Genetik für SchulärztInnen Dr. Katharina Rötzer FÄ für Medizinische

Genetik für SchulärztInnen
Dr. Katharina Rötzer
FÄ für Medizinische Genetik
Das Fach Medizinische Genetik
Die Medizinische Genetik als fachärztliche Disziplin
beschäftigt sich mit den genetischen Grundlagen von
Krankheit und Gesundheit beim Menschen.
Sie erfüllt in Forschung, Lehre und Patientenversorgung eine
besondere Brückenfunktion zwischen molekularer
Grundlagenforschung und deren Umsetzung in die
klinische Praxis.
In Österreich gibt es dzt. etwa 20 Fachärzte für Medizinische
Genetik.
Das Fach Medizinische Genetik
Wesentliche Aufgaben in der Medizin umfassen
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die klinische Diagnose von genetisch bedingten Krankheiten (speziell
familiären Krebsprädispositionssyndromen, Multisystemkrankheiten,
Dysmorphiesyndromen oder Entwicklungsstörungen),
die gezielte genetische Laboranalyse als weiterführende
Spezialdiagnostik,
die prädiktive genetische Diagnostik zur Abklärung familiärer
Krankheitsrisiken,
die humangenetische Beratung zu den genetischen Grundlagen von
Krankheiten sowie dem Umgang mit krankheitsspezifischen Risiken,
sowie
die Übernahme von Aufgaben der klinischen Betreuung und
interdisziplinären Koordination bei genetischen Krankheiten.
Genetische Laboranalysen
(am häufigsten verwendete Methoden)
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Klassische Chromosomenanalyse
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FISH
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Array-CGH
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Einzelgenanalyse mit Sanger-Sequenzierung
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Next-Generation-Sequencing (Multi-GenPanels, Mendeliom, Exom, Genom)
Stammbaumsymbole
männlich / weiblich nicht betroffen
männlich / weiblich betroffen
männlich / weiblich Anlageträger für a_rez Mutation
Konduktorin für X_rez Mutation
Erbgänge – autososomal dominant
Erbgänge – autosomal rezessiv
Erbgänge – X-chromosomal
Erstellung eines Stammbaumes
Ausgewählte Syndrome
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Turner-Syndrom
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Klinefelter-Syndrom
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Noonan-Syndrom
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Neurofibromatose Typ 1
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Marfan-Syndrom
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Ehlers-Danlos-Syndrom Typ 1 und 2
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Ehlers-Danlos-Syndrom Typ 3
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Osteogenesis Imperfecta
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Becker-Muskeldystrophie
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Mukoviszidose/Cystische Fibrose
Turner Syndrom
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Prävalenz 1:3000
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Mädchen / Frauen
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45,X, häufig Mosaike
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Normale Intelligenz
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Kleine Körpergröße
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Primäre Amenorrhö
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Infertilität (außer Mosaike z.T.)
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Pterygium colli
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z.T. Herzfehler (v.a. AIS)
Klinefelter Syndrom
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Prävalenz 1:500
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Fehlende Pubertätsentwicklung
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Knaben
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Häufig Gynäkomastie
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47,XXY, häufig Mosaike
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Azoospermie (außer Mosaike z.T.)
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im Kleinkindesalter u.U.
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Überdurchschnittliche Körpergröße
Muskelhypotonie mit
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lange Extremitäten
motorischer EWR
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Hypergonadotroper
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Normale Intelligenz
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Kleine Hoden
Hypogonadismus
Noonan-Syndrom
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1:1000 bis 1:2500 Neugeborene
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a_dom, mehrere Gene bekannt
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Kleinwuchs
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Typische Fazies
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Pterygium colli
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Herzfehler (v.a. PS)
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Wichtige DD zum Turner-Syndrom
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Große klinische Variabilität
Neurofibromatose Typ 1
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Prävalenz 1:2500
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a_dom, Mutationen im NF1-Gen
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CAL-Flecken
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Freckling
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Neurofibrome
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Lisch-Knötchen
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Skoliose
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Lernschwierigkeiten
Marfan-Syndrom
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Prävalenz 1:5000
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a_dom, Mutationen im FBN1-Gen
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Typischer Habitus
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Hochwuchs, lange Extremitäten, lange Finger
(Arachnodaktylie), Plattfüße, Skoliose, hoher Gaumen,
hohe Myopie (z.T. mit Netzhautablösung), Linsenluxation,
Trichterbrust / Kielbrust, Hypermobilität
Diagnosestellung besonders wichtig, da
Aortenaneurysmata/Aortendissektionen häufige
Todesursache im jungen Erwachsenenalter
Ehlers-Danlos-Syndrom Typ1/2
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Prävalenz 1:30.000
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a_dom, Mutationen im COL5A1- und COL5A2-Gen
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Hauptsymptom überdehnbare Haut, atrophe
Narbenbildung, Hypermobilität der Gelenke
Ehlers-Danlos-Syndrom Typ 3
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Prävalenz 1:5000
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a_dom, Genetik weitgehend unbekannt
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Hauptsymptom ist Hypermobilität der Gelenke mit Neigung
zu Luxationen
Zusätzlich sehr weiche, aber nicht auffallend
überdehnbare Haut
Bei unauffälliger Haut eher
Familiäres
Hypermobilitätssyndrom
Osteogenesis Imperfecta
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Prävalenz 1:10.000
Klassische Formen (Typ I-IV) a_dom, Mutationen im
COL1A1- und COL1A2-Gen
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Insgesamt sehr heterogen (dzt. 9 Typen bekannt)
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Hauptsymptom sind Frakturen ohne adäquates Trauma
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Mildeste Form - OI Typ I: rel. wenige Frakturen und i.d.R.
erst im Kleinkindesalter; Frakturneigung nimmt mit
zunehmendem Alter auch wieder ab, blaue Skleren,
Hämatomneigung, milde Hypermobilität
Becker-Muskeldystrophie
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Prävalenz 1:16.000
X_rez, Mutationen im Dystrophin-Gen (wie bei DuchenneMD, aber milder)
Fast ausschließlich Knaben/Männer betroffen
Beginn variabel, oft im Schulalter (im Mittel mit 11 Jahren);
erste Symptome Zehengang, belastungsunabhängige
Muskelkrämpfe, Myoglobinurie
Symmetrische Muskelschwäche, v.a. proximal betont,
untere Extremität mehr betroffen als obere Extremität,
Pseudohypertrophie der Wadenmuskeln
Mukoviszidose/Cystische Fibrose
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Prävalenz 1:2500
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a_rez, Mutationen im CFTR-Gen
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Jeder 25. ist Anlageträger für eine Mutation
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Klassische Leitsymptome: exokrine Pankreasinsuffizienz,
rezidivierende Bronchitiden, Sinusitis maxillaris, Polyposis
nasi
Milde Verlaufsformen oft erst spät diagnostiziert
(Leitsymptom rez. Bronchitiden, ev. abdominelle
Beschwerden)
Späte Diagnose verschlechtert Prognose
Wann zur genetischen Beratung?
Wichtige Symptome für Schulärzte - zum Beispiel:
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Kleinwuchs / Großwuchs unklarer Genese
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Ausbleibende Pubertätsentwicklung
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Entwicklungsverzögerung
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Frakturneigung
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Ausgeprägte Hypermobilität
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Muskelschwäche unklarer Genese
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CAL-Flecke, Neurofibrome
Humangenetische Beratung
Die humangenetische Beratung ist ein freiwilliges und nichtdirektives Informationsgespräch, in dem fachspezifische
Informationen über ein bestehendes oder angenommenes
Risiko für das Auftreten einer genetisch (erblich) bedingten
Erkrankung verständlich an Ratsuchende vermittelt werden
sollen.
Ziel ist es, Fragen im Zusammenhang mit einer eventuell erblich
bedingten Erkrankung oder Entwicklungsstörung zu
beantworten und der/m Ratsuchenden zu ermöglichen,
eigenständige Entscheidungen zu treffen.
Weiters kann die humangenetische Beratung und Diagnostik der
Diagnosesicherung dienen und prädiktive sowie gezielte
pränatale Untersuchungen ermöglichen.
Humangenetische Beratung
durch eine/n Facharzt/Fachärztin für Medizinische Genetik oder
eine/n Facharzt/Fachärztin eines anderen Fachgebietes,
sofern die Fragestellung auf dieses Fachgebiet begrenzt ist.
Das humangenetische Beratungsgespräch umfasst:
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die Erörterung der Fragestellung
eine ausführliche Eigenanamnese und ggf. körperliche
Untersuchung
eine detaillierte Familienanamnese inkl.
Stammbaumanalyse
eine Bewertung vorliegender ärztlicher Befunde hinsichtlich
ihrer genetischen Relevanz
ggf. Unterfertigung einer Einverständniserklärung zur
genetischen Analyse
Genetische Beratungsstellen
(unvollständige Liste)
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In Wien:
Zentrum für Medizinische Genetik, Hanusch-Krankenhaus
Institut für Medizinische Genetik, MUW
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In Graz:
Institut für Humangenetik, MUG
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In Linz:
Humangenetische Beratungsstelle an der Landes-Frauen- und Kinderklinik
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In Innsbruck:
Division für Humangenetik, MedUni Innsbruck
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In Salzburg:
Klinische Genetik der Uniklinik für Kinder-und Jugendheilkunde, SALK
Weitere Informationen
Homepage der Österreichischen Gesellschaft für
Humangenetik:
www.oegh.at
Homepage von Orphanet (Seite für seltene
Erkrankungen):
www.orpha.net
Homepage von NCBI Genereviews:
www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK1116/
Kontakt
Dr. Katharina Rötzer
Zentrum für Medizinische Genetik
Hanusch-Krankenhaus
[email protected]
01/91021/84580