itl Institut für technische Literatur Institut für technische Literatur [ i ] m Fokus mISD Das Fachmagazin von itl Ausgabe 23 – 02/2016 m-ISD standardisiert Die Integration des itl-Medienkonzepts in das Informations-Struktur-Design (ISD) zukunftssicher prozessorientiert multimedial 2 m-ISD Grußwort des Vorstands Sehr geehrte Kundinnen! Sehr geehrte Kunden! Ich hoffe, Sie sind mit frischem Schwung in das neue Jahr gestartet. Wenn auf Ihrer Agenda für 2016 die Weiterentwicklung Ihrer Dokumentation steht, können wir Sie mit einem neuen innovativen Konzept unterstützen, das wir Ihnen im ersten Artikel dieser Ausgabe vorstellen möchten. Es geht um die Integration des itl-Medienkonzepts in das Informations-Struktur-Design (ISD): das multimediale Informations-Struktur-Design (m-ISD). Es vereint das Beste aus Information Mapping, Funktionsdesign und DITA und ergänzt es mit konzeptuellen Modellen, die von uns neu entwickelt wurden. Im zweiten Artikel dieser Ausgabe zeigen Dieter Gust und Florian Gust anhand eines Beispiels die Tücken der Usability auf und erklären, welche Vorteile die elektronische Dokumentation gegenüber einer herkömmlichen Dokumentation auf Papier bietet und welche Chancen ihr dadurch im 21. Jahrhundert offenstehen. Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihre Regine Ceglarek m-ISD Die Integration des itl-Medienkonzepts in das Informations-StrukturDesign (ISD) Autor: Dieter Gust Um Konzepte für Dokumentation strukturiert erarbeiten zu können, hat itl vor mehr als zwanzig Jahren den Begriff „Informations-Struktur-Design“ (ISD) eingeführt. Dazu gehört einerseits die Strukturierung einer Dokumentation in Kapitel und Abschnitte, andererseits auch die Zerlegung in Module und Topics. Das Design von Informationsstrukturen thematisiert itl seit jeher unter den drei Aspekten Verständlichkeit, Benutzerfreundlichkeit und Prozessorientierung: • Verständlichkeit Eine Strukturierung von Informationen muss der Verständlichkeit dienen. Das bekannte Hamburger Modell der Verständlichkeit definiert die „Gliederung – Ordnung“ als eine der vier Kategorien der Verständlichkeit. • Benutzerfreundlichkeit Über alle bekannten Strukturierungskonzepte hinaus definiert das ISD von itl die Strukturierung als elementares Mittel zur benutzerfreundlichen Gestaltung von Dokumentationen. Handbuch-Strukturierungen beeinflussen zusätzlich zur Verständlichkeit auch die Hand- buch-Ergonomie, wofür heute üblicherweise die Fachbegriffe „Usability“ und im erweiterten Sinne „User Experience“ stehen. • Prozessorientierung Technische Dokumentation unterliegt praktisch den gleichen Anforderungen wie die Produktentwicklung. Modularisierung, Standardisierung bei gleichzeitiger Individualisierung (aus Zielgruppensicht) und der Zwang zur Automatisierung aus Prozesssicht sind Standardthemen in der Prozessplanung für Technische Dokumentation. Das ISD muss also neben Verständlichkeit und Usability auch automatische Produktionsprozesse unterstützen. mISD Auch wenn der Name ISD Programm ist – in der Öffentlichkeit ist der Begriff „Funktionsdesign“ weit eher bekannt. Dieses leitet seine Erkenntnisse hauptsächlich aus der Sprechakttheorie ab und umfasste damit von der Grundidee ursprünglich nur den ersten Aspekt des itl-ISD. Wir haben bei unseren Konzepten ISD und nun m-ISD (multimediales Informations-Struktur-Design) nicht versucht, diese als neue „Religion“ zu [i]m Fokus Ausgabe 23 – Februar 2016 Concept 3 Topic-Typen 4 Informationsebenen 1 2 3 Reference Task •• 1 2 3 Block (Information Mapping) Block 3 Task m-ISD Concept Reference 4 4Informationsebenen Informationsebenen (Funktionsdesign) •• 3 Topic-Typen Topic-Typen (DITA) Block Concept Task 1 2 3 4 Informationsebenen Reference •• Block Zielgruppen//Benutzerrollen 3.3.Zielgruppen/Benutzerrollen 2. a2.a Dokumentstrukturen Dokumentstrukturen 2.b Infoklassifikation 2. b Infoklassifikation 7.7.Prozess Prozess 6. 6. Medien/m-ISD Medien/m-ISD 5.5.Technische TechnischeUmsetzung Umsetzung Märkte 4.4.Märkte Produktstrukturen 1. Produktstrukturen Abb. 1: Der Ansatz von itl: Das Beste aus Strukturierungsmethoden ergänzt um von itl erstmals entwickelte konzeptuelle Modelle vermarkten, nach dem Motto „bekannter Wein Neun Jahre nach der Vorstellung des iPhone: in itl-Schläuchen“, sondern verwenden das Bes- Die Zeit ist reif für m-ISD te aus Information Mapping, Funktionsdesign und DITA (Darwin Information Typing Archi- Neu im Jahr 2016 ist nach Jahren der Forschung tecture) und ergänzen es mit besonderen von und praktischer Multimedia-Projekte bei itl nun itl neu entwickelten konzeptuellen Modellen. die Integration eines modernen multimedialen In Abbildung 1 sehen Sie genauer, wie wir unseren Medienkonzeptes in das itl-ISD, was mit dem Naund Prozesslogik AnsatzZuordnung: verstehen. Produkt-, Dokumentstruktur, Medienkonzept men „m-ISD“ unterstrichen wird. Produktstrukturen Produktfamilie Informationsstrukturen (Dokumente, Topic-Sammlungen) Sprache Produktgruppe Produktvariante Baugruppe Dokutyp übergreifend Bedienungsanleitung allg. Infos Komponente Inbetriebnahme Funktion Struktur gemäß DIN 82079 Erstellungsprozess Verteilungsprozess Medienkonzept m-ISD Eingangskanal (Sinne) Interaktion Format Medium Ort (Zugriff) Nutzungskonzepte Abb. 2: 25.01.2016 Das multimediale Informations-Struktur-Design, der AnsatzGestaltung von itl für–die heutigen künftigen Anforderungen an eine Kompakt-TD: 12.3 Benutzerfreundliche Mobile Medienund V 12.2 2 multimediale Technische Dokumentation [i]m Fokus Ausgabe 23 – Februar 2016 DG 4 m-ISD Abbildung 2 zeigt den Grundansatz, der bei Technischer Dokumentation unabdingbar ist: Die Verzahnung von Produktstrukturen mit Informationsstrukturen und dem eigentlichen Medienkonzept. Zusätzlich berücksichtigt der Ansatz die Prozesse: Erstellung, Verteilung und Informationsnutzung. m-ISD als Medienkonzept definiert im Kern fünf Kategorien, die die Planung einer multimedialen Dokumentation entscheidend beeinflussen: • Eingangskanal (Sinne) Neben der auch in klassischen Dokumenten doppelten Codierung von Informationen über Text und Bild und den sogenannten verbalen und piktoralen Eingangskanälen kann eine multimediale Dokumentation den auditiven Eingangskanal und Sinn (Ohr) oder gar haptische Informationen (Tastsinn z. B. Vibrieren) ansprechen. Die Verwendung von Animationen und Real-Videos bieten dem Nutzer eine viel direktere Art der Informationsverarbeitung, als das Text und statisches Bild je könnten. Fachleute sprechen dabei vom Codierungsgrad einer Information, die ein Betrachter für seine Nutzungssituation erst wieder decodieren muss. Wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesen Themen sind insbesondere unter den Begriffen „multimediales Lernen“ und „Modelle der Informationsverarbeitung“ veröffentlicht. Die Abteilung Forschung & Entwicklung von itl hat diese Erkenntnisse für die Nutzungskategorien von Technischer Dokumentation operationalisiert. • Interaktion Eine mobile Dokumentation bietet nicht zuletzt durch die bekannten Wischgesten auf dem Bildschirm geradezu revolutionäre Möglichkeiten, die ein gedrucktes Werk nie bieten könnte. Die bekannteste Geste dürfte „Pinch-to-Zoom“ sein, das erstmals 2007 von Steve Jobs gezeigte Aufziehen oder Zusammendrücken von Bildschirmbereichen durch Spreizen oder Zusammenziehen zweier Finger. Spracheingaben und automatische Sprachausgaben sowie Augmented Reality sind drei weitere Beispiele für völlig neue Ansätze, die m-ISD als Ansatz systematisch für ein Dokumentationsprojekt bewertet. • Format Multimedia wird gern auf das Thema „Video“ reduziert und damit missinterpretiert. Die Entwicklung neuer Technologien bietet aber weitere Möglichkeiten wie etwa 3D-Animationen oder Augmented Reality. Diese neuen Möglichkeiten sind als eigene Formatbezeichnungen besser planbar, als sie nur dem Begriff „Bild“ und vielleicht noch „Ton“ zuzuordnen. • Medium Erst die Trennung der Begriffe„Format“ und„Medium“ zeigt die jeweils unterschiedliche Kombinierbarkeit auf: m-ISD definiert als Medien gedruckte Informationen versus Online-Informationen auf PCs, mobilen Endgeräten und als eigenen Aspekt die sogenannte „embedded Information“ also direkt in die Benutzeroberfläche integrierte Infor- Eingangskanal (Sinne) Interaktion Format Integrated Viewing 3D Medium Ort (Zugriff) Zugriffskontrolle Bibliotheksfunktion Digitale Benutzerassistenz Kontextsensitivität Abb. 3: Detailaspekte von m-ISD und der Bezug zu den Nutzungskategorien einer Technischen Dokumentation [i]m Fokus Ausgabe 23 – Februar 2016 m-ISD mation. Formate wie Videos (mp4) und Animationen (u3d) sind vom elektronischen Medium unabhängig dem Nutzer präsentierbar. Hinzu kommen Fragen zum Zugriffsort. • Ort (Zugriff) Diese Kategorie klassifiziert als eigenen Aspekt des Medienkonzepts die Art und Weise, wie der Benutzer auf eine Information zugreift: Offline, d. h., die Information wird von einem lokalen Speicher in den Viewer geladen, oder online, d. h., die Information wird über einen Webserver/Internet geladen. Oft benötigt man beide Ansätze, zum Teil jedoch unterschiedlich je nach Format. Es sind diese fünf Medienkategorien, die ein Medienkonzept unter den drei Aspekten Verständlichkeit, Benutzerfreundlichkeit und Prozessorientierung erst sinnvoll operationalisierbar und damit planbar machen. Abbildung 3 zeigt neben den Details des Medienkonzepts in Form von Piktogrammen die erstmals von itl entwickelten fünf Nutzungskategorien für Technische Dokumentation. Der Zweck Technischer Dokumentation ist nicht primär „Lernen“ und „Lesen“ (hier durch die berühmte Lesestrategie „SQ3R“ konkretisiert). Daher können Dokumentationskonzeptionen an Hand dieser beiden Begriffe allein in die Irre führen, weshalb itl in den 90er-Jahren die sogenannten Nutzungskategorien entwickelte: • Nachschlagen mit den Unterkategorien Concept, Task und Reference (analog zu DITA) ist eine typische Nutzungskategorie für Technische Dokumentation sowie auch für Kochbücher und Lexika als für jedermann bekannte Nachschlagewerke. Eine Technische Dokumentation wird wohl eher wie ein Lexikon genutzt (Volltextsuche, Stichwortverzeichnis). Kleine Abschnitte unterliegen jedoch unterschiedlichen Ansätzen, woraus die Dreiteilung in Concept, Task und Reference folgt. An die Stelle des klassischen Begriffs „Lesen“ rücken „Scanning“ und „Skimming“, die bei Wikipedia als besondere Lesestrategien erklärt werden. • Juristische Absicherung als eigener Aspekt und Nutzungskategorie der Produkthersteller. Juristische Absicherung muss nicht automatisch im Einklang mit den anderen Nutzungskategorien stehen. • Lernen durch Lesen. Typische Beispiele dafür sind Lehrbücher, die man in größeren Teilen liest, um sein Wissen zu erweitern. Dazu gehört jedoch Technische Dokumentation in der Regel nicht! • Lernen durch Üben. Tutorials sind Informationen, die an Hand von Beispielen praktisches Wissen vermitteln sollen. Bedienkonzepte zu einem komplexen technischen Produkt lernen [i]m Fokus Ausgabe 23 – Februar 2016 viele Anwender durch Üben und Wiederholen (Lernen durch Gewöhnen). Das prozedurale Gedächtnis entwickelt sich bei Produkt-Anwendern oft unbewusst, während Trainer auch Handlungskonzepte als Thema des sogenannten Wissensgedächtnisses reflektieren müssen. • Werbung ist definiert als Kommunikation eines Unternehmens, um Käuferkreise in ihrem Kaufverhalten so zu beeinflussen, dass sie die Produkte des Unternehmens erwerben. Technische Dokumentation kann nur indirekt werbewirksam sein, denn eine Technische Dokumentation wird in der Regel erst dann genutzt, wenn man ein Produkt gekauft hat. Eine Technische Dokumentation als Werbemittel funktional einsetzbar zu machen, soll nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, aber erst durch die separate Definition als eigene Nutzungskategorie für den Hersteller wird deutlich, dass diese Nutzungskategorie durchaus im Widerspruch zu anderen Nutzungskategorien stehen kann. Erst vor dem Hintergrund der Nutzungskategorien ist eine sinnvolle zielgruppenbezogene Evaluierung der einzelnen Aspekte des Medienkonzepts möglich. Den Gesamtrahmen zum m‑ISD bilden also: • Zwei Strukturierungen: Produkt, Information • Drei Prozesse: Informationserstellung, Informationsverteilung, Informationsnutzung • Fünf Nutzungskategorien, d. h. die einzelnen Aspekte eines Nutzungsprozesses von Technischer Dokumentation: Nachschlagen (mit Concept, Task und Reference als Unterkategorien), Juristische Absicherung, Lernen durch Lesen, Lernen durch Üben, Werbung • Fünf Kategorien eines Medienkonzepts: Eingangskanal (Sinne), Interaktion, Format, Medium, Ort (Zugriff ). Dieter Gust, Aufsichtsrat und Leiter F & E [email protected] Das Kompaktseminar von itl berücksichtigt m-ISD in all seinen Facetten. Gerne bietet itl das Seminar mit Schwerpunkt m-ISD auch als firmeninternes Seminar an. 5 6 Elektronische Dokumentation Elektronische Dokumentation: User Experience im 21. Jahrhundert. Vom Dreirad zum „Rolls-Royce“ der Lösungen Was eine Telefonanlage mit mobiler Dokumentation zu tun haben kann Autoren: Dieter Gust und Florian Gust Welches Symbol hat der Telefonbutton auf dem Handy? Klar – einen Telefonhörer. Aber warum eigentlich? Durch Zufall bemerkten wir, dass diese einfache Sache ziemlich kompliziert ist. Die Entwickler der von itl intern genutzten Telefonsoftware hatten wohl ein anderes mentales Modell im Kopf als wir. Aber fangen wir mal von vorne an. Klassische Telefone haben nur noch wenige. Heute hat man entweder eine Software-Telefonanlage oder mobile Endgeräte. Klassische Telefonhörer als separate anfassbare Objekte gibt es daher kaum noch. Smartphones und andere mobile Geräte sind Gerät und Hörer in einem. Das Abheben und Auflegen des Hörers simuliert ein Druck auf eine Taste oder einen Button auf dem Bildschirm – warum eigentlich? Obwohl Hardware durch Software ersetzt wurde (Hörer durch Button), fühlt sich die Bedienung irgendwie vertraut an – oder doch fremdartig? Wer ist schuld: eine mangelnde Geräte-Usability oder der „dumme“ Anwender? Schauen wir uns die Telefonsoftware bei itl näher an. Es gibt hier zwei Darstellungen – einen roten und einen grünen Button mit einem Hörer, was wohl die beiden Zustände des Telefonhörers darstellen soll. Usability-Experten würden sagen, dass die Softwareoberfläche an vorhandene mentale Modelle beim Benutzer anknüpft. Hörer horizontal mit zusätzlicher Signalfarbe Rot (warum Warnfarbe?) heißt wie bei einem alten Telefon: Hörer aufgelegt, nichts ist gewählt, keine Leitung ist aktiv. Hörer schräg und Signalfarbe Grün entspricht einer aktiven Leitung bzw. einem aktiven Telefongespräch. Das muss doch eigentlich vertraut sein. (Anmerkung: Ist das eine Darstellung für Linkshänder? Hier sind wir uns uneinig, überlegen Sie, mit welcher Hand Sie spontan einen Hörer abnehmen oder in welche Hand Sie Ihr Handy nehmen, wenn Sie angerufen werden). Dennoch hatten wir mit der Anlage immer wieder Bedienprobleme. Mal klickten wir zuerst auf die Hörertaste, wählten dann mit der Tastatur und beendeten die Zifferneingabe mit der Entertaste, mal versuchten wir es umgekehrt. Was verwirrte uns? Wir gingen der Sache auf den Grund und fanden heraus, dass das Chaos einen ganz einfachen Hintergrund hatte, indem wir die Darstellung an der Telefonanlage mit derjenigen unserer Handys verglichen. Das Handy zeigt bei der Telefon-App im Ausgangszustand den grünen Hörer (wieder für Linkshänder?). Nun tippt man zuerst eine Nummer ein und drückt dann die grüne Taste oder man kann sofort auf den grünen Hörer tippen und die zuletzt gewählte Nummer wird angerufen. (War das nicht die Wahlwiederholungstaste beim Hardware-Telefon?) Wenn die Telefon-App wählt und die Verbindung hergestellt ist, kann man durch Tippen auf den nun roten waagerechten Hörer das Gespräch beenden. Auch kein Problem, oder? Aber erst in der Gegenüberstellung beider Benutzeroberflächen wird die Verwirrung im Kopf verständlich: Beide verwenden zwar identische UI-Elemente, jedoch einen gegenteiligen funktionalen Ansatz und damit ein unterschiedliches mentales Modell – zwar nicht des Telefons (der Hörer ist ja identisch dargestellt), gegenteilig ist die funktionale Verwendung der Buttons. Bei der Telefonanlage bei itl zeigen die Bedienele[i]m Fokus Ausgabe 23 – Februar 2016 Elektronische Dokumentation mente den aktuellen funktionalen Zustand an, während sie bei der Handy-App die auszuführende Funktion visualisieren. Oder kurz: Status versus Funktion. Wenn man fragt, welche ergonomischen Aspekte ausschlaggebend sein sollten, gibt es mit der DIN 9241-110 „Grundsätze der Dialoggestaltung“ den berühmten Grundsatz der sogenannten „Erwartungskonformität“: „Der Dialog entspricht den Erfahrungen mit bisherigen Arbeitsabläufen.“ Die Telefonanlage beruft sich auf die Analogie mit den früheren Hardware-Telefonen. Die Handy-App beruht dagegen auf den gängigen UI-Guidelines für Smartphones: Ein Funktionsbutton zeigt an, welche Funktion die App beim Tippen auf den Button ausführt. Beide gegensätzlichen Funktionsimplementierungen berufen sich auf das Prinzip der Erwartungskonformität. Ein Technischer Redakteur, der Zielgruppen und Aufgabenanalysen ernst nimmt, müsste genau diese unterschiedlichen UI-Konzepte und die dahinterliegenden mentalen Modelle (Button zeigt Status vs. Button zeigt Funktion) als Basis für mögliche Bedienkonflikte erkennen und im Text entsprechend abfangen. Das Beispiel zeigt auch, welche neuen Herausforderungen auf die Technischen Redaktionen zukommen. Der Wechsel von Technischer Dokumentation auf Papier hin zu mobilen App-basierten Dokumentationslösungen bringt die Frage mit sich, ob die seit 550 Jahren trainierten mentalen Modelle der Papiernutzung einfach auf eine App übertragen werden können. Gibt es neue UX-/Usability-Erkenntnisse, die auf Grund der neuen dynamischen Möglichkeiten einer App ganz andere Herangehensweisen bei der Nutzung einer elektronischen Dokumentation nahelegen, und welche Funktion kann ein Anwender intuitiv sofort nachvollziehen? Zwei Beispiele sollen die „neuen“ Herausforderungen verdeutlichen. Nehmen wir zunächst die Volltextsuche, die auf Papier nicht umsetzbar ist. Bei einer Papierdokumentation bietet stattdessen ein guter redaktioneller Index Ersatz. Bei den klassischen Online-Hilfen, wie etwa HTML-Help gibt es ebenfalls eine Volltextsuche. Es gibt jedoch nicht wenige, die diese Suche als wenig hilfreich im Vergleich zum redaktionellen Index (den man in der Online-Hilfe auch anbieten könnte) ansehen. Professionelle Dokumentationsnutzer haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass nur der Volltextindex die gesamten Dokumentationsinhalte präsentiert. Ein meist unzureichend gepflegter redaktioneller Index macht bei Weitem nicht alle benötigten „Informationsschätze“ in den Dokumenten zugänglich. So stellt sich heute bei einer elektronischen Dokumentation nicht mehr die Frage, ob eine Volltextsuche sinnvoll ist (goo[i]m Fokus Ausgabe 23 – Februar 2016 geln kann und will jeder). Vielmehr muss man sich fragen, welche unterstützende Suchfunktionalität die Volltextsuche für den Anwender optimieren kann. Wichtig erscheinen uns beispielsweise die Google-gemäße Umsetzung der automatischen UND-Verknüpfung, wenn möglich eine Eingabefehler-Abfang-Methode („Meinten Sie ‚xy?‘“) sowie Realtime-Filterungsmöglichkeiten, die sogenannte „facettierte Suche“ (d. h. die Suche über Klassifikationsmerkmale für Topics) und schließlich eine sichtbare Hervorhebung der Fundstellen und ein einfaches Navigieren zwischen den einzelnen Fundstellen. Eine weitere Möglichkeit, auf die man mit Blick auf eine Papierdokumentation wohl kaum kommt, ist die Zoom-Funktionalität, die eine elektronische Dokumentation bietet oder besser gesagt bieten sollte. Technische Dokumentation im PDF- oder HTML5-Format unterstützt auf den mobilen Endgeräten in der Regel „Pinch-to-Zoom“ (Spreizen von zwei Fingern) automatisch, wenn nicht gerade UI-Experten aus falsch verstandenen Überlegungen genau diese Funktion unterbinden, in dem Glauben, der Usability gedient zu haben. Gerade das Beispiel des Pinch-to-Zoom zeigt: Zur Definition der optimalen User Experience von Technischen Dokumentationen auf mobilen Endgeräten bedarf es auch heute noch vieler Tests, um sich von überholten mentalen Modellen in Bezug auf die Papierdokumentation zu lösen. Andererseits müssen wichtige bekannte Nutzungshandlungen wie z. B. „Skimming“ und „Scanning“ (vgl. etwa den Blog von Jakob Nielsen z. B. „Writing for the Web“) sinnvoll vom Papier auf die elektronische Dokumentation übertragen werden. Pinch-to-Zoom kann beispielsweise für die Kombination aus Skimming und Scanning eine herausragende Rolle spielen. Auf diese Idee kommt man jedoch nicht, wenn man sich nur von der Bedienlogik für das gedruckte Dokument leiten lässt. Übrigens wurde mit dem neuesten Software-Update unserer Telefonanlage auch das Bedienkonzept geändert. Im Ruhezustand sehen die Buttons nun so aus: Welche Usability-Lösung für mobile Dokumentation als „Dreirad“ oder „Rolls-Royce“ bezeichnet werden wird, hängt also nicht nur vom finanziellen Aufwand ab. Einmal mehr tragen vorhandene mentale Modelle bei den Anwendern entscheidend zur Beurteilung bei. Die optimale User Experience auf Basis geeigneter mentaler Modelle ist einer der Schwerpunkte, die das F&E-Team von itl auch weiter unter die Lupe nehmen wird. 7 8 Termine Monat Februar März Veranstaltung itl-Abendveranstaltung DE, CH Elektronische Dokumentation: User Experience im 21. Jahrhundert. Vom Dreirad zum „Rolls-Royce“ der Lösungen Dieter Gust und Florian Gust, itl kostenlos itl-Abendveranstaltung DE Elektronische Dokumentation: User Experience im 21. Jahrhundert. Vom Dreirad zum „Rolls-Royce“ der Lösungen Dieter Gust und Florian Gust, itl kostenlos 2-tägiger Workshop MS-Word-Templates selbst erstellen Ulrike Hatzl, itl Gebühr: 890,00 EUR zzgl. MwSt. 1-tägiges Seminar XML für Einsteiger Pia Grubitz, itl-Partnerin Gebühr: 490,00 EUR zzgl. MwSt. 3-tägiges Kompaktseminar Technische Dokumentation für (Quer-)Einsteiger Dieter Gust, itl Gebühr: 1200,00 EUR zzgl. MwSt. 2-tägiger Workshop AECMA/ASD S1000DTM für Einsteiger Pia Grubitz, itl-Partnerin Gebühr: 890,00 EUR zzgl. MwSt. 2-tägiges Seminar Textarme Dokumentation Thomas Emrich, itl Gebühr: 890,00 EUR zzgl. MwSt. 1-tägiges Seminar DITA für Technische Redakteure Pia Grubitz, itl-Partnerin Gebühr: 490,00 EUR zzgl. MwSt. Termin – Ort 24.02.2016 – München Anmeldeformular 25.02.2016 – Winterthur Anmeldeformular 02.03.2016 – Hamburg Anmeldeformular 17.03.2016 – Stuttgart Anmeldeformular 02.-03.03.2016 – Wien itl GmbH Anmeldeformular 09.03.2016 – München itl AG Anmeldeformular 09.-11.03.2016 – Wien itl GmbH Anmeldeformular 10.-11.03.2016 – München itl AG Anmeldeformular 15.-16.03.2016 – München itl AG Anmeldeformular 23.03.2016 – München itl AG Anmeldeformular Mehr Information zu unseren Veranstaltungen finden Sie unter www.itl.eu, www.itl.at und www.itl.ch itl: Full Service hat einen Namen Übersetzung Technische Dokumentation Produkt- & Prozesslösungen Schulung & Beratung Impressum itl AG (Niederlassung Stuttgart) Silberburgstraße 126 D-70176 Stuttgart +49 89 8926 23-425 itl GmbH (Niederlassung Linz) Ziegelweg 1 A-4481 Asten +43 7224 65729-0 Standorte itl Technologiezentrum GmbH Hubertstraße 24 D-03044 Cottbus +49 355 2889590 itl AG (Zentrale Deutschland) Elsenheimerstraße 65 D-80687 München +49 89 8926 23-0 www.itl.eu itl GmbH (Zentrale Österreich) Lerchenfelder Gürtel 43 A-1160 Wien +43 1 4020523-0 www.itl.at itl AG (Zentrale Schweiz) Hauptstrasse 14 A CH-8280 Kreuzlingen +41 71 6 778050 www.itl.ch Herausgeber itl Institut für technische Literatur AG Elsenheimerstraße 65 80687 München [email protected] Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers. 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