A M WO C H E N E N D E HF1 MÜNCHEN, SAMSTAG/SONNTAG, 27./28. FEBRUAR 2016 72. JAHRGANG / 8. WOCHE NR. 48 / 2,90 EURO FOTOS: DIRK BRUNIECKI/LAIF, PR, KARSTEN WEGENER/SOLARUNDFOTOGRAFEN.COM, REUTERS Mann ohne Merkmal Auffällig unauffällig lächelt sich Facebook-Gründer Mark Zuckerberg durch seinen Deutschland-Besuch – mehr Schwiegersohn als Weltveränderer Feuilleton, Seite 15 Medien, TV-/Radioprogramm Forum & Leserbriefe München · Bayern Rätsel & Schach Traueranzeigen 42-44 14 41 59 20-21 61008 4 190655 802909 BÖSE VERSUCHUNG IMMER MEHR BERLIN Der Zwang zur Selbstoptimierung hat die Ernährung erreicht Schafft die Hauptstadt den Einwohner-Boom – oder der Boom die Hauptstadt? Wissen, Seite 33 Buch Zwei, Seite 11 DIE VERWANDLUNG 100 Jahre BMW: Allein mit Autos ist es nicht mehr getan Wirtschaft, Seite 32 Geschundenes Land Fifa billigt Reformpaket Bis heute ächzen die Griechen unter der Last der Schuldenkrise. Und nun kommt es noch schlimmer: Europa lässt Athen mit den Flüchtlingen allein. Ein Desaster inmitten der EU bahnt sich an Weltverband will Transparenz – und macht Millionenverlust Das Leben als buddhistischer Mönch ist aufregender, als man denkt. Kürzlich zogen buddhistische Geistliche in Thailand demonstrierend auf die Straße und stießen dabei auf das Militär, das sie stoppen wollte. Anstatt sich brav zu fügen, fingen die Mönche an zu rangeln. Einer nahm gar einen Soldaten in den Schwitzkasten. Der Mann in Camouflage blieb chancenlos. Zugegeben, er hat sich auch nicht gewehrt. Einen Mönch anzurühren, ist eine heikle Sache. Der bizarre Zweikampf machte einerseits deutlich, dass Mönche nicht immer die in Safran gehüllte, personifizierte Milde sind. Andererseits war das Duell sinnbildlich für einen Konflikt, der das zerrissene Thailand noch tiefer spalten könnte. Einige Mönche sind in diesen Tagen besonders aufgebracht. Sie ärgern sich über Thailands Militärregime, das sich gegen die Ernennung ihres neuen Patriarchen sperrt. Der Kandidat ist vom obersten Rat der Buddhisten längst nominiert, aber die Generäle zögern. Sie argumentieren, dass DIZdigital: Alle Alle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten –- Süddeutsche Süddeutsche Zeitung Zeitung GmbH, GmbH, München München DIZdigital: Jegliche Veröffentlichung Veröffentlichungund undnicht-private nicht-privateNutzung Nutzungexklusiv exklusivüber überwww.sz-content.de www.sz-content.de Jegliche JAN 2015 FEB 91 MÄR APR MAI JUN NOV 11 71 13 71 11 10 OKT DEZ Darstellungen zueinander nicht maßstabsgetreu 60 SEP 46 14 AUG 51 50 10 JUL 11 54 12 35 31 31 8 21 11 89 17 8 11 46 55 13 8 97 74 78 2 73 28 09 10 94 6 89 9 50 2 10 10 78 43 87 42 15 14 71 12 23 Migranten pro Monat von ihnen in Griechenland gestellte Asylanträge 49 21 16 63 Flüchtlinge in Griechenland 16 Athen/Brüssel – Für viele Flüchtlinge, die griechischen Boden erreichen, ist das Land nicht die Rettung. Es ist reine Zeitverschwendung. Wer morgens mit dem Gummiboot ans Ufer der Ferieninsel Lesbos gespült wird, will abends auf der Fähre nach Athen sitzen. Tickets verkaufen Reisebüros im Lager. Im Flüchtlingslager Kara Tepe auf Lesbos hängt eine Karte. Sie zeigt, wie man aufs Festland kommt und von dort aus Richtung mazedonische Grenze und weiter nach Deutschland. 2015 kamen so etwa eine Million Flüchtlinge in Griechenland an. Sie waren bald wieder fort. Transitland Griechenland eben. Aber das ist nun vorbei. Griechenland bekommt auf einmal zu spüren, was es heißt, Flüchtlinge tatsächlich aufzunehmen. Das bedeutet noch eine Krise im geschundenen Krisenstaat Griechenland. Eine humanitäre Katastrophe bahnt sich an. Österreich und die Balkanländer haben sich gegen Athen verschworen, Mazedonien hat die Grenze fast komplett dichtgemacht. Am Grenzübergang in Idomeni können nur noch einige Hundert Glückliche am Tag passieren. Afghanen verweigert Mazedonien die Einreise. Auch Syrer und Iraker ohne gültige Papiere sitzen fest. Die „Zeit des Durchwinkens“ sei vorbei, heißt es lapidar bei den nördlichen Nachbarn. Tausende stecken fest. Und auf den Inseln im Süden kommen weiterhin täglich im Schnitt 3000 Flüchtlinge an. Die Regierung hat versprochen, 50 000 Unterkunftsplätze zu errichten. So viele Flüchtlinge sollen zwar lange noch nicht im Land sein, aber schon jetzt bricht Chaos aus. Entlang der Autobahnen laufen Flüchtlinge in Trecks Richtung Norden. Sie reißen die Zäune der Notunterkünfte träge sind einzuhalten. Wir können nicht vergessen, wie das andauernd wiederholt wurde. Aber das gilt nicht für alle“, empört sich Premier Alexis Tsipras. Sein Land könne nicht zu Europas Warenhaus für Flüchtlinge werden. Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ist in Griechenland nicht mehr willkommen. Wien wirft Athen vor, die EU-Außengrenze nicht effektiv zu schützen. Die Flüchtlingskrise sei eines der größten Risiken für die Wirtschaft, erklärt derweil die griechische Zentralbank. Sie sieht 2016 Kosten von mindestens 600 Millionen Euro auf das Land zukommen. Zaghafte Erfolge bei der Bewältigung der Schuldenkrise stehen auf dem Spiel. Gibt die Flüchtlingskrise Griechenland den Rest? „Ich hoffe nicht“, sagt die frühere griechische Außenministerin Dora Bakoyannis, die für die konservative Nea Dimokratia ein, weil sie nicht bleiben wollen. In Athen campieren Verzweifelte im Freien. In ein paar Tagen könnte das Land kollabieren. Vergangenes Jahr haben nur 14 368 Migranten Asyl in Griechenland beantragt. Es hat sich bis zu den Verzweifelten herumgesprochen, dass es kaum ein ungeeigneteres Ziel gibt, wenn man in dieser Krise Sicherheit sucht. Griechenland hat genug Probleme mit sich selbst. Solange wie in Syrien der Krieg tobt, kämpft Athen mit der Schuldenkrise. Im Sommer hatte Athen mit den Kreditgebern um den Verbleib in der Eurozone gerungen. Damals halfen die Partner mit Milliarden und legten Athen wieder einmal ein hartes Sparprogramm auf. In der Flüchtlingskrise haben die Griechen den Eindruck, Europa habe sie schon fallen gelassen. Absprachen wie jene, keineswegs im Alleingang Grenzen zu schließen, werden ignoriert. „Ver- 64 von thomas kirchner und mike szymanski 10 (SZ) Welch ein sehnsuchtsvoller Zauber liegt doch in dem Begriffspaar „Entfernte Verwandte“. So könnte der Titel eines Gabriele-Wohmann-Romans lauten – liest heute eigentlich noch jemand GabrieleWohmann-Romane, und falls nicht, darf man mal fragen, warum? Es sind doch gute Bücher, die oft von Menschen handeln, die komplizierte Verhältnisse zueinander pflegen, also von Menschen, wie Du und ich es sind. Bücher mit wunderschönen Titeln wie „Schönes Gehege“ oder „Frühherbst in Badenweiler“, die in jedes Bücherregal gehören, dessen Besitzer Wert auf wohlklingende Buchnamen legt, weil sie den Besucher neugierig machen. Den Buchttitel „Entfernte Verwandte“ gibt es übrigens tatsächlich, er stammt von dem finnischen Schriftsteller Matti Rönkä und schmückt einen Kriminalroman – eine Sachlage, die uns von Gabriele Wohmann entfernt, dafür aber näher an Markus Söder heranrücken lässt. Der bayerische Finanzminister hat erklärt, die beiden Schwesterparteien CDU und CSU seien nunmehr „entfernte Verwandte“. Die ewigen Klugredner bekommen hier deshalb nicht das Wort, weil sie wieder nur monieren, dass Schwestern ja per se keine entfernten, sondern sehr nahe Verwandte seien. Geschenkt. In Söders Distanzierungsfantasie, so bös und keck sie daherkommt, steckt in Wirklichkeit ein wohmannscher Zauber. Denn sind entfernte Verwandte nicht solche Familienangehörige, denen wir mit größerem Respekt begegnen als den uns näher stehenden? Weil die entfernten Verwandten abseits der gemeinsamen Konfliktfelder ihre Zelte aufgeschlagen haben, flechten wir ihre Namen gerne in Familiengeschichten ein – treffen wollen wir die entfernten Verwandten dagegen nicht so häufig, nur zu besonderen familiären Ereignissen. Mit ihnen verbindet uns eine weitverzweigte Geschichte, eine, wie Soziologen sagen, große „Erzählung“, für deren Ausschmückung eine Heerschar von Tanten unter Anwendung großer Mengen Eierlikör gesorgt hat. Die entfernten Verwandten sind die utopische Blaupause der nahen Verwandten. Wären Bruder, Schwester und Eltern doch wie die Onkel, Cousinen und Neffen zweiten und dritten Grades! Man würde nur aus Erzählungen von ihnen hören und nicht aus der Küche nebenan. Wenn Markus Söder das gemeint haben sollte, hat er eine neue Ära der schwesterparteilichen Verbundenheit eingeläutet. Eine Allianz, die Hoffnung auf unerfüllte Sehnsüchte macht. So wie man sich als armer Schlucker einen reichen Onkel in New Hampshire erträumt, so erträumt sich Markus Söder eine CDU, die ihm in fernen Sagenzeiten in das Kostüm des Märchenkönigs hineinhilft, das er kürzlich probeweise trug. Es waren nicht ausschließlich politische Gegner, die dem Minister bescheinigten, nicht einmal als entfernter Verwandter des Monarchen gelten zu dürfen. SZ-Grafik: Mainka; Quelle: UNHCR WWW.SÜDDEUTSCHE.DE JAN 2016 Per Mercedes ins Nirwana In Thailand steht der Anwärter aufs höchste buddhistische Amt in der Kritik. Ein Mönch hat ein Luxusproblem sie abwarten müssen, bis alle Konflikte um den Kandidaten gelöst seien. Tatsächlich hat sich Widerstand gegen den Nominierten formiert. Der buddhistische Klerus ist uneins. Ob der Kandidat noch lange Zeit hat, das auszusitzen, ist fraglich. 90 Jahre ist Somdet Chuang alt. Auch das schützt ihn nicht vor unbequemen Fragen. So möchten viele wissen, wie er in den Besitz eines cremefarbenen Mercedes-Benz 300 B gekommen ist. Der ist jünger als er selbst, Baujahr 53, aber von hohem Wert. Ermittler baten den Mönch kürzlich zum Gespräch. Doch es könnte dauern, bis die Affäre aufgeklärt ist. Mit dem Mercedes ins Nirwana? Das klingt gemütlich. Würde nicht wieder der Streit aufbrechen, wie viel Luxus sich ein Mönch leisten darf. Immer wieder hat es Skandale um Verschwendungssucht im thailändischen Klerus gegeben, es wurde ermittelt wegen Korruption und Geldwäsche. Was aber würde ein Verteidiger vor Gericht anführen, um die Annehmlichkeiten eines hochstehenden Mönchs zu rechtfertigen? Dieser Frage ging kürzlich eine Kolumne in der Zeitung The Nation nach. Sie gipfelte in dem Gedanken, dass die Loslösung von allem Materiellen für einen Buddhisten ja nur gelinge, wenn es et- im Parlament sitzt. Es gebe aber eine sehr große Angst. „Zum ersten Mal stehen wir vor dem Ende der Europäischen Union, so wie wir sie kennengelernt haben.“ Wie die Türkei befindet sich das Land geografisch an einer Schnittstelle. Aber in der Strategie von Kanzlerin Angela Merkel fallen der Türkei und Griechenland unterschiedliche Rollen zu. Der EU-Beitrittskandidat Türkei wird als „Schlüsselland“ zur Lösung hofiert. Zwischen Milliardenhilfe seitens der EU und besserem Grenzschutz wird eine Verbindung hergestellt. Im Fall Griechenlands ist keine Rede von Erleichterungen beim Reformprogramm, damit Athen Luft bekommt, um mit der Flüchtlingskrise fertigzuwerden. Manfred Weber, Chef der konservativen EVPFraktion im Europaparlament, warnt: „Die anderen Euro-Staaten werden sehr klar reagieren, wenn Ministerpräsident Tsipras jetzt damit spielt, die Migrationskrise mit den Reformen in seinem Land zu verknüpfen. Der Versuch, sich um Reformen herumzudrücken, ist schon einmal im letzten Jahr gescheitert und wird wieder scheitern“, sagte er der SZ. Aber das Land steht vor einer Zerreißprobe: Griechenland soll weitere 1,8 Milliarden Euro einsparen. Das bedeutet Aufruhr. Tsipras bittet nun ausgerechnet die Frau um Hilfe, die Griechenlands Probleme jüngst aus den Augen verloren hatte: Angela Merkel. Die EU bereitet sich aufs Schlimmste vor. Ein neues Amt für humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz ist geplant. Es soll nicht nur außerhalb Europas eingreifen, sondern in der EU selbst. Bisher koordiniert es Hilfe bei Katastrophen weltweit. Mit derselben Schnelligkeit und Effizienz will die EU nun auch auf Notlagen in Europa reagieren können. Dafür wird die EUKommission einen konkreten Vorschlag präsentieren – in zehn Tagen. Spätestens. was gibt, von dem er sich tatsächlich lösen kann. So gesehen wäre der Mercedes ein ideales Vehikel auf dem Weg zum Nirwana, dem Zustand des höchsten Glücks. Freilich geht es um mehr als nur ein Auto. Die Gegner von Somdet Chuang fürchten dessen Verbindungen zum wohlhabenden Dhammakaya-Tempel. In ihm sehen Kritiker das Symbol eines materiell orientierten und fehlgeleiteten Buddhismus. Jahrelang gab es Korruptionsvorwürfe gegen den Chef des Klosters. Zwar hat ihn der oberste Zirkel der Mönche schließlich freigesprochen, dennoch bleibt er vielen suspekt. „Wir müssen den thailändischen Buddhismus reformieren, weil er verdorben ist“, fordert der Mönch Buddha Issara, der den Kampf gegen das Lager des nominierten Patriarchen anführt. Noch ist der 90-Jährige nicht ernannt, das letzte Wort hat der nur zwei Jahre jüngere König. Ihm muss Regierungschef Prayut Chan-o-cha Namen vorlegen. Doch der General hat es nicht eilig. arne perras Zürich – Der Fußball-Weltverband Fifa hat umfangreiche Reformen verabschiedet. Das Paket, das unter anderem eine Machtbeschränkung für den Präsidenten vorsieht, erhielt beim Kongress am Freitag in Zürich die notwendige DreiViertel-Mehrheit. Interimspräsident Issa Hayatou, der den gesperrten und scheidenden Amtsinhaber Joseph Blatter vertrat, erklärte, die Fifa beginne nun „ihre Reise mit dem Ziel, Vertrauen wiederherzustellen“. Für den neuen Präsidenten und die Mitglieder des neuen Councils, das das Exekutivkomitee ablösen soll, gilt eine Amtszeitbeschränkung von zwölf Jahren. Sie müssen sich zudem einem Integritätscheck unterziehen, ihre Gehälter werden offengelegt. Außerdem wurde bekannt, dass die Fifa wegen der diversen Skandale finanzielle Verluste in dreistelliger Millionenhöhe erwartet: Bis 2018 droht ein Defizit von 550 Millionen Dollar. sz Gabriel fordert Abkehr vom Sparkurs Berlin – SPD-Chef Sigmar Gabriel hat angesichts der Flüchtlingskosten eine Abkehr vom strikten Sparkurs und ein „neues Solidaritätsprojekt für unsere eigene Bevölkerung“ gefordert. Es müsse mehr Geld für Wohnungsbau und Kita-Plätze geben. Haushaltsüberschüsse dürften nicht „sakrosankt“ sein. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wies die Forderungen zurück. Die Koalition habe verabredet, auf einen „ausgeglichenen Haushalt“ hinzuarbeiten. sz Thema des Tages MIT STELLENMARKT Dax ▲ Dow ▶ Euro ▼ Xetra 16.30 h 9474 Punkte N.Y. 16.30 h 16686 Punkte 16.30 h 1,0954 US-$ + 1,53% - 0,07% - 0,0067 DAS WETTER ▲ TAGS 10°/ -4° ▼ NACHTS Winterlich kalt aber vorwiegend trocken. Je nach Nebellage und Nebeldauer setzt sich häufig die Sonne durch. Sonst ist es teils gering, teils wechselnd bewölkt. Höchsttemperaturen zwischen null und zehn Grad. Seite 14 Süddeutsche Zeitung GmbH, Hultschiner Straße 8, 81677 München; Telefon 089/2183-0, Telefax -9777; [email protected] Anzeigen: Telefon 089/2183-1010 (Immobilien- und Mietmarkt), 089/2183-1020 (Motormarkt), 089/2183-1030 (Stellenmarkt, weitere Märkte). Abo-Service: Telefon 089/21 83-80 80, www.sz.de/abo A, B, F, GR, I, L, NL, SLO, SK: € 3,80; dkr. 30; £ 3,50; kn 34; SFr. 5,00; czk 112; Ft 1020 Die SZ gibt es als App für Tablet und Smartphone: sz.de/plus
© Copyright 2024 ExpyDoc