Appell an Bundesinnenminister Thomas de Maizière

Appell an Bundesinnenminister Thomas de Maizière
Erlangen/Nürnberg, den 21. April 2015
Sehr geehrter Herr Minister,
die Notlage der Menschen, die vor Gewalt, Krieg und Menschenrechtsverletzungen aus
Ländern wie Syrien, Afghanistan, Eritrea und dem Irak fliehen, verlangt dringend nach rasch
wirksamen Maßnahmen wie Seenotrettung, humanitären Visa, Familienzusammenführung
und Resettlement.
Hohe Anerkennungsraten für jene, die es zu uns schaffen
Bereits im vergangenen Jahr haben nach UNHCR-Angaben mehr als 3.000 Menschen, die
sich auf der Flucht befanden, allein auf dem Mittelmeer ihr Leben verloren. In den letzten
Tagen wurden wir einmal mehr Zeugen einer absehbaren Katastrophe, vor der
Flüchtlingsorganisationen und Wissenschaftler lange gewarnt haben. Die Situation in den
Hauptherkunftsländern und der Mangel an legalen Zugangswegen nach Europa lassen
erwarten, dass auch in den kommenden Wochen und Monaten viele Flüchtlinge diese
gefährliche Route antreten werden. Die Anerkennungsraten zeigen, dass es sich hier um
Personen handelt, die zu nahezu 100% als Flüchtlinge anerkannt werden, aber keine
sicheren, legalen Zugangsmöglichkeiten erhalten.
Deutschland ist wie die übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Artikel 18 der
Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf Grundlage des Genfer Abkommens vom
28. Juli 1951 und desProtokolls vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge
gebunden, Schutzsuchenden entsprechend Asyl zu gewähren. Artikel 19(2) der
Grundrechtecharta legt fest, dass niemand „in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen
oder an einen Staat ausgeliefert werden (kann), in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko
der Todesstrafe, der Folter oder einer anderenunmenschlichen oder erniedrigenden Strafe
oder Behandlung besteht.“
Legaler Zugang notwendig
DieMitgliedstaaten der Europäischen Union müssenbeim Schutz ihrer Außengrenzen
dieseFlüchtlingsrechte beachten, die dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
zufolge auch außerhalb des eigenen Staatesgelten.Rechtlich und faktisch ist es aber für die
meisten Flüchtlinge nahezu unmöglich, legalen Zugang zu internationalem Schutz zu
erhalten.
Die von Ihnen geforderte Bekämpfung des Schlepperwesenswird – so wichtig sie sein mag nicht gelingen, solange die Betroffenen keine Chancen erhalten, auf sicherem Weg nach
Europa zu gelangen: Die Realität zeigt vielmehr, dass die Schlepper immer gefährlichere
Routen einschlagen und mehr Geld für die Überfahrt fordern. Nicht die Hilfsbedürftigkeit der
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Flüchtlinge ist dann das Kriterium, sondern ihre finanziellen Möglichkeiten. Nicht Schutz wird
ihnen gewährt, sondern ihr Leben wird aufs Spiel gesetzt.
Seenotrettung kein Pull-Faktor
Auch haben wir keinerlei Belege dafür, dass Seenotrettung einen zusätzlichen Anreizfaktor
darstellt. Die Menschen, die sich auf diese gefährlichen Wege machen, tun dies aus einer
ausweglosen Situation heraus aufgrund von Krieg und Verfolgung. Ein Rückgang der
Seenotrettung durch die FRONTEX-Operation „Triton“ anstelle der im November 2014
eingestellten italienischen Rettungsaktion„MareNostrum“hatkeineswegs einen Rückgang
der Flüchtlingszahlen zur Folge gehabt.
Dass die Innenminister in Kooperation mit den Außenministern auf eine Verbesserung der
Lage in den Herkunfts- und Transitstaaten hinwirken, ist zu begrüßen. Solche
Verbesserungen sind aber nicht in kurzer Zeit zu erwirken, sondern wirken nur langfristig.
Die Konflikte in der Region sind nur schwer zu lösen und werden uns noch auf Jahre hinaus
begleiten. Solange die Kriege, Verfolgungen und Menschenrechtsverletzungen weiterhin
massenhaft Menschen in die Flucht treiben, sind Seenotrettung und die Schaffung legaler
Zugangswege wie Humanitäre Aufnahmeprogramme, Resettlement, die Erteilung
humanitärer Visa und erweiterte Familienzusammenführung das Gebot der Stunde.
Wie appellieren an Sie, Herr Minister:
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Setzen Sie sich umgehend für eine wirksame europäische Seenotrettung
ein.Zeigen Sie, dass wir in Deutschlanddabei eine Vorreiterrolle einnehmen
können.
Überprüfen Sie das Visaregime: Schaffen Sie schnellere Verfahren und
humanitäre Visa im Rahmen des neu aufgelegten Visakodex.
Fördern Sie die Umsiedlung von Flüchtlingen aus den stark geforderten
Anrainerstaaten (weitere Humanitäre Aufnahmeprogramme, Resettlement,
erweiterte Familienzusammenführung), auch in Kooperation mit den übrigen
EU-Mitgliedstaaten.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Petra Bendel, Universität Erlangen-Nürnberg, Zentralinstitut für Regionenforschung
Prof. Dr. Heiner Bielefeldt, Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Menschenrechte
und Menschenrechtspolitik
PD Dr. Michael Krennerich, Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Menschenrechte
und Menschenrechtspolitik sowie Nürnberger Menschenrechtszentrum
Prof. Dr. Markus Krajewski, Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Öffentliches Recht
und Völkerrecht
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Weitere Unterzeichner*innen (Stand 21.April, 15:00 Uhr):
Prof. Dr. Klaus J. Bade, Migrationsforscher, Berlin;
Prof. Dr. Wolfgang Heckmann, Prof. em. für Sozial-Psychologie an der Hochschule
Magdeburg-Stendal, Mitglied des Planungs-Teams für einen Studiengang
"Socialworkwithrefugeees"
Dr. J. Olaf Kleist, Refugee Studies Centre, University of Oxford
Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor Human Rights Watch, Berlin
Nesrin Thomsen, Director Development & Outreach, Human Rights Watch, Berlin
Prof. Dr. Bernhard Stahl, Professor für Internationale Politik, Universität Passau
Dana Schmalz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Völkerrecht,
Berlin/Heidelberg
Dr. Anuscheh Farahat, Referentin am MPI für ausländisches öffentliches Recht und
Völkerrecht, Heidelberg
Prof. Dr. Ruth Seifert („Sehr geehrter Herr Minister, die Notlage der Menschen und die
Tragödie im Mittelmeer verlangt nach einer unmittelbaren Reaktion in Sachen
Seenotrettung, humanitäre Visa, Familienzusammenführung und Resettlement. Ich möchte
Sie nachhaltig zu einer raschen, der Situation Rechnung tragenden Reaktion auffordern.“)
Dr. ElinaMarmer, HAW Hamburg
Theresa Reinold, Assistant Professor of International Relations, Institute of Political Science,
Leiden University
Philip Anderson, Migrationsforscher und Professor für Interkulturelle Soziale Arbeit an der
OTH Regensburg
Sigrid Gies, Doktorandin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin in Jura an der Universität
Konstanz, Lehrstuhl Prof. Dr. Daniel Thym
Luisa Seiler, UNHCR/Mercator Kolleg für Internationale Aufgaben
Francisco Mazzola, Doktorand, Department of War Studies, King’s College London, Orient
Institut Beirut
Adela Schmidt, Doktorandin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches
Recht, Völker- und Europarecht, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Christine Scharf, Universität Erlangen-Nürnberg, Sekretariat Zentralinstitut für
Regionenforschung
Natascha Zaun
Marcus Plahusch
Clara Arnold
Dr. Matthias Lehnert, Rechtsanwalt, Berlin
Kilian Spandler, Doktorand, Institut für Politikwissenschaft, Eberhard Karls Universität
Tübingen
Hannah Ott
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Karla Kutzner
Michael von Winning, Consultant at the Boston Consulting Group GmbH
Andrea Förster
Ibrahim Kanalan, Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Ass.iur), Lehrstuhl für Öffentliches Recht
und Völkerrecht, Fachbereich Rechtswissenschaft, Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg
Nora Henschke, MA Candidate, International Peace and Security Studies, King´s College
London
Mag. Kevin Fredy Hinterberger, Mitglied des Netzwerk Migrationsrechts und als
Rechtsberater und Vertreter bei der NGO Deserteurs- und Flüchtlingsberatung in Wien,
Österreich
Beate Apelt, Ehrenamtliche Flüchtlingshilfe der Ev. Kirchengemeinde Kleinmachnow
Susan Njam
Kai Förster
Maximilian Pichl, Jurist, Frankfurt am Main
Muriel Schiessl
Johanna Mantel, Lehrbeauftragte an der Humboldt-Universität Berlin
David Westenfelder, Student, Graduate Institute, Genf
Marie Ullmann
Alia Herz-Jakoby, Doktorandin, Universität Hildesheim
Bernd Hans Göhrig, Ökumenisches Netzwerk Initiative Kirche von unten (IKvu)
Katharina Brandt
Jenny Baron, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Bundesweite Arbeitsgemeinschaft
Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer - BAfFe.V
Silvia Schriefers, die Gesamtorganisation der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft
Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer - BAfF e.V. sowie ich als Einzelperson
(Silvia Schriefers - Psychologin/Wissenschaftliche Mitarbeiterin) unterstützen den Appell!
Dr. Ulrike Krause, Research Fellow, Zentrum für Konfliktforschung / Center forConflict
Studies, Philipps-Universität Marburg
Dr. Elisabeth Schmitt, Studienleiterin/Directorof Studies, Ressort Internationale
Studienprogramme, Europäische Akademie Otzenhausen gGmbH
Esther Wagner, Studentin an der SOAS in London
Christina Henrich, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Johann Wolfgang Goethe-Universität,
Institut für Öffentliches Recht, Frankfurt am Main
Heinz Förster
Nora Tesch, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, Bonn
Rudolf Richter, International Marketing, Friedrich-Alexander-University Erlangen-Nürnberg
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RaminSchirazi, Reporter ohneGrenzen
ZinaWeisner, Development and Outreach Intern, Human Rights Watch, Berlin
Johannes Maaser, M.A., FB Psychologie / AG Sozialpsychologie, Philipps-Universität Marburg
Arne Greifsmühlen, Student an der FAU
Dr. Timo Tohidipur, Goethe Universität Frankfurt am Main, Institut für Öffentliches Recht
Dr. rer. nat. Maurice Taszarek
Julia Oschinski, MA Konfliktforschung
Melissa Scharwey
Prof. Dr. Constanze Janda, SRH Hochschule Heidelberg
Svenja Wolter
Sandra Schmitt
Ulrike Zanker, M. A. Sozialwissenschaften
Hanna Klein
Luisa Gerlitz, Webredaktion/Kommunikation und Presse, Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg
BledarMilaqi
Fin-Jasper Langmack
Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V. („Gern unterzeichnet die
Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V. den Appell an
Bundesinnenminister Thomas de Maiziere“, Genia Schenke Plisch, Geschäftsführung)
Marvin Hassan
Tamara Geyer, KAMA Graz, Praktikantin NMRZ
Ulrike Wickbold
Nora Happel, Praktikantin NMRZ
Cornelia Helmcke
Susanne Schuster, Doktorandin an der Europa-Universität Viadrina im Völkerstrafrecht
Franziska Oehm, Doktorandin,Wiss. Mitarbeiterin, Fachbereich Rechtswissenschaft,
Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Völkerrecht
Christiane Howe, (Soziologin, Humboldt Universität zu Berlin, Institut für Europäische
Ethnologie)
Dr. Florian Pfeil, Direktor, Fridtjof-Nansen-Akademie für politische Bildung, Ingelheim
Dr. Sybille De La Rosa, Institut für Politische Wissenschaft, Heidelberg
Dr. Theodor Rathgeber, Lehrbeauftragter Universität Kassel
Renate Winzen, Fundraising, Stiftungskommunikation, Öffentlichkeitsarbeit;
Interdisziplinäre, interkulturelle und soziale Projekte; Projektkonzeption und
Projektorganisation, Erlangen
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Dr. Manfred Budzinski, Sprecher der Nahost-Kommission der internationalen katholischen
Friedensbewegung paxchristi Deutsche Sektion
Eva Link, Politik- und Islamwissenschaftlerin, München
Lorenz Neuberger
Birgit Gust, Willkommensinitiative für Flüchtlinge "Pankow hilft", Berlin
Sophia Schemel
Sabrina Ellebrecht, Soziologin Universität Freiburg
Katja Söchting
Prof. Dr. Sabine Hess, Direktorin des Göttinger Zentrums für Geschlechterforschung (GCG)
Roman Laube
Martina Weber, Universität Erlangen-Nürnberg
Mag. Viktoria Ruth Luisa Metschl, Universitätsassistentin an der Forschungsplattform Mobile
Kulturen und Gesellschaften, Universität Wien
Lydia Scheminski, Master of Public Policy, HSoG
Dr. Anne Menzel, Lehrbeauftragte am Institut für Geschichte der Medizin, Justus-LiebigUniversität Gießen
Nesrin Suleiman, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für Öffentliches Recht,
Europarecht und Völkerrecht, Goethe-Universität Frankfurt
Gabriele Kammer
Jonas Berhe, Gewerkschaftssekretär, Stuttgart
Torsten Mix, BA Political Science, MA International Security
Henny Engels
Michael Neumann
Tomas Fernandez Garcia
Alma Kolleck, Goethe Universität Frankfurt am Main
Kerstin Radtke, Research Assistant, Centre of Excellence “Cultural Foundations of Social
Integration”, University of Konstanz
Claire Horst
Jasmin Zöllmer, Beraterin GIZ
Frauke Peisker
Sabine Klotz, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für Menschenrechte und
Menschenrechtspolitik, Institut für Politische Wissenschaft Universität Erlangen-Nürnberg
Elisabeth Peterhoff, Diakonin, Gestalt- und Traumatherapeutin sowie Ehrenamtliche
Koordinatorin des "Ehrenamtskreises Flüchtlingshilfe" der Evang.-Luth. Kirchengemeinde
Vorra
Gerhard Crepaz, Hall in Tirol
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Izabela Bajalska
Eden Gebregiorgisch, Studentin
Marco Fatfat, Student
Ingried Just, Mülheimer Flüchtlingsrat e.V.
Annegret Seufert, NMRZ
Alice Speck, NMRZ
Michael Heinzelmann, Student an der FAU, Mitglied NMRZ
Zara Afzal
Nadja Kutscher, Bamberg
Hendrik Schmitt, Student der Politikwissenschaft an der FAU
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