Energiepolitische Ziele und räumliche Auswirkungen in Thüringen

Energiepolitische Ziele und räumliche
Auswirkungen in Thüringen
Fachtagung: Landschaftsbild und Erneuerbare Energien
Erfurt, 26. März 2015
Dr. habil. Martin Gude
Abteilungsleiter Energie und Klima im
Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz
Rubrik
Erweitertes
energiepolitisches Zieldreieck
Versorgungssicherheit
Regionale
Wertschöpfung
Umwelt- und
Klimaverträglichkeit
Dr. habil. Martin Gude
Bürgerbeteiligung
Preiswürdigkeit
22.04.2015 · 2
Rubrik
Energiepolitik
Rückblick Legislaturperiode (I)
-
Gründung ThEGA
Bestands- und Potentialatlas
Pumpspeicherkataster
Untersuchung der Tiefengeothermie-Potenziale (-> Meiningen)
1000-Dächer-Programm (PV -> Solar)
Thüringer Energieeffizienzoffensive (ThEO) -> Energieeffizienzrichtlinie
(Beratung, Investition für KMU)
erstes Energiemonitoring
Rekommunalisierung der E.ON Thüringer Energie AG
...
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 3
Rubrik
Energiepolitik
Rückblick Legislaturperiode (II)
Landesentwicklungsprogramm 2025
-
Leitvorstellungen der Landesentwicklung und Erfordernisse der
Raumordnung für eine Stärkung der EE
- räumliche Rahmenbedingungen für eine Stromproduktion von
mindestens 5.900 GWh/a im Jahr 2020
- Vorgabe konkreter technologieoffener Mengenziele an regionale
Planungsgemeinschaften (Mittelthüringen 1600 GWh/a, Nordthüringen
1800 GWh/a, Ostthüringen 1600 GWh/a, Südwestthüringen 900 GWh/a)
- räumliche und sektorale Konkretisierung der Zielvorgaben in
Regionalplänen
 Neuaufstellung der Teilregionalpläne Energie
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 4
Rubrik
Ziele Thüringer Energiepolitik
-
Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2020
• Anteil am Endenergieverbrauch: 30 % (neu: 35 %)
• Anteil am Nettostromverbrauch: 45 %
• Anteil am Wärmeverbrauch:
33 %
-
Steigerung der Energieproduktivität: 20 % ggü. 2010
-
Rückgang der energiebedingten CO2-Emissionen
um 10 % ggü. 2010
-
neu: bis 2040 Energiebedarf bilanziell aus 100 % EE
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 5
Rubrik
Energiepolitik – Koalitionsvertrag
Präambel:
„Die Chancen, die die Energiewende für Thüringen birgt, werden wir
konsequent nutzen.“
„Wir werden gemeinsam eine Politik verwirklichen, die den sozialen Ausgleich
stärkt, für handlungsfähige Kommunen sorgt, mehr direkte Demokratie
wagt und die Energiewende konsequent umsetzt.“
=> Klimaschutz und Energiewende eines der vier Leitprojekte, in denen
Mehrausgaben konzentriert werden (neben Gute Arbeit, Gute Bildung, Starke
Kommunen)
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 6
Rubrik
Energiepolitik
–
Koalitionsvertrag Rot-Rot-Grün
Eckpunkte
- Energiewende: dezentral, regional und regenerativ
- Stärkung regionaler Wertschöpfungspotenziale
- Energie- und Klimaschutzstrategie: Ausbau EE, Erhöhung
Energieeffizienz, Ausstieg aus Import konventioneller Energieträger
- Klimagesetz mit verbindlichen Zielen und Zwischenzielen
- umfassende Beteiligung der Kommunen und Bürger
- ThEGA als zentrale Landeseinrichtung für die Koordination und Beratung
von Energie- und Klimaschutzprojekten
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 7
Rubrik
Energiepolitik
–
Koalitionsvertrag Rot-Rot-Grün
Windenergie
• Verdreifachung der Fläche (von rd. 0,3 auf 1 % der Fläche)
• Windenergieerlass als Rahmensetzung für die Regionalplanung
• Voraussetzung für den Ausbau von Windkraftanlagen im Wald schaffen
• Potenzialanalyse zur Unterstützung der Regionalplanung
• Windparks arten- und naturschutzgerecht entwickeln
• Beteiligung von Anwohnern und Kommunen an Wertschöpfung
• Kampagne der ThEGA: Kommunal- und Bürger-Beteiligung, Akzeptanz
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 8
Rubrik
Energiepolitik
–
Koalitionsvertrag Rot-Rot-Grün
Beteiligung bei Großprojekten
- Bürgerbeteiligung vor und im Genehmigungsverfahren stärken
- Verständigung zur ergebnisoffenen, fairen, vorförmlichen Bürgerbeteiligung
•=> Codex für Bürgerbeteiligung
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 9
Rubrik
Energiepolitik
–
Koalitionsvertrag Rot-Rot-Grün
Partizipation Kommunen und Bürger
- Bürgerenergieprogramm, um Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern
sowie Kommunen an Energieprojekten zu fördern
- Wirtschaftliche Betätigungsmöglichkeiten der Kommunen und Landkreise
im Bereich nachhaltiger Energieversorgung so weit wie möglich fassen
- Förderinitiative für kommunale und Quartiers-Wärmekonzepte
(Energiesparpläne)
- Akteursvielfalt sichern und ausbauen
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 10
Energiepolitische Ziele Thüringens Koalitionsvertrag
Energie- und Klimaschutzstrategie 2040
Ziel: bis 2040 Eigenenergiebedarf bilanziell durch einen Mix aus 100 Prozent
regenerativer Energie selbst decken
Maßnahmen u. a.
• Unterstützung von Kommunen und Gebietskörperschaften in der
Vorbereitung von Energieeffizienzmaßnahmen und von Energiekonzepten
• Verbesserung der Energieeffizienz in KMU
• Förderung von Forschung und Erprobung von Modellprojekten
• Förderprogramm für Schulen
• Bürgerenergieprogramm zur Förderung der Beteiligung von Bürgerinnen
und Bürgern und Kommunen
• Aktualisierung des Potenzialatlas und des Monitorings
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 11
Energiepolitische Ziele Thüringens Koalitionsvertrag
Windenergie
• Verdreifachung der Fläche (von rd. 0,3 % auf 1 %)
• Windenergieerlass
• Voraussetzung für den Ausbau von Windkraftanlagen im Wald schaffen
• Potenzialanalyse zur Unterstützung der Regionalplanung
• Windparks arten- und naturschutzgerecht entwickeln
• Beteiligung von Anwohnern und Kommunen an Erlösen
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 12
Energiepolitische Ziele Thüringens Koalitionsvertrag
Solarenergie
• Schaffung von Anreizen für Ausbau
• Unterstützung der Eigennutzung
• Ausbau solarer Wärmenutzung in Nah- und Fernwärmenetzen
• Einsetzen für grundlegende Reform von EEG und Grünstrommarktdesigns,
um erhöhten Ausbau der solaren Energieerzeugung zu ermöglichen
Bioenergie
• Einsetzen für Flexibilisierung (z. B. zur Spitzenlasterzeugung) und verbesserte
Wärmenutzung
• Fokus auf neue Biogasanlagen, die vorzugsweise Reststoffe verwerten
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 13
Stromerzeugung und -importe
in Thüringen
Stromerzeugung in TH 2013:
rd. 7.962 Mio. kWh
Stromerzeugung aus EE 2013:
rd. 4.283 Mio. kWh (Anteil: 53,8 %)
Zur Deckung des Thüringer
Strombedarfs muss Hälfte der
benötigten Strommenge aus
anderen Bundesländern
importiert werden.
Erzeugungsart (Energieträger) des
Importstroms nicht bestimmbar.
Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik 2015
Dr. habil. Martin Gude
Rückschlüsse über Strommix und
Nähe zu Erzeugungszentren (bspw.
Braunkohle Mitteldeutschland) möglich.
22.04.2015 · 14
Strommix in Deutschland Fokus Braunkohle
Quelle: Agora Energiewende
Braunkohle: weiterhin hoher Anteil an
Stromerzeugung in Deutschland
Quelle: Agentur für Erneuerbare Energie
Auswirkungen Braunkohleabbau und -verstromung:
CO2-Emissionen, Wasserhaushalt/-chemie, Landschaftsbild, Flächenverbrauch
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 15
Flächenbedarf von Energieträgern –
Braunkohletagebau
Flächenverbrauch
für Rohstoffabbau
im Tagebau 2011:
2.669 ha
Quelle: Bundesumweltamt
Abbau von Braunkohle in 2011: 176,5 Mio. t
Flächenverbrauch Braunkohletagebau 2011: 2,1 ha/Tag (766 ha/Jahr)
Lausitz und Mitteldeutschland > 1 ha pro Tag
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 16
Flächenbedarf von Energieträgern –
konventionell vs. erneuerbar
**
*
*Abbaufeld 4.800 ha, 1,3 Mrd. t Braunkohle, Abbauzeitraum 40 Jahre,
32,5 Mio. t Förderung pro Jahr, Stromerzeugung 35 Mrd. kWh/Jahr
**installierte Leistung: zwei Megawatt
Quelle: Agentur für Erneuerbare Energien
Quelle: DEBRIV 2012
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 17
Ausbau erneuerbare Energien –
räumliche Auswirkungen
Flächenbedarf erneuerbarer Energieträger für 1 GWh Endenergie
Photovoltaik:
4,4 ha (zumeist an/auf Gebäuden oder Konversionsflächen)
Windkraft:
5,7 ha (Abstandsflächen sind weiterhin nutzbar)
Biogas/Biomasse: 102 ha (Flächenbedarf v. a. bei Anbau der Biomasse)
Quelle: Bosch & Partner/ J. Peters/IE Leipzig/RA Bohl & Coll. 2006
Ertrag pro Energieträger pro km² in einem Jahr
Quelle: DLR 2009
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 18
Ausbau erneuerbare Energien –
räumliche Auswirkungen
Eignung von Flächen für Erneuerbare Energien
Biomasse
Windkraft
Photovoltaik
Landwirtschaftsflächen
X
X
-
Waldflächen
X
X
-
Konversionsflächen
-
-
X
Feuchtgebiete
X
-
-
Konfliktpotenziale
Windenergie:
Avifauna, Landschaftsbild
Photovoltaik:
Orts- und Landschaftsbild
Biomasse:
Flächenkonkurrenz zu: Nahrungsmittelanbau oder Primärwald,
Bodenerosion, Fruchtfolge, Landschaftsbild, Biodiversität
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 19
Ausbau erneuerbare Energien –
räumliche Auswirkungen
erneuerbare Energien: Auswirkungen auf den Raum

unmittelbar auf Landschaftsbild
⇒ dezentrale räumliche Verteilung der EE-Anlagen, spezifischer Flächenbedarf
⇒ Transportinfrastruktur (Netzausbau)

mittelbar durch veränderte Einkommensströme
⇒ EEG-Vergütungen lösen relative hohe Einkommensströme aus
⇒ fließen teilweise in periphere, strukturschwache Regionen
⇒ Auswirkungen auch auf Bodenpreise und andere Nutzungsformen

neue Konflikte im Raum
⇒ Akzeptanz von EE-Anlagen und Stromleitungen
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 20
Flächenbedarf erneuerbarer
Energieträger in Thüringen
Eingriffs-Kompensations-Informationssystem (EKIS) geführt seit 1996
Stand 04/2011: 2.584 Vorhaben > 100 m², insgesamt 13.379 ha Eingriffsfläche
 Erzeugungsanlagen der erneuerbaren Energien benötigen Flächen
 aber: im Verhältnis zu anderen Nutzungen ist Gesamtflächenbedarf sehr gering (0,02 %)
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 21
Flächenbedarf erneuerbarer
Energieträger in Thüringen
Solarenergie
Ende 2013: 21.439 PV-Anlagen in Th, 954,6 MW, 751.890 MWh
Raumwirksamkeit: Unterscheidung hinsichtlich Dach- und Freiflächenanlagen
Freiflächen begrenzt, bspw.: Konversionsflächen, versiegelte Flächen, Verkehrs-Randstreifen
Biomasse (Biogas)
Ausbaustand 01/2014: 255 Biogasanlagen, Gesamtkapazität rd. 122 MWel
Flächenverbrauch: 52.000 ha (6,5 Prozent der Landwirtschaftsfläche), davon Mais 27.700 ha
(2012 ca. 1/3 der in TH geernteten Silomaismenge für landwirtschaftliche Biogasanlagen)
Biogasproduktion weitgehend mit Viehwirtschaft gleichzusetzen (annähernd gleiche
Flächengröße für Großvieheinheit (GV) und ein kW installierte Leistung)
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 22
Flächenbedarf erneuerbarer
Energieträger in Thüringen
Biomasse (Biogas)
aktuelle Flächennutzung für Maisanbau auf Niveau der frühen 1990er Jahre
Grund: Rückgang Rinderbestände
Quelle: Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL)
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 23
erneuerbare Energien –
räumliche Auswirkungen (Ist-Zustand)
Windenergie
Vorranggebiete für die Nutzung der Windenergie in den Regionalplänen
Region
Nordthüringen
Mittelthüringen
Südwestthüringen
Ostthüringen
Thüringen
Fläche Vorranggeb.
2048,4 ha
1589,5 ha
606,2 ha
834,6 ha
5078,7 ha
Anzahl Vorranggeb.
18
12
14
14
58
Installierte Windkraftleistung in den Planungsregionen 2012
Ausbaustand 2014:
727 Windenergieanlagen,
1.129,2 MW installierte Leistung
Zubau 2014: 62 Anlagen
Quelle: Deutsche Windguard
Quelle: Energiemonitoring für Thüringen
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 24
erneuerbare Energien –
räumliche Auswirkungen
Windenergie
Ziel des KOV: Verdreifachung der Fläche für Windvorranggebieten
(von 5.079 ha auf 16.170 ha)
zusätzliche Anlagen: rund 1.000 (stark abhängig von Anlagenentwicklung [Leistung, Höhe etc.])
Ausweitung notwendig um Ziele zu erreichen, da kaum noch Zubaupotenzial
 44 von 58 Windvorranggebieten grundsätzlich voll ausgelastet (vereinzelte
Nachverdichtungen denkbar)
 14 Windvorranggebiete noch nicht bebaut
 für 7 laufen Genehmigungsverfahren
 7 haben Windhöffigkeiten im Grenzbereich wodurch wirtschaftliche Nutzbarkeit nicht
gegeben sein dürfte
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 25
erneuerbare Energien –
räumliche Auswirkungen
Windenergie
aktuelle Situation
 Schwierigkeiten der Thüringer Regionalplanung für Windkraft
(Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Weimar Az.: ThürOVG, Az. 1 N 676/12)
 bislang geltende Flächenplanung für Windräder in Ostthüringen ist unwirksam
 Richter bemängeln Unterscheidung zwischen „weichen“ und „harten“ Tabuzonen
 unzureichende Begründung, warum in weichen Tabuzonen nicht gebaut werden darf
 Juli 2014: Landesentwicklungsprogramm 2025 in Kraft getreten
 Fortschreibung der Regionalpläne spätestens 9 Monate nach Inkrafttreten
des LEP 2025 (somit spätestens März 2015 [§ 5 Abs. 6 ThürLPlG])
 Vorlage zur Genehmigung spätestens drei Jahre später (März 2018)
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 26
erneuerbare Energien –
räumliche Auswirkungen
Windenergie
KOV: Voraussetzung für den Ausbau von Windkraftanlagen im Wald schaffen
Thüringen: 33 % Waldanteil an
Landesfläche
1 % Landesfläche für
Windenergie!
Wieviel Flächen im Wald?
Ausschlussflächen: Wald mit herausgehobener Funktion für Artenschutz, Naturhaushalt und
Erholung (KOV: Nationalparks, Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten,
Naturschutzgebieten, und Gebieten des Netzwerks Natura 2000)
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 27
erneuerbare Energien –
räumliche Auswirkungen
Waldeigentum in Thüringer Wäldern
Thüringenforst:
bis zu 60.000 ha Waldfläche
in TH geeignet für
Windenergienutzung
(1/3 davon im Staatswald)
Quelle: Thüringenforst
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 28
Energiepolitische Ziele und räumliche
Auswirkungen in Thüringen
Fazit
- Nutzung technologischer und ökonomischer Potentiale Thüringens erhöhen
- Umstellung auf erneuerbare Energien beschleunigen
- Energiewende regional und dezentral gestalten
- Flächenverbrauch nicht eindimensional betrachten
- exportierte Umweltschäden und tatsächlichen Anteil der Energieträger an
Gesamtflächenverbrauch berücksichtigen
- räumliche Auswirkungen erneuerbarer Energien analysieren und bei
Ausbau berücksichtigen
- aber: Ausbaunotwendigkeiten anerkennen
Dr. habil. Martin Gude
22.04.2015 · 29