Folien 7 - Rechtswissenschaftliches Institut

Rechtswissenschaftliches Institut
Methodenlehre
7. Lektion: Diskursethik und Methode
Masterstudium Rechtswissenschaft
Prof. Dr. iur. Thomas Gächter
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Wichtigste Exponenten der Diskursethik
Jürgen Habermas (geb. 1929)
Assistent von Max Horkheimer und Theodor Adorno in Frankfurt (kritische
Theorie, marxistisch-hegelianisch orientiert)
Habilitation 1961 in Marburg, ao Prof. in Heidelberg, ab 1964 (mit
Unterbruch) LS für Philosophie in Frankfurt (Nachfolge Horkheimer)
Theorie des kommunikativen Handelns, Diskursethik, zahlreiche
tagespolitische Stellungnahmen
Karl-Otto Apel (geb. 1922)
Prof. für Philosophie in Kiel, Saarbrücken und ab 1972 in Frankfurt
„Transzendentale Sprachgrammatik“, Abwehr relativistischer Theorien,
diskursethische Normbegründung
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Grundannahmen und Hauptanliegen der Diskursethik
„Die Diskursethik versucht das „logische Trilemma“ zu überwinden, nach
dem man bei jedem Versuch einer formallogischen Letztbegründung
entweder in einen unendlichen Regress oder in einen logischen Zirkel
gerät oder den Begründungsprozess abbrechen muss, da man an einer
Stelle bestimmte Prämisse dogmatisch setzen muss. Die Überwindung
dieses Problems versucht die Diskursethik zu leisten, indem sie
zunächst eine philosophische Letztbegründung nicht mit formallogischer
Deduktion, sondern mit der Reflexion auf die subjektiv-intersubjektiven
Bedingungen der Möglichkeit intersubjektiv gültiger Argumentation
gleichsetzt und damit als Basis ihrer Ethik den Diskurs als einen
Austausch von Argumenten oder guten Gründen mit dem Ziel der
Verständigung ansieht.“
Quelle: Wikipedia, Diskursethik
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Grundannahmen und Hauptanliegen der Diskursethik:
Ideale Sprechsituation (Habermas)
„Jede gültige Norm muß der Bedingung genügen, daß die Folgen und
Nebenfolgen, die sich aus der allgemeinen Befolgung der strittigen
Norm für die Befriedigung der Interessen eines jeden Einzelnen
voraussichtlich ergeben, von allen zwanglos akzeptiert werden können.“
Jürgen Habermas: Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln
Der „diskursethische Grundsatz“ lautet etwas allgemeiner, „daß nur die
Normen Geltung beanspruchen dürfen, die die Zustimmung aller
Betroffenen als Teilnehmer eines praktischen Diskurses finden (oder
finden könnten)“.
Quelle: Wikipedia, Diskursethik
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Grundannahmen und Hauptanliegen der Diskursethik:
Ideale Sprechsituation (Habermas)
1. Gleiche Chance aller Diskursteilnehmer, kommunikative
Sprechakte zu verwenden.
2. Gleiche Chance aller, Deutungen, Behauptungen,
Empfehlungen, Erklärungen und Rechtfertigungen
aufzustellen und deren Geltungsanspruch zu
problematisieren, zu begründen oder zu widerlegen. Keine
Vormeinung darf der Kritik entzogen bleiben.
3. Nur “Sprecher”, die als Handelnde gleiche Chancen haben,
sich auszudrücken.
4. Nur “Sprecher, die gleiche Chance haben, regulative
Sprechakte zu verwenden.
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Begründungsdiskurse und Anwendungsdiskurse
Begründungsdiskurse
Demokratische Entscheidfindungsprozesse, die normbegründende
Sprechsituation bilden, in welchen der Inhalt von Normen geformt
und deren Geltung durch die Offenheit und die Art des Diskurses
legitimiert wird.
Anwendungsdiskurse
Sprechsituationen, in denen normativer Geltungsanspruch im
konkreten Einzelfall mit subjektiven Sichtweisen von
Verfahrensbeteiligten konfrontiert wird und in einem legitimierenden
Prozess kollektiv begründete Normen angewendet werden.
Methodenlehre steuert einen Teil der Diskursstrukturen des
Anwendungsdiskurses bei.
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Recht und Lebenswelt bei Habermas
„Inseln des Diskurses in einem Meer von Lebenswelt.“
Ziemlich unscharfer Begriff der „Lebenswelt“ bei Habermas
Recht wirkt als Transformator im gesellschaftsweiten
Kommunikationskreislauf zwischen System und Lebenswelt.
Freirecht ging von bestehenden/gelebten Normen der
Lebenswelt aus, auf die im Auslegungsfall zurückgegriffen
werden kann; Diskursethik beschreibt dagegen eher das
Verhältnis zwischen Recht und Lebenswelt.
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Besonderheiten des Rechtsbegriffs bei Habermas
Stark normativer Rechtsbegriff.
Nur Normen, die einem demokratischen Verfahren zustande
gekommen sind (d.h. in einem legitimierenden demokratischen
Begründungsdiskurs), werden als Recht begriffen.
Im Gegensatz zu verschiedenen rechtspositivistischen
Theorien ein eher „utopischer“ Rechtsbegriff.
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Recht und Moral bei Habermas
„Während moralische Normen durch ihre Ausrichtung auf eine
unterstellte Weltgemeinschaft einen hohen Abstraktionsgrad
aufweisen, beziehen sich Rechtsnormen auf eine konkrete
Rechtsgemeinschaft. Dabei fliessen auch pragmatische und
ethisch-politische Diskurse in die Begründung von Rechtsnormen
ein.“ (Ott / Mathis I, 401)
„Rechtsnormen sind gültig, auch wenn sie nicht nur mit
moralischen, sondern auch mit pragmatischen und ethischpolitischen Gründen gerechtfertigt werden können und
gegebenenfalls das Ergebnis eines fairen Diskurses darstellen.“
(Habermas, Faktizität und Geltung, 193)
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Subsumtions- und Rechtsanwendungsvorgang
Beschreibung des Begründungsdiskurses der Rechtsanwendung bei
Habermas, Faktizität und Geltung, S. 280 f.:
Gültig erkannte Normen und Selbst- und Weltvervständnis der
konkret Betroffenen prallen aufeinander.
„Aus diesen verschiedenen Situationsdeutungen muss eine normativ
bereits imprägnierte Sachverhaltsbeschreibung hervorgehen, die von
den bestehenden Differenzen der Wahrnehmung nicht einfach
abstrahiert.“
„Deshalb sind Einzelfallinterpretationen, die im Lichte eines
kohärenten Normensystems vorgenommen werden, auf die
Kommunikationsform des Diskurses angewiesen, der
sozialontologisch so verfasst ist, dass sich die Perspektiven der
Beteiligten und die Perspektiven der durch einen unparteilichen
Richter vertretenen unbeteiligten Rechtsgenossen ineinander
transformieren lassen.“
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Berührungspunkte mit der historischen
Rechtsschule
Geschichtlicher Rechtsbegriff (d.h. gewachsenes Recht mit
stetem Anpassungsdruck an die Moderne).
Recht ist Resultat einer konkreten Lebenswelt, nicht rein
abstraktes Gefüge.
Im Gegensatz zur historischen Rechtsschule Verneinung der
objektiven Erkenntnismöglichkeit von Recht.
Im Gegensatz zur historischen Rechtsschule werden
inhaltliche/normative Anforderungen an Recht formuliert.
Einbezug der Perspektive aller Betroffenen, keine Loslösung
vom interpretierenden Subjekt.
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Juristischer Diskurs als Sonderfall eines
Diskurses?
Parteien im Prozess sind nicht zur Wahrheitssuche verpflichtet
sondern dürfen im Anwendungsdiskurs interessengeleitete
Standpunkte vertreten.
Allgemeine Diskursregeln werden im Anwendungsdiskurs um
spezielle Regeln und Argumentationsformen (Methodenregeln)
ergänzt.
Sonderfallthese des Rechts ins plausibel, sofern damit nicht
eine Subordination des Rechts unter die Moral suggeriert wird.
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