Tafelpapiere - FONDS professionell

FP_D_Effektive Fondsanteile_NL_Anke_02_XXX_g 14.03.2015 13:27 Seite 308
steuer & recht I effektive fondsanteile
nur noch ein Jahr lang Zeit, auch in den hintersten Schubladen zu suchen, die Tafelpapiere hervorzuholen und zur Bank zu bringen
– sonst droht zumindest eine teilweise Enteignung.
Als Begründung, warum Luxemburg effektive Stücke abschaffen will, werden die Vermeidung von Geldwäsche und der regulatorische Druck besonders aus den USA genannt.
„Luxemburg möchte hier auf keinen Fall am
Pranger stehen und hat daher die Abschaffung
der Tafelpapiere besonders schnell umgesetzt“, sagt Stefan Lutz, Pressesprecher von
Allianz Global Investors. „Es ist davon auszugehen, dass über kurz oder lang eine ähnliche Regelung auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern eingeführt wird.“
Die Vereinigten Staaten haben ihren Druck
besonders mit dem Steuerabkommen FATCA
erhöht. Hier hatte die EU-Fondsbranche Erleichterungen für sich ausgehandelt. Im Gegenzug musste sie den Amerikanern versprechen, die Neuausgabe von effektiven Stücken
einzustellen. Luxemburg ist nun einen Schritt
weiter gegangen und lässt auch die noch im
Umlauf befindlichen Tafelpapiere einziehen.
Lutz erklärt die Prozedur, die Investoren
nun auf sich nehmen müssen: „Der Anleger
geht mit Mantel und Bogen zu seiner Bank.
Diese nimmt die Papiere entgegen, schreibt
sie dem Depot des Kunden gut und vernichtet
anschließend die effektiven Papiere. Dabei
werden auch die Ausschüttungen auf ältere
Kupons, die noch nicht eingelöst wurden, gut-
Marc-André Bechet, ALFI: „Der Gegenwert wird an die
Luxemburger Caisse des Consignations überwiesen.“
geschrieben.“ Ausschüttungen luxemburgischer Fonds haben kein Verfallsdatum.
Verfall ans Großherzogtum
Effektive Fondsanteile mit einer luxemburgischen Wertpapierkennnummer, die bis zum
18. Februar 2016 nicht eingeliefert wurden,
werden laut Gesetz für wertlos erklärt. „Der
Gegenwert dieser Stücke wird an die Luxemburger Caisse des Consignations überwiesen
und nicht verzinst“, sagt Marc-André Bechet,
Leiter der Rechtsabteilung des Luxemburger
Fondsverbandes ALFI. Bei dieser Stelle wer-
den auch Gelder aus „inaktiven Bankkonten“
aufbewahrt, bei denen über viele Jahre keine
Bewegungen mehr stattgefunden haben und
deren Inhaber beziehungsweise dessen Erben
nicht auffindbar sind. Später kann der Anleger
lediglich den Anteilswert per 18. Februar
2016 beanspruchen, Ausschüttungen und
Wertsteigerungen werden nicht mehr berücksichtigt. 30 Jahre lang warten die hinterlegten
Beträge bei der Caisse des Consignations auf
die Berechtigten. Wenn sie dann nicht eingefordert sind, fallen sie an das Großherzogtum.
„Obwohl die Sache wirklich dringlich ist,
gehen wir gehen davon aus, dass längst nicht
alle Fondsanteile bei der Rückrufaktion auftauchen werden“, sagt Lutz, „wir hatten gedacht, die Nachricht schlage bei den Medien
ein wie ein Paukenschlag, aber das Presseecho war eher verhalten, obwohl doch viele
Anleger betroffen sind.“
Einsatz für soziale Zwecke?
Was eines Tages mit dem Geld passiert, das
an den Staat fällt, ist noch nicht geklärt. Großbritannien fand bereits 2008 mit dem „Dormant Accounts Act“ eine bemerkenswerte Lösung für solche „schlafenden Gelder“: Dort
wurde kurzerhand ein Sozialfonds namens
„Big Society Capital“ aufgelegt, der in soziale
Projekte investiert. Dort hinein flossen immerhin 400 Millionen Pfund „schlafender
Gelder“. Es wird sich zeigen, ob dieses Beispiel Schule macht und auch in anderen Ländern umgesetzt wird.
AnKE DEMBoWSKI | FP
Tafelpapiere
als depotverwahrte Papiere: Bei ihnen mussten
inländische Institute 35 statt nur 30 Prozent
Zinsabschlagsteuer abziehen. Doch seit Einführung der Abgeltungsteuer 2009 werden effektive
und depotverwahrte Papiere im Prinzip wieder
gleich behandelt, denn bei beiden werden 25
Prozent Abgeltungsteuer plus Solidaritätszuschlag abgezogen. „Wenn ein Kunde jetzt
Kupons einliefert, ist aufgrund des Geldwäschegesetzes keine Barauszahlung mehr möglich.
Die Kundenbeziehung muss hinterlegt sein. Da
geht nichts mehr anonym“, erläutert Stefan Lutz,
Pressesprecher von Allianz Global Investors.
Mittlerweile werden Kunden also auch bei
Tafelgeschäften identifiziert.
Steuervermeidung: In früheren Zeiten gerieten Inhaber effektiver Wertpapiere unter den Generalverdacht, ihre Erträge nicht zu versteuern, was oft auch so
gewesen sein mag. Schließlich war es möglich, sich bei
fast jeder Bank gegen Vorlage des Kupons die Ausschüt-
308
Ende der Tafelgeschäfte: Inzwischen
scheuen sich viele Banken regelrecht davor,
Kupons einzulösen, und haben entsprechende
Abwehrmaßnahmen getroffen. So lösen einige Institute
nur Kupons der konzerneigenen Fondsgesellschaft ein.
Andere haben die Gebühren so hoch angesetzt, dass den
Anlegern die Lust am Tafelgeschäft vergeht.
So sieht der Bogen aus, der zehn Hansainternational-Anteile verbrieft. Der
dazugehörige Mantel enthält die Kupons, die zu Ausschüttungen berechtigen.
tung oder Zinszahlung auszahlen zu lassen – anonym und
bis zur Einführung der Zinsabschlagsteuer 1993 ohne Abzug irgendwelcher Steuern. Danach wurden Tafelpapiere
dann vorübergehend dann steuerlich schlechter behandelt
www.fondsprofessionell.de | 1/2015
Foto: © ALFI, Hansainvest
Was sind effektive Stücke? In jüngerem
Jargon würde man wohl von „Hardcopies“ sprechen, denn es handelt sich um effektive Wertpapiere (auch „Tafelpapiere“ genannt), die eine
Aktie, einen Rentenwert oder einen Fondsanteil
verbriefen. Es handelt sich in der Regel um
Inhaberpapiere: Sie gehören demjenigen, der
sie in den Händen hält – ähnlich wie bei einem
Geldschein, der ebenfalls ein Inhaberpapier ist.
Tafelpapiere bestehen aus einem Mantel, der
das eigentliche Wertpapier verbrieft, und einem
Bogen, der die Kupons enthält. Jeder Kupon
berechtigt zu einer Ausschüttung oder Zinszahlung. Unten auf dem Bogen befindet sich der
Erneuerungsschein (Talon), mit dem man einen
neuen Bogen beziehen kann, wenn alle Kupons
eingelöst sind.