3kiic Jirriicrjciliiiifi WOCHENENDE Etranger 2I>; fr. Andinem.'!* <;« «tttmpt« i Vr%nv* i "X tr. ,)«,,ni .tüeti^utiHn r, ;(,,, ,r Primat M 0- timmnr. .lO/i It.iuim tcMjirtuxn t4 ti !>;' SUPTtiMUKI! IWI, Samstag/Sonntag, I./2. !kptemb«r 1979 NUMIJKO 17. Aho»i»nwiiU »4 p&lrmi t-dilinn cpinprinjHt i 1, Prince, 13 fr. - u .Itiitnt dttakväblct «runner, 20 tr. ' r'rdtu, 18 tr., litrtngtr.30jr, b sie, wie die Bühnenautorin Mme Jeanne Manu (rechts), in ihrem «Cabinet de travail» Die Frau Wirf» stets Dante, ob sie nun, wie Miss Beechy (links), im mondänen Badeort Dinard ein Tennisturnier ausfocht oder o Photographen posierte. Salonfähig modern Nr. 202 I" OCTOBRE 73 1901 ßr den Titelblatt- die Belle Dame der Jahrhundertwende Frau und Gesellschaft im Spiegel der französischen Zeitschrift «Femina», Jahrgang 1901 Von Regula Heusser «Bedenken Sie doch, verehrte Leserin, die immensen Kosten, welche die Herstellung einer so luxuriösen Publikation wie verursacht, während der Verkaufs- und Abonneder mentspreis so bescheiden ist. Man nenne uns die Revue, welche ihren Leserinnen ebenso weisses Hochglanzpapier, ebenso feine Klischees und eine ähnlich verschwenderische Fülle von Gravüren für nur 50 Centimes bietet!» So wirbt Verleger Pierre Lafitte im Editorial der Nummer 19 weitere Leserinnen für sein Anfang 1901 ins Leben gerufenes Lieblingsprodukt «Femina». Und berechtigterweise führt er dabei den günstigen Preis der grossformatigen (33,5 x 26,5 cm), prunkvoll aufgemachten Selbstverständlich hielt «Fem'.na» auf dem Zweiwochenzeitschrift ins Feld, kostete iie doch genauso wenig wie eine Dusche in einem öffentlichen Etablissement oder wie der Eintritt in ein Quartierlichtspielhaus. Obwohl sich die neue Illustrierte ganz offensichtlich an Damen des gehobensten Pariser Bürgertums wandte, liess sich ihr dynamischer, damals 29jähriger Gründer bei der Werbekampagne keineswegs lumpen: Die über 20 000 Abonnentinnen des ersten Jahrganges erhielten ausnahmslos den einbezahlten Betrag gleich doppelt in Form von modischen Accessoires oder Schmuck zurückerstattet. «Femina» brauchte vorderhand nicht zu rentieren, sie war vielmehr Liebhabererzeugnis und Versuchsballon eines mondänen und in mancher Hinsicht modernen Unternehmers, welcher sich nicht gescheut hatte, das Journalistenmetier von der Pike auf bei der Tageszeitung «Echo de Paris» und bei verschiedenen Radfahrerrevuen zu erlernen, bevor er selbst gleich mehrere illustrierte Magazine lancierte. Zahlreiche Leserbedürfnisse des jungen 20. Jahrhunderts deckte Lafitte ab mit seinen Periodika. Die augenfälligste Neuerung, die seine Blätter deutlich von den französischen Presseerzeugnissen der Zeit abhebt, ist der vielseitige und konsequente Einsatz von Illustration und Reportage, beides Elemente der erst Jahre später massiv einsetzenden «Amerikanisierung» der sportlich-modischen Sektor mit der Zeit Schritt und stellte rechtzeitig die «Automobilmode» vor: Staubfängerröcke, die zum Teil an den Knöcheln wie Säcke zugebunden wurden, knöchellange Gummimäntel und plastifizierte Hauben, die «nur auf den ersten Blick hässlich sind». Neue Zürcher Zeitung vom 05.09.1971 74 SamiUg/Sonnug, I./2. September 1979 WOCHENENDE Nv. 20;! kleine c3iird)cr leitung zu: Aus den Buchstaben des Titels «Femina» sind möglichst viele Wörter zu bilden, wobei kein Buchstabe zweimal vorkommen da r. Die Gewinnerin fand nicht weniger als 95 französische Vokabeln und Flexionsformen. Die grosszügigen Preise bestehen aus Bargeldbeträgen von 500 Francs, aus Photoapparaten oder Gutscheinen für Parfümerie- und Bijouteriegeschäf- "*f te. AKT ' Vi 9 Tp (>; t q 6 JIM?»! tUai.lMluriwibCrfU und Zeit hat die «Femina»-Leserin Viele Zeitvertreibe sind so exquisit, dass sie nur noch in der zum Verschwenden Reportage über die ganz wenigen, die sie sich selbst leisten können, erleb werden. So der urkomische gesellschaftliche Ant lass des Vogelwettrennens, wo Truthahne, Rebhühner und Gänse von Damen der besten Gesellschaft am Gängelband aus Broderie geführt werden. Auch die Wohnkultur der oberen Zehntausend interessiert brennend, und in jeder Nummer wird der Besuch eines Schlosses oder eines Herrschaftshauses festgehalten. Wie man den Inseraten in «Femina» entnehmen kann, springt bereits eine ganze Reihe von Stilmöbel- und Argenterieverleihhäusern ein, um die Kulissen wenigstens für Familienfeste und andere Empfänge bereitzustellen, da, wo sie nicht mehr alltäglich sind. n$ Bionahrung, teurem Schmuck und allerlei modischen Accessoires wurden in den Inseraten Düfte mit klingenden Namen und als Kräftigungsmittel empfohlener Wein angepriesen. französischen Presse. Bereits 1898, gleichzeitig mit der Gründung eines Vclofuhrerzirkx-Is, war Lafitte mit der Sport- und Freizeitrevue «La vie au grand air» (Das Leben im Freien) herausgekommen, 1901 folgte «Femina», 1902 «Musica» und Magazin «Je sais 1905 schliesslich das populärwissenschaftliche tout». 1906 begann der unermüdliche Unternehmer mit einer gepflegten Illustrierten, «Fermes et Chäteaux» (Geweiteren höfte und Schlösser), die vom Hause Hachette herausgegebene «Vie ä la Campagne» ernsthaft zu konkurrenzieren. Daneben e produziert er eine volkstümliche Ausgabe von Maurice Leblancs beliebten Abenteuerromanen «Arsene Lupin» und grünganz dem Geschmack der Zeit entsprechend eine dete gar Filmgesellschaft (Films d'art), welche mit Schauspielern der Comedie-Francaise Filme drehte. Mit seiner «Femina» veränderte Lafitte die Formel für die Frauenzeitschrift grundlegend, stellte er doch erstmals die Photographie als Hauptgestaltungselement in den Vordergrund und durchbrach gleichzeitig die übliche starre mise en page. Bisher begüterte Leserinnen gehabt, so hatten Frauenblätter weniger etwa das bewährte «Petit Echo de la Mode», das schon 1885 Auflage von 100 000 erreicht hatte und 1900 auf rund eine 300 000 Exemplare kam. Da seine Käuferinnen den Schichten angehörten, in denen man selbst schneiderte, verdankte das Blatt seinen Erfolg vor allem den Schnittmustern. «Le Horne» Nicht so «Femina». Hier werden alle Haushaltthemen ausgespart, mit Ausnahme jener prestigebetonten Handarbeiten, die bereits in die Nähe des Kunsthandwerks rücken: In der Rubrik «L'atelier de Femina» gibt eine gewisse Comtesse Iseult Anleitungen, wie Zinnkrüge mit Polygravurtechnik zu verzie- ren, hölzerne Musiknotenständer zu bemalen, Opernguckeretuis mit Glasperlenstickerei zu besetzen seien. Kuchenbacken ist die einzige Küchenarbeit, die überhaupt vorkommt im ersten Jahr- Dicouverte gang der ambitiösen Zeitschrift. Schliesslich wird diese Kunst als Aeusserung ihrer Berufung zur Gattin und Mutter selbst der russischen Zarin attestiert. Rezepte finden sich ausschliesslich für exotisches Backwerk, wie etwa für englische Buns und Muffins (Kuchenbrötchen) oder für ein turmartiges Gebäck, wobei der snobistische Hinweis nicht fehlt, das dazu benötigte Waffeleisen sei nur in Deutschland aufzutreiben. Klavierspielen ist die obligate musische Betätigung jeder Tochter des angesprochenen Milieus. Für Bräute wird bis ins Detail die «Aussteuer des 20. Jahrhunderts» durchphotogra, phiert, die Revue gibt aber auch illustrierte Ratschläge mit welchen Dessins das Piano neu zu lackieren sei, falls die bevorUmzug in einen Neubau mit sich bringe. stehende Heirat den Eine Vielfalt von Interessen und Fertigkeiten wird bei der Adressatin der Revue als selbstverständlich vorausgesetzt: Sie versteht eingestreute lateinische Brocken genauso wie englische und sammelt als Ausdruck ihrer kosmopolitischen Orientierung Postkarten. Wie aus den-Wcttbewerben zu schliessen ist, die sich trotz oder gerade wegen si h r e anspruchsvollen Niveaus einer regen Beteiligung erfreuen, betätigt sich die «Femina»-Leserin als Schriftstellerin, Malerin oder gar Komponistin. Sie liebt es offensichtlich, kreativ gefordert zu werden, und frönt diesem Gesellschaftsspiel per Post mit um so grösserem Ehrgeiz, als die Gewinnerinnen stets mit Namen aufgeführt werden. Ganz dem dynamischen Stil des Zeitungsgründers Lafitte entsprechend, werden die Leserinnen von allem Anfang an zur Mitgestaltung ein genialer Werbetrick. Die ersten der Illustrierten angeregt Wettbewerbe und Rätsel stehen im Dienst der Imageschaffung des Blattes, gilt es doch, zum Titel «Femina» entweder einen langsamen Walzer zu komponieren oder eine Erzählung zu verfassen. Als malerische oder bildhauerische Leistung wird eine personifizierte Darstellung oder eine Statuette verlangt, wobei ausdrücklich volle Freiheit der Gestaltung ohne jegliche Anlehnung an das Klischee des Titelblattes gewährt wird. Für eher linguistisch Orientierte kommt folgende Wortschatzübung hin- Sensationnelle A. AUTARD, Telephone ; Inventeur 6, Rue Castiglione, PARIS 243-61 Toute personne tatityuee ou alteinte par I'sUje no doit pas hesitcr im seiil instant a suivre lo traitement de M. AUTARD qui opere lui-mC¥me. Succes garanti. Lc resultat merveilleux de tu traitement pst de redonnet au visage la rcgularitü des traits, la mobilite, {'expression et ta fraichcur juvenile do la jeunesse. Toute personne qui Während zeitgenössische Hüter der Moral gegen die angloamerikanische «Garconnification» der Frau in der Mode wettern, bringt «Femina» ihren Leserinnen mit didaktischem Geschick bei, dass die knöchellangen Gummimäntel und die plastifizierten Hauben für die Fahrten im offenen Auto nur auf den ersten Blick hässlich seien. Diese Geschmackserziehung in Richtung einer Modernität wenigstens im Modesektor ist wiederum der Aufgeschlossenheit und der Sportpassion des Verlegers Lafitte zu verdanken, die sich auch in zahlreichen Inseraten für Radsport und Photozubehör spiegelt. Der Sommer 1900 hatte gleich zwei aufsehenerregende Sportereignisse mit sich gebracht, von denen «Femina» ein Jahr darauf noch zehrte: Die anlässlich der «Exposition universelle» durchgeführten Ballonwettflüge und das Autorennen Pa«Femina» porträtiert je eine der prominenten Teiln nehmerinnen. Eine gewisse Mme Savary bewies männergleiche Mut am Wettfliegen. Die Reporterin prophezeit euphorisch: «Wenn erst einmal der Traum des steuerbaren Ballons erfüllt ist, wird dieser wohl zum bevorzugten Fortbewegungsmittel unserer sportlichen Frauen.» Stellenweise rührend ist die Reportage über Mm« Camille du Gast, die mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde alle drei Etappen der Strecke Paris Berlin durchraste und Neunzehnte im Geumgefahren, auch samtklassement wurde. «Sie hat niemanden keinen Hund und kein Huhn, nicht einmal einen Vogel. Sie liebt Tiere und leidet, wenn sie diese leiden sieht.» lieber Kosten und Teilnahmebedingungen des tollen Unternehmens erfährt die Leserin nichts. Dabei waren die ersten Autos fast unerschwinglich. Noch 1914 kostete der billigste Ford 6000 Francs und ein Renault Hotchkiss zwischen 8000 und 20 000 Francs. Bürgers und seiner Familie Das Jahresbudget eines gutsituierten ris porte 5« d 60 ans retrouve ses traits de 3o a o5 ans. PLUS DE POCHES SOILS LES YEUX PLUS UE RIDES SU.R LE VISAGE AVANT «Les Sports» In merkwürdigem Kontrast zur Befriedigung dieser nostalgischen Bedürfnisse nach dem Lebensstil einer Noblesse, die doch immerhin im Schwinden begriffen ist, steht die betont aufgeschlossene Note der Zeitschrift. Der Geist der Moderne wird allerdings wohldosiert verabreicht. Die Sportarten des jungen Jahrhunderts rufen nach einem veränderten Bekleidungsstil, vor allem bei den Frauen. «Noch ist sportliche Betätigung Privileg weniger Damen, und so bleibt der snob appeal vorderhand glücklich erhalten. «Da eine grosse Zahl unserer Leserinnen vermutlich bald am Steuer anzutreffen sein wird», findet es die Redaktion angebracht, die Automobilmode vorzustellen. APRES Mehr als zwanzig Jahre jünger versprach M. Autard, der «selbst operiert», seine Kundinnen zu machen. Zur Bekräftigung seiner Behauptung publizierte er sogar die Adresse der vor und nach der Behandlung abgebildeten Dame, die «dort jederzeit zu besichtigen» sei. Neue Zürcher Zeitung vom 05.09.1971 Sicut 3iini)cr jcilimn WOCHENENDE betrug zwischen 13 000 und 19 000 Francs, dasjenige der Allerreichsten 45 000 Francs. Die «Sportswonien» nehmen im Verhältnis zu ihrer damals doch recht schwachen Verbreitung viel Platz ein in der noblen Revue. Dabei wird das Standesbewusstsein der «echten» Sporttreibenden gepflegt, notfalls auf Kosten der Kleinbürgerin, die «mit ihren heimlichen Wünschen nach Höherem» spöttisch belächelt wird. So in einer Photoreportage über Frauen, die Mietdroschken in einer Manier besteigen, als handle es sich um den eigenen Wagen. «Bei solchen Gesten», schliesst die sarkastische Bildlegende, «überrascht der Beobachter die weibliche Psychologie.» Ob derlei Attacken gegen die weibliche Affektiertheit nicht doch auch die privilegierten Damen ridikülisieren sollen, bleibt ungewiss. Jedenfalls ist das Medium Photographie auch hier in einem verblüffend modernen Sinn eingesetzt. Zeitgemäss für solche Charakterisierungen war eigentlich noch immer die Karikatur, die in «Femina» eher sparsam verwendet wir. Der als Hauszeichner engagierte Caran d'Ache wiederum ist einer der ganz wenigen seiner Gilde so der Monograph der französischen Karikatur, Gustave Kahn , der das Weib nicht negativ zeichnet. SinuUg/Sonntag, I./2. September 1979 O Jx a p e>; a. tfc 3s:, & r 3Bj t Nr. 201 75 ..-/ l'lR. Frauenporträts Gerne werden der Leserin weibliche Persönlichkeiten mit aussergewöhnlichem Schicksal vorgestellt. Dabei kommen meist kleine Schönheitsfehler wie Vermögensverlust, Mesalliance oder gar Scheidung vor, die dann aber durch die Charakteroder Geistesgrösse der Heldin wettgemacht werden können. Geschätzt wird alles, was der Banalität entflieht und doch gesellg schaftsfähi bleibt. Die selbstbewusste Schauspielerin Henriette Fouquier, die kein eigenes Vermögen «wozu daraus ein Hehl machen» hatte, machte ihre Kunst zum Broterwerb und wurde schon bald von einem wohlhabenden, noch unbekannten Schriftsteller ge- 11 Kü'vu- drapeib CHtll de j l'l« \<; zur eleganten IV. i Monc cijk *n .Uli in. riii blanc irtU Ihiiiiwelln« derie lO.tKO iioiivi' Jtiiuic nfrii': tlYiJ.tntiüc* io-.es et UllllU* chapeau WllvMUlt dicvcnv. IH.HI. 1UM.-S tw . « .1 IHKMtl iiiii..- dirne I«. u<; r c du avn J«i Hernu en Brocn |)an« iomiKüM *)ll 'J lUl^il.'. rjilK' i.tM.iKic pflfil« CSlUPlMtJ row ivtä hprd n*m-\ Karat d* töotV«i dp ro»«i roKf Je Cttliifl ci d'iMK t;r.i»iJo rln-iH WflücliO. j Dame gehörte selbstverständlich der Hut: undenkbar wäre es gewesen, sich unbehütet oder letzten Saison in der Oeffentlichkeit zu zeigen. - fast noch schlimmer - in einer Creation der Gegen einen Unkostenbeitrag von 2 Francs erhielt jede Abonnentin die «Broche Femina» (oben links) als Treueprämie. Das mit Perlen. Pailletten und Goldgarn bestickte Tafttäschchen wurde jungen Mädchen für «den Operngucker und das Taschentuch» empfohlen. ehelicht. «Diese glückliche Ehe ging sie nicht nur ein, weil sie es verdiente, sondern weil sie ihr Leben mit genügend weiblicher Energie so organisiert hatte, dass sie auch ohne diese Verbindung ausgekommen wäre.» Dem Drang ihres Herzens gab die Erzherzogin Stephanie, Witwe des österreichischen Kronprinzen Rudolf, nach, indem sie in zweiter Ehe den Grafen Lonyai heiratete und auf alle ihre königlichen Vorrechte verzichtete. Diese Information figuriert unter «Romantische Hochzeiten». Bittere: ist die Geschichte des russischen Grossherzogs Michael und seiner unstandesgemässen Verbindung mit der Gräfin Sofie de Neremberg, welcher nach der Hochzeit der Empfang am Zarenhof verweigert wurde. Das berichterstattende Pseudonym Smilis versucht die für Repräsentativzwecke nicht geeignete Frau zu retten: «Sie bescheidet sich also, eine Mustergattin und ausgezeichnete Mutter zu sein. Ist das nicht eine Aufgabe, die alle königlichen und prinzlichen Ehren aufwiegt?» Die aktive Rebellin gegen alle Konventionen ihrer Zeit rekrutiert man vorsichtshalber unter den Verstorbenen: George (1804 Sand ist die einzige echt unangepasste Frau, der im ersten Jahrgang der «Femina» ein Porträt gewidmet ist. Wohlwollend gepriesen werden die Herzensgüte, der Altruismus, die Kinderliebe und die caritative Haltung dieser «Autorin rustikaler Romane», die mit 25 Jahren ihren Mann nicht mehr ertrug und die beiden Kinder allein grosszog. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Tatsache, dass sie sich in Herrenkleidern am wohlsten fühlte und sich freiwillig aufs Land, in ihr Heimatdorf, zurückzog. Oekonomische Zwänge werden heruntergespielt, in moralische Grösse umgedeutet: «Neben ihren literarischen Aufgaben fand sie noch Zeit zum Kochen und Nähen für ihre Kinder.» Das Ausland Auf den Besuch der Zarenfamilie im Septeniber 1901 wird die französische Leserin vorbereitet, indem ihr nochmals die Garderobe der Zarin Alexandra Fjodorowna bei ihrer ersten Frankreichvisite, 1896 anlässlich der Unterzeichnung des vorgeführt wird. , französisch-russischen Geheimbündnisses Die Frau des russischen Souveräns wird als liebliches, musisch eigentlich geht, sind von gefälligen Jugendstilornamenten Verschwenderische Fülle auch in der «Mise en page»: die Photos der vier Blusen, um die es hier und zusätzlichen modischen Accessoires umgeben. Neue Zürcher Zeitung vom 05.09.1971 76 Samstig/Sonnü*, I./2. September 1979 Nr. 202 WOCHENENDE 3kue Ädicr Jtilimg eine englische Komödie auf, die schreibt die Reporterin würdig wäre, öffentlich gezeigt zu werden. Glücklicherweise ist aufgeschlossen der Lord so und kultiviert, dass er raffinierteste Kost auftischen hisst, anders als gewisse Mandarine, die selbst in Europa oder Amerika nur Haifischflossen in Rizinusöl und faulige Eier anrühren. Auch Amerika kommt zu seinem Prominentenporträt: Mme Roosevelt, die Gattin des jungen Präsidenten, der im September 1901 das Amt seines ermordeten Vorgängers angetreten hat, wird bereits im Heft vom 1. Dezember vorgestellt. Zwar wird der neuen First Lady zugestanden, sie sei mit all ihren Tugenden eine Republikanerin im Sinne der alten Römer, doch wird sie für ihre Propagierung eines relativen Konsumverzichts jede Amerikanerin könne mit einem Budget von 1500 Francs jährlich für ihre Toilette auskommen sozusagen mit volkswirtschaftlichen Argumenten kritisiert. «Das wird sich kaum durchsetzen bei den Schönen New Yorks. Und überhaupt: ernährt sich nicht ein ganzes Volk von Arbeiterinnen vom Luxus der mondänen Frauen und sind die Oekonomen nicht auch der Meinung, dass Sparprogramm e mehr dem Arbeiter als dem müssigen Reichen schaden?» So schliesst der Test unter der Familienphoto der Roosevelts. Schaltenseiten des Lebens London, wo die Damen ihre «Lieblinge» der Jury präsen«Social life ä /'anglaise»: In der Legende zu diesem «amüsanten Bild» einer Katzenschau in tierten, schwingt sogar ein Hauch Ironie. 11 Das Argument, dass die begüterte Dame für die «unter einem schlechten Stern geborenen Frauen» Beschäftigungsmöglichkeiten schaffe, galt im Frankreich der Jahrhundertwende tatsächlich, war doch der Mangel an weiblichen Arbeitsplätzen so gross, dass Frauen nicht nur als Lohndrückerinnen, sondern auch als Streikbrecherinnen eingesetzt wurden. Dass in den Industrien mit weiblicher Belegschaft bereits die ersten Gewerkschaften entstanden, erwähnt «Femina» nirgends. Dabei gab es im Jahr 1900 in Frankreich nicht nur 6S0 000 Hausangestellte im Dienst der grossen Damen, sondern auch 950 000 Näherinnen und 30 000 Modistinnen, aus deren Kreis sich zum Beispiel das .«Gemischte Syndikat der Nadel» rekrutierte. Zwar hatte die Illustrierte ihren Leserinnen gleich /u Beginn «Etudes» aus den die Frauen speziell interessierenden Produktionszweigen angekündigt, doch vermisst man Texte, die auch nur im entferntesten an Industriereportagen erinnern. Vielleicht wären der eben erst im neuen Arbeitsgesetz vorgeschriebene, längst nicht über- lilli fflilli IPfli In «Gymkhana» hiess der in Compiegnc veranstaltete sportliche Wettkampf, bei dem «von Damen an der Leine geführte Tiere aller Art» (hier Enten und Gänse) ein Rennen bestritten. Regel: das Tier hatte der Dame stets vorauszueilen. gebildetes Geschöpf geschildert (hübsch war sie in der Tat im Vergleich zu manchen andern Herrschergattinnen der Zeit). als katholische Alix Ueber den Fanatismus der Konvertitin von Hessen musste sie zum russisch-orthodoxen Glauben fibermündete, dass die ganzen Enttreten , der schliesslich darin scheidungen am Hof dem Wanderprediger und Wunderheiler Rasputin überlassen wurden, schweigt das Blatt. Vom Zaren Nikolaus II. selbst, dessen Erziehungsminister kurz zuvor wege>; ' er katastrophal ungerechten Verhältnisse an den Universitäten von Attentätern ermordet worden war, wird lediglich die Passio i für das Photographieren erwähnt, die ihn veranlasse, selbst a>; f der Jagd seinen Apparat mitzuführen. Aus' .indisches fliesst auch in Form der Schicksale von Diplomat ;ngattinnen in die Zeitschrift ein. Ein Jahr nach dem «Boxe. -Aufstand» gegen die europäischen Kolonialisten, welche die Chinesen schamlos ausnützten und ihre Hochkultur missachteten, bringt «Femina» unter dem Titel «Die Heldinnen Sommertrefjpunkt der vornehmen Gesellschaft war Dinard. Hier eine vormittägliche «Causerie» auf der Casino-Terrasse. des Chinakrieges» einen Bericht aus der belagerten französischen Gesandtschaft in Peking. Als eine der Heldinnen wird die Gattin des österreichischen Handelsgesandten, Frau von Rosthorn, gefeiert, welche sich freiwillig in die französische Gesandtschaft begab, weil dort gekämpft wurde und sie sich nützlich machen konnte. Sie betreute französische, österreichische, schweizerische, belgische und italienische Offiziere und Freiwillige, hielt sie bei guter Laune, obwohl sie das ewige Pferdefleisch leid waren und auch die Sauberkeit der Tischtücher und Gedecke zu wünschen übrigliess. Sie half gar beim Barrikadenbau und fabrizierte Sandsäcke. Diese «schwache Frau» bot dem «starken Geschlecht» ein Exempel von Mut und wurde für ihren tapferen Einsatz von der französischen Regierung mit dem Orden der Legion d'honneur ausgezeichnet. China ist auch vertreten durch den Bericht über eine Soiree in der kaiserlichen Gesandtschaft in Paris. Die Töchter und Söhne des Botschafters Lord Yu-Keng führen vor dem Diner Am alljährlich stattfindenden Wohltätigkeitsbasar der 1901 gerade zwanzigjährigen «Union des Femmes de France» spielten die Damen der guten Tag». Gesellschaft mit viel Enthusiasmus « Verkäuferin für einen An der Ausstellung der bildenden Künstlerinnen nimmt die aus Damen Begutachtung entgegen. bestehende Jury die Werke zur all eingehaltene 1 1 -Stunden-Tag für die Arbeiterin und die zwiTageslöhne der Schuh-, schen 1.60 und 3 Francs angesetzten Bijouterie- und Textilindustrien doch zu wenig pittoresk ausgefallen. Wollte man sich über die Frau in der Arbeitswelt informieren, so hielt man sich besser an die von Frauen 1897 gegründete Zeitung «La Fronde», die für die rechtliche Gleichstellung der Frau, insbesondere der Arbeiterin, eintrat und ihre Leserinnen mitunter auch warnte vor der Gefahr des «Damismus», dieser «bürgerlichen Perversion des Feminismus». In der «Femina» Wohltätigkeit wurde gerade diese «Damismus» gescholtene, mit gepriesen. Sie verbundene Aufgeschlossenheit als vorbildlich entsprach auch durchaus der Realität der Grossbürgersfrau, in «Gages» Spenden für alte deren Budget der Posten für Dienstboten, Bettler und Hilfswerke, Trinkgelder an Kutscher, Summen, ja Postboten, bis zu zehn beachtliche Polizisten Prozent der Gesamtausgaben, ausmachte. Die oft sehr detailgewähren einen guten lierten Angaben in den Haushaltbüchern Einblick in die Haltung der Spenderinnen. So etwa der Vermerk: «Zahlungen an eine ehemalige Tänzerin, die vor der ProJugendprostitution, stitution bewahrt werden konnte.» Vor der die unter anderem dadurch gefördert wurde, dass nach damaligem Strafrecht Mädchen mit 13 Jahren bereits als Mätresse benutzt werden durften, nach Zivilrecht aber erst mit 15 heiratsfähig waren, schloss man lieber beide Augen. Die Schutzalterfrage gehörte zu den Themen der «Fronde». Grosszügige caritative Projekte werden in der «Femina» gehier werden sogar ausnahmsweise Sumbührend gewürdigt men genannt. Eine reiche Pariserin liess für 600 000 Francs eine Kinderkrippe bauen und stiftete einen jährlichen Unterhaltsbeitrag von 45 000 Francs gleich mit. Liebevoll beschreibt die Neue Zürcher Zeitung vom 05.09.1971 State ÄjcrAitimg WOCHENENDE Samalag/Sonnlag, t./2. SepUimber 1979 Nr. 202 77 JK"»k Galerie der Majestäten (von links nach rechts): Alexandra, Königin von Grossbritannien und Irland, Kaiserin von Indien; Haritko, Kaiserin von Japan; Sophie, Königin von Schweden; Wilhelmine, Königin der Niederlande: AugustaVictoria, Kaiserin von Deutschland, Königin von Preussen; Helena, Königin von Italien. Reporterin die hygienischen Verhältnisse, die moderne Warmwasserzentralheizung und die mit den Namen ihrer Stifter versehenen Kinderbettchen. Woher die Krippenkinder kommen, erfährt man nicht, dabei waren gerade in der Region Paris 41,7 Prozent aller Arbeitnehmer Frauen. Ohne die Ursachen des unglücklichen Kinderloses zu ergründen, wird vermerkt, Kinderelend sei «eine grosse Ungerechtigkeit und ein unverdientes Malheur». Aber es gab auch glückliche Kinder, über die zu berichten weniger deprimierend war, Kinder beispielsweise, die kostbare reinrassige Hunde besassen oder ausgefallene Haustiere wie junge Esel oder zahme Rehe. Mit Adeline de Germain, dem 6jährigen «Bebe pianiste», ist auch das Wunderkind, sogar in weiblicher Ausführung, vertreten. Zum 1. Mai 1901, dem Tag, an dem sich bereits erste gewerkschaftlich organisierte Frauen unter die Manifestanten mischten, brachte «Femina» ein speziell dem Kind gewidmetes Heft heraus. Eine umfassende Retrospektive der Ausstellung «Das Kind durch die Jahrhunderte» füllt beinahe die ganze Nummer. Am Rande sind einige sehr einfallsreiche Reportagen placiert, so etwa die «Persönlichkeiten im Alter der Unschuld», für die es den «Feminaw-Mitarbeitern gelang, Kinderphotos von Mitgliedern der Academic francaise, vom damaligen Erziehungsminister, von einem Theaterdirektor und von mehreren Schauspielern zu beschaffen. In der Legende zu den Skizzen verschiedenster Kindertypen wird eine Art «geographische Psychologie der Rassen» entworfen, welche die ganzen Vorurteile der Zeit sowie den französischen Chauvinismus spiegelt: «Der kleine Engländer, der richtige kleine Angelsachse, der nur auf sich selbst zählt im Leben und die kühne Abenteuerlust dieser Rasse ausstrahlt, die Robinson Crusoe mit einem Applaus begrüsst hat, der noch nicht verklungen ist. Der starrköpfige Hebräer, der schmachtende Italiener, der Russe mit dem eigenwilligen Kinn, der listige Chinese, der fatalistische Araber, der feurige Spanier, der lassige Syrer, der sparsame Schweizer, der spiellustige Grieche, der gastliche Schwede, der stolze Deutsche, der unterjochte (sie!) Neger und der Franzose, Freund von jedermann.» Mit dem Niedergang der Belle Epoque und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die Zeit der Luxusillustrierten «Femina» vorbei. Vorbei war vor allem auch die Zeit der kleineren, experimentierfreudigen Verleger. Schon vor 1914 hatte die Transport- und Verträgerorganisation des Hauses Hachette eine mächtige Stellung. Der Krieg förderte zusätzlich den schon bestehenden Trend, Exklusivvertriebsrechte an den Grossverleger abzutreten, dem sich immer mehr kleinere Verleger fügen mussten. Im Januar 1916 kaufte Hachette dann die ganze Gruppe von Revuen und Publikationen von Pierre Lafitte auf. «Femina» bestand zwar weiter, wurde jedoch zunehmend unattraktiver und erlebte eine weitere Krise, als 1920 die französische Ausgabe von «Vogue» von der amerikanischen Gruppe CondeNast ins Leben gerufen wurde. Benutzte Literatur: Turgeon, Charles: Le Fcminisme francis. Paris 1907. Singer-Kerel, Jeanne: Le coüi de la vie a Paris de 1840 a 1954. Perrot, Marguerite: Le mode de vie des familles bourgeoises. Beide Paris 1961. Guilbert, Madeleine: Les femmes dans l'organisation syndicale avant 1914. Paris 1966. Kahn, Gustave: Das Weib in der Karikatur Frankreichs. Deutsch: Stuttgart 1907. Das Heft vom I. Mai 1901 war ganz dem Kind gewidmet. Eine besondere Attraktion bildete die Porträtseite «Persönlichkeiten im Alter der Unschuld», für die «Femina»-Mitarbeiter u. a. Kinderbilder des ehemaligen Präsidenten der Republik, des Erziehungsministers und Sarah Bernhardis beschafften. :/>;,- Besuch der Zarenfamilie: Nikolaus II. mit Zarin Alexandra und den beiden ältesten Töchtern Olga und Tatjana. Auftakt zum Direkt ans Leserinnenherz rührte die Reportage über Kinderkrippen, in denen arme Kinder dank der Grosszügigkeit wohlhabender Bürger in besten hygienischen Verhältnissen leben durften. Stille Wohltätigkeit: an jedem Kinderbettchen ist eine Tafel mit dem Namen des Spenders angebracht. Neue Zürcher Zeitung vom 05.09.1971
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