerthaus-Abonnenten. Viele große Künstler nahmen die Gelegenheit
wahr, auf der Yellow Lounge zu spielen, um entweder ihr neues
Album zu promoten oder um sich ein jugendlicheres Image zu
geben. Oder auch beides. Zuletzt ergriff Anne-Sophie Mutter
die Gelegenheit, in einem Berliner Club aufzutreten: Ihr
Konzert wurde von ZDF/Arte aufgezeichnet und von Universal
Music als CD und DVD veröffentlicht. Das Repertoire:
Vivaldi, Brahms und John Williams. Von Berlin aus wird die
Yellow Lounge-Idee nun international vermarktet und findet in
diversen internationalen Metropolen statt.
Rückblickend bleibt für mich die Erkenntnis: ein Event braucht
das richtige „setting“. Die gleiche Idee kann in der einen Stadt
funktionieren, in der anderen nicht.
131
Außerdem birgt ein inhaltlich entworfenes Event die Gefahr
oder auch die Chance – je nach Blickwinkel – sich zu einem
Marketingtool zu entwickeln. Aus meiner Sicht hätte man zuletzt
den Marken „Yellow Lounge“ und Anne-Sophie Mutter einen
größeren Gefallen getan, wenn man zumindest im Repertoire ein
paar Überraschungen bereitgehalten hätte. Sonst bleibt es
„business as usual“ mit neuem Design.
Doch es gibt Veranstaltungen, die nur in Hamburg funktionieren können: wie etwa das ELBJAZZ-Festival. Die Organisatoren dieser Veranstaltung haben in nur fünf Jahren einen Event
aufgezogen, die dem vielfältigen Musikstil Jazz eine neue Fläche,
eine neue Relevanz gegeben haben. Dabei ist Jazz eigentlich
mittlerweile Nischenmusik. Er wird medial nur noch von den
Spartensendern im Funk berücksichtigt und vielleicht noch nach
Mitternacht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt.
Äußerst clever nun haben die Initiatoren beim ELBJAZZFestival ein Programm-Mix erfunden, der innovative Jazzmusiker
mit Popkünstlern mischt, die jazzbeeinflusst sind. Schon die Anreise
ist einmalig: auf der Barkasse hinschippern oder durch den alten
Elbtunnel flanieren. Die Kulisse ist einmalig: zwischen Ozeandampfern, Containern und Kränen. Mittendrin ausgesuchte kleine
Gourmetbuden. Fast-Food-De-Luxe. Ganze Familien besuchen
die Veranstaltung. Es spielen ein paar Stars, die Zugpferde, die jeder
kennt. Doch auch Musiker, die sonst vor maximal 100 Leuten in
kleinen Clubs auftreten, bekommen die Möglichkeit, auf der großen
Bühne vor mehreren tausend begeisterten Menschen zu spielen.
132
Eine win-win-Situation: Künstler und Publikum gehen glücklich
nach Hause. Auch wenn in das ELBJAZZ in 2016 eine Pause
einlegt, um dann im Jahr 2017 mit besserer finanzieller Unterstützung der Stadt Hamburg wieder zu starten – auf eine
Einmaligkeit können die Veranstalter in den nächsten Jahren
vielleicht verzichten: das Hamburger Schietwetter.
Es bleibt zu hoffen, dass die Stadt und Einwohner dieses einzigartige Festival mit ihrer Präsenz unterstützen. Oder brauchen wir
noch ein weiteres Musicaltheater?
Ansonsten haben sich die musikalischen Großevents etabliert.
Vor vier Jahren spielte die irische Band U2 im Berliner
Olympiastadion. Ich gebe es gleich zu: ich war nie ein großer
Fan dieser Band. Doch viele meiner Freunde schwören auf
Bono und Co.. Deshalb freute ich mich über die Einladung in
der Hoffnung, meine Meinung nach dem Konzert korrigieren
zu müssen. Der technische Aufwand war enorm: auch hier
Kräne und containerartige Bühnendekorationen. Nur leider
wurde meine Hoffnung nicht erfüllt: es war eine HightechShow. Perfekt inszeniert. Musikalisch ohne Überraschung.
Live oder Playback? Egal. Von der Tribüne aus sah ich mit an,
wie sich 70.000 Menschen im gleichen Groove bewegten und
mitsangen. Selten ging ich so deprimiert aus einem Konzert wie
bei diesem. Am kommenden Morgen kam das Management
meiner damaligen Firma zusammen. Mein Chef sagte: „Dafür
lohnt es sich, im Musikbusiness zu arbeiten.“ Für ihn war es die
richtige Inszenierung.
133
Mit meinen Kollegen von Edel:Kultur wollen wir in diesem
Jahr die Idee, der klassischen Musik eine neue zeitgemäße Fläche
zu geben, neu aufgreifen. Gemeinsam mit dem „Deutschen
Kammerorchester“ werden wir an drei Konzertabenden unter
dem Titel „Neue Meister“ die Musik von lebenden Komponisten
zu Gehör bringen. Eingeweihte werden jetzt vielleicht einwenden:
was soll daran neu sein? Es gibt doch schon „Donaueschingen“
und den „Siemens-Musikpreis“! Doch da werden viele junge,
spannende Komponisten nicht berücksichtigt. Unter anderem
weil in Deutschland oft noch das Missverständnis vorherrscht
und durch Feuilleton, öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder
Intendanten aufrechterhalten wird, dass zeitgenössische Klassik
kompliziert, schräg und anstrengend sein muss. Mittlerweile
gibt es jedoch eine neue Generation von Komponisten, die
anspruchsvolle, emotionale Musik schreiben und neue musikalische Einflüsse verarbeiten. Sie beschäftigen sich an den
Schnittstellen zwischen Klassik, Elektronik, Pop und Filmmusik.
Referenzen und Bezugspunkte zu allen Genres werden offengelegt – es entsteht eine neue Ära in der geschriebenen Musik.
Wir sind am Beginn eines neuen Kapitels innerhalb der klassischen zeitgenössischen Musik. Das ist ein sehr spannender
Moment. Ich hoffe, natürlich auch ein historischer, nachhaltiger.
Der „Neue Meister“-Event lässt sich nicht aus eigenen Kräften
temmen. Als Partner konnten wir die Volkswagen-Gruppe
gewinnen. Sie stellen uns – neben finanzieller Unterstützung –
ihre Ausstellungsräume an der Ecke Friedrichstraße / Unter den
Linden zur Verfügung. Ob das die „richtige“ Inszenierung sein
134
wird, werden wir spätestens Ende des Jahres wissen. Zumindest
ist es ein neuer Inhalt, der mit diesem Event transportiert wird.
Und wenn sich dieser neue Inhalt mit dem Publikum verbindet,
dann ist aus meiner Sicht schon sehr viel gewonnen!
Gerne hätte ich Ihnen nun abschließend auf den Weg gegeben:
dieser Event ist richtig und jener Event ist falsch inszeniert
worden. Doch ein derartiges Urteil möchte ich mir nicht
anmaßen. Es sind eher persönliche Wünsche, die ich bei einem
Event habe: eine innovative Idee, die inhaltliche Überraschung,
die Zusammensetzung aus Elementen, die bislang nicht
miteinander verknüpft wurden.
CHRISTIAN KELLERSMANN,
MAGISTER ARTIUM
ist Director of Content and Creative bei
Edel:Kultur (Edel AG Hamburg).
135
RUDOLF STILCKEN
„Kultur kann nur erfolgreich sein, wenn sie
in ihrer Kommunikation erfolgreich ist.“
136
Der
Hamburger P reis
für
Kultur-Kommunikation
2015
R U D O LF
S T I LC K EN
KATEGORIE 1
DIE
AUSZEICHNUNG
Der Hamburger
Preis für
Kultur-Kommunikation
2015
Nach einer ersten Verleihung im Jahr 2013 wurden 2015
mit dem Hamburger Preis für Kultur-Kommunikation 2015
erneut kulturelle Unternehmungen, Kulturinstitutionen,
und Projekte für innovative Kultur-Kommunikation in bzw.
aus der Metropolregion Hamburg ausgezeichnet.
Der Preis versteht sich als Mutmacher: Er zeichnet
Leistungen aus, die anderen als Vorbild dienen können und
trägt damit zum Selbstbewusstsein im Hinblick auf die
Identität und Leistungsstärke der Metropolregion Hamburg bei.
An der Konzeption und Umsetzung waren Studierende
des Master-Studienganges Kultur- und Medienmanagement
am Institut KMM beteiligt. Unter der Trägerschaft des
Instituts für kulturelle Innovationsforschung an der
Hochschule für Musik und Theater Hamburg wurde der
Preis in drei Kategorien ausgelobt:
138
KATEGORIE 1
KAMPAGNE
(7.500 E)
KATEGORIE 2
MARKE
(7.500 E)
KATEGORIE 3
JUNGE KOMMUNIKATION
(3.000 E)
Im Rahmen einer festlichen Preisverleihung wurden am
15.10.2015 die Sieger des Hamburger Preises für KulturKommunikation 2015 im resonanzraum St. Pauli von der Jury
ausgezeichnet. Das Institut für Kultur- und Medienmanagement
der Hochschule für Musik und Theater Hamburg verband die
Preisverleihung 2015 mit einer Impulsveranstaltung.
139
DER
STIF TER
über 20 Jahre in Führungspositionen der internationalen Agentur
Benton & Bowles, danach im Vorstand der Rosenthal AG.
1986 machte er sich selbstständig, u.a. als Berater für Lufthansa,
Siemens und Vorwerk. Rudolf Stilcken war Gründungsvorsitzender
des deutschen Zweigs der internationalen Kinderhilfsorganisation
PLAN, ist langjährig für die Elsbeth Weichmann Gesellschaft
engagiert und war Mitglied des Kulturförderungsausschusses der
Handelskammer Hamburg.
Er ist Gesellschafter der Agentur Behnken/Jahr/Stilcken. Er lehrt
seit 1995 Markenkommunikation am Institut KMM. Seit 2015
Mitglied des Beirats des Institut für kulturelle Innovationsforschung
an der Hochschule für Musik und Theater, Hamburg.
RUDOLF STILCKEN, geboren am 15.02.1925 in Hamburg
2002 wurde ihm für sein ehrenamtliches Engagement das Bundes-
Kommunikation 2013 & 2015, Senator h.c. der Hochschule
der Handelskammer Hamburg. Seit 2015 ist Rudolf Stilcken Ehren-
ist Initiator und Stifter des Hamburger Preises für Kultur-
für Musik und Theater und gehört der Jury des Preises an. Während
seines Berufslebens war er vorwiegend für Unternehmens- und
Marketing- kommunikation mit Schwerpunkten Markenentwicklung
und Öffentlichkeitsarbeit tätig.
Zu Beginn 1953 in der PR für Ludwig Erhard, in den 60iger Jahren
verdienstkreuz am Bande verliehen. 2011 erhielt er die Ehrennadel
mitglied des AKS Arbeitskreis für Kultursponsoring im Kulturkreis
der Deutschen Wirtschaft im BDI e.V.
Rudolf Stilcken ist mit Angelika Jahr-Stilcken verheiratet und
hat drei erwachsene Kinder.
als Vorsitzender der Gesellschaft Werbeagenturen (GWA),
140
141
DIE
JURY
PROF. DR. REINHARD FLENDER
PROF. DR. FRIEDRICH LOOCK
ist Direktor des Institutes für kulturelle
ist Geschäftsführender Vorstand der Stiftung
für Musik und Theater Hamburg und seit
September 2015 Direktor des Instituts KMM.
Innovationsforschung an der Hochschule
Oktober 2015 Leiter des Instituts KMM.
PROF. DR. ANDREAS HOFFMANN
BARBARA MIROW
ist Geschäftsführer des Bucerius Kunst Forum
ist seit 2003 Programmchefin
und Programmleiter Kunst und Kultur der
ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.
von NDR Kultur.
CHRISTIAN KELLERSMANN,
PROF. H.C. PETER SCHMIDT
MAGISTER ARTIUM
ist ein deutscher Designer und
ist Director of Content and Creative bei
Edel:Kultur (Edel AG Hamburg).
142
EmMi Luebeskind, Berlin und war bis
Geschäftsführer des Ateliers peter schmidt,
belliero & zandée.
143
DIE
TEILNEHMER
Bewerben konnten sich kulturelle Unternehmungen,
Kulturinstitutionen und -Projekte in bzw. aus der
Metropolregion Hamburg vom 01.05. - 07.07.2015.
Die rund 50 Bewerbungen, davon 36 aus Hamburg und
14 aus der Metropolregion, kamen von Theatern, Museen,
Orchestern und Galerien sowie aus dem soziokulturellen
Sektor.
KATEGORIE 1
KAMPAGNE
Im Universum der Kampagne dreht sich alles um ein
aktuelles Stück, Produkt oder Thema. Sie ist nur einen
Augenblick da, um uns in ihren Bann zu ziehen und
sollte doch über ihre Lebensdauer hinaus in unseren
Köpfen verweilen. Eine innovative Kampagne lässt uns
innehalten und nachdenken, vielleicht schockiert oder
empört sie uns auch.
In der ersten Kategorie wird eine Kampagne
ausgezeichnet, die durch ihre Originalität
heraussticht und dabei die Kultur-Marke nicht
aus den Augen verliert.
Alle Teilnehmer bewarben sich mit einer Beschreibung
ihrer kommunikativen Arbeiten und machten durch
Presseerzeugnisse und Belegexemplare auf ihre Arbeit
aufmerksam.
144
145
KATEGORIE 1
KAMPAGNE
PREISTRÄGER
Laudator
Prof. Dr. Andreas Hoffmann
mit Dr. Jan Metzler,
Kommunikation
Hamburger Kunsthalle
und Dr. Stefan Brandt,
Geschäftsführer
Hamburger Kunsthalle
Die Kunsthalle Hamburg hat zur Überbrückung einer langen
Umbauphase unkonventionelle Kommunikation von der
Außendarstellung über die Programmgestaltung bis zur
Förderkreisansprache eingesetzt. So wurde die Besucherzahl
sogar gesteigert.
146
„Wir sind sehr glücklich über die Auszeichnung unserer
Kampagne WEITER OFFEN, die wir zusammen mit der
Agentur Heine/Lenz/Zizka entwickelt und umgesetzt haben.
Gedacht war sie zuerst nur als Hinweis darauf, dass wir trotz
der umfangreichen Modernisierung – aufgrund derer wir rund
zwei Drittel des Museums temporär für die Besucher schließen
mussten – weiter geöffnet bleiben. Die Kampagne hat dann
aber eine enorme Eigendynamik entwickelt und wurde weit
über Hamburg hinaus positiv aufgenommen. Der Claim
WEITER OFFEN ist auf diese Weise zum Leitgedanken der
neuen Hamburger Kunsthalle geworden. Wir wollen aber nicht
dabei stehenbleiben, sondern uns in Zukunft noch mehr für
unsere Besucher öffnen! Die Ideen dafür sind schon entwickelt;
jetzt geht es an die Umsetzung. Als wir zur Preisverleihung
gekommen sind, haben wir nicht mit einer Auszeichnung
gerechnet. Umso größer war dann unsere Freude über den Preis.
Ich sehe das auch als Bestätigung für das große Engagement
der Mitarbeitenden, Förderer und Freunde der Kunsthalle, die
gemeinsam unser Haus durch diese wirklich herausfordernden
anderthalb Jahre der Modernisierung getragen haben.“
Dr. Stefan Brandt,
Geschäftsführer
Hamburger Kunsthalle
147
KATEGORIE 1
KAMPAGNE
NOMINIERTE
Nominierte der
Kategorie
KAMPAGNE
Das Deutsche Schauspielhaus Hamburg hat sich in einer SaisonEröffnungskampagne mit dem populären „D“-Zeichen vorgestellt. Die neue Intendantin Karin Beier hat mit dem populären
Zeichen das Profil gesetzt. Das programmatische „Markenzeichen“ stellt die Verbindung von Herkunft und Aktualität dar
und hat sich damit dem Wettbewerb profiliert gestellt.
148
Die Hamburgische Staatsoper hat sich mit Broschüren im
Triptychon erstmalig als Markeneinheit von Philharmonie, Oper
und Ballett vorgestellt und damit eine Kampagne für mehr
öffentliches Ansehen und die Gewinnung jüngeren Publikums
eingeleitet, z.B. durch Opern-Übertragungen Open Air und die
Einführungs-Konzerte des Hamburger Tons von Kent Nagano.
Der regionale Verein ZuFlucht Wendland hat sich in einer
Region der Metropolregion Hamburg mit besonderen Problemen
der Lage mit einem historischen Profil dargestellt und dies mit
einer eigenständigen Programmatik verbunden, die Kultur als
soziale Herausforderung interpretiert. Es ist sehr zu wünschen,
dass sich dieser kreative Ansatz bewährt und Wettbewerber
findet.
149
KATEGORIE 2
MARKE
KATEGORIE 2
MARKE
PREISTRÄGER
Prof. h.c. Peter Schmidt,
Laudator und
Tina Heine, Initiatorin
ELBJAZZ
Eine Marke ist etwas Vertrautes, etwas Einmaliges.
Egal, wo sie erscheint, sie bleibt nicht unerkannt.
Um eine wiedererkennbare Marke zu schaffen,
braucht es Durchhaltevermögen und Kreativität in
der Erschaffung von Kunst und Kommunikation über
einen langen Zeitraum. Und auch den Glauben in das
eigene Potenzial und das Projekt, für das sich die Arbeit
lohnt.
In der zweiten Kategorie wird eine Kultur-Marke
ausgezeichnet, die Wiedererkennungswert besitzt und
durch ihr Handwerk nach innen und außen überzeugt.
Der Name ELBJAZZ ist als Markenzeichen konsequent umgesetzt. Weltweit gibt es kein vergleichbares Jazz-Festival.
Insbesondere waren die Bühnen zum Teil beeindruckend
umgesetzt. Die Hamburg-typische Marke trägt zur Identität
der Metropolregion Hamburg bei und bewährt sich dabei auch
gegen den schrumpfenden Massengeschmack für Jazz.
150
151
KATEGORIE 2
KATEGORIE 2
MARKE
PREISTRÄGER
„Als wir vor zwei Jahren nominiert wurden, war es eine
große Ehre. Dass wir dieses Jahr den Preis gewonnen haben,
ist eine tolle Anerkennung für unsere Arbeit. Es bestätigt uns
in dem Glauben, dass beim Aufbau und der Vermittlung einer
Kulturmarke die Form der Kommunikation so unendlich
wichtig ist. Im Falle von ELBJAZZ geht es nicht nur darum,
eine Bühne hinzustellen und gute Musik zu machen, sondern
sich gleichzeitig und mindestens ebenso wertig darüber
Gedanken zu machen, wie kommuniziere ich , wer ist mein
Gegenüber, wie erreiche ich es und was sind die Erwartungshaltungen.“
MARKE
NOMINIERTE
Nominierte der
Kategorie MARKE
Tina Heine,
Initiatorin ELBJAZZ
Der Förderverein Grünes Forum Selbstverwaltung begibt
sich mit seinem kreativen Ansatz und der Ziele auf ein
eigenständiges Gebiet der Markenentwicklung mit der Figur
„Jamel rockt den Förster“, sympathisch die Angesprochenen
einbeziehend. Sie lädt das regionale Publikum ein mitzumachen. Erweitert damit die Begrifflichkeit von Kultur.
152
153
KATEGORIE 2
MARKE
NOMINIERTE
Der Markentauftritt der Musikhochschule Lübeck
besticht durch klare, puristische Formgebung und definiert
abgestimmte Farbgebung, die einen hohen authentischen
Anspruch unterstreichen. Dem entspricht auch der
konzeptionelle Ansatz der Marke. So zum Beispiel darin,
dass das Lübeck bezogene Brahms Festival von Studierenden
und Dozenten gemeinsam erarbeitet wird.
KATEGORIE 3
JUNGE KOMMUNIKATION
Aller Anfang ist schwer – besonders bei Kulturschaffenden. Junge Kommunikation muss überzeugen und
Aufmerksamkeit, Zuschauer und Zuhörer gewinnen,
dabei allerdings meist mit begrenzten materiellen und
personellen Ressourcen auskommen. Gute Kommunikation von Anfang kann der Schlüssel für den Erfolg eines
Kulturprojektes sein.
In der dritten Kategorie wird eine Neugründung
ausgezeichnet, die durch ihre Kommunikationsstrategie
in etwa 3 Jahren herausragende positive Resonanz
erreichen konnte.
Die Buchhandlung Felix Jud verfolgt mit der konsequenten
Nutzung des Gründernamens in der Außendarstellung, wie
in der Kultur des Unternehmens einen Weg, der auch im
digitalen Zeitalter, mit durch Antiquariat und Kunsthandel erweiterten Portfolio als Marke tragen wird. Veranstaltungen vor Ort
mit regem Publikumsinteresse füllen die Marke mit Leben. Die
deutschlandweite Kooperation mit Kollegen und eigenen literarischen Produkten fördert die Qualität der Marken-Entwicklung.
154
155
155
KATEGORIE 3
JUNGE KOMMUNIKATION
PREISTRÄGER
Preisstifter
Rudolf Stilcken,
Boris Matchin und
Amadeus Templeton,
Gründer und Leiter
von TONALi
„Dieser Preis ist ein toller Preis, weil junge Kommunikation
genau das ist, was wir tun. Wir versuchen das Image klassischer
Musik aufzupeppen. Wir versuchen die Jungend in einer
Form ernst zunehmen, wie das im Bereich Klassischer Musik
wahrscheinlich nicht so viele andere tun. Dadurch gelingt uns
ein starker Aufbau eines involvierten, partizipierenden und
teilhabenden Publikum. Bei uns kommt nichts auf die Bühne,
was von der Jugend nicht in irgendeiner Form mitgestaltet,
organisiert und verantwortet wird.“
Amadeus Templeton,
Leiter TONALi
TONALi ist ein Kultur-Vermittlungsprojekt, das aus einem
Wettbewerb hervorgegangen ist. Die daraufhin eingeleitete
Markenentwicklung richtet sich an die Zielgruppe Jugend für
Klassik. Die Bewerbung überzeugt durch hochkarätiges
Design, in konsequentem Einsatz für Reichweiten starke
Veröffentlichungen. Drei abendfüllende Filme dienen zur
Selbstdarstellung.
156
157
KATEGORIE 3
JUNGE KOMMUNIKATION
NOMINIERTE
Nominierte der
Kategorie
JUNGE
KOMMUNIKATION
Stiftung Kulturpalast Hip Hop Academy ist zu einem wichtigen
Zentrum für Hip Hop in Deutschland geworden. Mit einem cool
empfundenen Angebot für junge Talente von 13 - 25 Jahren.
Markenführung passgenau mit Events in der Bildsprache und
starker Präsenz in den sozialen Netzwerken. Hohe Bekanntheit
und Akzeptanz in der Stadt und der Metropolregion Hamburg
sind durch starke Markenführung erkennbar.
Affordable Art Fair ist ein international bewährtes, populäres
Kunstmessen-Projekt. Durch ein unkonventionell konzipiertes
Angebot preislimitierter Künste der Gegenwart hat die
Affordable Art Fair Hamburg vom Start weg starke Resonanz
bei internationalen Galerien und lebhaft große Besucherzahlen
erreicht. Verkäufer und Käufer waren nach den ersten zwei
Messe-Wochenenden sehr angetan und zufrieden.
158
159
Prof. Dr. Friedrich Loock
15.10.2015 RESONANZRAUM ST. PAULI
IMPULSVERANSTALTUNG
Unter der Federführung des Instituts für Kultur- und Medienmanagement der Hochschule für Musik und Theater Hamburg,
fand vor der festlichen Preisverleihung. eine Impulsveranstaltung
statt. Moderiert von dem ehemaligen Direktor des Instituts,
Prof. Dr. Friedrich Loock wurde über folgende Themen debattiert:
- aktuelle Programmatiken und Richtungen der
Kultur-Kommunikation
- das Spannungsfeld von Globalisierung und lokaler Szene
und wie Kunst zu erlebter Kultur wird
- die „richtige“ Inszenierung von Kunst
- die Notwendigkeit von Markenentwicklung im Kultursektor in Beziehung zu ihrer Kundschaft
Drei informative Impulse, präsentiert von Prof. Dr. Andreas
Hoffmann, Christian Kellersmann und Rudolf Stilcken bildeten
dafür die Grundlage. Insbesondere die Stärkung der Metropolregion als identitätsstiftender Verbund in Zeiten anhaltender
Globalisierung, wurde als wichtiger Faktor hervorgehoben.
„Wodurch, wenn nicht durch Kultur, durch die Künste könnte ein
Austausch entstehen aus dem sich die Metropolregion zu einer
Region mit Markencharakter entwickelt, wie etwa im traditionsreich, modernen München – Oberbayern oder im neu erwachten
Kulturraum Ruhrgebiet.“ (Rudolf Stilcken). Dies zu erkennen
und sich zur Aufgabe zu machen ist eine Aufgabe, die sich die
Kultur im Rahmen ihrer kommunikativen Arbeit stellen solle.
Gleichzeitig wurde festgestellt, dass einige kulturelle Angebote,
trotz gleich guter Kommunikation an einem Ort funktionieren
und an anderen keine Chance auf Erfolg haben.
Zum Abschluss der Impulsveranstaltung kam Rudolf Stilcken zu
dem Ergebnis, dass „nichts ohne
Kommunikation ist, Kultur schon
gar nicht.“
Rudolf Stilcken
Fragen aus dem Publikum
Christian Kellersmann
Studierende des KMM
F.C. Gundlach, Angelika Jahr-Stilcken
160
161
Prof. Dr. Alexander Deichsel
15.10.2015 RESONANZRAUM ST. PAULI
PREISVERLEIHUNG
Die Preisverleihung wurde moderiert von Prof. Dr. Reinhard
Flender, Direktor des Instituts für kulturelle Innovationsforschung an der Hochschule für Musik und Theater und seit
Oktober 2015 ebenfalls Direktor des Instituts KMM. Er
unterstrich, dass das Institut für kulturelle Innovationsforschung
gerne die Trägerschaft für den Hamburger Preis für Kulturkommunikation übernommen habe, da Innovation ausdrücklich
ein Kriterium für die Preiswürdigkeit der Preisträger gewesen
sei. Somit fördert der Preis kulturelle Innovation auf dem Gebiet
der Kulturkommunikation. Dieses Profil stellt ein Alleinstellungsmerkmal im deutschsprachigen Raum dar und ist für die Metropolregion Hamburg ein besonderes kulturpolitisches Element.
Nach Grußworten von Tobias Rempe, Geschäftsführer des
Ensemble Resonanz hörten die Zuschauer von Mitgliedern eben
diesen Ensembles den 4 Satz aus dem Streichquartett in F-Dur
op. 96 von Anton Dvořák im Original sowie den 2 Satz als
Special-Cage-Infused-Melody Mix von David-Maria Gramse.
Prof. Dr. Alexander Deichsel gab im Anschluss in seiner Festrede eine Einführung in Substanz als Gestalt und unterstrich
in seinen Ausführungen, dass das Kulturpublikum – die Kundschaft, Leistungen und eine kommunikative Leitung in der
Kultur-Kommunikation einfordert. Darauf folgend begann die
Auszeichnung der Preisträger und die Würdigung der Nominierten durch die Jurymitglieder Prof. Dr. Andreas Hoffmann,
Prof. h.c. Peter Schmidt und Rudolf Stilcken.
Gemeinsam schlossen Prof. Dr. Reinhard Flender und
Rudolf Stilcken die Veranstaltung ab und luden die Gäste
zu einem Empfang im resonanzraum ein.
Prof. h.c. Peter Schmidt
Alle Preisträger
der 3 Kategorien
Prof. Dr. Reinhard Flender
Tobias Rempe,
Geschäftsführer des
Ensemble Resonanz
162
Mitglieder des
Ensemble Resonanz
mit Musik von
Anton Dvořák
Prof. Dr. Reinhard Flender
und Rudolf Stilcken
163
15.10.2015 RESONANZRAUM ST. PAULI
IMPRESSIONEN
Ein einladender Ort
der Begegnung: Der neue
resonanzraum
V. l. n. r.
Prof. h.c. Peter Schmidt,
Prof. Dr. Alexander Deichsel
V. l. n. r.
Manja Stuhlmann-Laeisz,
Erma Schmidt-Stärz,
Wolfgang Behnken
V. l. n. r.
Tobias Rempe,
Börries von Notz,
F. C. Gundlach
V. l. n. r.
Rudolf Stilcken,
Alexander Stilcken,
Angelika Jahr-Stilcken
V. l. n. r.
Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Rauhe,
Annemarie Rauhe,
Prof. Elmar Lampson
V. l. n. r.
Prof. Dr. Andreas Hoffmann,
Tina Heine
V. l. n. r.
Prof. Manuela Rousseau,
Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Rauhe,
Rudolf Stilcken
V. l. n. r.
Prof. Dr. Michael Theede,
Christian Kellersmann
164
165
15.10.2015 RESONANZRAUM ST. PAULI
RADIKALE RESONANZ AUF 2506 m 2
Offene Betonwände erzählen von seiner Geschichte,
während die große, leuchtende Bar, ein warmer
Holzfußboden und die offene Raumgestaltung ihn
zum einladenden Ort der Begegnung werden lassen. Auch
das Lichtkonzept wurde gezielt für den Raum entworfen
und ist Teil seiner kunstvollen Gestaltung. Eine Referenz
an alte Konzertsäle, zeitgenössisch interpretiert.
Nach Jahren der Suche hat das Ensemble Resonanz
im Bunker an der Feldstraße eine neue Heimat gefunden:
Mitten in St. Pauli ist ein Raum für Resonanz entstanden, der
Proberaum für das Ensemble und Experimentierfläche für
neue Konzertideen zugleich ist. Große drehbare Eisentore
steuern die Akustik des Raumes und ermöglichen eine große
Gestaltungsfreiheit für die Nutzung.
166
167
RÜCKBLICK
WAS VERÄNDERTE DER PREIS 2013
BEI SEINEN PREISTRÄGERN
„Bücher für alle – von Anfang an!“ richtig liegen, und zum
zweiten bewies sie, dass unsere Buchstart-Kampagne nicht
nur von Eltern und Erziehenden, sondern auch von Kommunikations-Profis positiv wahrgenommen wird. Darüber haben
wir uns sehr gefreut!«
»Die Auszeichnung mit dem Rudolf Stilcken-Preis für
Kultur-Kommunikation beweist einmal mehr, dass das Theater
Lübeck kulturell und kommunikationsstrategisch in der 1. Liga
und auf Augenhöhe mit den renommierten Kulturinstitutionen
der Hansestadt Hamburg spielt. Dank der ausgezeichneten und
kontinuierlichen Kommunikations- und Marketingkampagne
hat das einzigartige Projekt »Wagner-trifft-Mann« in der
Metropolregion Hamburg einen hohen Bekanntheitsgrad,
einen bedeutsamen Imagegewinn und damit verbunden auch
eine deutlich höhere Besucherzahl erlangt.«
»Für das Buchstart-Team war der Rudolf-Stilcken-Preis eine
doppelte und sehr willkommene Bestätigung: Zum einen
zeigte uns die Auszeichnung, dass wir mit unserer Forderung
168
Christian Schwandt,
Geschäftsführender
Theaterdirektor
Theater Lübeck
gGmbH
Nina Kuhn,
Seiteneinsteiger e. V.
»Der von Rudolf Stilcken initiierte Preis für KulturKommunikation lenkt die Aufmerksamkeit darauf, wie
vielfältig sich Kunst die Resonanz guter Kommunikation
zunutze machen kann. Aus dem künstlerischen Profil heraus
gedacht, kann Kommunikation die Rezeption von Kunst
verändern, ihren Ideen fruchtbaren Nährboden bieten und ihre
Relevanz in der Gesellschaft stärken. Der Preis ist ein Mutmacher für diese Prozesse, der das Ensemble Resonanz in
seinen Ideen und auf seinem Weg der nahbaren und offenen
Kommunikation inspiriert hat. Mit dem Preisgeld konnten wir
die Eröffnung des resonanzraums mit einer Kampagne in der
Stadt ankündigen. So freuen wir uns sehr, dass die Preisverleihung 2015 in diesem neuen Konzertsaal stattfindet! “
Elisa Erkelenz,
Ensemble Resonaz
169
DER TRÄGER
DER IMPULSGEBER
DAS INSTITUT FÜR KULTURELLE
DAS INSTITUT FÜR KULTUR- UND
HOCHSCHULE FÜR MUSIK UND
DER HOCHSCHULE FÜR MUSIK
INNOVATIONSFORSCHUNG AN DER
THEATER HAMBURG
Das IKI wurde von Prof. Dr. Reinhard Flender als
Schnittstelle zwischen Hochschule, Kreativwirtschaft und
Kulturpolitik gegründet. Die kulturelle Innovationsforschung
untersucht die Entstehung neuer Kunst interdisziplinär aus
der Perspektive künstlerischer Kreativität, ihrer gesellschaftlichen
Rezeption und Finanzierbarkeit. Sie bezieht sich nicht allein
auf den Akt künstlerischen Schaffens, sondern schließt die
Strukturen und Konzepte der Kommunikation und Distribution
künstlerischer Produkte und Dienstleistungen mit ein. Die
Theoriebildung und Evaluation der „Art of Innovation“ ist das
Ziel der Institutsarbeit. Damit leistet das IKI einen wesentlichen
Beitrag für die Qualität und Nachhaltigkeit von künstlerischem
Schaffen und Kulturmanagement.
MEDIENMANAGEMENT
UND THEATER HAMBURG
Im Jahre 1987 wurde an der Hochschule für Musik und Theater
Hamburg der Studiengang Kulturmanagement eingerichtet.
Er war damals bundesweit das erste Angebot dieser Art.
Aus diesem ging im Jahre 2000 das Institut für Kultur- und
Medienmanagement hervor. Das Institut ist inzwischen mit
ca. 500 Studierenden und über 60 Lehrenden im Präsenz
und Fernstudium eine der größten Einrichtungen europaweit und
bietet ein breites Spektrum von Qualifikationsmöglichkeiten an:
vom Zertifikat über den Bachelor und Master bis zum Dr. phil.
www.kmm-hamburg.de
www.iki-hamburg.de
170
171
RUDOLF STILCKEN
ABSCHLUSSBEMERKUNG AM 15. OKTOBER 2015
ZUR VERLEIHUNG DES HAMBURGER PREISES
FÜR KULTUR-KOMMUNIKATION 2015
Ja, meine Damen, meine Herren, ich habe zu Anfang gesagt, liebe
Impulsgeber, liebe Impulsnehmer, ich hoffe es hat nach beiden
Seiten funktioniert. Es ist höchste Zeit zum zwanglosen Teil des
Abends überzugehen.
Erlauben Sie mir nur noch einige Schlussbemerkungen.
Die erste Schlussbemerkung ist die, dass wenn ich morgen früh
aufwache, mich natürlich fragen werde, ist der Inhalt, ist der Ablauf, ist das Ganze so, dass es sich lohnt für eine Dokumentation
darüber? Ich bin heute Abend schon geneigt zu sagen, der ganze
Tag ist so substanzhaltig verlaufen – erlauben Sie das Wort Substanz in diesem Zusammenhang –, dass es sich lohnt daraus eine
Dokumentation zu machen und ich möchte Sie unabgestimmt
mit Herrn Prof. Flender bitten, wenn Sie Anregungen, wenn Sie
Kritik, wenn Sie was auch immer dazu zu sagen haben, geben
Sie es an das Institut für kulturelle Innovationsforschung der
Hochschule, sodass wir das auch noch mit verarbeiten können,
vielleicht sogar mit drucken können.
Das Zweite was ich mich selbstkritisch natürlich auch fragen
werde, haben wir vielleicht wirklich etwas Grundsätzliches außer
Acht gelassen. Und da ist im Augenblick in meiner Überlegung
nur, dass wir die Agenturen zunächst mal ganz bewusst nicht
eingeladen haben, aber jetzt im 2. Durchlauf eigentlich vernachlässigt haben. Obwohl doch die Agenturen, gerade in dieser Stadt
172
einen kreativen Beitrag zur Kultur-Kommunikation leisten.
Wenn man ein bisschen die Hintergründe kennt, weiß man dass
es zu einem erheblichen Teil sogar pro Bono, das heißt für die
Gemeinnützigkeit geschieht, das es zu einem erheblichen Teil zu
niedrigeren Honoraren geschieht, dass es aber auf jeden Fall mit
großem Engagement und großer Identifikation geschieht. So dass
ich also auf jeden Fall mit der Anregung im Augenblick hier weggehe, dass man über eine Mitwirkung von Agenturen an diesem
Fortschritt der Kultur-Kommunikation mehr nachdenken sollte.
Und das führt zur 3. und letzten Überlegung, nämlich zu der
Frage die man sich ja immer am Ende eines solchen Abends stellt.
Wie geht es weiter, wie kann es weitergehen. Und dazu muss ich
sagen, dass ich diesen Anschub möglich gemacht habe. Dass ich
auch, gebe ich zu, mit großer Begeisterung und mit viel Vergnügen daran mit gearbeitet habe. Dass ich aber jetzt meine, es muss
sich herausstellen ob aus diesem Anschub eine Stafette entstehen
kann. Wir werden uns also in den nächsten Wochen und Monaten mit der Frage beschäftigen ob und wie kann es den Preis für
Kultur-Kommunikation Hamburg für 2017 geben. Ich hoffe, dass
es nach dem Verlauf des heutigen Tages und nach dem was wir
jetzt schon sehen können aus der Kultur-Kommunikations-Szene
der Metropolregion daraus wirklich etwas entstehen könnte und
das wäre dann für mich eine allerletzte Bemerkung, wenn es denn
weitergeht, sollte ein verstärkter Einsatz der Metropolregion auch
möglich sein, denn Hamburg wird nach innen und außen in der
Zukunft nur leben, wenn die Metropolregion Identität gewinnt.
Vielen Dank!
173
DANKSAGUNGEN
Ein herzlicher Dank geht an alle Bewerberinnen und Bewerber des
Preises für ihr Engagement und die Teilnahme. Alle Bewerbungen haben
das hohe Niveau und die Vielfalt in der Metropolregion abgebildet.
Unser Dank geht außerdem an die Jury und Impulsgeber des
Preises: Prof. Dr. Reinhard Flender, Prof. Dr. Andreas Hoffmann,
Christian Kellersmann, Prof. Dr. Friedrich Loock, Barbara Mirow,
Prof. H.C. Peter Schmidt und Rudolf Stilcken.
Dank geht ebenso an das Institut für kulturelle Innovations-
forschung an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg,
insbesondere an Prof. Dr. Reinhard Flender und Jenny Svensson für
die Trägerschaft des Preises sowie die Unterstützung bei der Umsetzung
der Auslobung des Preises.
Des Weiteren gilt unser Dank insbesondere Peter Schmidt und dem
Atelier peter schmidt, belliero & zandée für die Gestaltung des Logos
und der Preisskulpturen.
Besonderer Dank geht außerdem an Prof. Dr. Alexander Deichsel für
seine Einführung im Rahmen der Preisverleihung.
Wir bedanken und ganz herzlich bei allen Autorinnen
und Autoren dieser Publikation: Prof. Dr. Alexander Deichsel,
Elisa Erkelenz, Prof. Dr. Reinhard Flender,
Prof. Dr. Andreas Hoffmann, Christian Kellersmann,
Prof. Elmar Lampson, Prof. Dr. Friedrich Loock und
Rudolf Stilcken.
174
175
IMPRESSUM
Herausgeber:
Prof. Dr. Reinhard Flender (v.I.S.d.P.)
KMM VERLAG
KMM Institut für Kultur- und Medienmanagement
der Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Große Bergstraße 264/266
22767 Hamburg
www.kmm-hamburg.de
Redaktion:
Max Münz, Rudolf Stilcken
Lektorat:
Bildrechte:
Andreas Hoffmann S. 50-90: 1 (Dirk Fellenberg/Martin Luther), 2 (MKG Hamburg)
3 (Roland Magunia), 4 (Hamburger Kunsthalle, Kay Riechers), 5 (Architekten von
Gerkan, Marg und Partner (gmp)), 6 (Hamburger Kunsthalle), 7 (MKG Hamburg),
8 (Qart, Hamburg), 9 (Simon Vouet (1590–1649): Die vier Jahreszeiten, 1644/45,
National Gallery of Ireland, Dublin, Agentur: gürtlerbachmann), 10 (MKG Hamburg),
11 (Henning Rogge/ Deichtorhallen Hamburg), 12 (Bucerius Kunst Forum),
13 (Bucerius Kunst Forum, Ulrich Perrey), 14 (Michaela Hille), 15 (Fred Dott);
Elisa Erkelenz S. 115 ( Jonas Lindstroem); Rudolf Stilcken S. 140 (Richard Stradtmann);
Fotos S. 144 - 165 ( Jürgen Joost, Hannes Harnack); resonanzraum S. 166, 167 ( Jann Wilken)
Wir haben uns bemüht, die einzelnen Bildrechte zu recherchieren.
Das ist nicht in allen Fällen gelungen. Bildrechte-Inhaber bitten wir
um einen entsprechenden Hinweis an uns.
Erscheinungstermin:
März 2016
Prof. Dr. Reinhard Flender
Nachbestellungen der Publikation sind unter [email protected]
Gestaltung:
Die Online-Version dieser Publikation ist auf der Seite:
Art Direction, Wolfgang Behnken
Grafik, Kirsten Gutmann
Druck:
Beisner Druck GmbH & Co. KG
176
für 7,50 € + 1,65€ Porto möglich.
www.kulturkommunikationspreis.de frei verfügbar.
ISBN 978-3-9813044-2-8
© Mit freundlichen Abdruckrechten der Autoren.
www.kulturkommunikationspreis.de
177
179
ISBN 978-3-9813044-2-8
7,50 € Einzel-Verkaufspreis