Dienstag, 8. März 2016, 9.30 Uhr Standarddeutsch – Die beste aller möglichen Sprachen Ludwig M. Eichinger (IDS) Der Titel klingt einerseits – im Leibniz-Jahr – nach Gottfried Wilhelm Leibniz, andererseits nach der zentralen Aufgabe des IDS, nämlich den gegenwärtigen Gebrauch der deutschen Sprache – und zwar den standardnahen Gebrauch – zu untersuchen und zu dokumentieren. Natürlich spräche man zu der Zeit und im Hinblick auf die Zeit, auf die der Leibniz-Verweis anspielt, nicht von Standarddeutsch, es geht um die Wende zum 18. Jahrhundert um die Frage, wie man zu verbindlichen Übereinkünften zu einem vernünftigen öffentlichen Gebrauch des Deutschen im Rahmen europäischer Volkssprachen komme. Es ist das die Zeit, in der nach Erfolgen im Bereich der Poesie der Anspruch auftritt, in einer weiteren „modernen“ Öffentlichkeit wirksam zu werden und vor allem im Bereich der akademischen Bildungsrepublik diesen Anspruch durchaus fordernd zu verkünden. Wie man zu einer diesen Anforderungen entsprechenden Sprachform kommen sollte, war umstritten. Drei Dinge waren aber klar: es ging um die Eindämmung von Variation, um den Ausbau vernachlässigter Möglichkeiten und um die Gewinnung in den neuen Umgebungen akzeptabler Stile. Die Annahme einer grundsätzlichen Perfektibilität der Dinge – die unser Leibniz-Intertext oben anspricht – legte einen guten Grund für solche Vorhaben. Praktisch ging es darum, zunächst eine Sprachform für eine begrenzte Schicht zu sichern und auszubauen, was in dieser Phase einen hohen Grad an Vereinheitlichung als wünschenswert erscheinen ließ. Nun hatte sich, was die Fragen der Grammatik angeht, ein weitgehender Konsens eingestellt, so dass hier eher die endgültigen Festschreibungen und die Art, wie eine angemessene grammatische Darstellung aussehen sollte, in Frage stand. Die Fragen des Wortschatzes, um dessen „Modernisierung“ es u.a. Leibniz ging, sollen hier ausgeblendet bleiben. Unklarer bleibt, was eigentlich die Basis der sprachlichen Übereinkunft im Hochdeutschen sein sollte. Eigentlich parallel gibt es einen Nebenstrom von Entwicklungen, der in einer erkennbaren Phase der Stabilisierung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einer Ausdifferenzierung in verschiedene funktionale Bereiche führt, die als Basis für eine Vereinheitlichung dessen dienten, was etwa in der schulischen Praxis, aber auch in den staatlichen und sonstigen Normierungszusammenhängen über das neunzehnte Jahrhundert hin vermittelt werden sollte. Vor allem soll es hier aber um den Umschwung einer an der entwickelten Schriftsprachlichkeit orientierten Standardpraxis hin zu einem medial differenzierter gewichteten Sprachgebrauch mit standardsprachlichem Anspruch gehen. Man kann diese Entwicklung, wie sie sich auch in den Überlegungen des Projekts „Korpusgrammatik“ am IDS niederschlägt, als weitere Phase in der Fortentwicklung des standardorientierten Normsystems, als einer Art atmenden Systems verstehen. In solch einer Entwicklung herrscht nicht einfache Linearität hin zu dem besten aller möglichen Zustände, sondern die Interaktion von Entwicklungsströmen hin zum (vielleicht) jeweils besten möglichen Zustand.
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