Diskussionen um die Gestaltungsnote Bericht von der Bundesrichtertagung 2015 von Felix Bender erschienen im Aktuellen Voltigierzirkel 1/2015 Reglementsänderungen verabschieden kann der Fachausschuss Voltigieren der Deutschen Richtervereinigung für Pferdeleistungsprüfungen (DRV) nicht. Aber er gibt wichtige Anmerkungen, wo Schwachstellen liegen und gibt Vorgaben an die Richter, wie die Regeln anzuwenden sind. Schwerpunkte waren bei der Bundesrichtertagung in Butzbach am 31. 01/01. 02. 2015 die Gestaltungsnote und - wie in den Vorjahren - die Pferdebeurteilung. Gestaltungsnote Die Tagungsteilnehmer bewerteten nach einer Einführung durch Leo Laschet verschiedene Gruppen-, Doppel- und Einzelvoltigierer nach den Einzelaspekten, wie sie das Reglement vorgibt und wie dies bei der DM/DJM zukünftig mit Hilfe eines Protokollbogens aufgeschlüsselt werden wird (siehe weiter unten). Es zeigte sich, dass viele Richter dazu neigten, tendenziell tiefere Noten zu vergeben, als wenn sie direkt eine Gesamtnote für die Gestaltung geben würden. Helma Schwarzmann sprach sich dafür aus, dennoch eine 10,0 zu geben, wenn die Darbietung stimmig ist, selbst wenn man den ein oder anderen Fehler sieht, aber andere Aspekte übererfüllt sind. Es wurde in der Diskussion deutlich, dass die Definition der Gestaltungsnote in Teilen überarbeitet werden muss. Genannt wurden: - die Inhalte passen beim Einzelvoltigieren nicht durchgängig (z. B. Zweier- und Dreierübungen) - der athletische Aspekt sollte überarbeitet werden, er macht unter anderem nicht genügend darauf aufmerksam, wie anspruchsvoll dynamische Übungen auf dem Pferd sind und welch hohen Wert Übungsverbindungen im Einzelvoltigieren haben - Längen im Kürverlauf werden nicht erfasst - wobei der Bewegungsfluss bereits in der Ausführungsnote erfasst wird - es müssen eigene Kriterien fürs Doppelvoltigieren entwickelt werden, die Zielsetzungen müssen schärfer formuliert werden - oder soll man Paare als Kleingruppen oder zwei Einzelvoltigierer bewerten? Im Bezug aufs Doppelvoltigieren zeigte sich, dass es noch keinen Konsens gibt, was von den Startern erwartete werden kann und soll. Einerseits wurde genannt, dass die Voltigierer miteinander und nicht gleichzeitig separat turnen sollen. Auf der anderen Seite wurden Vergleiche mit dem Eistanz oder dem Tanz gezogen, bei denen einer führt und den anderen in Szene setzt - "Ist das schlechter zu bewerten?", wurde kritisch gefragt. Auch ist es ein Unterschied, ob zwei Frauen miteinander starten oder ein Mann mit einer Frau: Gemischte Paare gehen mehr ins tänzerische, zwei Frauen eher ins akrobatische. Spannend wäre, zwei Männer zu sehen, wurde angemerkt. Einigkeit bestand, dass beide Voltigierer im Doppel aktiv agieren müssen - aneinander vorbeiturnen ist nicht gewünscht. Deutlich wurde in der Diskussion des Weiteren, dass man sich bei der Vergabe der Gestaltungsnote schwer vom emotionalen Aspekt lösen kann, wobei Kerstin Nimmesgern getonte, dass es keine emotionale Note werden darf: "Wir haben unsere Kriterien." Der Vorsitzende des Fachausschusses Voltigieren der DRV Leo Laschet zog als Fazit, dass es bei der Gestaltungsnote noch einige Unklarheiten gibt und viel Arbeit vor dem Fachausschuss und den Richtern liegt. Er verglich dies mit der Pferdenote, bei der es - durch intensive Beschäftigung mit dem Thema - in den vergangenen Jahren große Fortschritte in der Qualität der Bewertung gab. "Lahm oder nicht lahm" Dieser Frage ging Rolf-Peter Fuß in seinem Eröffnungsvortrag nach. Er stützte sich dabei auf die Definition, dass Lahmheit "eine Abnormalität der Gangart (ist), welche durch Schmerz und/oder Bewegungseinschränkung verursacht wird" (Quelle: Centre of Equine Therapy) und erläuterte, dass die Gründe hierfür unterschiedlich sein können, zum Beispiel degenerativer, infektiöser, entzündlicher oder traumatischer Art. Er betonte, dass auch Zügellahmheit ein Grund zum Abbruch einer Prüfung ist, denn: "Der Schmerz ist vorhanden." Da ein Pferd mit Ausbindern die Prüfung geht, muss es mit Ausbindern vortraben, so die Folgerung des Referenten. Er sprach sich gegen die teilweise noch übliche Praxis aus, die Ausbinder herausnehmen zu lassen, wenn ein Pferd in der Trabrunde lahmt und wertete dies als "Versuch des Richters, sich vor der Entscheidung zu drücken." Die anwesenden Richter sprachen sich dafür aus, diese Vorgehensweise in ganz Deutschland anzuwenden. Der Referent verwies darauf, dass das Thema Lahmheit stark emotional belastet ist, denn der Reiter oder Longenführer kann sich angegriffen fühlen. Der Ärger, der auf den Richter im Voltigiersport zukommt, wenn man ein Pferd wegen Lahmheit vom Wettkampf ausschließt, ist im Voltigieren höher als im Reiten, weil mehr Personen betroffen sind, so Fuß: Longenführer, Kinder und deren Eltern. Er sprach sich deshalb dafür aus, die Emotionalität aus der Entscheidung herauszuholen: "Lahmheit ist nicht als unsportliches Verhalten zu werten, wenn es nicht ein Wiederholungsfall ist" und kann "jedem Pferdesportler passieren." Fuß warnte davor, aus Angst vor den Folgen keine Entscheidung zu treffen, denn als Richter stehe man viel mehr in der Kritik, wenn man die Entscheidung nicht treffe: "Die Zuschauer und Beteiligten beobachten uns Richter." Außerdem, betonte der Referent, sind die Medien auf den Pferdesport fokussiert, es gibt Diskussionen um artgerechten Umgang, Doping, Rollkur und so weiter: "Wir müssen uns sehr sensibel verhalten. Entscheidungen, die nicht getroffen werden, werden von Unbeteiligten stark emotional diskutiert. In den Augen der Öffentlichkeit haben Richter allein die Möglichkeit, tierschützerisch einzugreifen. Alle erwarten von ihnen ein Eingreifen. In Sachen Tierschutz müssen sie ungefragt aktiv werden." Fuß sprach sich dagegen aus, sich als Richter auf Diskussionen einzulassen, ob ein Pferd lahm ist oder nicht, Einspruch sei nicht möglich. Auch plädierte er dafür, Tierärzte nur in Ausnahmefällen hinzuzuholen: "Ein Richter muss in der Lage sein, Lahmheit zu erkennen", sonst dürfe er nicht an den Tisch. Außerdem war der Tierarzt in der Situation, als die Lahmheit auftrat, nicht dabei, betonte der Referent. Allerdings sollten Richter keine Diagnose stellen: "Schon die Aussage zügellahm ist eine Diagnose. Dazu sind Sie nicht befugt. Sie kann als Bumerang zurückkommen. Legen Sie sich nicht fest, wo das Pferd lahm ist. Sagen Sie einfach: Der ist lahm." In einer anschließenden Diskussion sprach sich Britta Kuhlen dafür aus, in der LPO den Begriff "lahm" zu definieren, weil viele Turnierteilnehmer nichts mit dem Begriff anfangen können. Bernd Rockenfeller machte in diesem Zusammenhang auf die mangelnde Abgrenzung von "lahm" und "taktrein" aufmerksam, insbesondere im Gespräch mit Ausbildern. Es zeigte sich in der Diskussion, dass hierbei oftmals "taktrein" statt "lahm" verwendet wird, weil dies "netter" oder "beschwichtigender" klingt, obwohl "lahm" in der LPO steht. Christian Peiler sprach sich dafür aus, auch "zügellahm" im Regelwerk zu definieren, denn "wenn ich einen Begriff nutze, muss ich eine Definition haben." Fuß gab jedoch zu bedenken, dass die LPO zu dick werden würde, wenn alle Begriffe definiert werden. Das Pferdenoten-Protokoll (bei DM/DJM) Um die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Pferdenote zu verbessern und die Richter insbesondere im Einzel- und Doppelvoltigieren zeitlich zu entlasten, wurde ein Protokollbogen erstellt, der bei DM und DJM zum Einsatz kommen soll (siehe weiter unten). Referentin Barbara Weckermann stellte die Bewertungskriterien vor: Takt, Losgelassenheit. Anlehnung, Schwung, Geraderichten, Hilfegebung (Technik des Longierens, Koordination der Hilfen - nicht nur als Regelabzug wie bisher) und Harmonie (Vertrauen, Reaktion des Pferdes auf die Voltigierer - z. B. jede Landung ist hart, es wird keine Rücksicht auf das Pferd genommen). Die Noten für die Bewertungskriterien ergeben die Gesamtnote, stichwortartige Bemerkungen erläutern die Bewertung. Einzelnoten unter 5,0 sollten auf jeden Fall begründet werden, so die Referentin. Sie wies auf wichtige Aspekte der einzelnen Kriterien hin: Takt ist die Grundlage und hat eine hohe Priorität für jede Arbeit. Losgelassenheit geht eng mit Harmonie einher. Bei der Anlehnung werden die Ausbindung und die Akzeptanz durch das Pferd bewertet. Schwung ist die Erhaltung der Grundfrische. Das Geraderichten ist ein Gradmesser für die beidseitige Gymnastizierung und Balance. Hilfegebung und Harmonie haben eine hohe Gewichtung bei der Zufriedenheit und Kommunikation zwischen Longenführer, Voltigierern und Pferd. Bernd Rockenfeller erläuterte das Kriterium Losgelassenheit. Er wies darauf hin, dass diese aktiv ist und angeritten werden muss. Sie basiert auf der angeborenen Zwanglosigkeit. Er betonte, dass Losgelassenheit nicht bedeutet, dass das Pferd "brav" galoppiert. Bei der Anlehnung ist relevant, dass das Pferd vertrauensvoll infolge treibender Hilfen an die Hand herantritt, so Rockenfeller. Es ist nicht gemeint, das Pferd eng auszubinden und Nickbewegungen zu unterbinden. Der Referent bezeichnete die Pferde, die statt einer Nickbewegung eine Seitenneigung des Kopfes zeigen, als "Nein-Sager", als würde das Pferd den Kopf schütteln - dies ist nicht als Anlehnung zu verstehen. Bei zu enger Ausbindung kann außer für den Takt keine reelle Note gegeben werden, so Bernd Rockenfeller. Er hofft, mit der Pferdenote und der dazugehörigen Protokollierung einen Lenkungseffekt zu erreichen, damit sich Longenführer im Training vermehrt korrigieren lassen. Die Möglichkeit, Abzüge von der vorläufigen Endnote für Mängel, Unterbrechungen oder Zirkelgröße zu vergeben, bleibt. Einige Aspekte wie der Gruß oder die Versammlung, die international abgeprüft werden, wurden bewusst weggelassen. Bernd Rockenfeller wies mit Blick auf die Versammlung darauf hin, dass diese reell im Voltigieren nicht bewertet werden kann, was ihm Reitrichter in Gesprächen bestätigt haben. Barbara Weckermann vertrat die Meinung, dass man Versammlung nicht durchgängig im Voltigieren verlangen kann und Winnie Schlüter betonte, dass man auf versammelt galoppierenden Pferden nicht voltigieren kann. Technikprogramm Hintergründe zur Benotung der neuen Technikelemente "Standspagat rückwärts gestützt auf dem Pferderücken" und "Knien vorwärts zum Stehen rückwärts mit statischer Armhaltung" stellte Helma Schwarzmann in Butzbach vor. Beim Standspagat, der aus den zwei Strukturgruppen Stand und Spagat besteht, ist wichtig, dass die Ferse nicht festgeklemmt wird und die Hände möglichst nah am Standbein flach aufliegen. Der Körperschwerpunkt kann nur bei genügender Bewegungsweite über dem Fuß bleiben. Wenn der Kopf im Nacken ist, ist die Übung leichter, aber der Voltigierer erhält hierfür Abzüge. Wenn der Voltigierer statt auf dem Pad auf dem Griff greift, erhält er für die Übung 0 Punkte, so die Referentin. Der Voltigierer muss jedoch nicht mit beiden Beinen auf dem Pad stehen, bevor er die Übung aufbaut. Beim zweiten neuen Technikelement riet Schwarzmann ihren Richterkollegen, das Stehen nicht wie in der Pflicht zu werten, sondern wie in der Kür mit kleinen, mittleren und großen Abzügen. Das Umspringen ist der Aufbau der Übung, ohne Aufbau zählt die Übung 0 Punkte. Kommt der Voltigierer beim Stehen aus dem Gleichgewicht, ist es sinnlos, das Stehen erneut aufzubauen, so die Referentin. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass die ursprüngliche Formulierung des Richtwertes 8,0 missverständlich ist: Statt "die Knie sind über 90 Grad gebeugt" muss heißen "die Knie sind über 90 Grad gestreckt." Dietmar Otto sprach sich dafür aus, als drittes Hauptkriterium "Koordination der Drehbewegung" hinzuzufügen. Christian Peiler betonte, dass der Voltigierer mit beiden Füßen mindestens einen Galoppsprung rückwärts auf dem Pferd stehen muss, damit die Übung gewertet werden kann. Richtverfahren DM und DJM Da das Richtverfahren, wie es international bei EM und WM praktiziert wird, von den Aktiven gelobt wurde und es die Richter entlastet, wird dies nun auch bei der DM und DJM eingesetzt, wie Kerstin Nimmesgern darlegte. Zwei Richter geben in der Kür die Noten für Schwierigkeit und Ausführung und zwei die Noten für die Gestaltung. Zur Notenfindung wird ein separater Protokollbogen eingeführt. Auch die zwei Richter, die die Pferdenote ermitteln, verwenden zukünftig einen separaten Protokollbogen statt einer individuellen Kommentierung (siehe Abschnitte über die Gestaltungsnote und die Pferdebeurteilung weiter oben). Richter, die an einer DM oder DJM richten möchten, können sich voraussichtlich ab 2016 über eine zusätzliche Liste für den Richterpool DM/DJM bewerben. Dafür müssen sie verschiedene Kriterien erfüllen, beispielsweise an einer Landesmeisterschaft/Süddeutschen Meisterschaft/Norddeutschen Meisterschaft gerichtet haben und über die Qualifikation "VoT" (Voltigierrichter für das Technikprogramm) verfügen. Bewerbungen erfolgen über den Landesverband an die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) und die Deutsche Richtervereinigung (DRV). Richter Breitensport Über die neue APO-Qualifikation "Richter Breitensport" informierte Brigitte Ellinger. 2014 wurden die ersten dieser Richter in Bayern qualifiziert, nachdem seit 2009 Prüfer Breitensport in dem Landesverband aktiv sind. Die Referentin verwies auf die Relevanz der neuen Qualifikation, da die meisten Vereine mehr Breitensportler als Turniervoltigierer im Verein haben. Außerdem seien Breitensporttage meist sehr gut besucht und es gäbe kaum Absagen. Mentoren in der Richterausbildung Um die Betreuung der Richter-Anwärter zu optimieren, sammelt die DRV aktuell Informationen über die verschiedenen Systeme in den einzelnen Landesverbänden. Drei Verbände verfügen über Mentoren-Systeme, einige andere arbeiten mit Mentoren, jedoch nicht organisiert, und die Mehrheit der Landesverbände hat kein Mentoren-System, so Leo Laschet. Dabei zeigen die Erfahrungen, dass in den Verbänden, in denen Mentoren-Systeme bestehen, die Anwärter selbstsicherer und besser vorbereitet in den Prüfungslehrgang gehen. Das Ziel der DRV ist deshalb laut Laschet, die Grundlagen zu legen, wie Angebote verbandsübergreifend gestaltet werden können. Vernetzung der Richteranwärter Um die Vorbereitungen der Richteranwärter zu verbessern, arbeitet die DRV nicht nur am Mentoren-System, sondern unterstützt auch die Arbeit des Jungrichterbeirats. Deren Mitglieder Heidi Auerhammer, Verena Kühnapfel und Johanna Löhnert schilderten in Butzbach ihre gesammelten Erfahrungen. Aktuell ist es sehr unterschiedlich, wie die Anwärter vorbereitet werden und ob die Möglichkeit besteht, jemanden zu fragen, was in der Prüfung auf einen zukommt. Ziel ist deshalb, die Richteranwärter zu vernetzen und dass sie an Seminaren in anderen Landesverbänden teilnehmen können. Der Jungrichterbeirat ist aktuell dabei, eine Informationsliste zu erstellen, die Kontakte, Literatur und Hilfsbögen enthält. Positiv war der Workshop bei der Voltigiertagung des Voltigierzirkels in Altleiningen, in dem sich Anwärter, Interessierte und "fertige" Richter austauschen konnten, so die Referentinnen. Vorbereitungszeit neu strukturiert Um den Richteranwärtern frühzeitig ein Feedback zu ermöglichen, wird ein Vorbereitungslehrgang mit dem Schwerpunkt Beurteilung des Pferdes und die Pferdenote ins Frühjahr gelegt. Dadurch haben die angehenden Richter genügend Zeit, während der Saison die Beurteilung zu üben, so Bernd Rockenfeller. Außerdem ist im Vorbereitungslehrgang im Herbst mehr Zeit für die restlichen Themen. In Butzbach wurde der Lehrfilm der FN vorgestellt, der sich mit der Beurteilung des Reiters und des Pferdes auf dem Vorbereitungsplatz beschäftigt. Die Kriterien können auf den Voltigiersport übertragen werden. Der Film ist online abrufbar: www.pferdaktuell.de/vorbereitungsplatz/vorbereitungsplatz?refID=lehrfilm Termine der Deutschen Richtervereinigung 2015 & 2016 Grundrichter-Prüfungslehrgang VoE Ort: Frechen/Langenfeld Datum: 04.-08. 11. 2015 VoT-Refresher-Kurs und -Prüfungslehrgang Ort: N. N. Datum: 14./15. 11. 2015 Bundesrichtertagung Voltigieren Ort: voraussichtlich Berlin Datum: 30./31. 01. 2016
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