Profi Reisen Verlagsgesellschaft m. b. H., 1030 Wien, Seidlgasse 22, P.B.B. 02 – Z032784W – Verlagspostamt 1030 exklusiv Schweiz-Sonderausgabe Frühjahr 2015 vom urlaubstraum zum traumurlaub Schweiz Grand Tour of Switzerland Matterhorn calling. Mit der Erstbesteigung des Matterhorns haben Edward Whymper und seine Seilschaft vor 150 Jahren Alpingeschichte geschrieben. Um diese Pioniertat gebührend zu würdigen, hat Mammut mit der Hilfe der Zermatter Bergführer die historische Erstbesteigungsroute, den Hörnligrat, zum Leuchten gebracht. www.mammut.ch 2 erdmannpeisker / Robert Bösch Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Editorial D ie Schweiz existiert nicht.“ Mit diesem Slogan sorgte unser Nachbarland bei der Weltaus„ stellung 1992 in Sevilla für Erstaunen. Kein Wunder. Spätestens seit wir unseren feschen Fußball-Nationaltrainer haben, wissen wir, dass das so wohl nicht stimmen kann. Was dann, also? Die Schweiz steht für so viele Erlebnisse, dass einfach nicht alle unter einen Hut gebracht werden können. Das liegt nicht nur an den gigantischen Felsmassen der 48 Viertausender und 1.161 Dreitausender. Vier Sprachregionen, feine Boutique-Städte und menschenleere Gebirgstäler, Palmen und Gletscher, Kuh und Kunst, Tradition und Internationalität, Innovation und moderne Architektur – die Liste ließe sich noch lange fortschreiben. Und das alles auf sehr kleinem Raum. Würde man die Schweiz, die nur halb so groß wie das kleine Österreich ist, glatt bügeln, wäre die Landesfläche wahrscheinlich größer als die Deutschlands. Wer solche Gedankenexperimente anlegt, muss schon ein gutes Maß an Selbstironie an den Tag legen. Und das tun die Eidgenossen, sobald man sie ein bisschen näher kennen lernt. Mit ihrer Vorliebe für Superlative halten sie auch nicht hinter dem Berg: die steilste Zahnradbahn der Welt, der langsamste Schnellzug, die längste Höhle und der größte Gletscher der Alpen, die höchste Brauerei und der höchste Schoggi-Shop, um nur einige zu nennen. Was steigt, fällt auch Da all diese Einzelimpressionen erst in der gekonnten Kombination ein abgerundetes Bild ergeben, hat Schweiz Tourismus die Grand Tour of Switzerland kreiert. Die Kernroute führt auf etwas mehr als 1.600 km „rundumä und quärdurä“ – rundherum und quer durch – das Land. Das Erlebnis Schweiz bringen 44 Highlights entlang der Strecke nahe. Manche liegen an der Route, manche sind nur mit einem Schlenker zu erreichen, wie etwa das Benediktinerkloster St. Johann im Münstertal / Val Müstair. Ski Fahren können die Schweizer ja nicht so gut wie wir, glauben wir jedenfalls. Beim Öffis Fahren – sie nennen das ÖV für öffentlichen Verkehr – sind sie uns jedoch unbestritten überlegen. Optimal abgestimmte Fahrpläne von Bahn, Der Rollibock am Aletschgletscher mit Chefredakteurin Elo Resch-Pilcik (re.) Bus und Schiff, kombiniert mit sprichwörtlicher Pünktlichkeit machen das Reisen auch ohne Auto nicht nur möglich, sondern effizient und vergnüglich. Unsere Redakteurinnen Christiane Reitshammer und Susanna Hagen haben nach wochenlanger Recherche-Arbeit vor Ort und am Computer die Highlights der Grand Tour of Switzerland und der Grand Train Tour of Switzerland für Sie aufgezeichnet. Schweizer Originale und Schweizereien vervollständigen das Bild. Auch wenn der Frankenkurs es derzeit mit den Schweizer Berggipfeln hält, so tröstet doch die physikalische Grundregel: Was hinauf geht, fällt irgendwann auch wieder. Derzeit mag eine Reise in unser Nachbarland teuer sein, gönnen Sie sich trotzdem das Vergnügen: Sprichwörtliche Qualität, authentische Erlebnisse und reichlich Entschleunigung sind es wert! Wir wünschen viel Vergnügen beim Lesen und freuen uns, wenn Sie sich von unserer Begeisterung inspirieren lassen. Elo Resch-Pilcik Chefredakteurin Foto: Moshe Gilad Impressum reisetipps exklusiv Schweiz | Chefredaktion: Mag. Elo Resch-Pilcik | Redaktion: Susanna Hagen, Mag. Christiane Reitshammer | Lektorat: Christl Resch | Grafik & Layout: DI (FH) Martina Fuchs | Titelfoto: Christian Perret / Luzern Tourismus | Bilder: swiss-image.ch, siehe auch Fotoverweise auf jeder Seite | Herausgeber, Medieninhaber und Verleger: Profi Reisen Verlagsgesellschaft m.b.H. A-1030 Wien, Seidlgasse 22, T: + 43 1 714 24 14, Auflage: 130.000 | Dieses Heft erscheint als Sondernummer des Urlaubsmagazins reisetipps. | Anmerkung: Die auf der Titelseite abgebildete „Axenstraße“ bei Luzern ist für den öffentlichen Verkehr nicht befahrbar. 3 12 gute Gründe für die Schweiz Was hat die Schweiz, was wir in unserer Alpenrepublik nicht haben? Die Antwort ist klar: jede Menge! Hier sind die schlagkräftigsten Argumente: 1 Die grandiose Landschaft Einmalige Naturlandschaft, wohin man auch schaut – Matterhorn und Prachtzüge wie den Glacier Express haben eben wirklich die Schweizer erfunden. 2 Die einfache Erreichbarkeit Egal, ob mit Auto, Flugzeug oder Bahn – das Reiseziel liegt gleich nebenan! 3 Die freundlichen Schweizer Stets höflich, bescheiden und zuvorkommend, manchmal sogar ein wenig schräg mit reichlich Selbstironie. 4 Die Sicherheit Nicht umsonst wird der Papst seit 1506 von Schweizern bewacht. 5 Die lustige Sprache Aber hängen Sie bitte nicht überall ein i an, das ist peinlich! 4 Auf Hochglanz poliert, nie zu groß und doch immer interessant, echte Boutique-Städte. 7 Die perfekten Öffis Pünktlich auf die Minute und zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk. 8 Die Nachhaltigkeit Sanfte Mobilität (mehrere autofreie Ferienorte, E-Busse, E-Bikes etc.) und ein großes Umweltbewusstsein sind allerorts präsent. 9 Die Sportmöglichkeiten Wandern, Radfahren, Trekken, Bergsteigen, Mountain-Biken, Canyoning, Sommerrodeln, Gleitschirmfliegen, River Raften und, und, und... 10 Die coolen Erfindungen Vom Schweizermesser über’s Bircher- Müsli, Zellophan und Velcro bis zum Roten Kreuz, dem Bankgeheimnis und dem Teilchenbeschleuniger – einfach genial. 11 Das Prestige Statt sich über die zugegeben hohen Preise zu ärgern, genießen Sie lieber Ihre Ferien – die paar Urlaubstage können Sie allemal mithalten! Oddrr? 12 Die Grand Tour of Switzerland Spannende Themenstraßen gibt es auch anderswo. Aber keine, die über fünf Alpenpässe, durch vier Sprachregionen, zu elf UNESCO-Welterbestätten und zwei Biosphärenreservaten sowie an 22 Seen entlang führt. Foto: Valais/Wallis Promotion – Christian Perret D ie Berge sind höher, die Landschaft imposanter, die Öffis führen bis auf die Gipfel usw. Dass das nicht billig ist, ist klar. Aber dafür gibt’s nicht nur top Qualität, sondern auch jede Menge authentische Erlebnisse, Natur pur, reichlich Entspannung und nicht zuletzt immer wieder schräge Begegnungen mit spannenden Persönlichkeiten vom Alphorn-Öhi bis zum Gourmet-Chef. Noch immer nicht überzeugt? 6 Die gepflegten Städte Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Grand Tour of Switzerland S Foto: Switzerland Tourism / Andreas Gerth ie kennen die legendäre Route 66, haben die Grand Ocean Road bereist und lieben die blühende Pracht der südafrikanischen Garden Route? Dann wird es in diesem Sommer höchste Zeit für die Grand Tour of Switzerland, die neue Ferienstraße der Schweiz, auf der sich unser Nachbarland von der schönsten Seite zeigt. Praktisch direkt vor unserer Haustür. Ok, Grand Tour ist ein großes Wort für ein kleines Land. Aber stellen Sie sich vor, man würde die Alpen glattbügeln oder die Größe an der Sprachenvielfalt, an Käse- oder Schokoladesorten messen – dann wäre die Eidgenossenschaft zweifellos ganz vorne mit dabei. Welcher Abschnitt der mehr als 1.600 Kilometer langen Grand Tour-Route Sie am meisten faszinieren wird, müssen Sie selbst herausfinden. Immerhin gilt es, fünf Alpenpässe zu überwinden, mindestens 22 Seen zu bestaunen, sich durch vier Sprachregionen zu lavieren und die Vielzahl an Eindrücken zu verarbeiten, die eine Reise durch Bilderbuchlandschaften und spannende Städte mit sich bringt. Das Gefühl von Freiheit und Abenteuer stellt sich bei einer Reise mit dem Auto automatisch ein. Oben ohne – etwa mit dem Cabrio oder im Sattel einer Harley – macht es noch mehr Spaß, wie man aus diversen Road Movies weiß. Interessante Einblicke, große Ausblicke und überraschende Begegnungen sind praktisch vorprogrammiert. Letztere vor allem, wenn das GPS einmal versagt und man inmitten einer Herde von Kühen landet. Bis Sommer 2016 soll die komplette Route mit Grand Tour-Wegweisern beschildert sein. Aber aufgepasst, auch wenn Sie wieder am richtigen Weg sind, kann es Buchtipp Gebrauchsanweisung für die Schweiz Der Schweizer Thomas Küng kennt nicht nur die Schokoladenseiten seiner Heimat. Mit Wortwitz und Ironie schreibt er über Mentalität, Gebräuche und Eigenarten seiner Landsleute. Das Buch ist im Piper Verlag erschienen und auch als E-Book erhältlich. gefährlich werden, vor allem, wenn Sie die Fahrregeln der gestrengen Eidgenossen brechen. Es zahlt sich aus, strikt die Geschwindigkeitsbegrenzungen einzuhalten. Nicht umsonst behaupten böse Zungen scherzhaft, dass der Wohlstand der Schweizer unter anderem darauf gründet, dass sie ahnungslosen Touristen exorbitante Geldstrafen aufbrummen. Genuss, der sich auszahlt Ansonsten brauchen Sie sich in der Schweiz kaum um etwas zu sorgen, als um den Zustand Ihrer Geldbörse – aber als gelernter Österreicher wissen Sie, dass man nur einmal lebt und es viel schöner ist, sich an jedem Kilometer seines Urlaubs zu erfreuen, statt sich über Franken und Rappen zu grämen. Angeblich kann man bei den Schweizern sogar am Morgen auf dem Gletscher Skifahren und noch vor der „Zvieri“-Nachmittagsjause unter Palmen in einen warmen See springen – doch wollen Sie das wirklich? Muße ist doch eigentlich eine der Hauptingredienzien für einen richtig guten Urlaub. Also nehmen Sie sich Zeit für Ihre ganz persönliche Reise durch die Schweiz, genießen Sie die Entschleunigung und werden Sie zum Grand Touristen! Gut zu wissen Grand Tour (dt. „große Reise“), weitere Bedeutungen: Kavaliersreise, Junkerfahrt, Bildungsreise. In der Folge bezeichnete der Begriff die Kulturreise durch Europa, die junge englische Adelige, und später auch Mitglieder des gehobenen Bürgertums, zur Abrundung ihrer Ausbildung unternahmen. Dabei sollten sie Kunst, Kultur und Sitten fremder Länder kennenlernen, ihre Sprachkenntnisse und Manieren verfeinern und auf diese Art ihren Horizont erweitern. Diese Horizonterweiterung erstreckte sich oft auch auf die Horizontale, sprich, die jungen Herren waren auf der Suche nach erotischen Abenteuern, im Ernstfall sogar auf Brautschau. Listige Zimmerwirte offerierten damals den Reisenden gerne ein „garniertes Bett“, nämlich eines, in dem eine Gefährtin bereits wartete. 5 13 Pilatus: Die Pilatus-Bahn gilt als die steilste Zahnradbahn der Welt 6 24 Schweizerischer Nationalpark: Das Tor zum ältesten Nationalpark der Alpen liegt in Zernez 29 Seepromenade Ascona: Sieht aus wie die Adria, ist aber der Lago Maggiore Fotos: Pilatus-Bahnen AG / Christian Perret, Switzerland Tourism / Robert Boesch, Ticino Turismo / Remy Steinegger Grand tour of Switzerland 44 Highlights 1 Laténium: Archäologisches Museum und Park 2 Städtchen Murten 3 Zähringerstadt Fribourg 4 Städtchen Gruyères 5 Chaletdorf Gstaad/Saanen 6 Jungfraujoch 7 Schifffahrt Brienzersee 8 Altstadt Bern 9 Emmentaler Schaukäserei 10 Biosphärenreservat Entlebuch 11 Wasserschloss Hallwyl 12 Kapellbrücke Luzern 13 Pilatus 14 Tellskapelle, Sisikon 15 Kloster Einsiedeln 16 Grossmünster Zürich 17 Rheinfall 18 Städtchen Stein am Rhein 19 Stiftsbezirk St. Gallen 20 Fassadenmalerei Appenzell 21 Schweizer Tektonikarena Sardona 22 Heididorf Maienfeld 23 Bergdorf Guarda 24 Schweizerischer Nationalpark 25 Benediktinerinnen-Kloster St. Johann, Müstair 26 Aussichtsberg Muottas Muragl 27 Rhätische Bahn Albula/ Bernina 28 Drei Burgen von Bellinzona 29 Seepromenade Ascona 30 Monte Brè Lugano 31 Monte San Giorgio 32 Alte Gotthard-Passstrasse Tremola 33 Schweizer Alpen / Jungfrau-Aletsch 34 Matterhorn 35 Bergdorf Grimentz Fotos: Switzerland Tourism / Christian Perret / Christof Schuerpf 36 Abtei Saint-Maurice 37 Schloss Chillon Montreux 38 Lavaux Weinberg-Terrassen 39 Olympisches Museum Lausanne 40 Jet d’eau Genf 41 Felsarena Creux du Van 33 Schweizer Alpen, JungfrauAletsch: So geht Hochgebirge: Felsen, Gletscher, Heidekraut 44 Kulturstadt Basel: Eine BoutiqueStadt vom Feinsten, mit reichlich Kunst und Architektur 42 La Chaux-de-Fonds / Le Locle, Stadtlandschaft & Uhrenindustrie 43 Städtchen St-Ursanne 44 Kulturstadt Basel 7 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 8 Etappe: Zürich – St. Gallen Zürich: trendig und traditionell Ganz idyllisch, mit Altstadt, einem Fluss, kleinen Gässchen und Plätzen, über 1.200 Brunnen und schönen Kirchen, liegt die Stadt, die einst schon von den Römern besiedelt wurde, am blauen, glitzernden Zürichsee. Wer denkt da sogleich an eine weltberühmte, kühle Bankenstadt, teure Boutiquen, hippe Clubs und quicklebendige Kunstszene? Aber Zürich hat das alles zu bieten. Und ein Blick hinter die Fassaden lohnt sich immer wieder. Foto: Switzerland Tourism / Gian Marco Castelberg & Maurice Haas A m besten man schaut immer da hinein, wo es am Unspannendsten aussiehst“, erklärt Ursula, „ Stadtführerin in der größten Stadt der Schweiz. Und tatsächlich, geht man sozusagen eine Gasse weiter, einmal ums Eck, tun sich kreative Geschäfte auf, kleine Lokale, alte Cafés oder z. B. eine alte Weinstube, die Oepfelchammer, mit schweren Holzbalken und schrägen Wirtshausregeln hinter der grauen, glatten Fassade. Ein Beispiel, das vielleicht auch die Mentalität der Zürcher selbst widerspiegelt, ist das Gebäude der Stadtpolizei, ein ehemaliges Waisenhaus, an der Limmat: außen schlicht und geradlinig im Zwingli-Stil, wie ein Großteil der Stadt. Betritt man jedoch die Eingangshalle, findet man in Rottönen leuchtende Wände und Deckengewölbe mit Blumen-Ornamenten vor, die Blüemlihalle, die 1924 von Augusto Giacometti gestaltet wurde. Einen ersten Überblick über die Altstadt verschaffen wir uns an deren höchstem Punkt, am Lindenhof, wo tatsächlich immer noch große Lindenbäume stehen und Boule- und Schach-Spieler Stunden verbringen. Wir blicken auf die Altstadthäuser, das Grossmünster und das Rathaus, auf die Limmat, die Brücken, die die zwei Teile der Altstadt verbinden, die Universität und die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH). Wir spazieren über die gepflasterten Wege am Fluss entlang, z. B. durch die Schipfe, eines der ältesten Viertel der Stadt, wo man einige kleine, individuelle Geschäfte findet. Auf der anderen Seite Gegenüber liegt das autofreie Niederdorf, das Dörfli, mit seinen kleinen Gassen, Plätzen, zahlreichen Restaurants und Bars, das in der warmen Jahreszeit und seit der Liberalisierung des Sperrstundengesetzes zur Jahrtausendwende – vorher war um Mitternacht Schluss – besonders quirlig ist. Neben den allseits bekannten Läden haben sich auch einige Galerien und Geschäfte abseits vom Mainstream angesiedelt, hier lohnt sich – wie bereits erwähnt – immer wieder ein Blick „dahinter“. Das Wahrzeichen der 400.000 Einwohnerstadt ist das Grossmünster, im 16. Jahrhundert Ausgangspunkt der Reformation unter Zwingli und Bullinger. Abgesehen vom religiösen Hintergrund besticht das Gotteshaus mit den Zwillingstürmen auch durch moderne künstlerische Ambitionen: So wurden etwa die Glasfenster von Sigmar Polke und Augusto Giacometti gestaltet. Wer sich außerdem die 187 Stufen auf den Karlsturm hinaufmüht, wird mit einer schönen Aussicht belohnt. Weiter in Richtung Zürichsee – zwischen Bellevue, dem einst ersten Hotel direkt am See, und Opernhaus – befindet sich der Sechseläutenplatz („6-Uhr-Läuten“), ein ziemlich großer, mit Quarzit gepflasterter Festplatz mit Bänken, Bäumen und Wasserelementen, der während des Jahres immer wieder, z. B. vom Nationalzirkus, bespielt wird. Bekanntestes Fest ist das „Sechseläuten“ im Frühling. Dabei wird jedes 9 Etappe: Zürich – St. Gallen 16 Jahr der „Böögg“, eine Schneemannpuppe, auf einem Scheiterhaufen verbrannt, um den Winter zu verabschieden. Je schneller er den Kopf verliert, umso schöner wird der Sommer, heißt es. Es ist auch die Gelegenheit für die 25 Zürcher Zünfte, in Kostümen und Trachten, mit Pferden und Wagen sowie Musikkompanien durch die Stadt zu ziehen. Interessant ist auch, dass das gesamte Gelände erst vor etwa 120 Jahren aufgeschüttet wurde, um Platz zu schaffen. Vorher befand sich hier noch ein Teil des Sees. Vom SchweinEmarkt zum Bankenzentrum Überquert man wieder die Brücke, gelangt man zur Bahnhofstraße, „der“ Einkaufstraße der Stadt und vor 150 Jahren noch Stadtbefestigungsgraben. Sie führt auf 1,4 Kilometern Länge bis zum Hauptbahnhof, vorbei am Paradeplatz, und wird von zahlreichen Geschäften, Warenhäusern und Traditionshotels gesäumt, wobei sich die billigeren Shops in Bahnhofsnähe befinden. Der Paradeplatz darf wirklich als Geldumschlagplatz der Schweiz bezeichnet werden; im 17. Jahrhundert noch „Säumärt“, also Schweinemarkt, haben heute hier die Großbanken ihren Sitz. Außerdem gibt es auch noch eine große Filiale der berühmten Confiserie Sprüngli. Kleine Seitengassen wie der Rennweg oder die Augustinergasse mit ihren bunt bemalten Erkern und Fensterläden, Plätze mit den ehrwürdigen Zunfthäusern, die zumeist auch Restaurants der gehobenen Kategorie beherbergen, bringen 10 uns wieder hinein in die beschaulichere Altstadt und auch zum Fraumünster, einem weiteren Wahrzeichen und ehemaligen Machtzentrum (der Frauen!). Auch hier sind die färbigen Fenster besonderer Schmuck, gestaltet wurden sie z. T. von Giacometti und Marc Chagall. Die coole Gegend Ein neues, ziemlich cooles Stadtgebiet hat sich in den vergangenen 15 Jahren mit „Zürich-West“ (Kreis/Bezirk 5) entwickelt. Auf einem ehemaligen Industriegebiet um den Escher-Wyss-Platz, wo früher u. a. Schiffe gebaut wurden, spielt es sich richtig ab, besonders am Abend, wenn sämtliche Bars und Clubs, Kinos und die Kulturstätte Schiffbau bevölkert werden. Eine Markthalle im Eisenbahnviadukt und viele alternative und Second Hand-Geschäfte gibt es hier; so auch den Freitag-Flaghsip-Store in einem 26 Meter hohen Gebäude aus Schiffscontainern. Die Gebrüder Freitag produzieren die auch hierzulande sehr beliebten Taschen und Accessoires aus gebrauchten Lkw-Planen, Fahrradschläuchen und Autogurten. 1.600 Taschen auf vier Ebenen machen die Wahl zur Qual. Der Prime Tower ist mit 126 Metern das höchste (Büro-)Gebäude der Schweiz. Ganz oben locken Bistro und Restaurant sowie eine Aussicht auf Stadt, See und Berge. Beliebter Treffpunkt ist auch „Frau Gerolds Garten“, ein temporäres „Urban Gardening“-Projekt mit Biergarten und tatsächlichem Garten, Kunst und Veranstaltungen und einer sonnigen Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 16 Terrasse. Auch das ehemalige Rotlicht- und Arbeiterviertel (Kreis 4), die Langstrasse, mausert sich immer mehr zum vielfältigen und bunten Viertel. Multikulturelle Geschäfte und Lokale, Bars und Clubs, Designer-Geschäfte etc. zeigen Zürich von der alternativen Seite. Und wie uns gesagt wird: „Nicht alle Schweizer sind reich! Bei Not wirst du kreativ“. Fotos: Switzerland Tourism / Christof Sonderegger / Samuel Mizrashi / Marcus Gyger / swiss-image.ch Nah am Wasser gebaut Zürich ohne Schifffahrt wäre nur der halbe Spaß. Wir schwanken zwischen behäbigem Schaufelraddampfer, Themenfahrten wie Single Boat, Krimi-Abend oder Musikfahrt, bevor wir uns für das Fondue-Schiff entscheiden. Es muss ja nicht immer G‘schnetzeltes sein. Pappsatt, selbst der obligatorische Verdauungs-Kirsch hat nur wenig geholfen, lassen wir der Vernunft den Vortritt und entscheiden uns für ein wenig Bewegung. An der Seepromenade und am Bürkliplatz trifft sich halb Zürich zum Promenieren, zum Skaten oder Baden. Straßenkünstler und Musiker unterhalten ihr Publikum, auf der Wiese werden Würste „grilliert“. Der Limmatquai führt durch die Altstadt entlang des Flusses, der vom See abfließt, und lädt zum Flanieren ein. Und „im Sommer ist ganz Züri eine Badi“, erzählt Stefan von Zürich Tourismus. „Wenn es warm ist, spielt sich in der Stadt alles draußen ab“, sagt er. Gebadet wird von Mitte Mai bis Ende September in den 18 See- und Flussbädern („Badi“). Viel besucht ist das Frauenbad Stadthausquai direkt in der Limmat. Während untertags nur weibliche Gäste hineindür- 17 18 16 15 HIgHlights 15 Kloster Einsiedeln: Pferdezucht, Weinkellerei und Stiftsbibliothek 16 Grossmünster Zürich: Wahrzeichen der heimlichen Hauptstadt Einsiedeln 40 km Zürich 48 km Rheinfall 11 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Teures Pflaster Zürich ist teuer, unbestritten. „Ausgehen ist verhältnismäßig teuer. Aber es gibt auch viele Bars und Lokale, die leistbar sind, selbst entlang des Sees.“ Ein Platz, den viele Zürcher zu Mittag oder am Wochenende mit der ganzen Familie aufsuchen, um sich eine Bratwurst zu genehmigen, was oft ziemlich lange Schlangen verursacht, ist der Sternengrill (Niederdorf), wie Ursula verrät. „Nicht alle können sich Fein-Essen 12 leisten.“ Bemerkenswert ist auch die „Ässbar“, ein Café im Niederdorf, das Bäckereiwaren vom Vortag um den halben Preis anbietet – gegen den Wegschmeiß-Trend. „Da gehen nicht nur Studenten hin“, sagt die Insiderin. Vermeiden kann man auch den Kauf von teurem Mineralwasser: „Jeder spricht von den Banken in Zürich – es gibt tatsächlich 360, aber auch über 1.200 Brunnen, die alle Trinkwasser spenden“, meint Ursula. Große Brunnen haben oft auch ein kleines Becken am Boden für Hunde. Das Wasser kommt zu 70 Prozent aus dem See, 30 Prozent von Grundwasser und ist gratis. Und apropos gratis: Kostenlos sind in Zürich auch Fahrräder auszuleihen. Einzig ein Depot von 20 Franken und eine Kopie des Ausweises sind notwendig. Unser Tipp Markttag nützen Jeden Tag findet ein Markt statt, immer an einem anderen Ort, auch hier kann man günstig in Zürich einkaufen. Einen Geheimtipp gibt es auch für Schokolade: Zwar ist Sprüngli mit exklusiver Schoggi Platzhirsch, aber auch die Eigenproduktion vom Supermarktriesen Migros, Chocolat Frey, kann sich sehen lassen und ist günstig zu erstehen. Fotos: Switzerland Tourism / Rubiano Soto / Markus Buehler-Rasom / Jan Geerk fen, wird es am Abend für alle geöffnet, zudem verwandelt sich die Badeanstalt in einen Club mit Musik. Ganz den Männern vorbehalten, jedoch ebenso am Abend für alle offen, ist das Flussbad Schanzengraben mit gemütlicher Lage zwischen den alten Stadtmauern. Geplantscht wird auch gerne im Flussbad Unterer Letten oder im Seebad Enge mit Blick auf die Alpen. Und wer sich gerne messen möchte: Jeden Sommer findet das Limmatschwimmen statt. Wo die Zürcher noch gerne sind, ist der Uetliberg, der 871 Meter hohe Hausberg der Stadt, ob zum Spazieren, Radfahren oder zur Begehung des Planetenwegs. Von oben hat man freie Sicht auf die Stadt, den See und auch ein klein wenig auf die Alpen „Hinauf geht es z. B. mit der Uetlibergbahn, dann geht man den Rundweg, am Krater entlang, und fährt von Adliswil mit der Felseneggbahn hinunter und mit dem Schiff zurück in die Stadt“, so ein Routenvorschlag. Im Winter werden die Wanderwege zu „Schlittelwege“ umfunktioniert. Etappe: Zürich – St. Gallen mit ecken und kanten Der Tradition verpflichtet Eine interessante Geschichte hat das 5-Sterne Hotel Widder am Rennweg, dessen Planung und Umbau ganze zehn Jahre und viel Geld verschlang. Insgesamt hat die nicht unumstrittene Architektin Tilla Theus neun Altstadthäuser unter Verwendung von kostspieligen Materialien, Glas und Stahl, sowie der Erhaltung ursprünglicher Mauern, Erker, Balken und Fresken miteinander zu einem baulichen Glanzstück verbunden. Das Hotel- Restaurant AuGust besinnt sich ganz auf die Tradition der Metzger-Zunft (mit dem Zeichen Widder). Dementsprechend werden v. a. Fleischspeisen und Würste auf hohem Niveau serviert. „Back to the roots“, nennt das Marketing Manager Rene Bruggraber, der aus der Steiermark stammt und seine junge Hotelkarriere im Hotel Sacher in Wien begann. Das Restaurant soll „jedermann“ anlocken, wie es schon seit Jahren die Widder Bar tut. Ihr USP sind die 150 verschiedenen Single Malt Whiskeys. Ganz der Zunft (ehemals Leinenweber und Hutmacher) verpflichtet ist das Zunfthaus zur Waag am Münsterhof aus dem 14. Jahrhundert. Während sich im 1. Stock Restaurant und Bankettsaal befinden, ist im zweiten Stock nach wie vor monatlicher Treffpunkt der Zunft bzw. einer Runde Geschäftsmänner, die auch im Besitz des Hauses sind. Frauen sind heute wie damals nicht erlaubt. Im Restaurant jedenfalls, in dem gerne Promis speisen, wird – für alle Geschlechter – u. a. bestes Zürcher G‘schnetzeltes mit Butterrösti serviert. Das Haus führen seit 2004 Sepp und Sandra Wimmer. Der Hausherr kommt, wie sollte es anders sein, aus Österreich und ist selbst im „Gasthaus aufgewachsen“, wie er erzählt. Bereits mit 21 Jahren führte er das erste Hotel in der Ostschweiz (Toggenburg), später folgten Stationen in Buochs, Küsnacht und Zürich. Einst fand seine Hochzeit in dem Haus statt, heute ist er der Wirt und führt das Unternehmen fast wie einen Familienbetrieb. „Man muss Emotionen wachrufen und dem Haus ein Gesicht geben“, lautet Wimmers Motto. Nicht zuletzt hat er auch eine Hausfrau angestellt, die für die Rösti verantwortlich ist. 16.000 Portionen werden pro Jahr im Zunfthaus zur Waag verspeist. In der umgebung Insel Ufenau: Klosterinsel im Zürichsee bei Rapperswil-Jona; Naturschutzgebiet mit mittelalterlichen Kirchen Baden: [ 1 ] Die Kleinstadt an der Limmat wurde aufgrund von 18 Quellen mit heißem Thermalwasser zur Bäderstadt. Highlights: Altstadt, Burgruine Stein (einst Sitz der Habsburger), das neu gestaltete Industrieviertel und Kulturfestivals. Das Kloster Wettingen ist besterhaltenes Zisterzienserkloster der Schweiz. Rapperswil: Der Ort gilt als „Riviera“ am oberen Zürichsee, wird auch als Rosenstadt bezeichnet: In öffentlichen Gärten beim Kapuzinerkloster und auf der „Schanz“ blühen über 16.000 Rosenstöcke von über 600 Sorten. Pfäffikon: Das Alpamare in Pfäffikon ist Europas größter gedeckter Wasserpark mit 16 genialen Rutschen Fotos: Switzerland Tourism / Heinz Schwab / Gian Marco Castelberg & Maurice Haas Bubikon: besterhaltene Niederlassung des Johanniterordens in Europa mit Ursprüngen im 12. Jahrhundert. 15 Winterthur: Das Oskar Reinhart Museum am Stadtpark beherbergt etwa 600 Werke schweizerischer, deutscher und österreichischer Künstler. Kloster Einsiedeln (Highlight Nr. 15): Kulturschätze mit Überraschungseffekt. Seit über 1000 Jahren ist der Ort Pilgerstätte, wobei das heutige Kloster mit vier Innenhöfen in der Barockzeit errichtet wurde. In der Gnadenkapelle aus schwarzem Marmor steht die wunderschöne, ebenfalls schwarze Madonna. Die Mönche betreiben neben mehreren Werkstätten auch eine Kellerei für den klostereigenen Wein und Stallungen für die Pferde aus eigener Zucht, die „Cavalli della Madonna“. Eine Führung (täglich außer Sonn- und Feiertage) gibt Einblick in den Alltag der Mönche, in die nicht öffentlich zugängliche barocke Stiftsbibliothek und erklärt, warum die Madonna schwarz ist. Aber das sollten Sie selbst herausfinden! Auf jeden Fall sehenswert Kunsthaus: [ 2 ] Die bedeutendste Sammlung moderner Kunst in Zürich mit Werken von Alberto Giacometti, Picasso, Monet und Chagall, Munch und Kokoschka, Rothko, Twombley, Beus und Baselitz. Landesmuseum: größte kulturgeschichtliche Sammlung des Landes. Das Gebäude ist etwa 100 Jahre alt und erinnert an ein Märchenschloss. Museum Rietberg: Sammlung außereuropäischer Kunst- und Kultobjekte. 2007 wurde das Gebäude um den „Smaragd“, einen Pavillon aus grün-blauem Glas, erweitert. Picknick-Körbe im Sommer. Art Space Guide: Ein Guide zum Entdecken von Kunst-Offspaces und Galerien. Opernhaus: Hochkultur für Opern- und Ballett-Freunde Cabaret Voltaire: In der Spiegelgasse 1, etwa 100 Meter von Lenins Exilwohnung, nahm 1916 die DadaBewegung, die konventionelle Kunstformen ablehnte, ihren Anfang; Ausstellungen, Veranstaltungen, Bar, Bibliothek und Shop mit Design- und Kunstartikeln 13 PortrÄt Rolf Hiltl – vom Wurzelbunker zum In-Lokal Man mag es kaum glauben, aber das Land der Fleisch- und Wurstesser kann das älteste vegetarische Restaurant für sich verbuchen. Seit 1898 betreibt die Familie Hiltl das gleichnamige Lokal, inzwischen in vierter Generation. es frei, sich so zu ernähren, wie sie wollen. Ebenso seien 80 Prozent der Besucher nur Teilzeit-Vegetarier, und viele Touristen, die ins Restaurant kämen, wüssten gar nicht, dass es hier gar kein Fleisch gebe. „Es ist nicht angeschrieben.“ Hiltl geht es um den „gesunden Genuss“, Vielfalt, Frische, Freundlichkeit, Leidenschaft und zukunftsweisende Innovationen, wie er sagt; dazu gehören z. B. eigene Gewürzmischungen aus 50 verschiedenen Gewürzen, jeden Tag frische, neue Gerichte, ein Tatar, das kaum als Gemüse erkennbar ist, Burger, Geschnetzeltes, Würste aus Tofu, Seitan, Soja, Gemüse u.ä. R olf & Marielle, die das Haus 1998 übernommen haben, haben mit À la carte-Restaurant, Take away, Buffet und Catering an mehreren Standorten, Kochschule und Kochbüchern, Bar und Club sowie der ersten vegetarischen Metzgerei inzwischen ein richtiges Imperium aufgebaut. Wollen sie Zürich bekehren? „Ich will nicht missionarisch unterwegs sein. Ich selbst bin Teilzeitvegetarier, d.h. ich esse manchmal Fleisch und Fisch.“ Auch seinen Kindern stehe 14 Dass das so kommen würde, hätte wohl auch Urgroßvater Ambrosius nicht geahnt, als er im Alter von 20 Jahren aus Bayern nach Zürich kam und sich aufgrund von Rheumaproblemen zu einer vegetarischen Kost überreden ließ. Er ging ins bestehende „Vegetarierheim und Abstinenz Café“ essen, später übernahm er es auch. „Zur damaligen Zeit wurden Lokal und Gäste als Wurzelbunker und Grasfresser bezeichnet. Am Besten, man nahm den Hintereingang“, erzählt Rolf Hiltl. Einfluss auf die Küche hatte auch Großmutter Margrith, die einige Monate in Indien verbrachte, und dessen Küche und Gewürze in Zürich einführte. 1973 gab es im Hiltl außerdem das erste Salatbüffet der Stadt. Der Vegan-Trend wird heute auch bei Hiltl teilweise umgesetzt, so werden Rezepturen zum Teil erneuert – sofern der Genuss bleibt. „Schweiz ist ein Fleischland. Wir waren über Jahrzehnte die Einzigen. Jetzt schießen die vegetarischen Lokale wie Pilze aus dem Boden. Aber es kann nicht genug geben – so werden weniger Tiere getötet. Wir müssen nur dran bleiben und mit Innovationen zeigen, dass wir zukunftsorientiert sind“, so Hiltl. www.hiltl.ch Fotos: Hiltl, Adrian Bretscher Der Prophet im Fleischland Etappe: Zürich – St. Gallen 18 Fotos: Switzerland Tourism / Christof Sonderegger, Schaffhauserland Tourismus (2) 17 18 RHEINFALL Vibrierende Wassermassen STEIN AM RHEIN idylle mit Ausblick Was sind schon die Niagara Fälle? In der Nähe von Schaffhausen zeigt der Rhein, was er so kann – in der Form des größten Wasserfalls Europas. Gewaltige Wassermassen – man sagt, 600.000 Liter pro Sekunde – stürzen auf einer Breite von 150 Metern 23 Meter in die Tiefe. Das macht ganz schön viel Lärm, und für die Feuchtigkeit der Haut ist gesorgt. Mittendrin trotzt ein Felsen den Wassermassen. Auf den Plattformen über dem Rhein drängeln sich die Menschen, um möglichst nahe an das tosende Naturspektakel zu gelangen. Ganz Mutige, also wir, wagen sich per Boot an den Monolith im Wasserbecken und klettern sogar hinauf – ohne reinzufallen. Auch eine Kanu-Fahrt wäre verlockend, aber wir belassen es lieber dabei (also doch nicht so mutig). Mit dem Schiff geht es übrigens auch zu den Schlössern Wörth und Laufen. Letzteres bietet eine interaktive Ausstellung zum Rheinfall („Historama“), einen Erlebnisweg mit einer Doppelaufzugsanlage und gewährt einen hindernisfreien Zugang zum Wasserfall. Wo der Bodensee wieder zum Rhein wird, am Untersee, da liegt Stein. Stein am Rhein, um genau zu sein. Eine kleine, charmante Stadt mit bemalten Fassaden und Fachwerkhäusern, einer toll erhaltenen mittelalterlichen Klosteranlage, St. Georgen, und einer Burg, die, ca. 1200 erbaut, auf einem Hügel über dem Ort thront und in der Burgstube sowie im Rittersaal Speis und Trank mit traumhafter Aussicht auf den Rhein als Dessert bietet. Hinauf kann man übrigens auch mit einem Elektro-Tretroller, dem Trottinett, fahren. Apropos Trank: Mit einem Boot auf dem Rhein fahren wir nach Schaffhausen, wo eine kurze Stadtbesichtigung eingelegt wird, und wieder zurück. So viel Aktivität macht hungrig. Da kommt uns der Besuch bei einem Winzer auf etwa halber Strecke gerade recht. Das Museum Lindwurm haben wir in weiser Voraussicht vor dem Ausflug eingeplant. Schließlich wirkt das Haus samt seiner Einrichtung einer gutbürgerlichen Familie um 1850 so, als würde alles in jedem Moment lebendig werden. Da will man nicht negativ auffallen. HIgHlights (siehe Karte Seite 11) 17 Rheinfall: 600.000 Liter Wasser pro Sekunde stürzen in die Tiefe 18 Städtchen Stein am Rhein: mittelalterliche Fassaden am Untersee Rheinfall 23 km Stein am Rhein 63 km St. Gallen 15 Etappe: St. Gallen – Maienfeld Kontraste in St. Gallen-Bodensee Ganz nah an Österreich, aber auch an Deutschland und Liechtenstein, liegt die Ferienregion St. Gallen-Bodensee, unsere nächste Etappe auf der Grand Tour. Gespannt sind wir auf den UNESCO-Stiftsbezirk mit seiner berühmten Bibliothek und die schöne Altstadt in St. Gallen. Was kann die Schweizer Seite des Bodensees? Oder die grünen Hügel des Appenzellerlandes? V oller Vorfreude peilen wir von Norden kommend St. Gallen an. Zuerst geht es aber durch den Kanton Thurgau, der im Volksmund aufgrund seiner großen Bestände an Obstbäumen „Mostindien“ genannt wird. Ob wir den Bodensee damit auch Mostsee nennen dürfen, bleibt unbeantwortet. Oberhalb von St. Gallen locken die Naturbäder „Drei Weieren“ mit jugend(stil)lichem Charme, doch wir widerstehen – heute ist Sightseeing angesagt. Die Altstadt von St. Gallen strahlt eine noble Großzügigkeit aus. In den gediegenen Gassen fügen sich die stattlichen Wohnhäuser der St. Galler Textilbarone zu einem perfekten Ensemble zusammen. Ein steifer Nacken ist nach einem Stadtrundgang vorprogrammiert, denn unweigerlich wandert der Blick hinauf zu den phantasievoll geschnitzten Erkern, mit denen die Bürgerhäuser verziert sind. Im Mittelalter und in der Renaissance dienten sie dazu, mehr Licht in die Häuser zu bringen. Mit den Vorbauten wollten die Reichen und Schönen zeigen, wie gut sie die Welt kannten. Weltoffen sind die St. Galler heute noch – das beweist auch der interessante Mix, mit dem sowohl die Kulturszene als auch das kulinarische Angebot der jungen Universitätsstadt aufwarten kann. . Stiftsbezirk St. Gallen: UNESCO-Welterbe Wo ein irischer Wandermönch – der namensgebende Gallus – im Jahr 612 seine bescheidene Eremitage errichtete, ent- 16 stand im Jahr 719 ein Benediktinerkloster, das so erfolgreich war, dass sich im 8. und 9. Jahrhundert rundherum die Stadt St. Gallen bildete. Die Glocken in den beiden Türmen der Kathedrale aus dem Spätbarock sind für ihren besonders sonoren Klang bekannt. Sowohl beim Bau als auch bei der prunkvollen Innenausstattung der Kathedrale hatten Vorarlberger Meister ihre Hände im Spiel. Seit 1983 gehört der gesamte klösterliche Komplex, der so genannte Stiftsbezirk, zum UNESCO-Weltkulturerbe. Herzstück der großzügigen Anlage ist die berühmte Stiftsbücherei, die mit ihren 2.000 mittelalterlichen Originalhandschriften und 170.000 Druckwerken, von denen 400 älter als 1.000 Jahre sind, zu den bedeutendsten Klosterbibliotheken der Welt zählt. Mit Filzpantoffeln an den Füßen und einem Schuss Ehrfurcht betreten wir die „Heilstätte der Seele“, wie die Stiftsbibliothek mit einer griechischen Inschrift über dem Portal bezeichnet ist. Es riecht wohltuend nach Büchern und altem Holz. Der Parkettboden knistert. Wie die Kathedrale wurde die Bibliothek Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut. Für ihre Ausstattung brauchten die klösterlichen Kunsthandwerker neun Jahre und 30 verschiedene Holzarten. In dem prächtig dekorierten Saal steht auf zwei Etagen Buch an Buch in hölzernen Regalen geordnet. Ausgewählte Handschriften und Drucke werden den Besuchern in wechselnden Jahresausstellungen präsentiert. 19 Die Lokremise: Verlockender Kulturgenuss Fotos: Switzerland Tourism / Stephan Engler / Heinz Schwab, Thurgau Bodensee / Alex Buschor Zeitgenössische Kultur und Stadtgeschichte treffen in der Lokremise im Herzen von St. Gallen aufeinander. Das größte noch erhaltene Lokomotiv-Ringdepot der Schweiz wurde in der Hochblüte der Ostschweizer Textilindustrie zwischen 1903 und 1911 erbaut und wird seit 2010 als Kulturzentrum genutzt, das unter anderem eine Dependance des Kunstmuseums von St. Gallen beherbergt. 19 20 Unser Tipp Radwandern am Bodensee Zu lange Auto fahren ist ungesund! Steigen Sie zwischenzeitlich auf zwei Räder um und folgen Sie dem Bodensee-Radweg. So lässt sich theoretisch der ganze See umrunden, während Radler-freundliche Hotels mit dem Gepäcktransport helfen. Der Radweg führt direkt am Forum Würth in Rorschach vorbei, wo eine tolle Ausstellung und ein Skulpturengarten kostenlos für künstlerische Inspiration sorgen. www.bodensee-radweg.com HIgHlights 19 Stiftsbezirk St. Gallen: barocker Prunk in der Stiftsbibliothek 20 Fassadenmalerei Appenzell: Generationen alte Wappen, Zunftzeichen und Geschichtsdarstellungen St. Gallen 18 km Appenzell 60 km Maienfeld 17 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Etappe: St. Gallen – Maienfeld Appenzell Ein Bild von einem Dorf Zeit für einen Abstecher zu den Appenzellern, vor denen sich die Tiroler einst so fürchteten, dass es angeblich zu Stoßgebeten kam wie: „Gott behüte uns vor der Pest und den Appenzellern“ [ 1 ]. Doch weder im Dorf Appenzell, noch in dessen grüner Umgebung finden wir etwas zum Fürchten. Ganz im Gegenteil: In der autofreien Hauptgasse von Appenzell [ 2 ], die von Giebelhäusern mit prächtigen Fassadenmalereien und Zunftzeichen gesäumt ist, wähnt man sich in einem – fast kitschigen – Bilderbuch. Obwohl die Kunstwerke, die Wappen oder ganze Geschichtsszenen darstellen, schon einige Generationen überdauert haben, wirken sie allesamt, als ob sie erst gestern gemalt worden wären. Viele der Häuser sind mit geschmiedeten Zunftzeichen bestückt, die an die goldenen Zeiten des Handwerks erinnern. Spaß macht es, sich durch das Dorf durchzukosten: Das „quöllfrische“ Bier der Brauerei Locher, der heilsame Alpenbitter Kräuterlikör oder der würzige Käse gehören einfach dazu. Sagenhaft ist die liebliche Landschaft im Appenzellerland, darum führen gar so viele Bergbahnen in luftige Höhen – auf den Hohen Kasten mit seinem Drehrestaurant etwa oder auf den Kronberg mit seiner abenteuerlichen Rodelbahn. Auf der Ebenalp ist das Berggasthaus Aescher schon alleine wegen seiner spektakulären Lage mitten in den zerklüfteten Felswänden des Alpstein-Gebirges einen Besuch wert. Säntis: Sagenhafte Sonnenuntergänge Unser Tipp Würstel ohne Senf Die St.Galler Bratwurst wurde schon 1438 erfunden, kommt aber dennoch stets tagesfrisch auf den Tisch. Ihr zart-weißes Innenleben besteht aus Kalbfleisch, Schweinespeck und Milch. Wer sie wie ein Einheimischer genießen möchte, siedet sie im Wasser und lässt den Senf weg. 18 Fotos: Appenzellerland Tourismus AI / Christof Sonderegger (2) / Christian Perret Wahrzeichen der Bodenseeregion ist der 2.502 m hohe Säntis. Beliebt ist der höchste Gipfel im Alpsteingebiet [ 3 ] vor allem als Paradies für Wander- und Bergtouren, aber auch wegen der eindrucksvollen Blickachsen nach Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Italien und Frankreich. Zu den Panoramarestaurants auf dem Gipfel und damit auch zu den sagenhaften Sonnenuntergängen gelangt man bequem mit der Schwebebahn. Schweizereien Textilmuseum St. Gallen stoff zum träumen Michelle Obama, Sunnyi Melles und Mrs. Clooney können nicht irren: Der Stoff, aus dem die Träume sind, kommt allzu oft aus der Ostschweiz. St. Gallen – einst eines der weltweit wichtigsten Herstellungsgebiete von Stickereien – punktet bis heute mit Spitze, die auf den Laufstegen von Paris größten Anklang findet. Mehr dazu gibt es im 1886 eröffneten Textilmuseum im Palazzo Rosso in der Altstadt von St. Gallen zu erfahren. Nicht zuletzt dank zahlreicher Schenkungen von privaten Sammlern, kann das traditionelle Haus in seinen thematisch aufbereiteten Ausstellungen exquisite Stickereien und Spitzen sowie prachtvolle Stoffe und extravagante Stücke aus aller Welt zeigen. Antike Modelle sind ebenso Teil der Sammlung wie neueste Entwicklungen auf dem Gebiet „Intelligente Textilien“. Die Musterbücher, Entwürfe, Modefotografien und –zeichnungen der umfassenden Textilbibliothek werden bis heute von den heimischen Produzenten hoch geschätzt und verwendet. Zu sehen gibt es auch Kreationen des Schweizer Luxuslabels Akris, das seinen Hauptsitz in St. Gallen hat. Von Akris stammte übrigens auch das Kleid, das Michelle Obama zum Amtsantritt ihres Mannes trug – ein Traum aus Spitze von der Firma Forster Rohner, natürlich aus St. Gallen. Fotos: swiss-image.ch / Andy Mettler, Silvia Groß / Textilmuseum Unser Tipp Spitze schlafen im Einstein Inmitten von St. Galler Spitze und anderen schönen Stoffen kann man sich neuerdings sogar zur Ruhe betten. Zur Untermauerung der Rolle der regionalen Textilindustrie haben manche Ostschweizer Hotels einige ihrer Zimmer zu Textilzimmern umgewandelt. Besonders stilvoll ist das Vier-Sterne-Superior-Hotel Einstein in St. Gallen, das seit 30 Jahren in der Hülle einer ehemaligen Textilfabrik aus dem Jahre 1830 steckt. Albert war zwar nie da, wohl aber Isaak David Einstein, dem das Haus einst gehörte. Wenn sie „spitzenmäßig“ schlafen wollen, verlangen Sie bei der Buchung nach dem Textilland-Zimmer! www.einstein.ch PORTRÄT Silvia Groß Aparte Stimme des Textilmuseums „Wir sind ein kleines Haus mit multifunktionalen Mitarbeitern“, umschreibt Silvia Groß ihr weites Aufgabengebiet in der Kommunikation des Textilmuseums St. Gallen. Die Erfahrungen, die sie zuvor im Vitra Design Museum in Basel und im Vorarlberg Museum in Bregenz gesammelt hat, bringt Silvia Groß seit 2013 in das Traditionshaus ein. Die Schweizer Tradition erlebt die in Deutschland aufgewachsene Österreicherin sehr positiv: „Am meisten fasziniert mich, wie Brauchtum hier noch gelebt wird und welchen Stellenwert es in der Gesellschaft einnimmt. Gleichzeitig wird aber offen diskutiert, inwieweit Traditionen behalten oder geändert werden müssen“. Der Begriff Tradition ist ihrer Meinung nach wesentlich unbelasteter als in Deutschland oder Österreich, da die Schweiz als neutrales Land mit viel weniger Altlasten aus der Vergangenheit zu kämpfen hat. Mit Sammlungen hat die Kunstvermittlerin und Museumspädagogin nicht nur beruflich gerne zu tun: Neben Art Deco-Silber und VintageKleidung sammelt sie alte Krawatten. „Die lassen sich wunderbar weiterverarbeiten!“. Ihr Wohn- und Arbeitsort gefällt ihr gut: „St. Gallen liegt wunderschön zwischen See und Bergen, es ist eine überschaubare Stadt, und durch die Universität doch sehr international.“ www.textilmuseum.ch 19 Ambros Wirth Wirt und Wein-Reisender „Der Wirt(h) kommt gleich!“ hat in den altehrwürdigen Gaststuben zum Schlössli in der Altstadt von St. Gallen doppelte Bedeutung. „Grüezi Ambros“ tönt es von allen Tischen, wenn der Wirt, der mit Nachnamen Wirth heißt, vorbeigeht. Er begrüßt die Stammgäste, kümmert sich aber ebenso aufmerksam um alle anderen. „Wir nehmen gute saisonale Grundprodukte und veredeln sie dann auf regionale Weise“, fasst Ambros das Schlössli-Küchen-Credo zusammen. 14 Gault Millau-Punkte beweisen, dass es greift. Besonders stolz ist er auf exotische Zutaten wie Blaue St. Galler Erdäpfel oder aromatisches Almwiesenheu. Die große Schwäche von Ambros ist eigentlich eine Stärke: Die Liebe zum Wein lässt ihn die ganze Welt bereisen, denn es liegt ihm daran, die Menschen zu kennen, deren Weine er serviert. Das Resultat? Eine mehr als 20 Seiten dicke Weinkarte, die sich wie ein Reisekatalog liest. Persönlich ist der Wirt ein Fan der Ostschweizer Winzer, über die er natürlich besonders gerne erzählt. www.schloessli-sg.ch 20 Schweizereien Forum Würth in Rorschach Konzern mit Liebe zur Kultur Ein Kunsterlebnis erster Klasse wartet im Forum Würth in Rorschach. Darum geht es direkt ans Ufer des Bodensees, dessen Grün sich in der Fassade des Würth Hauses spiegelt. Der moderne Bau beherbergt eine der Schweizer Konzernfilialen des deutschen Schraubengroßhandelsimperiums, das jährlich mehr als 10 Milliarden Euro umsetzt und insgesamt 66.000 Menschen beschäftigt. Das Schöne: Gemäß der sympathischen Firmenphilosophie gehen die Würth’schen Firmenaktivitäten stets mit der Vermittlung von Kunst und Kultur einher. Deshalb verwundert es nicht, dass uns gleich beim Eingang ein meterlanger, glitzernder Alligator von Niki de Saint Phalle empfängt. Auf mehr als 600 m² werden seit April 2013 hochrangige Kunstausstellungen gezeigt. Die Kuratoren, die übrigens noch 14 andere Würth-Foren in Europa bespielen dürfen, schöpfen aus dem Vollen, denn die Sammlung des Konzernchefs Prof. Dr. Reinhold Würth umfasst mehr als 16.000 exklusive Werke. Bis Januar 2017 läuft die Ausstellung „Waldeslust“ mit Werken von namhaften Künstlern wie Christo, Max Ernst oder Alfred Hrdlicka. Ebenso wie die wechselnden kleinen Ausstellungen im Foyer ist die Waldeslust-Schau von April bis September täglich von 10 bis 18 Uhr zugänglich. Der Eintritt ist frei. www.wuerth-haus-rorschach.ch Fotos: Ambros Wirth, Forum Würth Rorschach / Damian Imhof, Speicher / Thies Wachter PORTRÄT PortrÄt Kristina Koosanny ’S Heidi aus Mauritius Kristina stammt aus Mauritius. Kreol, aber auch Deutsch, Englisch und Französisch spricht sie fließend. An Stelle von Dirndl und blonden Löckchen sind langes schwarzes Haar und ein strahlendes Lächeln ihre Markenzeichnen. Kristina ist eine von acht Heidis im STC. Fotos: Susanna Hagen, Swiss Travel Center D ennoch ist sie Heidi, ebenso wie ihre acht Kolleginnen im jungen Team des Switzerland Travel Center (STC) in Zürich. Mit „Grüezi und herzlich willkommen! Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ begrüßt sie die Gäste in der Chat-Box, die erscheint, sobald man die Informationsplattform www.myswitzerland. com aufruft. Seit dem Jahr 2013 ist Heidi die virtuelle Gesprächspartnerin, die alle Fragen zum Ferienland Schweiz in Windeseile, sehr persönlich und humorvoll beantwortet. Wochentags steht das Service zwischen 8 und 18 Uhr und samstags zwischen 10 und 16 Uhr zur Verfügung. Wenn eine neue Chatfrage herein kommt, sieht Kristina das ebenso wie ihre Kolleginnen sofort am Bildschirm. Wer zuerst klickt, führt den Chat. Kommunikationsprobleme treten selten auf, denn gemeinsam bringen es die Heidis auf sechs Sprachen, in denen sie ihre Kunden beraten können, gerne auch telefonisch oder per Email. Auf die Frage, wie sie die richtigen Antworten gar so schnell parat hat, meint Kristina mit Stolz in der Stimme: „Wir sind sehr gut ausgebildet und gehen oft auf Schulungs- reise. Dadurch verfügen wir über ein Netzwerk in der ganzen Schweiz, das uns nötigenfalls rasch weiter hilft“. Insgesamt beantworten die Heidis jährlich rund 65.000 Chats. Die österreichischen Kunden interessiert neben den Panoramazügen und Wanderrouten vor allem, welche Bahnkarte sie am besten für ihren Urlaub wählen sollen, wie die aktuellen Straßenverhältnisse sind oder wo sich der schönste Campingplatz an ihrer Reiseroute befindet. „wo ist der geissen-peter?“ Kristina ist in Solothurn aufgewachsen, lebt nun in Zürich und hat eine Lehre beim STC absolviert, ehe sie ins Chat Center wechselte. Den Sonntag nutzt Kristina zum Relaxen oder sie macht sich auf, die Schweiz noch genauer zu erforschen. Alle paar Jahre leistet sie sich ein Ticket nach Mauritius, um Verwandte zu besuchen und den Indischen Ozean zu genießen. „Gibt es auch lustige Fragen?“ – „Ja“, grinst Kristina, „ich wurde schon gefragt, ob der Geissen-Peter gerade auf der Weide ist!“ 21 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 21 Tektonikarena Sardona UNESCO-Welterbe Von St. Gallen fährt man nur eine gute Stunde ins Herz der Schweizer Tektonikarena Sardona, die sich über 300 km² im Grenzgebiet der Kantone St. Gallen, Glarus und Graubünden erstreckt. Die gelbe Linie, die sich entlang der Felswände um den Piz Sardona zieht, markiert die so genannte Glarner Hauptüberschiebung – ein geologisches Phänomen von Weltformat. Der tiefste Punkt befindet sich in Ennenda auf knapp 540 m, die höchste Erhebung ist der Ringelspitz mit 3.257 m. 22 21 23 24 25 Heididorf Maienfeld Meine Welt sind die Berge! HIgHlights 21 Schweizer Tektonikarena Sardona: geologisches Phänomen 22 Heididorf Maienfeld: Wirklichkeit gewordener Kinderroman 23 Bergdorf Guarda: Schellen-Urslis Heimatdorf 24 Schweizerischer Nationalpark: ältester Nationalpark der Alpen 25 Schlenker: Benediktinerinnen-Kloster St. Johann, Müstair: UNESCO-Weltkulturerbe mit Bauelementen aus zwölf Jahrhunderten 26 Aussichtsberg Muottas Muragl: Bergerlebnis im Engadin Unser Tipp Hier grüßt das Murmeltier: Die possierlichen Nager sind bei einer Wanderung im Val Trupchun am besten zu beobachten. Die meisten Murmeltier-Kolonien leben im vorderen Talabschnitt und im Gebiet der Alp Trupchun. www.nationalpark.ch 22 65 km Maienfeld Guarda 32 km 22 km St. Johann Tektonikarena Sardona Nationalpark 73 km St. Moritz 99 km Guarda 20 km Schlenker: Kloster 6 km Muottas Muragl Fotos: Switzerland Tourism / Roland Gerth / Marcus Gyger Auf geht‘s in den Norden Graubündens, in die Heimat der wohl berühmtesten Schweizerin: Heidi! Berge, Tannen, Wiesen – im Heididorf oberhalb von Maienfeld können Liebhaber des Kinderromans von Johanna Spyri und Fans der AnimeVersion der japanischen TV-Serie der 1970er-Jahre alle Klischees auskosten. Heidihaus und Geißstall – nur die drei Tannen fehlen – versetzen uns zurück in die Schweizer Bergwelt des 19. Jahrhunderts. Noch schnell eine Karte mit dem Heididorf-Sonderstempel für zu Hause und dann ist Zeit für eine Stärkung, schließlich sind wir in der Bündner Herrschaft, der wichtigsten Weinregion des Kantons. Die Blauburgundertrauben ergeben einen ausgezeichneten Pinot Noir. Übrigens, Weinberge und -keller werden hier plakativ „Torkel“ genannt. 26 Etappe: Maienfeld – St. Moritz Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Guarda Zwischen Himmel und Erde Ein weiterer Schweizer Held, der Schellen-Ursli, lebte in der Bilderbuch-Phantasie seines Erschaffers Alois Carigiet in Guarda. Gut gewählt, denn das kleine Bündner Bergdorf sonnt sich auf einer Südterrasse auf 1.653 Metern. Lange braucht man nicht, um sich das Dorf anzusehen, aber die typischen Sgraffito-geschmückten Engadiner Häuser aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts rechtfertigen den Abstecher ebenso wie die gepflegten Wanderwege, die zu Ausflügen in die märchenhafte Landschaft des Unterengadins verführen. Dem besagten Schellen-Ursli ist sogar ein eigener Wanderweg gewidmet, der sich gut für Familien eignet, da man ihn in Etappen aufteilen kann. Im Herbst 2015 erscheint der SchellenUrsli-Film, der in der Unterengadiner Bergwelt gedreht wurde. 23 Schweizerischer Nationalpark Nichts als Natur Der 1914 gegründete Schweizerische Nationalpark im Engadin ist der älteste der gesamten Alpenregion. Er erstreckt sich über mehr als 170 km² und ist mit 80 km Wanderwegen und Lehrpfaden ein ideales Ziel für Naturliebhaber. Die Natur wird seit einem Jahrhundert konsequent geschützt. So ist die Jagd strikt verboten und die Wanderwege dürfen nie verlassen werden. Dafür ist die Chance groß, Rothirsche, Steinböcke und Gämsen zu sehen oder auch Murmeltiere, Eidechsen, Schneehasen sowie alpine Vogelarten wie die seltenen Steinadler oder Bartgeier. Der zuvor gefährdete Baumbestand konnte sich durch die Naturschutzauflagen wieder erholen und die Artenvielfalt ist heute beispielhaft. Nützliche Informationen hält das Besucherzentrum in Zernez bereit. Fotos: Switzerland Tourism / Stephan Schacher / Bernard van Dierendonck / Heinz Schwab Schlenker nach Müstair Ab ins Kloster 24 Ein kurzer Schlenker bringt uns in den äußersten Südosten der Schweiz, in das abgelegene Müstair. Das Benediktinerinnen-Kloster St. Johann – auf Rätoromanisch Claustra Son Jon genannt – beherbergt seltene Bauelemente aus der Zeit von Karl dem Großen. Seine außerordentliche kunsthistorische Bedeutung unterstreicht die Ernennung zum UNESCO-Weltkulturerbe im Jahr 1983. Die Anlage setzt sich aus verschiedenen Gebäudeteilen aus zwölf Jahrhunderten zusammen. Der älteste Teil und die Klosterkirche mit ihren wertvollen romanischen Fresken wurden zirka um 775 erbaut. Einblicke in das Leben der Benediktinerinnen gibt das Museum im mittelalterlichen Turm. Für besonders ruhebedürftige Reisende stehen in der Klosteranlage Gästezimmer zur Verfügung. Und spätestens, wenn sich die schwere Graubündner Kost zu sehr auf die Hüften geschlagen hat, denkt man daran, auch einmal eine der vom Kloster organisierten Fastenwochen zu buchen. 23 25 Etappe: st. Ortmoritz 1 – Ort– 2Lugano – ort 3 Tessin Dolce Vita am fusse der alpen Die nächste Etappe bringt uns ins Tessin, das sich am südlichen Zipfel der Schweiz zwischen dunkelgrünen Seen und Bergen festklammert. Schon von weitem sind die drei Burgen der Tessiner Hauptstadt Bellinzona zu sehen, die zum UNESCO-Welterbe zählen. Weiter geht es nach Lugano, in die größte Stadt der italienischen Schweiz, die den Dreiklang zwischen mondäner Metropole, Finanzplatz und liebenswerter Kleinstadt ebenso virtuos meistert, wie den Spagat zwischen Schweizer Zuverlässigkeit und entspannter Italianità. Die warmen Sommer, die italienische Architektur und das mediterrane Flair scheinen eine Art Sogwirkung zu haben, denn nicht nur Reisende wie uns, sondern auch die deutsch- und französisch-sprachigen Eidgenossen zieht es immer schon in Sachen „Dolce Vita“ an die Ufer des Luganersees. Überzeugend sind auch die Verlockungen der Tessiner Küche und des süffigen lokalen Merlots. Beides schmeckt am besten, wenn man nach einer Wanderung bei einem der urigen Bergheurigen – einem so genannten „Grotto“ – einkehrt. Nach der Jause fühlt sich das Leben plötzlich ganz leicht an. Oder macht das die Standseilbahn, die uns auf den Monte Brè hebt, wo uns ein herrlicher Ausblick auf Lugano, die Walliser und die Berner Alpen erwartet? 29 Unser Tipp Für die Schönheit des Tessins steht das ehemalige Fischerdorf Morcote, wo neben schattigen Arkaden und Cafés mit Seeblick, vor allem die Blütenpracht im Scherrer Park besticht. Am Weg nordwärts lohnt sich ein Stopp am UNESCO Welterbe Monte San Giorgio, der für seine wilde Landschaft und rare Fossilienfunde bekannt ist. Achtung, am Lago Maggiore lauert Gefahr: Es könnte sein, dass Sie von der Seepromenade in Ascona so lange Fotos schießen, bis die Speicherkarte endgültig voll ist. St. Moritz >> 32 27 >> 28 29 30 31 HIgHlights 27 Schlenker: Rhätische Bahn Albula/Bernina: Bahnwunder zwischen Thusis und Tirano (siehe Seite 72) 28 Drei Burgen von Bellinzona: eines von elf UNESCO-Welterben 29 Seepromenade Ascona: Mediterrane Pracht am Fuße der Alpen 151 km st. Moritz 62 km Schlenker: Thusis Schlenker: St. Moritz 44 km Bernina-Strecke Puschlav 30 Monte Brè Lugano: mit der Standseilbahn zu prächtiger Aussicht Bernina-Strecke Puschlav (siehe Seite 68) 31 Monte San Giorgio: wilde Landschaft und rare Fossilienfunde Bellinzona 24 25 km Ascona Bellinzona 42 km 135 km Lugano 31 km Lugano M. San giorgio Fotos: Switzerland Tourism / Renato Bagattini, Ticino Turismo / Christof Sonderegger 28 Etappe: Bellinzona – Andermatt –Zermatt Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Fotos: Switzerland Tourism / Andre Meier / Christof Sonderegger, Ticino Turismo / Christof Sonderegger / Remy Steinegger 32 32 Alte Gotthard-PassstraSSe Tremola: Zum Zittern Vier-Quellen-Weg Mehr als nur Rhein & Reuss Vom Valle Leventina aus peilen wir nun Andermatt im Kanton Uri an, bevor es ins Wallis weitergeht. Viel gemächlicher als durch die Tunnel der Neuen Gotthard-Passstrasse ist die Fahrt über das historische Kurvenwunder: die Tremola, das längste Baudenkmal der Schweiz. Der Name kommt nicht von ungefähr vom italienischen Verb „tremolare“, zu Deutsch: zittern. Über enge Spitzkehren und einen Teppich aus Kopfsteinen schlängelt sie sich von Airolo über den 2.106 Meter hohen Gotthardpass bis nach Andermatt. Bei der 37. Kurve hören wir auf zu zählen... Obwohl die steile Serpentinenstraße nach dem Zweiten Weltkrieg das Prädikat „unzeitgemäß“ erhielt, sodass schließlich zwischen 1967 und 1977 die neue Passstraße gebaut wurde, ist und bleibt die Tremola der Favorit für Genussfahrer. So lange Schnee liegt – und das kann durchaus bis Pfingsten sein – ist sie allerdings gesperrt. Im Gotthardmassiv entspringen die Flüsse Rhein, Reuss, Ticino und Rhône. Eine spannende Tour für gut trainierte Wanderer führt zu ihren Quellen. Der fast 85 km lange hochalpine Rundweg ist zwischen Mitte Juni und Anfang Oktober begehbar und verläuft zwischen dem Oberalppass und dem Furkapass. Für Übernachtungsmöglichkeiten ist gesorgt. Wenn die Zeit für eine Fünftageswanderung fehlt, empfehlen sich die Tagesetappen, deren Start- und Endpunkte mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Belohnt wird die Plage mit Almwiesen, Gebirgsseen und Hochmooren und so mancher zufälligen Begegnung mit Murmeltier, Gämse & Co. www.vier-quellen-weg.ch Unser Tipp Wie geht Käse? HIgHlight (siehe Karte Seite 24) 32 Alte Gotthard-Passstrasse Tremola: das längste Baudenkmal der Schweiz Bellinzona 81 km St. Gotthard-Pass (Tremola) / Andermatt Andermatt (über furkapass) 106 km Zermatt Ehe Sie sich in die Kurven legen, lohnt sich ein längerer Blick in die Schaukäserei in Airolo. Jeden Vormittag werden dort – gerne auch vor Publikum – rund 8.000 Liter Milch zu edlen Käsesorten verarbeitet. Der aromatischste davon heißt in Anlehnung an die berühmte Passstraße „Tremolo“. www.cdga.ch 25 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Etappe: BelliNzona – Andermatt – zermatt Furkapass: Höchster Punkt der Grand Tour Nach der harschen Felsenlandschaft am Gotthard tut das saftige Grün des Urserentals gut. Kurz hinter Realp geht es wieder los mit den Spitzkehren, die der Fahrerin erneut volle Konzentration abverlangen. Mit dem Furkapass [ 1 ] auf 2.429 Metern erreichen wir den höchsten Punkt der Grand Tour. Von dort geht es hinunter in den Kanton Wallis durch die Parade-Bergdörfer der Region Goms und vorbei am mächtigen Aletschgletscher, dem Mittelpunkt des UNESCO-Welterbes Schweizer Alpen/Jungfrau-Aletsch. Ein eisiges Erlebnis wartet im – übrigens seit 1951 autofreien – Feriendorf Saas-Fee. Die Eisgrotte Mittelallalin im Bauch des Feegletschers auf 3.500 Metern ist mit einer alpinen U-Bahn erreichbar. 34 33 34 Eilig geht es durchs wilde Mattertal, denn wir wollen das Gipfelglühen am „Horu“, wie die Oberwalliser das Matterhorn nennen, keinesfalls versäumen. Um ins autofreie Zermatt zu gelangen, lassen wir unseren fahrbaren Untersatz im Parkhaus von Täsch zurück und steigen in die Bahn, die uns zwölf Minuten später im mondänen Geburtsort des Alpentourismus wieder ausspuckt. Im letzten Sonnenlicht zeichnet sich der pyramidenförmige Gipfel mit der charakteristischen Schlagseite gestochen scharf vom Himmel ab. Das Klischee sitzt. Zermatt selbst ist ein Muster an Nachhaltigkeit: wer nicht gehen will, fährt mit dem Fahrrad, ElektroTaxi, E-Bus oder einer Pferdekutsche. Am 14. Juli 2015 jährt sich die Erstbesteigung des 4.478 Meter hohen Gipfels durch den Briten Edward Whymper und seine Seilschaft das 150. Mal. Grund genug, ordentlich mit den Schweizern zu feiern! Die Zermatter haben sich dazu eine lange Liste von Festen und Festivals einfallen lassen. Eines der Highlights ist „The Matterhorn Story“, ein Theaterstück über die dramatische Erstbesteigung, das zwischen 9. Juli und 29. August hoch droben am Gornergrat über die Freilichtbühne geht. www.zermatt.ch Unser Tipp Saas-Fee: Jodeln am Gletscher HIgHlights 34 Matterhorn: seine Erstbesteigung jährt sich heuer zum 150. Mal 33 Schlenker: Schweizer Alpen / Jungfrau-Aletsch: klassische Alpenschönheiten Zermatt 26 56 km Fiesch (Tagesausflug zu Jungfrau-Aletsch) Schweizer Jodelkunst ist etwas, was man einfach mit eigenen Ohren gehört haben muss. Das denken sich offenbar viele Schweiz-Fans, denn in Saas-Fee jodeln jährlich nicht weniger als 2.500 Stimmüberschlagswunder rund 30.000 hörwillige Besucher an. Das Motto beim 28. Westschweizer Jodelfest von 3.–5. Juli 2015 lautet „Jützu dum Gletscher naa“. www.jodlerfest-saas-fee.ch Fotos: Switzerland Tourism / Robert Boesch, Valais/Wallis Promotion – Christian Perret (2) Matterhorn und Zermatt Wiege des alpintourismus Fotos: Ferienregion Andermatt, Valais/Wallis Promotion – Silvano Zeiter PORTRÄTs Bänz Simmen Strahlendes Andermatter Original Déborah Métrailler …die mit den Kühen joggt Bänz Simmen ist ein Andermatter, wie er im Buche steht. In der Region aufgewachsen, gründete der bekennende Nicht-Schifahrer 1987 eine der ersten Snowboardschulen der Schweiz. Die große Weltoffenheit, die er den Andermattern aufgrund der Nähe zum bedeutenden Alpenübergang am Gotthard nachsagt, lebte er Anfang der 90er-Jahre selbst aus, indem er mit dem Fahrrad von seiner Heimat bis nach Neuseeland strampelte. „Die Reise war in vieler Hinsicht prägend“, resümiert Bänz „Vor allem habe ich realisiert, dass Geschichte, Kultur und Geografie untrennbar miteinander verknüpft sind“. In Andermatt betreibt das weit gereiste Original ein InternetCafé, gerne ist er aber auch als Fremdenführer tätig. Sein schier endloses Wissen über das Urserental, kombiniert mit reichlich Lebenserfahrung, verpackt Bänz in fesselnd erzählte Schmankerln rund um Andermatt. Kein Wunder, dass seine Mythen- und Sagenwanderung zur Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht immer gut gebucht ist. Neben Radfahren hat er im Sommer ein traditionsreiches Hobby, das ihn mehrmals die Woche in die Berge treibt. Bänz ist leidenschaftlicher „Strahler“, wie in der Schweiz Kristall- und Mineraliensucher genannt werden. Stierkämpfe kennt jeder. Aber Kuhkämpfe? Im Wallis ziehen die traditionellen Ringkuhkämpfe im Sommer Zehntausende Zuschauer an. „In den Kämpfen entscheidet sich die Hierarchie in der Herde, das ist ein ganz natürliches Verhalten“, weiß Déborah Métrailler, die gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern die kampfesfreudigen Eringer Kühe züchtet, die schon mit den Römern eingewandert sein sollen. Mit der Kuh Pigalle eroberte Opa Robert Vuissoz anno 1971 den Titel „Königin der Königinnen“, was im Wallis etwa dieselbe Bedeutung hat, wie hierzulande der Weltmeistertitel bei der Fußball-WM. Auf dem Hof der Familie in Loye im Mittelwallis, hoch über dem Rhônetal, stehen nun auch wieder einige siegreiche Kämpferinnen. Das ist größtenteils Déborahs Verdienst. Ihr Erfolgsrezept: Drei- bis viermal pro Woche geht sie mit den besten ihrer 50 Kühe im steilen Gelände zum Joggen. Reich wird man nicht bei der Sache, denn als Milch- oder Fleischkühe machen die Eringer nicht viel her. Das ist Déborah aber nicht wichtig: „Wer Eringer züchtet, tut das aus Leidenschaft – es geht um Ehre, Stolz und Tradition, vor allem aber macht es viel Freude!“ Und schließlich hat die junge Frau bereits eine Ausbildung in Human Resources abgeschlossen. 27 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Etappe: Zermatt – Montreux – Lausanne Wein im Wallis Liebe auf den ersten Schluck 35 Der Kanton Wallis breitet seine Schönheit vom Rhônegletscher bis zum Ufer des Genfersees aus und hat unschlagbare Asse im Ärmel wie das ikonenhafte 4.478 Meter hohe Matterhorn, den 23 km langen Aletschgletscher oder famose Orte wie Crans-Montana, Saas Fee, Verbier, Leukerbad oder Zermatt. Vor so einer Filmkulisse kann auf der Grand Tour eigentlich nichts schiefgehen, wenn man in die Romantik einsamer Bergdörfer eintaucht, imposante Täler erforscht oder in einen der idyllischen Gasthöfe einkehrt. Den würzigen Käse und das gute Roggenbrot erwartet man fast. Die große Überraschung ist der Walliser Wein. Auf den terrassierten Weinbergen der klimatisch verwöhnten Region gedeihen an die 50 Rebsorten wie z.B. Pinot Noir, Gamay oder Chasselas, auch Gutedel, der im Wallis Fendant genannt wird. Der höchste Weinberg Europas, der sich zwischen 650 und 1.150 Höhenmetern ausbreitet, befindet sich in Visperterminen. In Saillon liegt der angeblich kleinste aller Weinberge, er misst gerade einmal 1,67 m² – und gehört – wer hätte das geglaubt – dem Dalai Lama. Obwohl fast ein Drittel der Schweizer Weine aus dem Wallis stammt, werden Sie im Ausland nicht allzu viel davon abbekommen, denn sowohl die französischsprachigen West- als auch die deutschstämmigen Ost-Walliser trinken ihren Wein am liebsten selbst. Genau so wie auch die anderen Schweizer. Von der gesamten Weinproduktion ist nur ein einstelliger Prozentsatz für den Export bestimmt. Somit ist auch die Idee, die Urlaubserinnerung ans Wallis mit einem edlen Tropfen aus der heimatlichen Weinhandlung aufzufrischen, hinfällig. Besser Sie verkosten ihn auf den Weinpfaden entlang des Rhônetals. www. lesvinsduvalais.ch HIgHlight (siehe Karte Seite 32) 35 Bergdorf Grimentz: Gletscherwein, Ehringer Kühe, schindelgedeckte Holzhäuser und Getreidekästen Zermatt 77 km Grimentz Gletscherweinverkostung in Grimentz Im Bergdorf Grimentz im Val d’Anniviers lagert auf 1.572 m, unterhalb des Moiry-Gletschers, ein besonderer Schatz: Der Jahrhunderte alte Gletscherwein. Der Sherry-artige Tropfen wird vorwiegend aus ErmitageTrauben produziert und in Lärchenholzfässern zehn bis 15 Jahre lang gelagert. Die Fässer werden nie ganz geleert und jedes Jahr mit neuem Wein aufgefüllt. Wer eine Tour beim Verkehrsbüro bucht, kann den Weinmythos und damit einen Teil der Walliser Kulturgeschichte genießen. 28 Fotos: Valais/Wallis Promotion – Christian Perret (4) Unser Tipp Etappe: Zermatt – Montreux – Lausanne Fotos: Valais/Wallis Promotion – Christian Perret, Switzerland Tourism / Thomas Senf, Martigny Tourismus 36 Schwarznasige Flauschbälle 1.500 Jahre ABTEI ST. MAURICE Ach wie flauschig, wollig, entzückend, die kleinen Lämmchen! Mit ihren dunklen Schnauzen stoßen sie ihre Mutter an, um an die Milch ranzukommen und dann wieder munter im Stroh herum zu springen. Das Schwarznasenschaf ist eine recht genügsame und für das Hochgebirge geeignete, also trittsichere Rasse des Hausschafes, die hauptsächlich im Oberwallis gehalten wird. Nase, Augen, Ohren wie auch die vorderen Knie und alle vier Füße haben eine schwarze Färbung, der Rest ist „normal“ weiß. Während der Nachwuchs noch wuschelig lockig ist, hat die zottelige Wolle der erwachsenen Tiere eine Länge von über zehn Zentimertern. Da wundert es auch nicht, dass ein Tier jährlich bis zu 4,5 Kilo Wolle „liefert“. Zwei bis drei Lämmer bringt ein weibliches Tier pro Jahr auf die Welt. 2015 sind es 1.500 Jahre, dass die Abtei Saint-Maurice als Stätte der Märtyrerverehrung aus der Taufe gehoben wurde. Die römisch-thebäische Legion unter Hauptmann Mauritius war hier im 3. Jhd. stationiert, verfolgt aufgrund ihres christlichen Glaubens. Im 6. Jhd. ließ Sigismund, Sohn des Burgundenkönigs Gundobad, über deren Gräbern das Kloster errichten, das in der Folge eine bedeutende Pilgerstätte wurde. Bei einer Führung erschließen sich uns in dem Ort an der Rhône nicht nur das Kloster, die Basilika und mittelalterliche Brücke, sondern auch unermessliche Schätze und Meisterwerke sakraler Goldschmiedekunst. Eine Wasserkanne von Karl dem Großen gesucht? Hier gibt es sie. Etwas nördlich der Abtei spüren wir die „Feengrotte“, die unter einem Felsen über die Jahrtausende vom Wasser ausgespült wurde, auf. Klar, dass auch wir die jeweils linke Hand ins Wasser des Feenbrunnens tauchen – damit soll der Sage nach ein Wunsch erfüllt werden! Unser Tipp Mit dem Matterhorn Express von Zermatt nach Schwarzsee fahren, zur Stafelalp wandern und die Schafe besuchen! Jeden Mittwoch von Ende Juni bis Mitte Oktober gibt es eine geführte Wanderung (Reservierung beim Hotel Julen in Zermatt) mit Apéro und jeder Menge Infos zu den Tieren. www.julen.ch HIgHlight (siehe Karte Seite 32) 36 Abtei Saint-Maurice: Grabstätte des Märtyrers Mauritius Grimentz 78 km Abtei Saint-Maurice 29 Schweizereien Hund mit Fass am Sankt Bernhard-Pass W ir sind in der „Fondation Barry“ in Martigny angekommen. Das Hundemuseum, das in diesem Juni sein 10. Jubiläum feiert, hält die Tradition des Schweizer Nationalhundes hoch und ist nach dem sagenumwobenen Barry benannt, der sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Schutzhaus der AugustinerChorherren auf der Passhöhe des Großen Sankt Bernhard einen Namen machte. Die gastfreundlichen Mönche, deren Hospiz bereits im Mittelalter bekannt war, züchteten seit dem 17. Jahrhundert Hunde als Lastenträger, die sich im unwegsamen und steinigen Gelände am 2.469 m hohen Alpenübergang bewährten. Bald kristallisierte sich heraus, dass die Kreuzung aus Walliser Schäferhund und Dänischer Dogge als Lawinenhund große Dienste leisten konnte. In seiner steilen zwölfjährigen Karriere soll Barry nicht weniger als 40 Menschen aus misslichen Situationen wie Bergnot oder Lawinen gerettet haben. Vom Helden zum Kuscheltier Während Bernhardiner früher schwere Milchwagen ziehen mussten, führen sie heute meist ein unbeschwertes Leben, in dem es hauptsächlich darum geht, sich als gutmütiger Fa- 30 milienhund kraulen zu lassen. Sie sind stur, sabbern, haaren und schnarchen, das wird beim Besuch der Zuchtbernhardiner klar, die sich im Zwinger der Fondation tummeln. Bei einer maximalen Schulterhöhe von 90cm und einem Gewicht von bis zu 120kg brauchen sie eine Menge Platz und gelten doch, ebenso wie die anderen Schweizer SennenhundeRassen, als Inbegriff eines Haushundes. Zuletzt wurde noch das Geheimnis vom Fässchen gelüftet: „Wein!“ lautete die überraschende Antwort, denn unsere Theorie schwankte zwischen Kirsch und Williams. Und: Nein, Bernhardiner kommen nicht mit dem Fass um den Hals auf die Welt... Unser Tipp Wandern mit Barry & Co Mehr als 30 Bernhardiner, von denen übrigens immer einer Barry heißt, sind im Sommer in der Fondation Barry auf Almurlaub. Zu bestimmten Terminen haben Besucher die Möglichkeit, sie auf Wanderungen zu begleiten. Infos und Buchung unter www.fondation-barry.ch Fotos: Switzerland Tourism / Christian Perret / Christof Sonderegger „Was ist nun eigentlich in dem Fass?“, endlich werden wir die Frage los, die uns seit unserer heftigen Diskussion bei der Anreise auf der Zunge brennt. Etappe: Zermatt – Montreux – Lausanne Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Fotos: Switzerland Tourism / Christof Sonderegger / Lucia Degonda / Beat Mueller 37 CHÂTEAU CHILLON Fixpunkt im Programm MONTREUX Die Liebe von Sisi und Freddie Das Schloss Chillon am Ufer des Genfersees ist einer der meistbesuchten Orte in der Schweiz. Das Wasserschloss besteht aus 25 Gebäuden und drei Höfen. Beachtlich sind die unterirdischen Gewölbe und die Wandmalereien aus dem 14. Jahrhundert. Die „Paradesäle“ wurden einst von den Savoyern als Festsäle genutzt, später von den Bernern zur Rechtsprechung. Heutzutage – Partytime! – dienen sie wieder rauschenden Festen und Konzerten als Veranstaltungsort. Bewunderung finden auch die original erhaltenen Schlafzimmer, wenn sie auch ob ihrer Schlichtheit kaum als Kuschel-Suite durchgehen würden. Aber fließendes Wasser und Toiletten sind bemerkenswerterweise vorhanden. Von diesem Ort ist es nicht weit nach Montreux bzw. Vevey, wo eine Statue an einen berühmten Einwohner erinnert: Charlie Chaplin. Er verbrachte hier seine letzten 25 Lebensjahre bis 1977. 2016 wird in Corsier-sur-Vevey ein neues Museum, „Chaplin’s World“ eröffnet. www.chaplinmuseum.com Das ist Urlaubsfeeling! Palmen, Zypressen, exotische Blumen und Pflanzenskulpturen umrahmen den Blick von der Riviera auf das blaue Wasser, das zwar kein Meer, aber immer noch der große Genfersee ist, und den hier schon einst Kaiserin Sisi und Freddie Mercury von Queen liebten. Über 13 km erstreckt sich die Uferpromenade vom Schloss Chillon über Montreux [ 1 ] bis nach Vevey, lang genug, um eine kleine Walking-Runde einzulegen. Entlang der Uferstraße würden wir uns gerne eine der Villen aus der Belle Epoque als künftiges Domizil aussuchen, wir belassen es jedoch – vorerst – bei einem Kaffee im prächtigen Fairmont Le Montreux Palace und genießen die luxuriöse Atmosphäre. Die Altstadt schmiegt sich geradezu an die Hänge. Noch weiter oben sind die Rochers-de-Naye, per Zahnradbahn erreichbar – und da geht’s optisch und bei fast wolkenlosem Himmel richtig ab: Zu sehen sind der Genfersee bis zum Jura, die Savoyer Alpen, die Dents du Midi, das Trient-Gebiet und die Waadtländer Alpen, wie die Gebirgszüge alle so heißen. HIgHlight (siehe Karte Seite 32) 37 Schloss Chillon Montreux: Fixpunkt fast jedes Schweiz-Besuchs Abtei Saint-Maurice 24 km schloss Chillon 3 km Montreux 31 Etappe: Zermatt Ort 1 – Ort – Montreux 2 – ort 3– Lausanne 38 LAVAUX die Grand Crus der Schweiz LAUSANNE Alter STadtkern trifft Studenten Zwischen Montreux und Lausanne hoch über dem Genfersee liegt die Weinbauregion Lavaux, die zum UNESCO-Welterbe zählt. Da sind wir wieder voll in unserem Element – wie auch die Weinreben, die von der Sonne, den Wärme speichernden Steinmauern und dem Licht reflektierenden See profitieren. 800ha Weinterrassen und die kleinen Weindörfer wie St-Saphorin oder Dézaley und Epesses mit engen Gassen und Winzerhäusern kann man zu Fuß oder per Rad entdecken. Für die Bequemen rattern die Minizüge Lavaux Panoramic und Lavaux Express aussichtsreich über die steilen Hänge. Besonders begeistern uns die Weinproben der Grand Crus und die Pinten, kleine Restaurants in den Winzerdörfern. Nächstes Mal planen wir unsere Reise zur Weinlese, da dürfen wir dann mithelfen, degustieren und uns fast wie richtige Winzer zwischen den herbstgefärbten Weinstöcken fühlen. Lausanne ist luxuriös-beschaulich. Exklusive Hotels und Restaurants finden wir in der Stadt, die auf drei Hügeln gebaut wurde, ebenso vor wie Kunstmuseen, mittelalterliche Bauwerke, eine Schiffsflotte und Sportinstitutionen. Lausanne ist neben Veranstaltungsort vieler Festivals nicht zuletzt auch Hauptsitz des Olympischen Komitees. Das Olympische Museum wurde 1993 im Hafenviertel Ouchy eröffnet und 2013 komplett renoviert. Modernste Computertechnik bringt uns die geschichtsträchtige Sportveranstaltung und deren Athleten nahe. Wo sich früher Lagerhallen befunden hatten, wurde in den vergangenen Jahren ein modernes, lebhaftes Stadtviertel, das Flon-Quartier, entwickelt. Was uns an der Stadt besonders beeindruckt, ist der lebhafte Mix aus gediegenem Flair der Altstadt und quirligem Studentenleben. Wir mischen uns unters Volk und lassen die kreative Atmosphäre auf uns wirken, bevor wir nochmals in der autofreien Altstadt die Läden inspizieren. www.olympic.org 39 38 38 Lavaux Weinberg-Terrassen: ein weiteres UNESCO-Welterbe 39 Olympisches Museum Lausanne: Geist und Geschichte der Olympischen Spiele, spielerisch vermittelt 36 35 montreux 32 18 km lavaux 18 km lausanne Fotos: Switzerland Tourism-BAFU / Marcus Gyger, Switzerland Tourism / Christof Schuerpf (2) HIgHlights 37 Etappe: Lausanne – Genf – NeuchÂtel Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 GENF Mondäne Gemütlichkeit Genf ist international, mondän und doch gemütlich. Der Völkerbundpalast ist der europäische Hauptsitz der UNO, das Rote Kreuz hat hier vor 150 Jahren den Grundstein gelegt, 3.000 Menschen arbeiten allein im Cern, der Europäischen Organisation für Kernforschung. Und dennoch, kaum in der Stadt am Genfer See angekommen, verfallen wir sofort ins Schlendern – das muss wohl das französische „Savoir vivre“ sein, das sich hier mit der Schweizer Akkuratesse mischt. Durch die Altstadt bummeln wir, über den alten Place du Bourg-de-Four und zur gotischen Kathedrale Saint-Pierre. Beim Wahrzeichen der Stadt, dem Jet d’eau, kommt es auf den richtigen Zeitpunkt an. Regelmäßig stößt der Brunnen einen Wasserstrahl von 140 Meter Höhe über den See. Gar nicht so einfach, einen guten Schnappschuss zu erwischen! Nach einem Besuch des Quartier des Bains geben wir uns dem Nichtstun hin und lassen uns völlig anstrengungsfrei über den See treiben – ganz nostalgisch per Schaufelraddampfer. 40 NEUCHÂTEL und CREUX DU VAN jurahügel und felsarena Fotos: Switzerland Tourism / Stephan Schacher / Roland Gerth Als Nächstes steht ein Naturwunder am Programm. Neben den Alpen ist der Jura der zweite große Gebirgszug der Schweiz. Spektakulär ist die Felsarena „Creux du Van“ mit 160 Meter hohen, senkrechten Felswänden, über einen Kilometer breit und Heimat für Gämsen, Steinböcke und sogar Luchse. Gletscher und Bäche haben die Formation aus den Kalkablagerungen eines urzeitlichen Meers geformt. Unsere Spuren vom Restaurant bis zum Felsenkessel werden wohl keine derartigen Furchen hinterlassen; wir haben unseren Schoggi-Konsum inzwischen reduziert. Städte am Wasser sind faszinierend. So auch Neuchâtel. Im Hintergrund die Hügel des Jura, eine Altstadt mit fast südlichem Flair – man merkt, da ist was los, in den Cafés, an der Strandpromenade, auf der Place des Halles, eine Kathedrale... Schön! Richtig spannend ist das Laténium, ein Museumspark für die Geschichte des Kantons von der Neandertalerzeit bis ins Mittelalter, sehr modern und direkt am Wasser. 41 1 41 HIgHlights 40 Jet d’eau Genf: Springbrunnen im Genfer See 41 Felsarena Creux du Van: 160 m hohe senkrechte Felswände 1 Laténium: Archäologisches Museum und Park: sagt alles lausanne 65 km Genf 136 km Creux du Van 28 km laténium 40 33 Schweizereien Wer dreht an der Uhr? Rolex, Omega, Swatch, Tissot, Maurice Lacroix, Certina, TAG Heuer – die Namen sagen Ihnen etwas, nicht wahr? Nicht nur die Zeit. Auch Präzision, Qualität und Tradition verbindet man mit den berühmten Marken. Uhrengeschäfte gehören in der Schweiz in jede Stadt, in jeden Ferienort, sogar in die höchstgelegene Bahnstation Europas. Blick ins Uhrwerk Vevey: Hier kann man unter fachkundiger Anleitung von Lionel und Julien Meylan ein Uhrwerk eigenhändig zusammenbauen. www.lionel-meylan.ch Genf: Die „Geneva Watch Tour“ führt durch das Zentrum an hundert Uhrengeschäften und vielen historischen Stätten, die mit der Uhrenindustrie verbunden sind, vorbei. Das Patek Philippe-Museum lädt zu einer 500-jährigen Zeitreise. Sehenswert ist auch das Watchland von Franck Muller. Le Sentier: Im innovativen Uhrenmuseum Espace Horloger taucht man ein in die Geschichte der Zeitmessung und der Uhrmacher. www.espacehorloger.ch Biel/Bienne: Rolex, Omega, Swatch oder Tissot – im zweisprachigen Biel investieren traditionelle Uhrenmarken in ultramoderne Manufakturen. Tipp: das Omegamuseum 34 Fotos: Swatch / Breguet, Switzerland Tourism / Peter Maurer V ielleicht liegt es an der Uhrenindustrie, dass man den Schweizern so gerne unübertroffene Pünktlichkeit nachsagt? Wer so viele Uhren herstellt, handelt und besitzt, muss ja rechtzeitig ankommen, liefern, abfahren etc. Oder aber – umgekehrt – der Wille zur Genauigkeit, Verlässlichkeit und Pünktlichkeit machte die Nation so erfolgreich. Aber wer jemals mit Schweizern zu tun hat oder in die Schweiz reist, weiß, Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. Seit Jahrhunderten ist die Schweiz für die Uhrmacherei bekannt. Im 16. Jhd. brachten die Hugenotten aus Frankreich ihre Handwerkskunst in die Schweiz. Die Fabrikation von tragbaren Uhren begann in Genf, im 17. Jhd. auch in Neuenburg, im 18. Jhd. kamen auch Pendeluhren hinzu, im 19. Jhd. breitete sich das Handwerk auch in den Kantonen Solothurn und Bern aus und später auch in den Regionen Biel, Basel und Schaffhausen. Bedeutende Erfindungen waren Kalender, Stoppuhr, die wasserdichte Uhr und schließlich die erste automatische Armbanduhr 1926 in Grenchen in Solothurn. Während die Japaner und US-Amerikaner im 20. Jhd. ihre Kräfte in die Entwicklung der Quarzuhr steckten, beließen es die Schweizer bei der Verbesserung der mechanischen Uhren – was in der Mitte der 70er Jahre zu einem drastischen Abstieg der Industrie führte. Aber was wäre die Schweiz ohne ihre Erfindungen? 1983 kam die Swatch – eine analoge Quarzuhr zum günstigen Preis – und sorgte für neuen Aufschwung, der bis heute anhält. Etappe: NeuchÂtel – Basel Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 LA CHAUX-DE-FONDS / LE LOCLE wiege der uhrenindustrie Wie spät haben wir’s? Kein Grund, gleich auf die Uhr zu blicken. In La Chaux-de-Fonds und Le Locle haben wir während unseres Aufenthalts noch tausende Male die Gelegenheit dazu. Und nicht nur das: Wir erfahren hier so gut wie alles, was man über die Uhrenindustrie und deren Geschichte in der Schweiz nur wissen will. Darüber hinaus sind die beiden Orte von städtebaulichem Interesse und seit 2009 zusammen UNESCO-Welterbe. Wie es dazu kam? Die Uhrmacherei begann in der Region im 18. Jhd. Nach mehreren zerstörerischen Feuersbrünsten im auf 1.000 Meter Höhe liegenden La Chaux-de-Fonds und in Le Locle wurden die Orte fast komplett neu und im Schachbrettmuster wieder aufgebaut. Der hier begründete Sapinstil der Art-Nouveau-Bewegung, der auf Geometrie und Reduktion basiert, zeigt sich in vielen Kunstschmiedearbeiten und Kirchenfenstern. Berühmter Sohn der Stadt ist Le Corbusier, einer der bedeutendsten Architekten und Stadtplaner des 20. Jhd. Doch zurück zu den Uhren: Das Musée International d‘Horlogerie (MIH) in La Chaux-de-Fonds widmet sich der Geschichte der Zeitmessung. 4.500 Ausstellungsstücke verschaffen uns da einen kleinen Überblick… Ob Prestigeobjekte oder nützliche Zeitmesser, Restaurierungsarbeiten oder Multimediashows, es gibt einiges zu sehen und manchmal auch die Möglichkeit, an einem kleinen Experiment teilzunehmen. Also viel Zeit mitnehmen! 42 42 Ein paar Hundert Menschen leben in St-Ursanne am Ufer des Doubs. Immer noch ruhig und entspannt, erinnert die kleine Stadt an den Mönch Ursicinus, auf den die Gründung des Ortes zurückgeführt wird. Mittelalterliche Bürgerhäuser, enge Gassen, eine gotische Stiftskirche, die vierbogige Brücke und eine Burgruine auf einer Anhöhe bilden ein schönes Postkarten-Ensemble. Die Einsiedelei von Ursicinus in einer Grotte ist über eine steile Treppe erreichbar. Das Naturreservat Clos du Doubs ist ein Paradies für Fischer, Kajakfahrer, Wanderer oder Mountainbiker. 43 Basel >> Fotos: Switzerland Tourism / Peter Maurer / Tourisme Neuchatelois / Christof Sonderegger ST-URSANNE Mittelalterliches Naturparadies 43 HIgHlights 42 La Chaux-de-Fonds / Le Locle, Stadtlandschaft & Uhrenindustrie: UNESCO-Welterbe-Stätte und Wiege der Uhrenindustrie 43 Städtchen St-Ursanne: Postkarten-Idylle an der Doubs 42 NeuchÂtel St-Ursanne 21 km 63 km La Chaux-de-Fonds 53 km St-Ursanne Basel 35 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 36 Etappe: NeuchÂtel – Basel Basel: Messestadt mit Hang zur Kunst Kunst schreibt man in Basel ganz groß. Die Stadt im Dreiländereck Schweiz, Deutschland und Frankreich ist lebendig – und das nicht nur in der Fasnacht, wenn die Bewohner drei Tage und Nächte fast durchgehend am Feiern sind. Und Basel ist reich. Das hat es vor allem den Chemie- und Pharmaunternehmen, die sich im Laufe der Jahrzehnte ansiedelten, zu verdanken, die wiederum ihren Beitrag zur Architekturkunst leisten. Ein Abstecher lohnt sich! D Foto: Switzerland Tourism / Andreas Zimmermann ie mittelalterliche Universitätsstadt aus Kleinund Grossbasel, vom Rhein durchschnitten, mit Einsprengseln aus Barock, Rokoko und Jugendstil, kleinen Gassen und Plätzen auf mehreren Ebenen, Brücken über den Fluss, farbenprächtigem Rathaus und Münster ist – neben Zürich und Lausanne – die einzige Schweizer Stadt, die urbanes Feeling verbreitet. So sieht das Christine vom Tourismusamt Basel. „Das kommt daher, dass viele kreative Leute in Basel sind. Im Juni findet die ‚Art Basel’ statt, das ist nicht nur eine Kunstmesse. Die Museen stimmen die Termine ihrer Ausstellungen und Programme auf die ‚Art’ ab und es gibt viele Begleitveranstaltungen, eine ganze Subkultur. Das ist eine spannende Woche!“ Eine weitere wichtige Messe jedes Jahr ist die „Baselworld“, Uhren- und Schmuckmesse im Frühling. „Die Messen und die Kunst haben Einfluss auf das Leben und das internationale Flair.“ Ein anderes Messeflair In der Praxis sieht das so aus: Das neue, 2013 eröffnete Messezentrum der Basler Stararchitekten Herzog & De Meuron mit dem 105 Meter hohen Messeturm, der deutlich früher errichtet wurde, sowie der Bar Rouge im 31. Stock von den Architekten Morger / Degelo ist nicht bloß Veranstaltungskomplex, sondern gibt dem ganzen Viertel einen modernen, spannenden Anstrich. Das Gebäude ist großzügig bemessen in Anbetracht des begrenzten Stadtgebiets von Basel und punktet auch aufgrund der auffallenden Architektur mit einer Fassade aus einem silberfarbenen, welligen Stahlgeflecht und einer Kuppel über dem Vorplatz. Der riesigen Öffnung wird man erst richtig gewahr, wenn man darunter steht. Die Stadtarchitekten Herzog & De Meuron sind so etwas wie die „Stadtarchitekten“. Auch Fußballfans – und nicht nur FC Basel-Anhänger – kennen ihre Werke, wenn vielleicht auch nur aus dem Fernsehen, etwa das Nationalstadion von Peking („Vogelnest“) oder die Allianz Arena in München. Im September 2015 solle auch der Roche Turm, das dann höchste Hochhaus der Schweiz, eröffnet sein – allerdings nicht unumstritten, da er Kritikern zu mächtig und gar störend erscheint. Außerdem zeichnen die beiden Baumeister auch für das Museum der Kulturen, das Schaulager und das VitraHaus in Weil am Rhein verantwortlich. „Man könnte meinen, das sei schon inflationär“, sagt Christine, „aber sie haben keine Signature-Handschrift, jedes Gebäude ist anders und mehr oder weniger spektakulär.“ Moderne Architektur beißt sich nicht mit der Altstadt. Im Gegenteil ist sie eine Ergänzung. Z. B. im „Santihans“, dem St. Johann Quartier, einem Viertel, in dem es sich Pharmariese Novartis nicht nehmen ließ, einen „Campus des Wissens“ zu errichten und dazu einige Stararchitekten wie Frank O. 37 Etappe: NeuchÂtel – Basel Gehry, Diener & Diener, Saana oder Zaha Hadid zu engagieren. Im Rahmen einer Führung dürfen Design-Interessierte das Gelände auch erkunden. Fabriken im Blick Viele „Expats leben“ in Basel, die in den etwa 20 Chemieunternehmen in und um die Stadt, die aus dem ehemaligen Gewerbe der Seidenfärber entstanden waren, arbeiten und die Nähe ihres Arbeitsplatzes zum Zentrum schätzen. Die Lage der Firmen am Rhein in Blickweite von der Altstadt gehört für die Basler zum gewohnten Stadtbild. Die Industrie ist wichtiger Arbeitgeber und Steuerzahler und macht Basel zu einer reichen Stadt mit dem höchstem Pro-Kopf-Einkommen der Schweiz. Aus dem benachbarten Raum Baden Würtemberg (D) und dem Elsass (F) pendeln täglich fast 60.000 Personen in die Nordwestschweiz. Umgekehrt sind es unter 1.000 Personen. Nochmals zur Kunst. Auf Schritt und Tritt begegnen wir ihr im öffentlichen Raum, dem Fasnachts-Brunnen von Tinguely, der Mondleiter von René Küng, der Gänseliesl am Rheinsprung, dem „44’ Hammering Man“ von Jonathan Borofsky. Stolz ist Basel auf die Zahl seiner Museen, etwa 40 sind es, zu denen die großartigen Institutionen Fondation Beyeler, Kunstmuseum Basel oder das Tinguely Museum zählen. Die Lebensader der Stadt ist der Rhein. „Das ist unser wichtigstes Naherholungsgebiet, da pulsiert das Leben, vor allem im Sommer“, erzählt Christine. Aber so wie heute war es nicht immer. Das Rheinufer wurde von der Stadt in den letzten Jahren für die Menschen zugänglicher gemacht, die Wasserqualität deutlich gesteigert. Heute spazieren die Leute am Fluss entlang, packen ihre Kleidung und Wertsachen in den wasserdichten „Wickelfisch“ aus buntem Plastik und schwimmen oder lassen sich den Rhein hinunter treiben. Zwei alte Jugendstilbäder, die „Badhysli“, bei der Johanniterbrücke und im Breite-Quartier sowie die fünf Buvetten (Kioske) bieten die nötige Infrastruktur, Essen und Trinken. Viele nehmen ihre eigenen Sachen mit und „grillieren“. Und andere sitzen einfach am Ufer, auf den Stiegen und Bänken. „So verbringen wir die Abende und Wochenenden. Die Leute suchen die Wassernähe.“ Und die Altstadt als Kulisse zum Schwimmen ist da fast unübertrefflich. Richtig heiß wird es im Sommer. Dafür sorgen Festivals aller Art. Eines davon ist das „Festival im Fluss“, bei dem die Bands auf einem Floss, das vor der Mittleren Brücke ankert, spielen, die Zuhörer sitzen gemütlich auf den Treppen am Ufer. Das Tattoo ist das zweitgrößte Military Music Festival nach Edinburgh und findet seit einigen Jahren immer im Juli statt. Ursprung dafür war eigentlich die Basler Fasnacht. Eine der Trommlergruppen, die „Top Secret“, bekannt für die extrem schnelle Beherrschung der „drum sticks“, trat in Edinburgh mit großem Erfolg auf und brachten in der Folge das Festival mit internationalen Gruppen in die Schweiz. Ein- und Ausblicke Alt und Neu treffen in Basel immer wieder aufeinander. Die Altstadt gehört gleichzeitig zu den besterhaltenen Eu- 38 Fotos: Switzerland Tourism / Gian Marco Castelberg & Maurice Haas (2) Lebensader Rhein Etappe: NeuchÂtel – Basel ropas. Das Münster, die ehemalige Bischofskirche, ist in romanischem und gotischem Stil erbaut und zählt zu den Wahrzeichen der Stadt. Die anschließende Aussichtsterrasse „Pfalz“ gibt einen herrlichen Ausblick auf die andere Altstadtseite, auf den Rhein, auf die Mittlere Brücke, eine der ältesten Rheinübergänge des Flusses, den Schwarzwald und die Vogesen frei. Das Rathaus fällt allein schon durch die rote Sandsteinfassade und die verspielte Malerei auf, Teile davon stammen aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Spaziert man durch die Gassen, offenbart jede Ecke eine neue Aussicht auf die schmucken Häuser mit schönen Innenhöfen, auf Durchgänge, Plätze und Brunnen. Das Spalentor ist eines der schönsten Stadttore der Schweiz aus dem 14. Jahrhundert und liegt ganz oben am Spalenberg. Unten am Marktplatz werden wochentags Lebensmittel und Spezialitäten aus der Region angeboten. Die Freie Strasse bietet viele bekannte Geschäfte, die üblichen Verdächtigen also. Anders ist der Spalenberg. In der ansteigenden Gasse gibt es noch einige individuelle und auch traditionelle Läden und Einzelhändler, sogar ein kleines Lebensmittelgeschäft, was selten geworden ist. Ob Schmuck, Design, Kleidung, Delikatessen – reichlich Gelegenheiten, die Geldbörse zu zücken. Als multikulturell gilt die „andere“ Seite der Stadt, was sich in entsprechenden Restaurants und Geschäften ausdrückt. Gerade am Rhein entlang bzw. in der Rheingasse, früher von Kanälen geprägt, tut sich viel, besonders auch am Abend. Eine neue Szene v. a. auch im Design- und gastronomischen Bereich entwickelt sich außerdem in der Feldbergstrasse und in der Klybeckstrasse. Was bisher als ärmere Gegend galt, ist inzwischen Nährboden für neue Konzepte und Zeichen dafür, dass nichts stillsteht am Rhein. 44 HIgHlight 44 Kulturstadt Basel: Moderne Architektur und Kunst zuhauf St-Ursanne 63 km Basel 39 Etappe: NeuchÂtel Ort 1 – Ort– 2Basel – ort 3 In der Umgebung Tipps für Kunst- & Designfreunde Rheinhafen: Hier treffen Deutschland, Frankreich und die Schweiz aufeinander. Auf einer Schleusenfahrt nach Rheinfelden, bei einer Hafenrundfahrt mit der Weissen Flotte der Basler Personenschifffahrt oder mit dem Rhytaxi kann die Stadt vom Wasser aus erkundet werden. Fondation Beyeler: [ 2 ] Nicht nur architektonisches Highlight (Architekt Renzo Piano), sondern auch Heimat einer der bedeutendsten Werkesammlungen des 20. Jhd. und temporärer Ausstellungen von Weltruf. www.fondationbeyeler.ch Vitra Campus in Weil am Rhein (D): [ 1 ] Auf dem Gelände des Museums für industrielles Möbeldesign und Architektur finden sich Premieren: das erste Gebäude von Frank O. Gehry in Europa und der erste Bau von Zaha Hadid überhaupt; zudem das VitraHaus von Herzog & de Meuron, Zuhause der Vitra Home Collection. Gegründet wurde die Möbelfirma Vitra 1950 von Willy Fehlbaum, 1977 übernahm die Leitung Sohn Rolf. Alle wichtigen Stilepochen des industriellen Möbeldesigns sind hier vertreten. www.design-museum.de Kunstmuseum Basel: Malerei und Zeichnungen oberrheinischer und flämischer Künstler von 1400 bis 1600 sowie internationale Kunst des 19. bis 21. Jahrhunderts; weltweit größte Sammlung von Arbeiten der Holbein-Familie, Werke u.a. von Gauguin, Cézanne und Picasso. Wegen Umbau bis April 2016 geschlossen. www.kunstmuseumbasel.ch Städtchen Rheinfelden: Die älteste Zähringerstadt der Schweiz liegt am höchsten Punkt des schiffbaren Rheins. Auf die von den Habsburgern geprägte Vergangenheit verweisen kunstvolle Fresken und Fassaden, Torbögen und Türme. Feldschlösschen: Führendes Brauunternehmen der Schweiz, das mittels einer Führung Wissenswertes über die Bierherstellung preisgibt Schaulager: Zuhause der nicht ausgestellten Werke der Emanuel Hoffmann-Stiftung. www.schaulager.org Museum der Kulturen: Das Archiv des Hauses hütet etwa 300.000 Artefakte aus aller Welt. www.mkb.ch Augusta Raurica: Römer-Erlebniswelt vor den Toren Basels, größtes archäologisches Freilichtmuseum der Schweiz mit dem besterhaltenen antiken Theater nördlich der Alpen, Römerhaus und Römischem Haustierpark, www.augustaraurica.ch Basler Papiermühle: In einer mittelalterlichen Mühle untergebracht, bietet das Haus eine Mischung aus Museum und Produktionsstätte. www.papiermuseum.ch Ermitage und Dom Arlesheim: Einziger Dom der Schweiz mit einer 1761 von Johannes Andreas Silbermann erbauten Orgel Der Teufelhof: Kultur- und Gasthaus zugleich, Alltagsküche und Gourmetspezialitäten. www.teufelhof.com Goetheanum Dornach: Zentrum der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, künstlerisch bedeutender Bau aus Stahlbeton Gundeldinger Feld: Ehemaliges Fabrikareal, das in ein Zentrum für Freizeit, Kultur und Gewerbe umgebaut wurde. www.gundeldingerfeld.ch Luftseilbahn Wasserfallen: Die einzige Luftseilbahn der Nordwestschweiz führt auf die Bergstation, von der aus Wanderungen möglich sind. 40 Acqua, Kuppel & Garage: Drei Locations in den Gemäuern des Wasserwerks Fotos: Vitra Design Museum, Switzerland Tourism / Stephan Engler, Museum Tinguely / Samuel Oppliger Museum für Musikdosen in Seewen: Das Museum zeigt über 600 Musikdosen, Jahrmarktorgeln und Orchestrions. Die ehemals private, seit 1990 öffentlich zugängliche und international bedeutende Sammlung ist die größte ihrer Art in der Schweiz. www.seewen.ch Tinguely Museum: [ 3 ] Direkt am Rhein von Architekt Mario Botta errichtet, beherbergt es die größte Sammlung von Werken des Schweizer Künstlers Jean Tinguely. www.tinguely.ch portrÄt Fährimaa Jacques Auf dem Rhein zuhause Vier Fähren verkehren in Basel seit dem 19. Jahrhundert zwischen den fünf Rheinbrücken. Genannt werden sie die „Wilde Maa“, „Leu“, „Vogel Gryff“ und „Ueli“. Ohne Motor, nur durch die Kraft der Strömung und via Drahtseil mit einer Stahltrosse verbunden, überqueren sie den Fluss mehrmals am Tag. Einer der Fährmänner ist Jacques Thurneysen. I m rustikalen, bunten Strickpullover, der fast bis zu den Knien reicht, begrüßt er seine Gäste am Steg, um sie dann in wenigen Minuten mit der „Leu“, der „Münsterfähre“, auf die jeweils andere Uferseite zwischen Klein- und Grossbasel zu bringen. Der „Fährimaa“ hört auf eine Glocke. Bimmelt sie, so kommt er. 1,60 Franken kostet eine Fahrt. Zwei Mal pro Stunde fährt er, erzählt Jacques, im Sommer von 9 bis 20 Uhr, im Winter von 11 bis 17 Uhr, und das seit 1989. Fotos: Christiane Reitshammer (2) Luxusunternehmen Da es mehrere Brücken über den Rhein gibt, wäre es nicht notwenig, die Fähre zu nehmen. „Eigentlich bin ich ein Luxusunternehmen“, sagt er. „Es ist also für alle immer ein Vergnügen“. Was ihm gefällt, ist auch die Tatsache, dass „wir alle in einem Boot sitzen.“ So sind es auch Jung und Alt, Familien, Touristen, Einheimische – ein bunt gemischtes Publikum, das die gemütliche Stimmung auf dem alten Holzboot genießt und sich über das Wasser, manchmal in der Strömung schaukelnd, leiten lässt. 34 Leute darf er mitnehmen pro Fahrt, wer keinen Platz findet, muss die nächste Fähre nehmen, wenn er wieder zurück ist. Kassiert wird sofort, schließlich ist nicht viel Zeit. „Derf y uffrunde?“, fragt er da ohne Genierer. Wer würde sich trauen, „Nein“ zu sagen und kein Trinkgeld zu geben? eine Frechheit? Jacques unterhält sich mit den Passagieren im breiten Dialekt. Uns so gut wie unverständlich. Zufällig befindet sich auf unserer Fahrt ein TV-Team des Schweizer Fernsehens an Bord. Geduldig macht der Redakteur seine Interviews, auch drei Mal hintereinander, wenn es sein muss – er weiß auch genau, an welcher Stelle er am besten ins Bild passt. Einem Fahrgast gefällt es gar nicht, dass das Boot bei der Überfahrt gestoppt wird, um die Aufnahme in Ruhe zu erledigen. „Eine Frechheit!“, schreit er, er will ja so schnell wie möglich sein Ziel erreichen, während alle anderen Passagiere gelassen bleiben. Wie auch Jacques. „Das lassen wir schon drinnen!! Es muss ja auch schräge Vögel geben“, fordert er das TV-Team auf. www.faehri.ch 41 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Andrzej Koch Käse mit viel Leidenschaft Was macht ein Schweizer Käse-Liebhaber, den die Liebe nach Wien geführt hat? Er bleibt, eröffnet ein Geschäft und zeigt den Österreichern, was die eidgenössischen Käser so drauf haben. So geschehen bei Andrzej Koch. S eit Juni 2013 betreibt der Luzerner einen Laden in der Wiener Wollzeile im 1. Bezirk mit dem Namen „Der Schweizer“. Bereits die rote Fahne mit weißem Kreuz an der Außenfassade ist ein Hinweis auf die duftenden Delikatessen. „Wer sagt, der Käse stinkt, kennt sich nicht aus. Höchstens riecht er ein wenig streng“, sagt der Fachmann. Dabei hatte Koch trotz seines Namens bis vor einigen Jahren kaum mit Lebensmitteln zu tun. Er war Schweißer, Bildhauer, betrieb eine Bar in Luzern, war Webdesigner und verbrachte eine Auszeit in Indien. Bei einem Zwischenstopp in Wien lernte er eine Frau kennen – was in späterer Folge zum Pendeln zwischen der Schweiz und Wien führte. Und jedes Mal dabei: ein Stück Käse aus der Heimat. Aus einem Stück wurde schließlich ein ganzer 20 KiloLaib. „Ich habe dann in Österreich begonnen, auf den Markt zu gehen“, erzählt er. Das war u. a. – und bis heute – am Karmelitermarkt im 2. Gemeindebezirk. Das Business lief nur langsam an, aber seine Hartnäckigkeit zahlte sich aus. Heute hat er den Shop in bester Lage. Zu Hilfe kommt ihm, dass „die Wiener herrlich verfressen sind. Im positiven Sinn“, wie er sagt. „Sie sind offen für gute Sachen.“ Seine Expertise entstand durch viel Probieren. Zudem hat er Freunde und Käser, die ihm Produkte empfehlen, wie etwa Xaver Suter, Hersteller seines Lieblingskäses, des Entlebucher Biospährenkäses aus Finsterwald. Auch auf der 42 „Alp“ war er einmal, um die Produktion kennenzulernen. Im Geschäft bietet er Schweizer Berg- und Almrohmilchkäse in ca. 20 bis 30 Sorten an. Dazu gibt es auch etwa 20 Sorten englischen Käse, v. a. Weichkäse. „Renner“ sind der Gruyère (mindestens 18 Monate gereift) und der Sbrinz, ein extraharter Vollfettkäse, möglicherweise die „Mutter des Parmesans“. Auch der Entlebucher ist begehrt – wird aber, da Käser Suter in Pension geht, nicht mehr hergestellt. Natürlich gibt’s auch die berühmten Sorten Appenzeller, Emmentaler, Vacherin und Raclette-Käse sowie diverse Ziegen-, Schaf- und Büffelmilchkäsesorten im „Humidor“. Und auch Fondue-Mischungen werden im Geschäft vorbereitet. Hochsaison ist bei Koch rund um Weihnachten und Silvester. „Alle glauben, in das Fondue gehören drei Sorten, Appenzeller, Emmentaler und Gruyère. In Wirklichkeit ist das ein Kompromiss“, so Koch. Die drei Sorten würden drei Schweizer Regionen von West nach Ost abbilden. „Ich halte dagegen: Es kann auch nur eine Sorte sein.“ Und genauso hat jede Region ihre typische Sorte oder Mischung. Die Region Appenzell etwa verwendet Appenzeller Käse, die Region Fribourg Gruyère und Vacherin Fribourgeios, im Verhältnis 50:50 („moitié-moitié“). „Ich mach’s mit Entlebucher“, sagt Koch. Und auch Raclette-Käse gibt er in den Topf (etwa 10%). „Du kannst eigentlich fast jeden Käse nehmen, solange er von guter Qualität ist.“ www.derschweizer.eu porträt Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Und was ist so besonders am Schweizer Käse? „Im Bregenzerwald z. B. sind Kühe und Milch gleich wie in der Schweiz. Er schmeckt aufs Erste gut. Und trotzdem hat er nicht die Cremigkeit und Elastizität. Das kriegen sie nicht so hin.“ Woran liegt’s? „Vielleicht ist der Grund, dass in Österreich oft Bauern den Käse machen. In der Schweiz macht ihn der Käser – und der macht sonst nix anderes.“ HIgHlight (siehe Karte Seite 56) 9 Emmentaler Schaukäserei: Alles nur Käse, von der Herstellung bis zum Verzehr, dazu ein putziger Streichelzoo So wird gegessen Käsefondue-Grundrezept von A. Koch (4 Personen): Das „Caquelon“ mit einer Knoblauchzehe einreiben. 800 g Käse mit 4 TL Maizena vermischen und mit 3,5 dl Weißwein und einem TL Zitronensaft unter kräftigem Rühren aufkochen, bis der Käse geschmolzen ist. Ein Gläschen Kirsch beigeben, mit Pfeffer und Muskat würzen und sofort servieren. Auf dem Rechaud leicht weiterköcheln lassen und mit jedem Weißbrotbrocken umrühren (nicht nur Tunken!). Gut, aber gefährlich: das Brot vor dem Eintauchen in den Käse mit Kirsch benetzen. Raclette-Originalrezept (für 8 Personen): Halber Laib, ca. 2,5kg, Walliser Raclette AOP [ 1 ] (das europäische Gütezeichen für geschützte Herkunftsbezeichnung löst das franzöische AOC ab) unter einen Racletteofen stellen. Die geschmolzene Oberfläche mit einem Messer auf einen gewärmten Teller abschaben („racler“). Dazu isst man kleine gekochte Kartoffeln in der Schale, Essiggurken und Silberzwiebeln. Der Käse kann auch in Raclettepfännchen oder urig am Lagerfeuer zubereitet werden. Fotos: Valais/Wallis Promotion – Christian Perret, Engadin St. Moritz / Daniel Martinek, Switzerland Tourism / Christof Sonderegger / Christian Perret, swiss-image.ch, Andrzej Koch Andrzej Kochs Tipps Als Käse-Reisetipps nennt „Der Schweizer“ die Alp Morgeten im Berner Oberland (Simmental): Hier wird die Milch von Horn-Kühen verarbeitet. Gleichzeitig gibt es eine Unterkunft mit rustikalen Suiten (ohne Wasser) und Massenlager für 40 Personen. Weiters das Muotatal mit dem Käsemarkt im Herbst sowie Entlebuch. www.morgeten.ch Weitere Empfehlungen: die Appenzeller Schaukäserei sowie die von Gruyère und Pringy, die Alpkäserei Moléson in den Freiburger Voralpen mit Käserei-Themenweg. Und natürlich die Emmentaler Schaukäserei, eine Erlebniswelt mit Dorfcharakter in Affoltern i. E. (Highlight Nr. 9). Käse vom Schweizer ist zu finden in 1010 Wien, Wollzeile 15 oder in 1020 Wien, Karmelitermarkt (Samstag Vormittag). www.alpkaesemarkt.ch, www.schaukaeserei.ch, www.lamaisondugruyere.ch, www.emmentaler-schaukaeserei.ch 43 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Etappe: NeuchÂtel – Interlaken MURTEN, FRIBOURG: Röstigraben in der Zähringer Stadt 2 Freiburg? Fribourg? Stimmt, wir befinden uns jetzt direkt an der deutsch-französischen Sprachgrenze, auch „Röstigraben“ genannt. Aber hier wird niemand ausgegrenzt, im Gegenteil gibt es hier die einzige zweisprachige Universität Europas. Wodurch sich auch eine lebhafte Kultur- und Lokalszene entwickelt hat! Kennen Sie z. B. Niki de Saint Phalle? Im „Espace Jean Tinguely“ wird dem berühmten Künstlerpaar aus Fribourg Tribut gezollt. Eine weitere Besonderheit: Die „Zähringer“-Stadt konnte sich eine große Altstadt auf drei Ebenen mit gotischen Fassaden und Kathedrale bewahren. Die Standseilbahn „Funi“ verbindet zudem die Unterstadt (Basse Ville) an der Saane mit dem modernen Teil von Fribourg. Apropos Zähringer: Auch Murten (Morat), 14 km von Fribourg entfernt und am gleichnamigen See gelegen, ist von dem Herzogsgeschlecht geprägt und lädt ein, den Ort z. B. auf der Stadtmauer zu entdecken. Per Schiff geht es in das kleine Weinbaugebiet Mont-Vully, wo nicht nur ein Blick über das Drei-Seen-Land, sondern auch regionale Spezialitäten geboten werden. 3 Gruyères ist echt Käse. Eigentlich gehört der Name einer kleinen mittelalterlichen, großteils französischsprachigen Stadt, auf Deutsch übrigens weniger melodisch „Greyerz“ genannt, im oberen Saanetal. Das Schloss St. Germain aus dem 13. Jahrhundert ist ihr ganzer Stolz, welches wiederum das Museum surrealer Kunst des Bildhauers und Malers HR Giger beherbergt. Und dieser Künstler ist u. a. auch der Schöpfer der Figuren aus den Oscar-gekrönten „Aliens“. Aber so außerirdisch sehen die Bewohner von Gruyère gar nicht aus, die Inspiration holte er sich wohl woanders. Vielleicht direkt in Hollywood. In eine ganz andere Richtung geht das TibetMuseum, das über 300 buddhistische Skulpturen und Werke präsentiert. Aber abgesehen von all dem – der Ort ist berühmt für den Hartkäse, den Gruyère nämlich, der in dieser Region wohl seinen Ursprung hatte und hier u. a. produziert wird. In der Schaukäserei in Pringy am Fuße des Schlosshügels erfahren wir dazu auch alles Wissenswerte. HIghlights: (siehe Karte Seite 50) 2 Städtchen Murten: optimaler Überblick von der Stadtmauer aus 3 Zähringerstadt Fribourg: Altstadt auf drei Ebenen 4 Städtchen Gruyères: surreale Kunst und 300 buddhistische Skulpturen NeuchÂtel 44 4 25 km Murten 40 km Fribourg 15 km Gruyères Fotos: UFT / Christof Sonderegger / Thierry Pradervand / Christoph Schuetz GRUYÈRES: Aliens, Buddhas und reichlich käse Uns können Sie alle gerne haben. 450 Mal. Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Hören Sie auf Ihren guten Geschmack, wenn Sie gerne auswählen. Rund 450 Käsesorten gibt’s in der Schweiz. Vom Extrahart- über den Weich- bis zum Frischkäse. Plus Ziegen- und Schafskäse noch dazu. Mit Schweizer Käse werden alle Geniesser glücklich. Schweiz. Natürlich. Unser Schweizer Käse. www.schweizerkaese.ch 45 Schweizereien Wenn ich nur aufhören könnt’! Warum bloß wurde Schokolade erfunden? Ein hinterhältiger Komplott, eine tägliche Prüfung? Die süße Versuchung gehört zur Schweiz wie…, ja, Käse. Und auch bei einer Schweiz-Reise kommt man nicht daran vorbei, zumindest ein paar Tafeln zu kosten oder mit nach Hause zu nehmen. Maison Cailler in Broc/Gruyère: Die berühmte Marke wurde ca. 1819 von Francois-Louis Cailler in Vevey gegründet, 1929 Fusion mit der Nestlé-Gruppe. Auf einer interaktiven Tour im Maison Cailler spielen Fakten, Fantasie und alle Sinne die Hauptrollen. www.cailler.ch Schokoladenzug: Ein gemeinsames Angebot von GoldenPass Services und Cailler-Nestlé. Er führt von Broc über Gruyère nach Montreux und beinhaltet u. a. die Besichtigung der Schaukäserei Gruyères und eine Filmvorführung, Rundgang und Degustation bei Cailler-Nestlé. www.goldenpass.ch Besucherzentrum Chocolat Frey in Buchs: Die Traditionsmarke wurde 1887 von den Frey-Brüdern gegründet und 1950 von Migros übernommen. Die Tour führt über den Schokoladenweg, zu dem Schokoladenpoeten und Schokotank, zum Kino, zur Degustation, ins Duftlabor und in die Fotostation. www.chocolatfrey.ch Weitere Tipps: SchoggiLand der Maestrani Schweizer Schokoladen AG in Flawil, Aeschbachs Chocowelt in Luzern, Museum Chocolat Alprose in Caslano-Lugano, Favarger-Schokolade in Versoix (Genf), L‘Espace Chocolat Confiserie Moret in Yverdon-les-Bains oder Confiserie Poyet in Vevey 46 Die Alpenmilch macht den unterschied Die Erfolgsgeschichte der Schweizer Schokolade begann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit einigen Kakaofabrikanten und Konditoren wie etwa François-Louis Cailler in Corsier bei Vevey und einem gewissen Philippe Suchard in Neuenburg. Bis heute noch befindet sich das Zentrum der Schokolade-Industrie in der Westschweiz. Nach und nach fanden immer mehr Genießer Gefallen an dem Produkt und es entstanden bereits größere Familienunternehmen. Der Siegeszug startete aber um die Jahrhundertwende mit dem Einsatz der guten schweizerischen Alpenmilch, die die Schokolade bekömmlicher und schmackhafter machte. Als Erfinder der Milchschokolade wird Daniel Peter in Vevey genannt, während die Fondantschokolade Rodolphe Lindt zugeschrieben wird. Die Verbindung mit der traditionellen Milchwirtschaft und zudem das Kapital, das die Unternehmen einsetzten, um den Markt zu erobern, waren schließlich die Basis für den Erfolg über die Grenzen hinweg. Fotos: Switzerland Tourism / François Bertin Schokolade-Erlebnisse O b Trüffel, Pralinen, Mousse, Tafel- oder Trinkschokolade, die verführerischen Köstlichkeiten sind in aller Welt bekannt. Doch die größten Schokolade-Fans sind die Schweizer selbst – im internationalen Vergleich ist es das Land mit dem höchsten Schoggi-Konsum, heißt es. Das Motto lautet: „9 von 10 Menschen mögen Schokolade. Der 10. lügt.“ Funky Chocolate Club – eine Freundschaft aus Schokolade „Schmeckt wie Banane, oder?“ Wir probieren ein Stückchen Schokolade aus Madagaskar. „Die Kakaobohnen nehmen den Geruch der Bananen auf der Plantage an“, erklärt Tatiana Skolnikova. Gemeinsam mit ihrer Kollegin und Freundin Michaela Wlosokova betreibt sie in Interlaken den Funky Chocolate Club. Fotos: Funky Chocolate Club, Christiane Reitshammer (2) S chweizer Schokolade und darüber hinaus, ausgefallene Sorten und Geschmäcker, mit Fotos oder in witziger Form bieten sie an. Wer mag, kann gleich im Café die „echte, richtig üppige“ heiße Schokolade trinken oder ein Schoko-Fondue teilen. Oder seine eigene Lieblingsschokolade kreieren. Mehrmals täglich halten sie einen einstündigen Workshop ab. So bewaffnen wir uns also mit Kochmütze und Schürze, Schneebesen und allerlei Utensilien, um unsere eigenen Meisterwerke herzustellen. Bevor es losgeht, erklärt Tatiana noch Herkunft und Produktion von Kakaobohnen und Schokolade. Dunkle und Milchschokolade stehen in sämig-flüssiger Form zur Auswahl. Zuerst geben wir einen Schöpfer voll 40 Grad warmer Schokolade in den Kessel und mischen unter festem Rühren kalte Schokoladeplättchen hinein, so lange, bis sich warme und kalte Schokolade schön binden und eine Temperatur von etwa 30 Grad erreichen. Dann kommt unter weiterer Bewegung wieder warme Schokolade dazu. „Die Kakaobutter muss gebunden werden. Wenn die Masse schön glänzt, dann ist sie perfekt“. Wir füllen die flüssige Schokolade mit einem Spritzsack in Tafelformen, schütteln und streichen sie glatt. Je nach Geschmack bestreuen wir die einzelnen Tafeln noch mit kleinen, nach Orange oder Zitrone schmeckenden Schokostückchen, mit Mandeln, Krokant, weißer Schokolade usw., der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Dann kommt das Werk ins Kühlfach, und eine Stunde später holen wir sie – inzwischen schön verpackt – ab. schokolade ist gesund Seit Sommer 2014 betreiben die zwei Tschechinnen [ 1 ], die sich an der Universität kennengelernt, aus den Augen verloren und nach Auslandsaufenthalten bei einem JordanienUrlaub zufällig wieder getroffen haben, ihren Laden. Zusammengeführt hat sie auch ihre Begeisterung für Schokolade, die sie mit einer Ausbildung zum Chocolatier professionalisierten. „Einen geeigneten Platz zu finden war schwierig, aber nach ein paar Monaten haben wir es geschafft“, sagen die Freundinnen und Geschäftspartnerinnen. Schokolade im großen Stil wollen sie allerdings nicht produzieren. „Wir kaufen von kleinen Produktionen und konzentrieren uns auf die Workshops.“ Ob sie jeden Tag Schokolade esse?, so die Frage an Tatiana. „Ja, jeden Tag. Wir müssen ja auch die Samples verkosten, aus Ecuador, Madagaskar, aus allen Ländern. Aber immer nur ein Stück und nur gute Qualität. Schokolade ist ja auch gesund!“ Und viel Sport betreibe sie auch, wie sie zugibt. Das muss wohl die optimale Diät sein. www.funkychocolateclub.com 47 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Etappe: NeuchÂtel – interlaken BRIENZERSEE eine rasante Begegnung 7 7 Fünf Kursschiffe verkehren auf dem Brienzersee und verbinden Interlaken mit Brienz oder dem Giessbachfall, einem von vielen Wasserfällen in der Region, der über 500 Meter und über 14 Stufen in den See stürzt. Seit 2014 kann man auch mit einem Jetboat über den 260 Meter tiefen See düsen. Simon Hirtl, Ex-Sportler, -Sportmanager und –Inhaber einer Eventagentur, wollte in seinem „Paradies“ nicht nur wohnen, sondern auch arbeiten und hat mit einem Freund das Unternehmen Jetboat Interlaken, als erster in der Schweiz, gegründet, wie er erzählt. „Das ist ein Angebot für die ganze Familie, nicht nur Adrenalin-Action, sondern eine informative und spaßige Fahrt.“ Eine Fahrt, die im Sommer etwa elf Mal am Tag angeboten wird, dauert 50 Minuten und kostet für den Erwachsenen (inklusive Abholung vom Hotel, Wetterausrüstung, Fotos und Videoclips) ab 89 Franken. Was seine Gäste lieben, sind 360 Grad-Drehungen aus der vollen Fahrt. „Aber wir machen auch viele Stopps. Das ist nicht nur ein Hin- und Her-Rasen auf dem See, wir erzählen auch viel über die Region, die Fischerei, Geschichten zum Hotel Giessbachfälle usw.“ www.jetboat.ch GSTAAD – Spielplatz für GroSS und Klein 7 HIghlights: (siehe Karte Seite 50) 5 Châletdorf Gstaad/ Saanen: autofreier Ort mit hoher Promi-Dichte 6 Jungfraujoch: Top of Europe 7 Schifffahrt Brienzersee: das erste Jetboat-Angebot des Landes Gruyères Interlaken 48 40 km Gstaad 70 km Interlaken Schlenker: Jungfraujoch (mit der Jungfraubahn) Fotos: Switzerland Tourism / Lorenz Andreas Fischer / Christof Sonderegger, Interlaken Tourismus / Heinz Loosli / Stefan Schlumpf Promis und Möchtegernstars genauso wie „Normalos“ mit oder ohne Familien fahren gerne in die Region Gstaad-Saanenland, letztere Gruppe jedoch verstärkt in die Nachbardörfer. Gstaad, im Zentrum autofrei, lockt doch eher mit Luxus, egal ob in Hotels, Gourmetrestaurants oder den noblen Geschäften in der kürzesten Shopping-„Meile“ der Schweiz. Die Region hat aber z. B. mit dem Naturschutzgebiet am Lauenensee mit Wasserfällen und Hochmooren, dem historischen Dorf Saanen [ 1 ] und dem kleinen Bergdorf Abländschen noch mehr zu bieten, zudem ein dichtes Wegenetz für Wanderer und Mountainbiker, Gelegenheiten für Wildwasser- und Kanuabenteuer sowie zum Gleitschirmfliegen und Klettern. Für Kinder ist das Saanenland ein einziger Tollplatz: Baden in Bergseen, Trottinettfahren, Sommerrodeln und Alpine Coaster oder Käse-Machen – das können keine faden Ferien sein! Etappe: NeuchÂtel – Interlaken Atemlose Ausblicke Manche Dinge im Leben brauchen mehrere Anläufe. Das Jungfraujoch ist so eines. Entweder man hat Glück, und die zweieinhalbstündige Fahrt mit der Bahn von Interlaken bis ganz nach oben gipfelt in der versprochenen Aussicht auf Bergwelt, Gletscher und Eis. Oder eben nicht. Ein bisschen Flexibilität und ein entsprechender Wetterbericht können aber bei der Planung helfen, damit weder Wolken noch Schneefall den Blick vernebeln. T Fotos: Jungfrau Region / Mattias Nutt op of Europe“ wird das Jungfraujoch auch genannt, schließlich befindet sich hier der höchstgelegene „ Bahnhof Europas. Auf 3.454 Meter über dem Meer, unterhalb des 4.158 Meter hohen Gipfels der Jungfrau. So nebenbei gibt es hier auch den höchstgelegenen Schoggi-Shop von Lindt („Lindt Swiss Chocolate Heaven“) und ein UhrenGeschäft. Ja, Shopping ist überall. Einen Tag vor unserer Ankunft in luftigen Höhen hat ein Herr eine Uhr um 40.000 Franken erworben, wie uns der Hüter des Ladens berichtet. Guter Ausgangspunkt für eine Fahrt nach oben ist Interlaken, wobei sich zwei Varianten anbieten. Von Interlaken über Lauterbrunnen (mit der Berner Oberland-Bahn), vorbei an Wengen bis Kleine Scheidegg (mit der Wengernalpbahn) und dann durch das Felsmassiv hinauf zum Jungfraujoch oder von Interlaken über Grindelwald, Kleine Scheidegg und weiter. Wir machen beides, den einen Weg nach oben, den anderen nach unten. Unmöglich zu sagen, welche Richtung schöner ist. Einmal einrasten Kurz nach Zweilütschinen, wenn es bergauf geht, klickt der Zug in das Zahnradsystem ein, auf flachen Stücken bewegen wir uns auf Schienen. „Das System wurde vor über 100 Jahren erfunden und von den Schweizern als bewährtes System übernommen“, erzählt Brigitte, pensionierte Wanderreiseleiterin und nun zeitweise für die Jungfraubahnen im Einsatz. Von Station zu Station Lauterbrunnen liegt in einem Tal zwischen Felswänden und Gipfeln. 72 Wasserfälle stürzen über die Felswände ins Tal. Der Staubbachfall ist einer der höchsten frei fallenden Wasserfälle Europas. Am Bahnhof wird auch alles, was zum Leben notwendig ist, für die nächste Station, das auf 1.274 Meter liegende und autofreie Wengen, verladen. Wir fahren vorbei an der berühmten Lauberhorn Ski-Weltcup-Strecke und sogar über den Tunnel, durch den die Herren bei der Abfahrt durchflitzen. „Wenn das Rennen ist, fährt die Bahn rund um die Uhr und bringt untertags bis zu 25.000 Gäste rauf“, meint Brigitte. Die Bahn fährt 365 Tage im Jahr und im Sommer jede halbe Stunde. Bit te Umsteigen! Bei der Station Kleine Scheidegg heißt es ein letztes Mal umsteigen, nämlich in die rot-gelbe Jungfraubahn, und dann wird’s dunkel, wenn der Zug über sieben Kilometer durch den Berg fährt. Die Bahnstrecke gilt bis heute als Wunder der Eisenbahntechnik. 16 Jahre dauerte der Bau, am 1. August 1912 fand die feierliche Eröffnung statt. 49 Etappe: NeuchÂtel Ort 1 – Ort– 2Interlaken – ort 3 Es geht wieder bergab. Vorbei an traumhaften Berglandschaften. „Der Bergfrühling im Juni und Juli ist wunderschön“, schwärmt Brigitte. „Alle Blumen blühen, das ist die schönste Zeit!“ Die Temperaturen sind im Sommer oben meist um 10 Grad niedriger als im Tal. Die Kühe kommen allerdings nur bis Scheidegg, „pflegen“ die Almwiesen und sorgen für die guten Milchprodukte, bis sie Anfang September wieder hinuntergetrieben werden. << 2 tel hâ uc Ne Die erste Haltestelle „Eigerwand“ im Berg ermöglicht durch ein großes Fenster den Blick nach draußen Richtung Norden, bei schönem Wetter bis zum Schwarzwald. Nächste Station ist „Eismeer“, bereits auf 3.160 Metern, wo man beeindruckenderweise von Gletscher und Eis umgeben ist. Auf 3.454 Metern endet die Fahrt am Joch, unterhalb des Jungfrau-Gipfels auf 4.158 Metern. Der erste Eindruck: Hier herrscht dünne Luft! Die Mitarbeiter der Bahn sind es offenbar gewöhnt, wir schalten erstmal einen Gang zurück. Der zweite Eindruck: Wow! Ein faszinierender und erhebender Blick auf eine Welt aus Eis, Schnee und Fels, weiß und glitzernd, auf den Aletschgletscher, der mit 22 km Länge der längste Eisstrom der Alpen ist. Ja, das ist top, Top of Europe. 3 Eisige Ein- und Aussichten Von der Aussichtsterrasse Sphinx gelangt man zur „Alpine Sensation“ im Inneren des Berges. Auf einem Rundgang im Tunnelsystem erfahren wir viel über die Geschichte der Bahn und des Schweizer Berglebens, genießen eine audiovisuelle Reise durch die Alpenwelt, sehen im Eispalast, der in den 30er Jahren von Bergarbeitern mit Pickel und Säge ausgeschnitten wurde, Höhlen und bläulich schimmernde Skulpturen aus Eis, Pinguine, Huskys, Bären und auch Sherlock Holmes, bevor wir direkt beim Schokolade-Geschäft landen. Schwer zu sagen, ob das beständige Schwindelgefühl mehr der Höhe oder eher der überwältigenden Aussicht zuzuschreiben ist. Sportlich Aktive und Adrenalinjunkies kommen auch im Sommer im Schnee – und das vor grandioser Kulisse – auf ihre Kosten. Bei Ski- und Snowboardfahren auf einer präparierten Piste, beim Rutschen im Schlittelpark oder mit dem Flying Fox über die Gletscherspalten. Mit einer kurzen Wanderung gelangt man zur Mönchsjochhütte. Oder aber man schließt sich einer geführten Zweitagestour über die Gletscherlandschaft an. Wanderer nehmen auch gerne ihren Weg von der Station Eigergletscher nach Kleine Scheidegg, wo es auch Übernachtungsmöglichkeiten gibt. 50 7 4 6 5 33 HIgHlights Drei Schlenker als Tagesausflüge: 6 Jungfraujoch: hochalpine Wunderwelt aus Eis, Schnee und Fels 7 Schifffahrt Brienzersee: Passagierschifffahrt seit 1839 33 Schweizer Alpen / Jungfrau-Aletsch: UNESCO Weltnaturerbe mit dem größten Gletscher der Alpen Jungfraujoch Brienzersee Jungfrau-Aletsch Unsere Tipps Interlaken Ein guter ausgangspunkt Das Freilichtmuseum Ballenberg: Zu sehen sind 100 Jahrhunderte alte Gebäude, original eingerichtet, aus allen Landesteilen der Schweiz, Handwerke, Bräuche, landwirtschaftliche Arbeit u.v.m. www.ballenberg.ch Lateinisch „Inter Lacus“ heißt nichts anderes als „zwischen den Seen“ – und genau da befindet sich der Ferienort Interlaken (mit den Orten Matten und Unterseen), nämlich zwischen Thunersee und Brienzersee und nicht weniger bemerkenswert zu Füßen des berühmten Bergdreigestirns Eiger, Mönch und Jungfrau. Hotels, Restaurants, Casino, Geschäfte und eine kleine Altstadt sorgen für die entsprechende touristische Infrastruktur der Region, die (besonders im Sommer) viele tausende Menschen aus aller Welt anlockt. So tummeln wir uns auch zwischen den Gruppen aus Indien, China oder dem arabischen Raum, die das angenehme Klima, die Seen und die Berge schätzen. Mit seinen Festivals ist Interlaken im Sommer ein riesiger Spielplatz. Wer das Wandern liebt, auf Canyoning, Raften und Paragliden steht (in der Hochsaison landen Paraglider fast im Sekundentakt), gerne schwimmt oder Boot fährt, ist hier bestens aufgehoben. Guter Ausgangspunkt ist Interlaken für eine Fahrt zum Jungfraujoch oder anderen spektakulären Aussichtspunkten. www.interlaken.ch Die Alphornproduktion von Familie Tschiemer im Bergdorf Habkern. Chästeilet Justistal: das Brauchtumsfest der Alphirten im September, bei dem der Käse unter den Bauern aufgeteilt wird. Im Anschluss ziehen die SennerInnen in Tracht mit den geschmückten Kühen ins Tal. In der Umgebung Grindelwald: Höhenwanderung von Grindelwald-First entlang des Bachalpsees und zur Schynige Platte oder vom Männlichen auf die Kleine Scheidegg – mit Ausblick auf Eiger, Mönch, Jungfrau; Adrenalinrausch mit dem „First Flieger“ oder beim Biken. Mürren: traditionelles, autofreies Walser-Bergdorf unterhalb des Schilthorns auf 1650 m, Ausgangspunkt für Wanderungen Fotos: Switzerland Tourism / Marcus Gyger, Jungfrau Region / Jost von Allmen / Mattias Nutt Schynige Platte: Wanderungen und Alpengarten; das Berghotel Schynige Platte mit Panoramaterrasse ist nur im Sommer mit der Zahnradbahn erreichbar. Harder Kulm: mit der Drahtseilbahn von Interlaken auf den Hausberg; schlossartiges Restaurant mit Aussicht auf Dreigestirn, Thunersee und Brienzersee Kleine Scheidegg: spektakuläre Sicht auf die Eigernordwand, Bahnhof, Restaurants und Hotels, viele Wandermöglichkeiten; im Restaurant Eigergletscher gibt es die Schokospezialität Eigerspitzli aus der höchstgelegenen Confiserie Europas. Infos zu den Jungfraubahnen Die Jungfraubahnen führen zu den Naturwundern im UNESCO-Welterbe Schweizer Alpen Jungfrau - Aletsch: Berner Oberland-Bahn, Wengernalpbahn, Jungfraubahn, Firstbahn, Schynige Platte-Bahn, Harderbahn, Bergbahn Lauterbrunnen – Mürren: Strecken und Preise unter www.jungfrau.ch Fahrt Interlaken Ost – Jungfraujoch in der 2. Klasse hin und retour 204,40 CHF; Jungfrau VIP-Pass: 3 Tage Fahrt auf dem gesamten Streckennetz der Jungfraubahnen (inkl. Jungfraujoch) 245 CHF (Stand März 2015) 51 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Etappe: Interlaken – Bern – luzern Bern „Bärige“ stadt mit Zytglogge 8 Das ist also die Hauptstadt der Schweiz! Nicht Zürich, nicht Genf, nein Bern ist das Epizentrum der eidgenössischen Macht. Die Altstadt, vom Fluss Aare beinahe umschlossen, ist außerdem auch noch UNESCO-Weltkulturerbe. Mit Fug und Recht, wie uns nach 344 Stufen nach oben, keuch, ein großartiger Blick vom Münster auf das mittelalterliche Ensemble bestätigt. Wieder auf festem Erdboden, stellen wir uns wie alle Bern-Besucher zur vollen Stunde unter die „Zytglogge“ und beobachten das Bären-Figuren- und Glockenspiel; spazieren in den mittelalterlichen Arkaden, die sechs Kilometer durch die Stadt führen, durch die Gassen, vom Bahnhof via Bundesplatz bis zum Bärenpark. Der Bär ist ja das lokale Wappentier. Der frühere und nun erweiterte „Bärengraben“ beherbergt übrigens tatsächlich Bären, lebendige, die auf nunmehr 6.000 m² ihren Auslauf genießen – wir sie lieber aus der sicheren Entfernung. Bei den Museen herrscht wieder einmal die Qual der Wahl: Das Paul Klee-Museum ist stolz auf die weltweit größte Sammlung des Künstlers, allein das Gebäude von Architekt Renzo Piano ist ein Highlight. In dieser Hinsicht ist auch das Westside, das Freizeit- und Einkaufszentrum, einen Abstecher wert: Schließlich wurde es von Stararchitekt Daniel Libeskind umgesetzt. Auch ein Museum für Kommunikation gibt es in Bern; es beschäftigt sich mit Körpersprache, dem Dialog der Kulturen, Neuen Medien etc. Und das Einstein Museum würdigt das Genie von Albert, der hier einst für ein paar Jahre in der Kramgasse 49 lebte (und wer weiß, vielleicht springt der Funke noch über!). Betörend ist der Duft im Rosengarten. Über 200 Rosensorten, 200 Irisarten und zahlreiche Rhododendren befinden sich dort hoch über der Altstadt, die einem fast den Blick vernebeln. HIgHlightS (siehe Karte Seite 56) 8 Altstadt Bern: mittelalterlicher Stadtkern, fast gänzlich umflossen von der Aare 9 Emmentaler Schaukäserei: alles Käse, von der Herstellung bis zur Verkostung Brienzer See 67 km Bern 55 km Emmental Unser Tipp Gurten bzw. Güsche heißt der Hausberg der Stadt, der sich 864 m nach oben streckt und mit der Gurtenbahn, dem „Velo“ oder zu Fuß erreichbar ist. Oben gibt’s nicht nur einen tollen Blick auf Bern, sondern auch einen Park, Sportmöglichkeiten, zwei Restaurants (immer dienstags Fondue) sowie verschiedene Events und Kulturveranstaltungen. 52 Fotos: Switzerland Tourism / Terence du Fresne / Gian Marco Castelberg & Maurice Haas / Stephan Engler 8 Kambly Erlebnis Trubschachen Schweizer Feingebäck-Tradition seit 1910 Entdecken Sie die Erlebniswelt des bekanntesten und beliebtesten Schweizer Biscuitherstellers in Trubschachen, mitten in der idyllischen Hügellandschaft des Emmentals. Mit Licht und Ton werden Sie durch die über 100-jährige Kambly-Geschichte geführt. Schauen Sie unseren Maîtres Confiseurs über die Schultern und erfahren Sie mehr über die Geheimnisse der Feingebäck-Kunst. Probieren Sie nach Herzenslust rund 100 Biscuitsorten und lassen Sie sich im Kambly Café verwöhnen. Ein passendes Geschenk finden Sie in unserer grossen Auswahl an exklusiven und saisonal wechselnden Produkten. Öffnungszeiten Mo-Fr 08.30 - 18.30 Uhr, Sa & So 08.30 - 17.00 Uhr Eintritt kostenlos. Parkplätze direkt vor Ort. Für mehr Informationen: www.kambly.ch, Tel.: +41 34 495 02 22 53 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 54 Etappe: interlaken – Bern – Luzern Luzern und der Vierwaldstättersee In strahlendem Sonnenschein präsentiert sich Luzern adrett wie eine Postkartenschönheit und ist doch eine Stadt, in der man gerne leben möchte. Entspannte Flanieratmosphäre, viel Kunst und Kultur, eine breite Palette an Ausflugszielen am Vierwaldstättersee, hoch droben in der Bergwelt von Pilatus und Rigi oder in der facettenreichen UNESCOBiosphäre Entlebuch. Die übersichtliche 80.000-Einwohner-Stadt ist mehr als bloß ein attraktiver Fixpunkt an der Grand Tour-Route. Foto: Switzerland Tourism / Andreas Gerth A uf der einen Seite ein mittelalterlicher Stadtkern mit Fresken geschmückten Zunfthäusern, auf der anderen eine lebendige Neustadt voller kultureller Sehenswürdigkeiten, dazwischen die Reuss und darüber eine der ältesten gedeckten Holzbrücken der Welt, die Kapellbrücke. Nach ihrer Erbauung im Jahr 1332 führte sie geradewegs in die Kapelle, die ursprünglich der einzige Zugang zur Stadt war. Inzwischen wurde sie mehrmals umgebaut, versetzt und renoviert, brannte ab und wurde teilweise mit alten Elementen wieder errichtet. Sie schnell zu überqueren ist im Sommer oft gar nicht einfach, denn alle paar Meter stehen Trauben von Touristen aus Asien, die entweder gerade ein Foto machen, oder jemanden suchen, der eines von ihnen macht. „Cheese“ ist das geflügelte Wort. Stramm steht auf der Kapellbrücke – mit dem imposanten Pilatus-Massiv als Kulisse – der achteckige Wasserturm, der früher eine Folterkammer barg, jetzt aber als Versammlungsraum wesentlich friedlicheren Zwecken dient. „Unter dem Dach wohnen von Ende April bis Ende August Gäste aus Afrika“, erklärt uns die Stadtführerin Christine, „die Alpensegler!“ Sie sehen aus wie überdimensionale Schwalben und verbringen laut den Luzerner Stadt-Ornithologen den Großteil ihres Lebens im Flug. Da sie mit ihren kurzen Beinen nicht vom Boden starten können, nutzen sie den 32 Meter hohen Wasserturm als Absprungschanze. Auch die 870 m lange Museggmauer mit ihren Türmen ist bewohnt. Neben Mauer- und Alpenseglern sind dort auch Turmdohlen, Gänsesäger, Fledermäuse und Eidechsen eingezogen. Wie die Kapellbrücke gehörte die Mauer zur äußeren Befestigungsanlage, mit der Luzern sich vor den Habsburgern schützte, die – vom Ende des 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts – die Stadt beherrscht hatten. Anders als in so vielen an sich schönen Städten Europas dominieren in der malerischen Altstadt nicht Autos, sondern Menschen das Straßenbild. Das ermöglicht auch einen ungestörten Blick auf das im italienischen Stil erbaute Rathaus und den einladenden Rathausquai mit seinen Restaurants und Cafés, auf das Löwendenkmal und die mit Fresken geschmückten Häuser, die viele Plätze der ehemaligen Handelsstadt säumen, wie zum Beispiel den Weinmarkt. Sakrale Bauten wie die barocke Jesuitenkirche und die Hofkirche aus der Spätrenaissance mit ihren beiden charakteristischen Türmen runden das harmonische Stadtbild ab. Auf dem Platz, wo die Hofkirche heute steht, wurde nach angeblichen Lichterscheinungen im 8. Jahrhundert die erste Siedlung – das Kloster Luceria – erbaut. Da das lateinische bzw. italienische „lucerna“ auch für Leuchte steht, wird Luzern manchmal als Leuchtenstadt bezeichnet. Luzerns modernes Wahrzeichen ist das im Jahr 2000 eröffnete Kultur- und Kongresszentrum KKL, das unter anderem einen Konzertsaal mit 1.840 Plätzen und das Kunstmuseum beherbergt. Das futuristische Gebäude trägt die Handschrift 55 Etappe: Interlaken – Bern – Luzern 10 des französischen Stararchitekten Jean Nouvel und scheint mit seinem statisch ausgeklügelten Dach aus 1.520 Aluminiumplatten, das 40 Meter über den Vierwaldstättersee hinausragt, leichtfüßig auf der Wasserfläche zu tanzen. Eine Schönheit in Rauchglas, und zudem der Schauplatz zahlreicher Veranstaltungen, wie dem jährlichen Lucerne Festival, das mit internationalen klassischen Orchestern und Solisten der Festspielstadt Salzburg Paroli bietet. Das Gebäude sollte eigentlich am Wasser gebaut werden. Als das nicht bewilligt wurde, leitete der Stararchitekt kurzerhand links und rechts vom Eingang je einen Fluss in das Gebäude. Gleichzeitig bestand er darauf, dass keine Brüstung die Ästhetik des Designs stören dürfte. „In den ersten vier Jahren fielen rund 1.000 Konzertgäste ins Wasser. Zuerst hat man Badetücher, Ersatzkleider und Haartrockner bereitgestellt, inzwischen wurden aber doch Geländer angebracht“, amüsiert sich unsere Stadtführerin. > ch > Züri 11 9 12 13 8 14 10 HIgHlightS 10 Biosphärenreservat Entlebuch: unberührte Moorlandschaft 12 Kapellbrücke Luzern: einst der einzige Zugang zur Stadt 13 Pilatus: Luzerner Hausberg mit der steilsten Zahnradbahn der Welt 14 Tellskapelle, Sisikon: Kapelle mit Szenen aus der Wilhelm Tell-Sage Emmental 55 km Schloss Hallwyl Pilatus 56 13 52 km Entlebuch 41 km Sisikon 49 km Luzern 65 km Schloss Hallwyl 14 km Zürich Pilatus Fotos: Switzerland Tourism / Max Schmid / Elge Kenneweg / Jan Geerk, Pilatus Bahnen AG / Christian Perret 11 Wasserschloss Hallwyl: Märchenschloss auf zwei Inseln im Aabach 12 Unser Tipp Nix‘s in der Laterne Regionaler geht es nicht: Fangfrischer Fisch aus dem Vierwaldstättersee, Muotataler Ochsenschwanz, Zentralschweizer Kalbssteak oder Käsevariationen aus dem Gütschtunnel. In seinem Lokal „Nix‘s in der Laterne“ am Reussteg kocht der Österreicher Nikki Schwethelm seine Gäste mit ihren eigenen Spezialitäten ein. www.nixinderlaterne.ch Verkehrshaus Bewegte Geschichte Stehen Sie auf die Schweiz? Im Verkehrshaus – dem populärsten Museum des Landes – können Sie auch auf der Schweiz stehen, denn dort gibt es ein 200 m2 großes Luftbild, auf dem man ungeniert auch die Grand Tour-Routen abgehen kann. Mit 20.000 m2 Ausstellungsfläche, einem Filmtheater und einem Planetarium ist das Verkehrshaus Schweiz ein ausgesprochen innovatives Museum mit tausenden Exponaten zu den Themen Verkehr, Mobilität und Kommunikation, die nicht nur bestaunt, sondern auch angefasst und getestet werden dürfen. Auf der Erlebnistour zwischen Dampfloks, U-Booten, Riesenflippern, Formel I-Boliden und Modellbahnanlagen wird so mancher Besucher wieder zum Kind. Die letzten Zweifler überzeugt mit Sicherheit das „Chocolate Adventure“, wo man mit allen Sinnen erfahren kann, worum es bei der Schokoladenherstellung geht. www.verkehrshaus.ch Fotos: Switzerland Tourism-BAFU / Marcus Gyger, Switzerland Tourism / Franziska Pfenniger, Hotel Château Gütsch Pilatus: Rüber, rauf und runter Von Luzern aus bieten sich zahlreiche Touren ins Umland an. Wer wie die Schweizer auf Superlative steht, kann zum Beispiel mit der steilsten Zahnradbahn der Welt den Hausberg von Luzern – den 2.132 m hohen Pilatus – erobern. Im Rahmen der so genannten „Goldenen Rundfahrt“ ist der Ausflug auf den Pilatus zwischen Mai und Mitte Oktober spielend in einem Tag zu bewältigen. Mit dem Schiff geht es über den Vierwaldstättersee nach Alpnachstad. Dort wartet schon die Zahnradbahn, die mit einer maximalen Steigung von 48% den Pilatus-Kulm erklimmt. Erlebt man klares Wetter wie wir, raubt einem das spektakuläre Panorama aus Seen und 73 Alpengipfeln den Atem. Wenn die Bergluft hungrig macht, erfüllen sich zum Beispiel auf der Sonnenterasse Hotel Pilatus-Kulm sämtliche kulinarischen Wünsche. Mit der Luftseilbahn „Dragon Ride“, die im April 2015 eröffnet wurde, und der Panorama-Gondelbahn geht es talwärts nach Kriens und per Bus Nr. 1 zurück nach Luzern. Diese Tour ist in umgekehrter Reihenfolge nicht minder schön und lässt sich auch mit herrlichen Wanderstrecken, einer beschwingten Abfahrt auf der Sommerrodelbahn oder einer Kletterpartie im Seilpark kombinieren. Wandern: Waldstätterweg und Weg der Schweiz Zu den Schlagworten zum Vierwaldstättersee, die fast jeder im Langzeitgedächtnis parat hat, gehört auf jeden Fall „Der Schwur auf dem Rütli“. Der fast 120 km lange Waldstätterweg führt von Brunnen am Urnersee [ 1 ] zu eben diesem Rütli, wo sich laut dem Schweizer Nationalmythos einst Abgesandte aus den drei Kantonen Uri, Schwyz und Unterwalden mit einem Schwur von den Habsburgern lossagten und damit die Eidgenossenschaft begründeten. Wer die romantische Tellskapelle in Sisikon aufsucht, wandelt auf den Spuren von Wilhelm Tell. Kombiniert man den „Weg der Schweiz“ [ 2 ] mit dem Waldstätterweg, umrundet man den gesamten Vierwaldstättersee mit all seinen Armen und Fjorden. Uferwege, Bergpfade und städtische Promenaden wechseln sich ab. Und auch die Atmosphäre gestaltet sich facettenreich: Vom mediterranen Flair an der Riviera bei Weggis bis zum alpinen Klima auf dem Bürgenstock. Das Herauspicken einzelner Etappen oder elegante Abkürzungen per Schiff sind jederzeit möglich. Der „Weg der Schweiz“ nimmt 35 km des Weitwanderwegs ein und repräsentiert die 26 Kantone, wobei jeder Schweizer Staatsbürger durch einen 5 mm langen Weg-Abschnitt in seinem Kanton symbolisiert ist. Unser Tipp Lunch im Gütsch Das Château Gütsch [ 3 ], hoch über der Stadt Luzern gelegen, erstrahlt seit Frühling 2014 in neuem Glanz. Der kurze Ausflug lohnt sich, auch wenn Sie sich nicht gleich eine Suite im hübschen Belle Époque-Hotel leisten möchten. Ein Lunch auf der Terrasse, wo erlesene Schätze aus Küche und Keller serviert werden, schafft es nicht zuletzt wegen der grandiosen Aussicht auf die Stadt und den Vierwaldstättersee garantiert in die Top-Liste Ihrer Urlaubserinnerungen. www.chateau-guetsch.ch 57 Etappe: Luzern – Schwyz – Zürich Biosphärenreservat Entlebuch der Wilde Westen von Luzern Cowboys? Colts? Koyoten? Keine Spur! Dafür liegt das Entlebuch aber westlich von Luzern und das Wilde bezieht sich einerseits auf die weitläufigen Moorlandschaften, deren Artenvielfalt von der UNESCO als schützenswertes Welterbe gewürdigt wurde. Andererseits gelten die Entlebucher als ein ziemlich „wildes“ Völkchen, das mit großer Leidenschaft die unberührte Natur, die althergebrachten landwirtschaftlichen Techniken und ihre Traditionen zu verteidigen weiß. Überhaupt birgt kaum eine andere Region der Schweiz so viele natürliche Schätze wie dieses erste Biosphärenreservat der Schweiz. Sie besticht aber zudem mit Kleinoden wie dem Dörfchen Flühli, in dessen Kneippanlage man so idyllisch Wasser treten kann wie sonst nirgendwo in den Alpen, oder Romoos, wo noch echte Köhler ihrem uralten Handwerk nachgehen. Ein kühler Tag? Dann nichts wie ab in die exotische Pflanzenwelt im Tropenhaus von Wolhusen oder in die Alp- und Erlebniskäserei Schlacht in Schüpfheim. Neu sind die Tagestouren im umweltschonenden Elektrobus – dem Switchbus -, die jeden Samstag ab Luzern angeboten werden. Organisator ist Louis Palmer, der immerhin schon einmal die Welt im Solartaxi umrundete. Schloss Hallwyl Ritterromantik auf zwei INseln Eines der schönsten Wasserschlösser der Schweiz findet sich im Kanton Aargau, in direkter Nähe zum Naturschutzgebiet am Hallwilersee. Das Schloss Hallwyl thront auf zwei Inseln im Aabach, am nördlichen Ende des Sees, und ist nur über eine Ziehbrücke erreichbar. Ist sie einmal heruntergelassen, macht es Spaß, die 800 Jahre alte Geschichte des Hallwyler Niederadels vom Mittelalter bis zur Gegenwart nachzuverfolgen. Die Rekonstruktion eines Pfahlbaus an der Uferpromenade dokumentiert das Leben der allerersten Siedler. Wer gerne wandert, wird den 20 km langen Seeuferweg genießen. Weniger sportlich ambitionierte Besucher können die Wanderung mit einer Schifffahrt am See kombinieren oder sich in einem der schönen Strandbäder erfrischen. Do-it-yourself-Schweizermesser Sind Sie auch ein Schweizermesser-Fan? Dann auf ins Victorinox-Museum in Brunnen im Kanton Schwyz! Dort wird die Erfolgsgeschichte des Swiss Army Knife aufgerollt. Noch viel aufregender: Gegen Voranmeldung und Unkostenbeitrag darf man sein persönliches Messer, Modell Spartan, selbst zusammenbauen. www.victorinox.com 58 Foto: Switzerland Tourism/ Lorenz Andreas Fischer Unser Tipp Etappe: Luzern – Schwyz – Zürich Die Rigi Königin der Berge Nicht weniger als neun Bergbahnen führen von unterschiedlichen Orten auf das 1.798 m hohe Rigi-Massiv zwischen Vierwaldstätter-, Zuger- und Lauerzersee. Besonders schön ist es, mit dem Schiff ab Luzern nach Vitznau anzureisen und dort die Rigi-Bahn zu besteigen, der man ihre Jahre als älteste Zahnradbahn Europas kaum anmerkt. So spart man auch die nötige Energie für die Höhenwanderwege, auf denen man schon nach ein paar Schritten versteht, warum die Schweizer die Rigi als „Königin der Berge“ verehren: Sämtliche Seen der Zentralschweiz liegen ihr zu Füßen und am Horizont stehen die berühmtesten Berggipfel der Alpen wie Gardesoldaten Spalier. Apropos Königin: Queen Victoria ließ sich seinerzeit in einer Sänfte auf die Rigi tragen. Wer wie sie oben nächtigt, kann sicher sein, einen unvergesslichen Sonnenaufgang zu erleben. Die Höhlentour Hölloch im Muotatal Das Hölloch im Kanton Schwyz ist eines der größten Höhlensysteme weltweit. Irgendwie ahnt man es schon, wenn man von der Kantonshauptstadt Schwyz ins Muotatal einbiegt. Je näher man dem Hölloch kommt, umso schattiger und kühler wird es. Der Eingang zu dem 190 km langen Höhlenlabyrinth mit seinen Tropfsteinen, tiefen Schluchten, bizarren Felsgebilden, Gletschermühlen, Seen und Versteinerungen befindet sich oberhalb des Weilers Stalden. Aus Stalden stammte auch der Entdecker des Höllochs: Der Bergbauer Alois Ulrich. 1875 kletterte er zum ersten Mal in die dunkle Welt unter dem Karst. Anders als andere Höhlen wurde das Hölloch kaum mit betonierten Wegen und elektrischer Beleuchtung für den Tourismus entschärft. Die gut ausgebildeten Führer sorgen jedoch stets für Sicherheit, egal ob man eine Kurzführung oder eine mehrtägige Expedition mit Biwak bucht. Unser Tipp Oben ohne aufs Stanserhorn Fahren Sie nach Stans und lassen Sie sich am offenen Oberdeck der doppelstöckigen „CabriO Stanserhorn“ Luftseilbahn den Wind um die Nase wehen. Auf 1898 Meter angekommen verrät Ihnen der Stanserhorn-Ranger, wo die schönsten Alpenblumen blühen und benennt jeden Gipfel der Umgebung, ehe sie das Drehrestaurant Rondorama mit regionalen und saisonalen Spezialitäten verwöhnt. www.stanserhorn.ch 59 PortrÄt Angela Rosengart ein Leben für die Kunst x-chen, das lieblingsbild Die 1932 geborene Luzernerin, deren Name für eine der bedeutendsten Kunstsammlungen des 20. Jahrhunderts steht, macht einen jugendlich-sportlichen Eindruck. Als sie sich vor ihren Porträts fotografieren lässt, wirkt sie plötzlich noch viel jünger. Beim ersten Porträt war Picasso 73 und sie 22. Damals arbeitete sie schon sechs Jahre lang bei ihrem Vater Siegfried Rosengart, einem renommierten Kunsthändler. „Weder mein Vater noch ich fragten ihn jemals, ob er ein Porträt machen würde, es kam immer von ihm“, erklärt Angela. Das zweite Porträt entstand vier Jahre später. Danach dauerte es wieder ein paar Jahre, ehe das dritte, vierte und fünfte entstanden. Für die große Lithographie musste Angela in Picassos Atelier in Cannes zweieinhalb Stunden völlig still sitzen. „Seine Blicke sind durch mich durchgegangen. 60 Am Schluss fühlte ich mich wie ein Stück Holz“, weiß sie heute noch. Und doch sind es liebevolle Porträts, die Picasso von der jungen Frau angefertigt hat. Ihre Erklärung dafür ist einfach: „Ich hatte kein Verhältnis mit ihm, er war eher wie ein Onkel“. Seine zahlreichen Geliebten hat Picasso nämlich anfangs immer in zarten Porträts eingefangen, erst wenn er sie länger kannte, stellte er sie mit Ecken und Kanten dar. Obwohl sie eine jahrelange Freundschaft mit Picasso verband und sie Größen wie Marc Chagall zu ihrem Bekanntenkreis zählte, ist und bleibt Paul Klee der Lieblingsmaler von Angela Rosengart, die sich als Kunsthändlerin auf die Klassische Moderne spezialisierte. Schon mit 16 kaufte sie sich von einem Monatslohn das Klee-Bild „X-chen“, das immer noch ihr Lieblingsstück ist. Über Luzern sagt Angela Rosengart, die 1992 die Stiftung Rosengart gründete und auch heute noch die meiste Zeit bei ihren Bildern verbringt: „Ich bin hier geboren und habe das ganze Leben hier verbracht. Ich liebe diese Stadt. Es war ganz natürlich, dass Luzern der Nutznießer unserer Sammlung sein sollte.“ Foto: Susanna Hagen E ine andere zupft sie zart am Ärmel und fragt ehrfürchtig: „May I touch you?“ Begegnungen dieser Art findet Angela Rosengart köstlich. „Irgendwie scheinen die Leute zu glauben, sie könnten durch mich ein ganz kleines Stückchen Picasso erwischen“, meint sie verschmitzt. Vielleicht ist das tatsächlich so, denn wer hat schon jemals einen Menschen getroffen, der den großen Meister persönlich kannte, geschweige denn, von ihm porträtiert wurde? Als die international anerkannte Kunsthändlerin Angela Rosengart zufällig das Obergeschoss der Sammlung Rosengart durchquert, wo eine Gruppe älterer Amerikanerinnen gerade die Werke bewundert, die Picasso einst von ihr gemacht hat, schauen die Damen ein paar Mal verstohlen hin und her, bis eine ausruft: „It’s you!“ Schweizereien Trümpi, Schwingen und Chästeilet Ob Fasnacht, Wintervertreiben, Frühling, Almabzug, Wein, Kastanien oder Nikolaus – es gibt ja nichts, was man nicht auch feiern könnte. Bräuche und Traditionen bringen die Leute zusammen. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite gibt es gerade in der Schweiz deren sehr unterschiedliche – je nach Region, Gebirgstal, Stadt oder Dorf. W Fotos: Switzerland Tourism / Roland Gerth / Christof Sonderegger / Appenzellerland Tourismus AI / Ernst Hohl ird musiziert, wird auch getanzt und gejodelt. Fast jeder Ort hat seinen Chor oder die eigene Blasmusikkapelle. Zur Schweizer Volksmusik gehören Geigen, Bassgeigen, Klarinetten, das Schwyzerörgeli (Handharmonika) und in manchen Gegenden auch Hackbrett oder Trümpi (Maultrommel) sowie das Alphorn, ursprünglich Musik- und Signalinstrument der Hirten. Mit dem heutigen „Nationalinstrument“ wurden einst die Kühe von der Weide in den Stall zum Melken gerufen; oder es wurde mit den benachbarten Almen kommuniziert. Das Gleiche gilt auch fürs Jodeln, wobei sich der Jodelgesang im Laufe der Zeit zu Jodelliedern weiter entwickelt hat, die hauptsächlich auf Deutsch vorgetragen werden. Berge, Natur, Heimat und Freiheit sind dabei klarerweise die Hauptthemen. Älplerchilbi und hornussen Kein Wunder ist es auch, dass viele Bräuche mit der Alm- bzw. Alpwirtschaft, wie man in der Schweiz sagt, zu tun haben, nachdem diese womöglich schon auf 4.000 v. Chr. zurückgeht. Festliche Auf- und Abzüge, der Betruf, die Älplerchilbi oder die Chästeilet („Käseteilen“) gehören einfach dazu. Vor Sommerbeginn ziehen die Sennerinnen und Senner in Tracht und mit den geschmückten Tieren aus dem Tal hinauf zur Alm und im Herbst wieder hinunter. Zwei Ereignisse, die jedes Mal tausende Schaulustige anlocken. Eine Art Erntedankfest und Abschluss des Alpsommers ist die Älplerchilbi, bei der nicht nur Gott für die Gaben gedankt wird, sondern auch mit Essen und Musik gefeiert wird, manchmal auch mit einem Straßenumzug, bei dem Älplerleben und Brauchtum der Senner im Mittelpunkt stehen (und dann werden sie Sennenchilbi genannt). Rustikal und skurril muten einige sportliche Bräuche an. „Hornussen“ wirkt wie eine Mischung aus Golf und Baseball und wird bereits seit dem 16. Jahrhundert öffentlich ausgeübt, heute v. a. in den Mittellandkantonen Bern, Solothurn und Aargau. Der Ursprung der Mannschaftssportart liegt wohl im Brauch, Geister mit brennenden Holzscheiten zu vertreiben. Ziel ist es nun, den Nouss (eine Art Puck) ins gegnerische Spielfeld zu befördern, was von den Gegnern aber mit einem Schild verhindert werden soll. Ein Match kann schon drei bis vier Stunden dauern. In der ganzen Schweiz beliebt ist das „Schwingen“, eine Form des Ringens, bei dem sich jeweils zwei kräftige Personen im Zweikampf nach bestimmten Regeln messen und bis zu 100 verschiedene Griffe (Schwünge) anwenden können. Die „Bösen“ sind in dem Fall nicht die Bösen, sondern die Besten. Alle drei Jahre wird der Eidgenössische Schwingerkönig erkoren. Geschwungen wird auch beim Fahnenschwingen, und das bei besonderen Festen und Feierlichkeiten. Da werden die seidenen Fahnen hin- und herbewegt, in die Luft geworfen, aufgefangen, den anderen Teilnehmern zugeworfen, begleitet von Musik, oft von Alphornbläsern. Die Jury bestimmt dann den Fahnenschwinger-König. 61 GRAND TRAIN TOUR OF SWITZERLAND Zügig Bummeln durch die Schweiz „Ich könnte zu Hause sitzen und zufrieden sein, wenn da nicht die Bahnhöfe wären...“ soll Josef Roth einmal sinniert haben. Falls es Ihnen ähnlich geht und Sie an Entzugserscheinungen leiden, wenn es einmal für längere Zeit nicht rhythmisch unter Ihnen rattert, haben wir eine Empfehlung für diesen Sommer: Die Grand Train Tour of Switzerland. Höchste Eisenbahn So sehr Perfektion bei Menschen oft in Pedanterie oder Pingeligkeit ausarten kann, ist sie als Herzstück des Öffentlichen Verkehrssystems in unserem Nachbarland eine wahre Freude. Insofern gilt „Entschuldigung, mein Zug war verspätet!“ in der Schweiz höchstens als faule Ausrede, denn der Ruf höchster Präzision, die man der Schweizer Bahn nachsagt, ist vollkommen berechtigt. Wenn 08:07 Uhr im Fahrplan steht, dann fährt der Zug auch genau in der Minute ab. Umso unbeschwerter kann man im Land von Eiger, Mönch und Jungfrau unterwegs sein. Pünktlichkeit, Komfort und gutes Service sind selbstverständlich, ganz egal wo man in der Schweiz Bahn fährt. 62 Rundumä und quärdurä Rundherum und querdurch – und wieder zurück. Die Grand Train Tour führt von Zürich nach St. Gallen, an Bord des Voralpen-Express weiter nach Luzern und schließlich auf der GoldenPass Line nach Interlaken und Montreux. Vom Genfersee nimmt man Fahrt auf nach Martigny, Brig und Zermatt, wo schon der Glacier Express Richtung Chur und St. Moritz wartet. Vom mondänen Kurort kurvt man im Sommer mit dem Bernina Express und dem Bernina Express Bus durch Norditalien nach Lugano. Im Winter übernimmt diese Strecke ein knallgelber Postautobus, der Palm Express. Mit dem Wilhelm Tell Express geht es mit Bahn und Raddampfer nach Luzern und von dort zurück nach Zürich. Die Richtung ist egal – Sie haben die Wahl, wo Sie Ihr persönliches Bahnabenteuer beginnen oder enden lassen. Schöne Plätze zum Verweilen und Übernachten sind zum Beispiel Chur, Ausgangspunkt für die zwei berühmten Panoramabahnen Bernina und Glacier Express’ aber auch St. Moritz, Zermatt oder Lugano an der sonnenverwöhnten Alpensüdseite. Übrigens: auch die elf Schweizer UNESCO-Welterbestätten lassen sich mit der Zugreise bestens kombinieren. www.SwissTravelSystem.com/gtt, www.u-d-s.ch Foto: Rhaetische Bahn / Christof Sonderegger W ährend die Straßenversion der Grand Tour vor allem in den Sommermonaten Spaß macht, sind die rund 1.200 Kilometer auf der Schiene das ganze Jahr hindurch ein entspanntes und entspannendes Erlebnis. In vier Tagen lässt sich schon einiges sehen, noch besser ist es, sich acht Tage Zeit zu nehmen. Tanken erspart man sich dabei ebenso wie das Anstellen an Bahnhofsschaltern, denn mit dem Swiss Travel Pass hat man die gesamte Strecke in der Hand. SWISS TRAVEL SYSTEM Immer bestens verknüpft Ankunft Flughafen Zürich. Rein in den Zug Richtung Stadt. Weiter mit der Tram zum Hotel. Tags darauf mit der Bahn zum nächsten Reiseziel. Und alles, ohne ein einziges Ticket zu lösen. Wie das geht? Wir kaufen den Swiss Travel Pass bereits in der Heimat, da ist er deutlich günstiger – und alles läuft perfekt. Über den Swiss Travel Pass Das Ticket ist in Österreich bei der ÖBB (an den Bahnhöfen) und in Reisebüros mit ÖBB-Verkaufsstationen erhältlich. Kurzfristige Buchungen auch via Website der SBB (www.sbb.ch). Der Euro-Preis wurde nach der jüngsten Kurserhöhung nicht angehoben. Bsp. 171 Euro statt 210 Franken für einen Swiss Travel Pass für drei Tage. Den Swiss Travel Pass (ehemals Swiss Pass) gibt es für 3, 4, 8 oder 15 Tage. Das Ticket für z. B. 8 Tage, 2. Klasse kostet 295 Euro. Je länger und je mehr man unterwegs ist, umso schneller amortisiert sich das Ticket und ist – einmal bezahlt – günstiger als Einzelleistungen. Der Swiss Travel Pass Flex (ehemals Swiss Flexi Pass) ist an 3, 4, 8 oder 15 Tagen in einem Monat gültig, die aber nicht am Stück konsumiert werden müssen. Dies ist praktisch für Leute, die z. B. länger an einem Ort bleiben wollen, auch mal mit dem Rad (die Velo-Tageskarte kostet 18 Franken) unterwegs sind etc. Für 8 Tage kostet das Ticket in der 2. Klasse 331 Euro. Fotos: Switzerland Tourism-BAFU / Roland Gerth Interessant ist auch das Swiss Transfer Ticket, das für eine Hin- und Retourfahrt ab der österreichischen Grenze bzw. den Schweizer Flughäfen gültig ist und in der 2. Klasse 115 Euro kostet. Praktisch ist, dass man keine Reservierungen vornehmen muss. Außer bei den Panoramabahnen, da empfiehlt sich, für den Sommer zwei Monate im Voraus zu reservieren. Wer Gepäck aufgeben will, kann das um 23 Euro am Bahnhof in Österreich tun. Zu beachten ist jedoch, dass der Koffer zumeist erst etwa zwei Züge später ankommt. Wer in die Schweiz fliegt (Fly Rail Baggage) und mit dem Zug weiterfährt, kann das Gepäck zum Hotel liefern lassen, muss sich allerdings, je nach Destination, etwas gedulden. Wenn der Flug bis 19 Uhr ankommt, erhält man das Gepäck am übernächsten Tag ab 9 Uhr. www.SwissTravelSystem.com D ie Schweizer lieben ihre öffentlichen Verkehrsmittel. Ob mit Zug, Bus, Straßenbahn (Tram) oder Schiff, nicht nur zur Arbeit, auch wenn ein Ausflug am Programm steht, werden die Öffis (in der Schweiz ÖV genannt) genutzt. Entspannt sitzen, sich keine Gedanken machen und die Freizeiterlebnisse optimal auskosten, lautet die Devise. „Die Schweiz ist sehr kompakt, mit der Bahn ist man schnell mal wo“, meint Thomas Hoffmann, der für „Swiss Travel System“ auch in Österreich zuständig ist. Selbst überzeugte Autofahrer würden bekehrt werden, sofern sie es erst einmal ausprobierten. „Wenn man es einmal macht, dann jederzeit wieder“, sagt der Schweizer. Die ÖVs bringen so einige Vorteile mit sich, wie Hoffmann erzählt. Vorteil Nr. 1: die perfekte Abstimmung. Alle Verbindungen, ob Zug, Bus oder Schiff, sind so aufeinander abgestimmt, dass das Umsteigen ohne lange Wartezeiten möglich ist. Vorteil Nr. 2: ein gut ausgebautes Bahn- und Bus-Netz, selbst bis ins hinterste Tal. Vorteil Nr. 3: Sicherheit und Bequemlichkeit. Vorteil Nr. 4: der Swiss Travel Pass – ein Ticket für Bahn, Panoramabahn, Bus, Tram und Schiff sowie 50 Prozent Ermäßigung auf die Bergbahnen (25% auf Jungfraubahn), zudem Gratiseintritt in mehr als 480 Museen. 63 A Zürich > St. Gallen: Via Schaffhausen geht‘s am Rheinfall, dem größten Wasserfall Europas, vorbei 64 B St. Gallen > Luzern: „Mostindien“ nennen die Einheimischen die fruchtbare Region am Bodensee C Luzern > Montreux: Schicke Villen aus der Belle Epoque prägen das Stadtbild von Montreux Fotos: Switzerland Tourism / Roland Gerth (2), Thurgau Bodensee / Christian Perret Grand train tour of switzerland Grand train tour of switzerland 8 PanoramaStrecken A Zürich > St. Gallen B St. Gallen > Luzern C Luzern > Montreux D Montreux > Zermatt E Zermatt > St. Moritz F St. Moritz > Lugano G Lugano > Luzern Fotos: Valais/Wallis Promotion – Christof Schuerpf, Switzerland Tourism / Christof Schuerpf, Destination Davos Klosters / Stefan Schlumpf H Luzern > Zürich D Montreux > Zermatt: Martigny im Unterwallis wartet mit hervorragendem Wein auf E Zermatt > St. Moritz: Davos / Klosters zählt zu den ältesten Höhenkurorten Europas F St. Moritz > Lugano: Die höchste Bahnstrecke über die Alpen – von St. Moritz über Tirano nach Lugano 65 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Grand train tour of switzerland Romanze auf Schienen „Oh“ und „Ah“ hört man oft, während sich der Blick auf der Grand Train Tour in den Traumlandschaften vor den übergroßen Zugfenstern verliert. Die Panoramastrecken der Schweiz sind in der Tat etwas für Genießer. Zwischen St. Moritz und Genf, Zürich und Lugano warten heile Eisenbahnwelten in Modellbahnqualität auf Sie. Gletscher, großartige Bergszenerien, kristallklare Seen und Flüsse, urige Dörfer, aber auch interessante Städte und UNESCO-Welterbestätten liegen auf der Strecke. 66 Grand train tour of switzerland Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Von Zürich nach St. Gallen Reisezeit 2:50 Stunden Ein guter Startpunkt für die große Tour ist Zürich [ 1 ], imposant am Zürcher See und an der Limmat gelegen. Die Fahrt durch die Ostschweiz via Schaffhausen nach St. Gallen führt vorbei am berühmten Rheinfall, dem größten Wasserfall Europas. Die mittelalterliche Stadt Schaffhausen mit ihrem Wahrzeichen, der Festung Munot, liegt im nördlichsten Eck der Schweiz am Rheinknie an der Grenze zu Deutschland. Tatsächlich malerisch sind die kostbar gestalteten Häuserfassaden der Altstadt. Bald schon in Sicht kommt in der sanft gewellten Landschaft der Bodensee, flächenmäßig drittgrößte Binnensee Mitteleuropas. An seinem Ufer entlang führt der Weg weiter bis St. Gallen, das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum der Ostschweiz. Von St. Gallen nach Luzern mit dem Voralpen Express Reisezeit 2:15 Stunden Es müssen nicht immer gleich Viertausender sein, die durch das Zugfenster blitzen! Auch die sanften Hügellandschaften mit Obstgärten und putzigen Dörfern am Bodensee [ 3 ] haben ihren Reiz. Schon bald nach der Abfahrt von St. Gallen passiert der Voralpen Express das beeindruckende Sitterviadukt hoch über dem gleichnamigen Fluss. Vom grünen Appenzellerland aus lassen sich die ersten Vorboten der Alpen sehen: Aus dem Alpsteinmassiv reckt sich der Säntis dem Himmel entgegen. Der Zug gleitet durch das malerische Toggenburg [ 2 ] zum markanten Churfirsten-Massiv, weiter durch den Rickentunnel in die Rosenstadt Rapperswil und den Zürichsee entlang. Auf der Ebene führt die Strecke durchs Rothenthurmer Hochmoor zum Vierwaldstättersee nach Luzern. Von Luzern nach Montreux mit der GoldenPass Line Fotos: Switzerland Tourism / Christof Sonderegger / Max Schmid / Christof Sonderegger (2), Thurgau Bodensee / Peter Moser Kamm Reisezeit 5:08 Stunden Drei Regionen mal zwei Sprachzonen sind sechs Seen. Das Ergebnis kann nur nachvollziehen, wer die GoldenPass Line von Luzern [ 4 ] in Richtung Montreux nimmt. Mit dem modernen Luzern-Interlaken Express der Zentralbahn geht es erst einmal hinauf über den Brünigpass nach Meiringen und weiter nach Brienz und Interlaken. Nach dem Umsteigen auf einen der komfortablen BLS-Züge führt die Route am Thunersee entlang und durch das Simmental mit seinen traditionellen Bauernhäusern nach Zweisimmen. Hier steht dann der GoldenPass Panoramic für die letzte Etappe der Reise bereit. Sie führt durch das schicke Gstaad und weiter durch das Pays d’Enhaut mit dem beschaulichen Château d’Oex. Durch die Weinberge am Genfersee nimmt der Zug schließlich Kurs auf das mediterrane Städtchen Montreux. Nostalgiker können in Zweisimmen auch in den GoldenPass Classic, einen Nachbau der eleganten Belle-Epoque-Züge, steigen. 67 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Grand train tour of switzerland Von Montreux nach Zermatt Reisezeit 2:31 Stunden Von Montreux [ 1 ] am Genfersee, wo eine Tour durch das Lavaux-Weingebiet und der Besuch des Schloss Chillon am Ufer des Sees zum Pflichtprogramm gehören, ist es nur ein Katzensprung nach Martigny im Unterwallis, dem Tor zu den Alpenpässen Grosser St. Bernhard und Col de la Forclaz. Die Stadt blickt auf eine 2000-jährige Geschichte zurück und kann inmitten von Weinbergen und Obstplantagen mit einer hervorragenden Gastronomie aufwarten. Die Zugstrecke allerdings bringt die Passagiere weiter durch das Rhônetal nach Brig mit dem berühmten Stockalperpalast, dem bedeutendsten barocken Palastbau der Schweiz. Die schöne Alpenstadt mit Patrizierhäusern liegt am Fuße des Simplonpasses und ist Dreh- und Angelpunkt für zahlreiche Ausflugsmöglichkeiten. Mit dem Zug fährt man weiter durch das Nikolaital (oder auch Mattertal), das hinauf nach Zermatt führt und den Berg schlechthin – das Matterhorn [ 4 ] – in das Blickfeld rücken lässt. Zermatt ist ein Traum für Wanderer, Biker, Kletterer und Bergsteiger und natürlich Wintersportler. Gemütlich geht es auch hinauf, z. B. mit der Seilbahn zum Glacier Paradise, das als weltweit höchster Gletscherpalast gilt. Von Zermatt nach St. Moritz mit dem Glacier Express Reisezeit 8:08 Stunden Dem Glacier Express – einem der berühmtesten Züge der Welt – sagt man ein wenig respektlos nach, gleichzeitig der langsamste Schnellzug der Welt zu sein. Für die Strecke von Zermatt durch die Gletscherwelt, über 291 Brücken, durch 91 Tunnel und bis nach St. Moritz und Davos, nimmt er sich knappe acht Stunden Zeit. Dabei rattert er auf den Schmalspurlinien der Matterhorn-Gotthart-Bahn und der Rhätischen Bahn. Vom Matterhorn nimmt der gletscherweiße Bummelexpress Kurs auf das idyllische Goms und den Ferienort Andermatt am Fuße des 2.044 m hohen Oberalppasses. Ist der einmal überwunden, geht es vorbei am Benediktinerkloster Disentis, an der alten Stadt Chur [ 3 ] und durch die imposante Rheinschlucht [ 2 ]. Nach einer atemberaubend schönen Fahrt über die UNESCO-geschützte Albulalinie erreicht er die berühmten Alpenurlaubsorte Sankt Moritz und Davos. Von Chur nach Lugano mit dem Bernina Express Reisezeit 7:15 Stunden Im Zick-Zack vom Eis zu den Palmen – dieses Bahnerlebnis auf höchster Ebene verdient die Superlative: Auf seiner Fahrt von der Alpenstadt Chur ins südländische Lugano befährt der legendäre Bernina Express die höchste Bahnstrecke über die Alpen, die es als eine von nur drei Bahnstrecken weltweit auf die Liste des UNESCO-Welterbes geschafft hat. Über die hohe Kunst der frühen Bahnbau-Ingenieure staunt man spä- 68 Grand train tour of switzerland Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 testens, wenn der Bernina Express nach dem Rheinland und den Burgen von Domleschg das Soliser- und das LandwasserViadukt überquert und sich durch Kehrtunnel in die Höhe windet. Im Engadin schafft die zahnradlose Bahn Steigungen bis 70 Promille, um auf den 2.253 m hohen Berninapass zu gelangen. Von dort aus geht es steil abwärts ins Puschlav, das italienisch Poschiavo heißt. Dort wartet ein Gustostück für Eisenbahnfans: das Kreisviadukt von Brusio – die triumphale Einfahrt nach Tirano. Mit dem Bernina Express Bus geht es weiter nach Lugano [ 5 ]. Als Alternative fährt der Palm-Express – ein Bus der PostAuto Schweiz AG – von St. Moritz über das italienische Menaggio nach Lugano. Von Lugano nach Luzern mit dem Wilhelm Tell Express Reisezeit 5:12 Stunden, davon 1:59 Stunden am Wasser Wussten Sie, dass sich der ruhige Vierwaldstättersee binnen weniger Minuten in eine tosende Wassermasse verwandeln kann? Friedrich Schiller versteht das in seinem „Wilhelm Tell“ lebhaft zu schildern. Der Wilhelm Tell Express verbindet zwei der attraktivsten Gegenden der Schweiz: Auf den Spuren des berühmten Schweizers mit dem Apfel fahren Sie im Tessin auf Schienen ab und kommen im Herzen der Schweiz mit dem Raddampfer am Wasser an. Auf der weltberühmten GotthardLinie geht es im Panoramawagen 1. Klasse von Lugano oder Locarno [ 7 ] nach Bellinzona, danach schlängelt sich der Zug über kühn geschwungene Brücken und vorbei an vergessenen Dörfern, bis er im 15 km langen Gotthardtunnel verschwindet. Auf der anderen Seite liegt dann das naturgewaltige Urner Reusstal mit seinen tiefen Schluchten und steilen Felswänden. In Flüelen steht ein historischer Raddampfer bereit, der die Passagiere mit viel Getöse quer über den – dann hoffentlich spiegelglatten – Vierwaldstättersee bis nach Luzern schaufelt. Von Luzern nach Zürich Fotos: Switzerland Tourism / Renato Bagattini / Stephan Engler / Christof Sonderegger (3) / Bruno Meier, Rhaetische Bahn / Tibert Keller Reisezeit 0:46 Stunden Das beschauliche Luzern ist Ausgangspunkt der letzten Etappe der Grand Train Tour of Switzerland. Die Seen-Route führt vom Vierwaldstättersee entlang des Rotsees bei Ebikon, einem von drei Austragungsorten des Ruderweltcups, mit Blick auf den Pilatus. Der einstige „Drachen- und Sagenberg“ ist Wahrzeichen der Zentralschweiz und Hausberg von Luzern. Die steilste Zahnradbahn der Welt ächzt ab Alpnachstad den Pilatus hinauf. Die Bahn fährt aber noch weiter vorbei am Zugersee – zehntgrößtes Gewässer der Schweiz –, der im Hügelland eingebettet auch mit einer Schiffsflotte lockt. Die Rigi [ 6 ], die „Königin der Berge“ liegt dabei im Hintergrund. Ist Zeit für eine Fahrt auf den Berg hinauf, könnte der Ausblick richtig überwältigend sein: auf die Alpen, 13 Seen und über das Mittelland bis Deutschland und Frankreich; und in aller Früh mit prächtigem Sonnenaufgang als weitere Kulisse. Den Abschluss der Reise bildet schließlich der Zürichsee mit seinen Weinbergen und Dörfern sowie der Stadt Zürich mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten. 69 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Grand train tour of switzerland Die kleine Rote Im größten Kanton der Schweiz sehen Bahnfahrer rot. Über ihr 384 km langes Streckennetz tragen die roten Züge der Rhätischen Bahn die Passagiere pünktlich und sicher durchs Hochgebirge. Die berühmten Panoramazüge Glacier Express und Bernina Express und die UNESCO-geschützten Bahnbauten jenseits des Berninapasses wirken wie ein Magnet auf Reisende aus aller Welt. D ie Schweizerischen Bundesbahnen SBB fahren nur bis in die Kantonshauptstadt Chur. Von dort aus bedient die Rhätische Bahn RhB alle Haupttäler und die bekannten Touristenorte Graubündens wie z.B. Arosa, St. Moritz, Scuol oder Davos. Ihre 126 Jahre alte Bahn nennen die Graubündner „Die kleine Rote“, eine liebevolle Anspielung auf die Spurweite von nur einem Meter. Die Geschichte der RhB begann im Jahr 1889 mit der Eröffnung der Strecke von Landquart nach Klosters. Durch den Bau weiterer Strecken nach Davos, St. Moritz, Disentis/ Mustér und Scuol-Tarasp und den Fusionen mit der Arosaund Berninabahn vergrößerte sich das Streckennetz stetig. Die Inbetriebnahme der Vereinalinie 1999 stellt die bislang letzte Netzerweiterung dar. Heute dient die Schmalspurbahn als unentbehrliches Beförderungsmittel nicht nur für Pendler und Schüler, sondern auch für Lasten. Rund 700.000 Tonnen werden jährlich auf dem Bündner Bahnnetz transportiert. Gut für die Umwelt, denn so wird der CO2-Ausstoß von mehr als 100.000 Lastwagenfahrten jährlich eingespart. 70 RhB-Hauptbahnhof Chur Die Schienenstränge der RhB laufen in der Zentrale in Chur zusammen. Deshalb ist die Alpenstadt der ideale Ausgangspunkt für eine Reise mit der roten Schmalspurbahn. Sowohl der Bernina Express in Richtung Poschiavo und Tirano über das einzigartige Kreisviadukt von Brusio [ 1 ] als auch der Glacier Express Richtung Zermatt fahren vom Hauptbahnhof ab. Die Arosabahn wurde 1942 in das Netz der RhB integriert. Die Stichbahn startet vor dem Bahnhof von Chur und benimmt sich erst einmal wie eine ganz gewöhnliche Straßenbahn, ehe sie jenseits der Ortsgrenze zur Bergbahn mutiert. Auf ihrer einstündigen Fahrt in den Kurort Arosa passiert sie zahlreiche Viadukte und bewältigt einen Höhenunterschied von 1.155 Metern. Weit- und Tunnelblick Einmal im Leben mit dem berühmten Glacier Express durch die gleißende Gletscherwelt zu fahren oder über schwindel- Fotos: Rhaetische Bahn / Giorgio Murbach / Christof Sonderegger / Christoph Benz / Peter Fuchs erregende Viadukte und Kehrtunnels mit dem Bernina Express in den Alpen herumzukurven ist ein Wunsch, den sich nicht nur besessene Bahn-Fans erfüllen. Hunderttausende Touristen aus aller Welt besteigen die Traumzüge jährlich, um sich die eindrucksvollen Landschaften durchs Panoramafenster anzusehen. Enttäuscht werden sie selten. Speziell die Bernina- [ 3 ] und Albulalinie [ 2 ], die seit dem Jahr 2008 das Prädikat UNESCO-Welterbe trägt, hinterlässt bleibende Eindrücke. Immerhin haben es weltweit bisher nur zwei andere Bahnen auf die prestigeträchtige Welterbe-Liste geschafft: die indische Darjeelingbahn und die Semmeringbahn. Auf 122 Kilometern von Thusis über St. Moritz nach Tirano führt die Welterbe-Strecke über 196 Brücken, durch 55 Tunnels und an 20 Dörfern und Städtchen vorbei. An der steilsten Stelle überwindet die zahnradlose Bahn eine Steigung von 70 Promille. Dabei fügen sich die gut erhaltenen historischen Bahnbauten perfekt in die Hochgebirgslandschaft ein. Vom wildromantischen Albulatal ins lichtdurchflutete Engadin, vom schicken St. Moritz über die Gletscherwelt der Bernina bis ins mediterrane Veltlin ist die „Rhätische Bahn in der Landschaft Albula/Bernina“ mit Sicherheit eine der allerschönsten Verbindungen von Nord und Süd, die man auf der Schiene zurücklegen kann. Ein Österreicher bei der RhB „Die Grand Train Tour ist die entspannte Alternative zur Straßentour“, wirbt der Österreicher Dieter Dubkowitsch für die Rhätische Bahn. Dort ist er seit Mai 2014 für den österreichischen und den deutschen Markt zuständig. „Komfort, Pünktlichkeit und gutes Service hat man überall – ganz egal, wo man in der Schweiz mit der Bahn fährt!“ ist er überzeugt. Dass nicht nur die Züge in der Schweiz überpünktlich sind, hat er schnell erkannt: „Sitzungen, die für 10.00 Uhr anberaumt sind, beginnen spätestens 25 Sekunden später – die akademische Viertelstunde gibt es hier nicht.“ Die entspannte Korrektheit der Schweizer findet der Grenzgänger, der jeden Tag zwischen Bludenz und Chur pendelt, sehr angenehm. Aufgrund der guten Buchungslage für die Panoramazüge empfiehlt Dubkowitsch, die Reservierung zwei bis drei Monate vor dem gewünschten Termin vorzunehmen. www.rhb.ch gut zu wissen Wie die Rhätische Bahn zu ihrem H kam Die Räter oder Rätier waren ein Volksstamm, der in der Antike die mittleren Alpen besiedelte. Ob sie nun Vorfahren oder Nachkommen der Etrusker waren, fragen sich die Historiker bis heute. Als die Römer im Jahr 15 v. Chr. in den Alpenraum eindrangen, nannten sie das Gebiet jedenfalls Rätien, nach dem Etruskerfürsten Rätus. Das heutige Graubünden hieß bis 1803 „Alt fry Rätien“. Bei der Gründung der Privatbahn in Graubünden 1888, suchte man nach einem passenden Namen bzw. einer guten Abkürzung. Da RB schon für Rigi-Bahn stand, und RÄB aufgrund der Absenz von Umlauten in Rumantsch (Rätoromanisch) nicht möglich war, behalfen sich die Namensgeber mit dem griechischen Wort für Rätier, nämlich Rhaitoi, woraus sich das H in der Rhätischen Bahn und der Abkürzung RhB konstruieren ließ. 71 RHÄTISCHE BAHN / GLACIER EXPRESS Der Höhepunkt der Schweiz Der Paradezug der Schweizer findet sich auf der „To do“-Liste von Reisenden aus aller Welt. Entweder will man auf den Glacier Express oder man war schon. Noch nie zuvor sind wir mit so einem schicken Zug gefahren – die Vorfreude sprudelt. Der strahlend blaue Himmel gibt uns Recht. G‘schnetzeltes im Gletscherzug A lle 291 Brücken, darunter das weltbekannte Landwasserviadukt [ 1 ], und 91 Tunnels, die der Glacier Express auf seiner Strecke von St. Moritz oder Davos nach Zermatt passiert, werden wir nicht erleben. Aber immerhin sind wir von Chur bis Andermatt mit dabei. Über Lautsprecher begrüßt uns eine weibliche Stimme in sechs verschiedenen Sprachen. Unsere Sitzplätze sind am Fenster, sehr bequem und mit Tisch, der sich binnen Minuten mit unseren Tickets, Landkarten, Handys und Kameras füllt. Die Kopfhörer für die Bordinformationen liegen bereit. Los geht’s! Von Chur aus bahnt sich der – in Rot und Gletscherweiß gehaltene – Zug seinen Weg durch die Rheinschlucht, den „Grand Canyon der Schweiz“, wo gigantische Felsbrocken aus der letzten Eiszeit Habt Acht stehen. „Dort hinten im Flimser Tannenwald gibt es einen märchenhaften Badesee“, schwärmt Zugführer Albino, der trotz seiner vielen Gäste Zeit für einen Tratsch mit uns hat. Aber schon lenkt uns das Domleschg ab, das gut bestückte Burgenland der Schweiz. 72 Leise ist anders. Das liegt aber weniger an den Fahrgästen, die – zwar vielsprachig, aber nie zu laut – ihrem Entzücken über die grandiose Landschaft Luft machen. Viel mehr ist es der Zug selbst, der sein rhythmisches Rattern mit ächzenden, knarrenden und quietschenden Tönen ausschmückt, während er sich von einer Kurve in die andere legt. Weiße Gedecke kündigen an, dass es bald etwas zu essen gibt. In der Bordküche, die zwei Wagons vor uns her rollt, sind zwei Köche mit der frischen Zubereitung der Dreigang-Menüs beschäftigt. Serviert wird am Platz, was bei der Schaukelei – besonders beim Austeilen der Suppe – an einen Zirkusakt erinnert. Als Hauptgang gibt es G‘schnetzeltes mit Rösti – was sonst? Hauptsache, es ist nachher genug von der Engadiner Nusstorte da. Sich auf das Essen zu konzentrieren fällt schwer, wenn vor den Panoramafenstern ein Fototapeten-Motiv nach dem anderen vorüberzieht. So jonglieren wir mehr oder weniger geschickt mit Gabel, Messer und Kamera. Zahn um Zahn zur Höhensonne In Disentis – auf rätoromanisch Mustér – hält der Glacier Express im Schatten des barocken Benediktinerklosters, das die Ausmaße eines Stadions hat. Hier endet das Schienennetz der Rhätischen Bahn und die Lok wird nun durch eine mit Zahnradantrieb ersetzt, die der Matterhorn-Gotthard-Bahn gehört. Eine dralle Uniformierte löst unseren Albino ab, der sich überschwänglich verabschiedet. Tapfer ziehen uns die Zahnräder vorbei an verlockenden Châlets und blühenden Almwiesen auf den höchsten Punkt unserer Reise, den Oberalppass auf 2.033 m. Nicht weit von hier, zwischen dem Pass und Val Maighels, entspringt der Rhein. Der chinesische Passagier uns gegenüber hantiert mit einer seltsamen Vorrichtung, die aussieht wie eine zu dünne weiße Frisbee-Scheibe. Er schnallt sie auf sein teures Kameraobjektiv und presst sie ans Panoramafenster, vermutlich um die Spiegelungen auszuschalten. Die Aussicht wird immer fesselnder und vom Zenit brennt die Sonne durch die Panoramafenster auf unsere Köpfe. Jetzt bewährt sich die Klimaanlage. Bald überqueren wir die Grenze von Graubünden zum Kanton Uri und fahren am Ufer des Oberalpsees entlang. Die Bahntrasse führt durch Tunnel und Lawinengalerien, ehe sie einem mäandernden Bergbach in das Urserental folgt. Ein paar beige Milchkühe mit riesigen Glocken um den Hals schauen unserem Zug nach, als er zur waghalsigen Talfahrt nach Andermatt ansetzt. Fotos: Rhaetische Bahn / Andrea Badrutt / MGB / Andrea Badrutt Andermat t: Kleines Dorf mit groSSer Landschaft Obgleich der Glacier Express als „langsamster Schnellzug der Welt“ gilt, erreicht er allzu bald Andermatt und damit unser Ziel. Nur widerwillig trennen wir uns von unseren Logenplätzen, doch die unglaubliche Alpenszenerie, die das kleine Bergdorf umringt, zieht uns sofort in ihren Bann. Der 1.500-Einwohner-Ort, der früher der Schweizer Armee als Alpenfestung diente, durchläuft gerade eine spannende Entwicklung zum modernen Ferienresort. Das erste Luxushotel – The Chedi – wurde bereits Ende 2013 eröffnet und passt dank seiner modernen Holzlamellen-Fassade ins ländliche Dorfbild. Im Inneren des Chedi herrscht der James-BondLuxus, den man sich in dem Ort erwartet, wo 1964 Sean Connery als 007 den bösen Goldfinger über die Pisten hetzte. Dessen einstige Bleibe ist dagegen ein gemütliches, kleines Hotel, wie die meisten Unterkünfte im Dorf. In jedem Fall ist das Hochalpental ein geniales Wandergebiet mit einer Unzahl an Ausflugsmöglichkeiten und eine steile Spielwiese für Mountain- und Tourenbiker. Als wir unsere Fahrt nach Luzern antreten, nehmen wir uns vor, das nächste Mal mit dem Glacier Express vorbei am UNESCO-Welterbe Jungfrau - Aletsch bis zum Matterhorn zu fahren. Wo sonst kann man die Grandezza der Schweizer Alpen auf so angenehme Weise bewundern und sich fühlen wie die jungen Adeligen auf ihrer Grand Tour vor 200 Jahren? HIgHlightS 25 Benediktinerinnen-Kloster St. Johann, Müstair: siehe Seite 23 33 Schweizer Alpen / Jungfrau-Aletsch: siehe Seite 26 Kurzinfo Glacier Express Strecke 1: St. Moritz – Chur – Zermatt (oder umgekehrt) 8:08 Std. Fahrzeit Unser Tipp Geräuschlos und klimafreundlich: Mit einem gemieteten Alpmobil oder E-Bike sind Sie in Andermatt besonders umweltfreundlich unterwegs. www.andermatt.ch Strecke 2: Davos Platz (Regio) – Filisur – Chur – Zermatt (oder umgekehrt) 7:37 Std. Fahrzeit Zug: 1. und 2. Klasse Panoramawagen, Frischküche, Barwagen Mittagessen: Reservierung empfohlen Frequenz im Sommer: dreimal täglich Sitzplatzreservierung: obligatorisch Vorausbuchung: mind. 2 Monate 73 RHÄTISCHE BAHN / BERNINA EXPRESS Kulturerbe mit Fensterplatz Einmal ist das Tal links, dann rechts, dann wieder links – leichte Verwirrung ist vorprogrammiert, wenn man mit dem Bernina Express von St. Moritz, Chur oder Davos die Alpen in Richtung Italien überquert. Klar wird jedoch: die mehr als 100 Jahre alte Streckenführung der Albulaund Bernina-Linie ist mit ihren raffinierten Bahnbauten ein Glanzstück früher Ingenieurskunst, das zu Recht auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes steht. S echseinhalb Stunden auf dem Balkon mit Blick zur prächtigen Bergwelt liegen, dreieinhalb Stunden „ promenieren, eine Stunde sitzen, sieben Mahlzeiten pro Tag“, so oder so ähnlich lauteten die Kurverschreibungen, nach denen am Anfang des letzten Jahrhunderts wohlhabende Gäste im Höhenkurort Davos behandelt wurden. Heute hat sich vieles relativiert, verwöhnt wird man dennoch, zum Beispiel im melancholischen JugendstilAmbiente des Hotel Schatzalp, das als ehemaliges Luxussanatorium eine Rolle in Thomas Manns Roman „Der Zauberberg“ spielte. Davos hat sich inzwischen zur höchstgelegenen Stadt der Alpen gemausert und ist der Startpunkt unserer Alpenüberquerung mit dem Bernina Express. Alpen-Achterbahn Enge, Weite, Höhe und Tiefe – die Perspektiven vor den großen Panoramafenstern wechseln ständig. Beim Landwasser Fluss kommen die Felswände bedrohlich nahe, ehe wir das 204 Meter lange Wiesnerviadukt passieren. Kurz vor Filisur haben wir freien Blick auf das berühmte Landwasserviadukt, das sich auf 65 Meter hohen Pfeilern in einem eleganten Bogen direkt in einen Tunnel schwingt, der in die senkrechte Felswand geschlagen wurde. Die teilweise starken Steigungen schafft der Bernina Express ohne Zahnräder, nicht umsonst rangiert er unter den steilsten Adhäsionsbahnen der Welt. Beim Halt in Bergün auf 1.372 Meter stürmen wir das Bahnmuseum, wo die Geschichte des Baus der Albula-Linie 74 spannend aufbereitet ist und eine riesige Modelleisenbahnanlage unsere Aufmerksamkeit fesselt. Nach Preda sind es dann zwar nur 5 km Luftlinie, doch um den Höhenunterschied von 400 Metern ohne Zahnrad zu überwinden, wurde die Strecke mit Tunnel, Brücken und Schleifen auf 12 km verlängert. Weiter hinauf geht es durch den fast 6 km langen Albulatunnel. Schöner als bei Märklin Egal wie lange die Fahrt noch dauert, wir können uns an der zur Realität gewordenen Märklin-Welt nicht sattsehen. Die ließe sich vom nahen Muottas Muragl noch besser überblicken. Eine mehr als 100 Jahre alte Standseilbahn führt auf den Aussichtshügel, dem die Engadiner Seenplatte zu Füßen liegt. Vorbei am Morteratsch Gletscher und der Wasserscheide schlängelt sich der Zug am Lago Bianco [ 3 ] entlang Richtung Berninapass [ 1 ]. Hier haben die Graubündner wieder einen Grund stolz zu sein: Die Berninabahn überwindet ihren Scheitelpunkt als einzige Gebirgsbahn Europas offen, das heißt nicht in einem Tunnel. Die höchstgelegene Station der Rhätischen Bahn ist das Gästehaus Ospizia Bernina auf 2.253 Meter. Beim Pausenstopp im Gasthof Alp Grüm in der gleichnamigen Bahnstation gehen sich zwei Espressi auf der Sonnenterrasse aus, wo uns der freie Blick auf den Palügletscher, das 4.000 Meter hohe Bernina-Massiv und die Bergamasker Alpen sowie das ganze Valposchiavo (Puschlavtal) tiefe Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Glücksseufzer entlocken. Hier könnten wir auch die besten Puschlaver Spezialitäten verkosten oder zu den Gletschermühlen von Cavaglia wandern, doch der Bernina Express ruft schon wieder an Bord. Wagemutig stürzt er sich in die Tiefe, denn die nächste Station in Poschiavo liegt mehr als 1.200 Meter tiefer. Brücken, Kehren, Tunnel und nochmals Brücken – wir wechseln andauernd die Richtung, sodass das Tal einmal rechts, dann wieder links vor unserem Fenster auftaucht und die fotografierenden Mitreisenden im Takt der Kehren von einer Seite des Wagons auf die andere springen. Fotos: Rhaetische Bahn / Marco Hoffmann / Tibert Keller, Ente Turistico Valposchiavo (2) Poschiavo: Bergdorf mit Stadt-Charakter machten. Bei ihrer Rückkehr nützten sie den Wiederaufbau nach einem großen Hochwasser, um dem Ort mit ihren neuen Häusern einen städtischen Charakter zu verleihen. In einem der Paläste ist das Kunstmuseum Casa Console mit seiner reichen Sammlung an deutschen Malern der Romantik, allen voran Carl Spitzweg, untergebracht. Wer in Poschiavo im Zug sitzen bleibt, fährt weiter in Richtung Italien. Bauchige Zwiebeltürme weichen so manchem Campanile, die ersten Palmen säumen die Strecke. In Brusio gilt es noch, ein Meisterwerk der Bahnbauer zu passieren: Das berühmte Kreisviadukt. Endstation ist im italienischen Tirano. Auf dem Platz vor dem Bahnhof riecht es nach Pizza. Aber das ist eine andere Geschichte. Noch während der Talfahrt wird „Die kleine Rote“ zum „Trenino Rosso“, denn im Valposchiavo [ 2 ], dem südlichsten der Bündner Täler, spricht man in erster Linie Italienisch, das durch die Nähe zum Veltlin von einem starken norditalienischen Dialekt gefärbt ist. Deutsch verstehen dennoch die Meisten – schließlich sind wir in der Schweiz. Bei einem guten Glas Wein lassen wir den Bahntag auf dem Plaza da Cumun von Poschiavo [ 4 ] ausklingen. „Das ist im Sommer praktisch das Wohnzimmer des Ortes“, erfuhren wir zuvor bei der kostenlosen Dorfführung. Mit seinen Patrizierhäusern und Palazzi im Renaissance-Stil sieht das Bergdorf am Puschlavsee eher aus wie eine kleine Stadt. Das verdankt Poschiavo den Auswanderern, die sich bis ins 19. Jahrhundert als Engadiner Zuckerbäcker in ganz Europa einen Namen Unser Tipp Pizzocheri & Capunet Wer kosten will, was die Mammas im Valposchiavo für ihre Familien kochen, sollte sich im altehrwürdigen Hotel Albrici (www.hotelalbrici. ch) an Pizzocheri (Buchweizennudeln mit Kartoffeln, Gemüse, Käse und Knoblauch-Salbei-Butter) oder Capunet (Spinatspätzle mit Käse und Zwiebeln) versuchen. Nachhaltigkeit und Slow Food sind im ganzen Valposchiavo ein Thema und betonen den Stolz auf die kulinarische Tradition. Hier beginnt Italien, zumindest in der Küche! www.valposchiavo.ch Kurzinfo Bernina Express Strecke 1: Chur – Tirano (oder umgekehrt) 4:13 Std. Fahrzeit Strecke 2: Davos Platz – Tirano (oder umgekehrt) Strecke 3: St. Moritz – Tirano (oder umgekehrt) 3:39 Std. Fahrzeit 2:30 Std. Fahrzeit Strecke 4: Lugano – Tirano, per Bus (oder umgekehrt) 3:19 Std. Fahrzeit Zug: 1. und 2. Klasse Panoramawagen, Minibar Sitzplatzreservierung: obligatorisch 75 Albino Bontognali Zugchef mit Italianitá Werner Erb Der coole Alphornist von Chur „Schöne Damen betreue ich immer gerne!“ die Augen von Albino Bontognali funkeln hinter der Brille, als er die Fahrkarten zweier Blondinen kontrolliert und dabei seinen italienischen Akzent spielen lässt. Albino stammt aus dem italienischsprachigen Valposchiavo im Süden des Kantons Graubünden. Die blaue Uniform steht ihm ebenso gut wie sein Bart, der ein wenig an die drei Musketiere erinnert. Zumindest die Uniform trägt er schon lange: „In meinen 43 Jahren bei der Rhätischen Bahn habe ich einiges erlebt“, meint Albino ohne eine Spur von Abgeklärtheit. Er liebt seine Arbeit als Zugchef auf dem Glacier Express und unterhält sich immer gerne mit seinen Gästen, vor allem mit den weiblichen. Italienisch, Französisch, Deutsch und Romanisch spricht er fließend. Die vielen Japaner und Inder, die der berühmte Panoramazug wie ein Magnet anzieht, müssen allerdings mit seinem Englisch das Auslangen finden. „Der Glacier ist etwas ganz Besonderes“, sagt Albino, der sich mit Weiterbildungskursen für seinen Berufsalltag fit hält, „Jeder Tag ist anders: das Wetter, die Farben, die Natur im Wandel der Jahreszeiten.“ Als passionierter Jäger genießt er es auch immer wieder, wenn er neben den Gleisen Hirsche, Füchse oder Steinböcke entdeckt. „Manchmal sehe ich sogar Gämsen“, behauptet er. „Und immer wieder hübsche Frauen“, schießt er mit einem spitzbübischen Lächeln nach. Mit seiner Kappe, dem langen weißen Haar, dem Vollbart und seinem Alphorn ist Werner Erb das, was man wohl ein „Schweizer Original“ nennt. Nicht zuletzt deshalb hat ihn die Alpenstadt Chur zum offiziellen Städtebotschafter erkoren. Wenn er sich nicht gerade in seinem Brotberuf als Sozialpädagoge um Obdachlose kümmert, sich als Senner auf der Alp Flix verwirklicht oder mit der von ihm gegründeten Alphorngruppe Arcas am gleichnamigen Platz in Chur auftritt, gibt er Alphorn-Workshops für alle, die das klanggewaltige Holzblasinstrument interessiert. Er selbst hat kurioserweise das erste Mal in ein Alphorn geblasen, als er auf einer seiner vielen Kanada-Reisen 1986 bei einem Auslandsschweizer in British Columbia zu Besuch war. Seither hat es ihn nie wieder losgelassen. Sein Repertoire umfasst traditionelle Alphornmusik, aber auch Jazz und World Music. Wann immer Werner Zeit findet, schleppt er eines seiner Alphörner in den Fürstenwald: „Das Alphorn ist für mich die reinste Meditation – wenn ich tiefe Töne mache, bin ich weg, entspanne Körper, Geist und Seele.“ Werners zweite große Leidenschaft sind die Ureinwohner Nordamerikas. Auf seinen Reisen hat er viele Freunde gefunden und kennt einige Reservate und Dörfer, wo er und sein Alphorn so viel Respekt genießen, dass sie Teil von Zeremonien und Festen sind. 76 Fotos: Susanna Hagen PORTRÄTs CHUR / GRAUBÜNDEN Chur: Alpenstadt mit südländischem Flair Als Stadt mit den ältesten Siedlungsspuren der Schweiz und Ausgangspunkt für die Panoramabahnen Bernina und Glacier Express ist Chur ein Fixpunkt der Grand Tour-Route, ganz gleich, ob man auf der Schiene oder der Straße unterwegs ist. Foto: Switzerland Tourism / Stephan Engler N ach einem Rundgang durch die Gassen der verkehrsfreien Altstadt mit ihren bemalten Zunfthäusern, gediegenen Galerien und Geschäften erwartet uns zur Jause, also zum „Zvieri“, ein echter Graf. Gian-Battista von Tscharner macht in Wein und erzählt uns in der gemütlichen Trinkecke „Wiii Egga“ im Hotel Stern von dem Familien-Schloss Reichenau und den edlen Blauburgundern, die er gemeinsam mit seinem Sohn auf den Weinbergen der Bündner Herrschaft und im Rheintal anbaut. Auch in Chur hat Herr von Tscharner ein paar Rebstöcke stehen, und ab und zu führt er Besucher durch den bischöflichen Weingarten, wo der Churer Schillerwein wächst. Chur selbst hat überhaupt so manche Spezialität zu bieten, abgesehen von nahrhaften Alpenstadt-Souvenirs wie die Alpenstadt-Salsiz (Wurst) oder dem Churer Röteli Likör in der Alpenstadt-Flasche, sind das vor allem historische und architektonische Juwelen. Alle waren schon da: Kelten, Römer, Ostgoten, Franken – Chur war seit jeher das Tor zu wichtigen Handelswegen und Alpenübergängen. „Davon zeugen archäologische Funde, die bis 11.000 vor Christus zurückgehen“, sagt Stadtführerin Claudia Meuli. Durchgehend besiedelt ist Chur seit mindestens 5.000 Jahren. Die romanische Kathedrale spiegelt ein wenig die Schweizer Mentalität wieder: von außen wirkt sie bescheiden, innen birgt sie Kostbarkeiten wie den ältesten spätgotischen Hochaltar der Schweiz. Das reformierte Pendant dazu ist die Martinskirche, deren größter Schatz sind die leuchtenden Glasfenster von Augusto Giacometti, dem Großonkel des berühmten Graubündner Bildhauers Alberto Giacometti. Im Sommer verstärken Festivals das südliche Flair. Relativ neu ist das Buskerfest, das im Juni eine Schar von Straßenkünstlern in die Alpenstadt zieht. Eher dem Graubündner Klischee entspricht das Stadtfest im August, bei dem sich u.a. die besten Alpenbärte treffen. Nicht verpassen: einen Abstecher mit der Bergbahn auf den Brambrüesch, den Hausberg, mit einem Hochplateau, das zum Wandern und Biken wie geschaffen ist. www.churtourismus.ch Graubündner Sprachenvielfalt Allegra? Bun di? A revair? * Wundern Sie sich nicht, wenn Sie ab und zu nichts verstehen. Zwar sind die drei Amtssprachen des Kantons Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch, doch was Sie hören, ist vielleicht ein wildes Bündnerdeutsch, der norditalienische Dialekt des Valposchiavos oder vielleicht sogar eines der fünf rätoromanischen Idiome, das in Graubünden gesprochen wird. In manchen Gemeinden werden Schulbücher deshalb in sieben Sprachen gedruckt – nämlich in Deutsch, Italienisch, Sursilvan, Sutsilvan, Surmiran, Putèr und Vallader, die sich alle auch grammatikalisch voneinander unterscheiden. Um die Sprachverwirrung perfekt zu machen, wurde in den 80er-Jahren noch Rumantsch-Grischun als Schriftsprache zwischen den Idiomen eingeführt, das sich aber nicht wirklich flächendeckend durchsetzen konnte. * Hallo! Guten Tag! Auf Wiedersehen! 77 Schweizereien Sprechen Sie Schweizerisch? Vor einer Reise ist es eine gute Idee, etwaige Restbestände an Schulfranzösisch oder Volkshochschul-Italienisch auszugraben und aufzufrischen. Wirklich Deutsch? Kleiner Spickzettel Mit einem Wörterbuch wird Ihnen auf die Schnelle nicht geholfen sein. Für einen Sprachkurs für Schwiizerdüütsch brauchen Sie schon mehr Zeit. Aber wir helfen Ihnen hier mit ein paar Wörtern und Formulierungen, einer völlig willkürlichen Auswahl, um ganz grob über die Runden zu kommen. Zahlen 1 – 10: eis, zwei, drü, vier, füüf, sächs, sibe, acht, nüün, zäh Wochentage: Mäntig, Ziischtig, Mittwuch, Donnschtig, Fritig, Samschtig, Sunntig 78 Was man in der Schweiz als Deutsch versteht, ist eigentlich Schweizerdeutsch bzw. Schwiizerdüütsch, nicht wirklich ein Hochdeutsch, sondern viel mehr eine Sprache, die die unterschiedlichen gesprochenen Dialekte irgendwie unter einen Hut bringt. Was gar nicht so einfach ist, schließlich hat jede Region oder beinah jede Gemeinde ihren ganz speziellen Sprachgebrauch und Dialekt, ob Berndeutsch, Senslerisch oder Bündnerdeutsch. Und was es besonders tückisch macht: Es gibt keine einheitliche Schreibweise, darum auch kaum Zeitungen oder Literatur auf Schweizerisch. Und egal, welcher Dialekt, es gibt kaum soziale Dünkel. Für viele ist also Hochdeutsch, ähnlich wie für einen Großteil der Österreicher, die erste Fremdsprache, die erlernt werden muss. Fotos: Switzerland Tourism / Gian Marco Castelberg & Maurice Haas (4), Urs Weber S chließlich führt die Grand Tour durch alle vier Sprachregionen der Schweiz. Und selbst das Deutsch ist nicht ohne, lässt sich aber nach einer Einhör-Phase zum Teil meistern. Es kommt schon auch auf die Region und den Sprecher an und ob dieser gewillt ist, auf Hochdeutsch umzusteigen. Falls Sie sich mit „hoi“, „drü“, „foif“ oder „guete Abig“ vollkommen überfordert fühlen, können Sie es immer noch mit dem Englischen versuchen. Seien Sie aber darauf gefasst, dass die Antwort in einem galoppierenden sogenannten „Swinglish“ daher kommt. Offiziell werden in der Schweiz vier Landessprachen und zahlreiche Dialekte gesprochen. Der Bevölkerungsanteil der deutschsprachigen Schweiz, also in 19 Kantonen von 26, macht über 65 Prozent aus. Französisch wird im Westen, in der Suisse Romande, gesprochen, das sind die Kantone Genf, Waadt, Neuenburg und Jura. Drei Kantone – Bern, Freiburg und Wallis – sind mit Deutsch und Französisch zweisprachig. Italienisch ist die Sprache im Tessin sowie in vier südlichen Tälern Graubündens. Der Kanton Graubünden ist ja völlig multilingual. Deutsch, Italienisch und Rätoromanisch werden hier parliert. Die Rätoromanen sind allerdings mit 0,5 Prozent eine sehr kleine Sprachgruppe, innerhalb welcher es aber nochmals fünf verschiedene Idiome gibt. Schweizereien Quelle: Wörterbuch Schweizerdeutsch – Deutsch, Haffmans Verlag bei Zweitausendeins saluti, saletti! Guete Tag / Grüezi! Guete abig! / Adieu! Uf Widerluege / Ciao ! En Guete Dankä / Merci Bitte Exgüsi… Abriss Aaleggi Agenda Badi Beck Beiz, Beizer Bettmümpfeli Blööterliwasser Brockenhus Äs Brünneli machen Cake Car Chäferfäscht Charre Chätschgummi Chnöpfli Cüppli Duvet Einerli Führeruswies Gipfeli Glacé Gopferdammi Grindweh Hopp Schwiiz! Hüsli Käfele lädele lago mio, läck mir Nachtesse Natel Nidel nüt Perron Pöb Schmutz Schoggi Serviertochter Stinkrüebli Töff Tschutimatch Velo Zmorge Znüni hallo! Guten Tag Guten Abend auf Wiedersehen Guten Appetit! Danke Bitte Entschuldigen Sie… is, Nepp schamlos überhöhter Pre Kleidung Terminkalender Freibad Bäcker Kneipe, Wirt Betthupferl tränk, Mineralwasser Kohlensäurehältiges Ge Trödelladen pinkeln Kuchen Reisebus der Fröhliches Durcheinan Auto Kaugummi Spätzle Glas Sekt Bettdecke 1dl Wein Führerschein Croissant Eis Fluch Kopfschmerzen Anfeuerungsruf WC Kaffeeklatsch einkaufen, bummeln Ausruf des Erstaunens Abendessen Mobiltelefon Schlagobers nichts Bahnsteig Kneipe Kuss Schokolade Kellnerin Geld, mehrere Franken Motorrad Fußballmatch Fahrrad Frühstück Zweites Frühstück 79 Facts & Figures Zahlen & Fakten Routenlänge: 1.643 km (Kernroute). Dazu kommen verschiedene Einstiegsetappen: Basel – Neuchâtel 165 km, Genf – Saint-George 53 km, Chiasso – Bellinzona 109 km Highlights: 44 Top-Attraktionen, davon elf UNESCO-Welterbestätten und zwei Biosphärenparks Fahrtrichtung: Ab 2016 wird die Grand Tour mit offiziellen Wegweisern beschildert, die auf der Kernroute die Fahrtrichtung im Uhrzeigersinn signalisieren. Auf den Einstiegsetappen vom Ausland her weisen sie auf die Kernroute hin. Alpenpässe über 2.000 m: Flüela (Autoverladung Vereina von DavosSelfranga nach Sagliains), Julier (ganzjährig geöffnet, bei Schneefall geräumt), San Bernardino (Straßentunnel von Hinterrhein nach San Bernardino), Gotthard (Neue Passstraße oder Straßentunnel von Airolo nach Göschenen), Furka (Autoverladung von Realp nach Oberwald). Höchster Punkt: Furkapass (2.429 m ü.M.) Tiefster Punkt: Lago Maggiore (193 m ü.M.) Beste Reisezeit: April bis Oktober SlowUp: An 18 Sonntagen, von 12. April bis 27. September 2015, gibt es autofreie Tage in verschiedenen Orten. Radfahren, Skaten und natürlich zu Fuß Gehen sind erlaubt, das Auto muss jedoch stehen bleiben. www.slowup.ch Günstiger essen: Mittags kommen Sie am günstigsten mit einem „Tagesmenü“ (Suppe oder Salat plus Hauptspeise) weg oder wenn Sie die Schnell-Imbisse oder Restaurants in Warenhäusern wie Migros, Manor oder Coop nützen. Auch abends gibt es oft Menüs, die günstiger sind als die à la Carte-Preise. Wer aus der Karte wählt, muss mit 20 bis 50 CHF pro Hauptspeise rechnen. Reisedauer: mindestens sieben Tage (bei fünf Fahrstunden pro Tag); gemütlicher wird es, wenn man sich neun Tage Zeit nimmt. Fahrzeuge: Die Routenführung ist auf Auto und Motorrad ausgerichtet; eventuell bestehen Einschränkungen für größere Fahrzeuge. Unterkünfte: In der Hochsaison ist eine Vorausbuchung der Unterkünfte entlang der Grand Tour grundsätzlich empfehlenswert. Ein Angebot an Hotels jeder Kategorie findet sich auf www.MySwitzerland.com sowie in der Broschüre „Hotels – Grand Tour of Switzerland“. Die Broschüre ist unter der kostenfreien Rufnummer von Schweiz Tourismus erhältlich: 00800 100 200-29 oder -30. Trinkgelder: Nicht nötig, da immer im Preis inbegriffen (Aufrunden ist aber nicht verboten). Orientierung: Die GPX-Daten und weiteres Kartenmaterial können unter www.MySwitzerland.com/grandtourmap heruntergeladen werden. Hier ist auch ein Fact Sheet für Reisebusse hinterlegt, das die 18 Punkte anführt, die großen Fahrzeugen nicht zugänglich sind, sowie Alternativrouten. Stecker: In Schweizer Steckdosen passen 2-polige Eurostecker oder die in der Schweiz gebräuchlichen 3-poligen Stecker (Typ J). Grand Tour Straßenkarte: Eine spezielle Grand Tour-Straßenkarte mit markiertem Routenverlauf hat Hallwag Kümmerly + Frey aufgelegt. 80 Fotos: Christian Perret / Luzern Tourismus, Switzerland Tourism / Christof Sonderegger / Nico Schaerer gut zu wissen Facts & Figures Alle Wege führen zur Grand Tour of Switzerland Anreise per Flug: Zum Beispiel mit SWISS International Air Lines nach Zürich. Das ist eine gute Art, sich auf die Schweizer Gastlichkeit einzustimmen. Der Flug von Wien nach Zürich dauert knappe eineinhalb Stunden. Weitere Angebote mit Austrian Airlines oder FlyNIKI. Anreise mit dem Zug: Von Österreich aus bietet die ÖBB günstige SparSchiene-Tickets nach Zürich. Wie im Schlaf vergeht die Reise im Liege- oder Schlafwagen – der Vorteil ist, man spart gleichzeitig eine Hotelnacht. Anreise mit dem Auto: Aus Österreich kommend, steigt man am besten in St. Gallen in die Grand Tour ein. Dorthin gelangt man über Bregenz (Grenzübergang Höchst/St. Margarethen). Möglich ist auch die Anfahrt über Feldkirch nach Schaan. Landschaftlich besonders reizvoll und kurvenreich ist der Einstieg von Nauders aus über Scuol nach Susch. Autoreisezüge: Von Wien, Villach oder Graz bis nach Feldkirch Vignettenpflicht: Für die Benützung der Schweizer Autostraßen und Autobahnen benötigt man eine Vignette. Sie kostet 40,00 EUR und kann unter www.rail.myswitzerland.com/vignette.html?language=de bestellt werden. Lichtpflicht: Motorfahrzeuge sind verpflichtet, auch untertags das Tagfahrlicht oder Abblendlicht einzuschalten. Tempolimits: Auf eidgenössischen Autobahnen gilt ein Tempolimit von 120 km/h; auf Autostraßen darf man maximal 100 km/h fahren. Auf Überlandstraßen sind 80 km/h und im Ortsbereich 50 km/h als Höchstgeschwindigkeit zulässig. Pauschalangebote: Buchbare Pakete für Auto- oder Motorradfahrer sind auf www.MySwitzerland.com/grandtour zu finden. Mietwagen oder Harley-Davidson-Motorräder können ebenfalls dazu gebucht werden. Verlieben Sie sich schon in die Schweiz, bevor Sie dort ankommen. Wir sind eine Fluggesellschaft, die stolz ist auf ihre schweizerische Herkunft. Und was Sie von Ihrem Urlaub in der Schweiz erwarten, dürfen Sie auch von uns verlangen. Schweizer Qualität auf höchstem Niveau, erstklassigen Service und eine persönliche Rundumbetreuung. Geniessen Sie mit uns Ihren Urlaub also schon auf dem Weg dahin. Neu auch von Graz nach Zürich. Erfahren Sie mehr auf swiss.com 81 ADVERTORIAL ÖBB: Mit der „SparSchiene“ ab 19 EUR in die Schweiz Top-Angebote bieten die ÖBB für Verbindungen nach Zürich, Basel, Luzern, Interlaken und in viele weitere Schweizer Destinationen an. Im Zwei-Stunden-Takt nach Zürich Nach Zürich werden im Zwei-Stunden-Takt ab Wien, St. Pölten, Linz und Salzburg sechs Verbindungen und ab Innsbruck bzw. Vorarlberg sieben Verbindungen pro Tag angeboten. Ab Wien werden alle Verbindungen mit ÖBB railjets geführt, bei der Verbindung um 11:30 Uhr ist jedoch ein Umstieg in Innsbruck auf den von Graz nach Zürich verkehrenden EuroCity notwendig. Europas schönste Städte mit der ÖBB Sparschiene Die SparSchiene-Angebote beinhalten das Ticket und in ÖBB Nachtreisezügen auch die Sitzplatz, Liege- oder Schlafwagenreservierung. Im Liegewagen ist ein Frühstück, im Schlafwagen ein Abendgetränk und Frühstück inkludiert. Die günstigen Tickets sind kontingentiert, an einen bestimmten Zug gebunden und vom Umtausch ausgeschlossen. Daher sollte rechtzeitig gebucht werden. Die SparSchiene ist frühestens sechs Monate bis spätestens drei Tage vor Reiseantritt buchbar. Die Buchungsfristen sind abhängig vom gewählten Reiseziel. Es gelten die Tarifbestimmungen der ÖBB-Personenverkehr AG. Unser Tipp Graz – Zürich im Panoramawagen Im Schlaf ans Ziel ÖBB Nachtreisezüge verbinden täglich Wien, Graz und Villach mit Zürich. Fahrgäste reisen bequem über Nacht und sparen dabei wertvolle Zeit und Hotelkosten. Kunden im Schlaf- und Liegewagen erhalten zudem gratis Mineralwasser und ein Frühstück. „ÖBB SparSchiene“-Tickets sind im Sitzwagen ab 39 EUR, im Liegewagen ab 59 EUR und im Schlafwagen ab 79 EUR erhältlich. Alle Infos zu Bahnreisen in die Schweiz unter: oebb.at/schweiz 82 Seit Dezember 2014 steht im EuroCity auf der Strecke von Graz über Innsbruck nach Zürich in der ersten Klasse ein Panoramawagen zur Verfügung. Große Panoramafenster ermöglichen eine prächtige Aussicht auf Landschaften und Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke: So kann man bereits bei der Anreise die herrliche Bergwelt der Alpen genießen. Der Zug verkehrt über Leoben, Schladming, Bischofshofen, Zell am See, St. Johann in Tirol, Kitzbühel und Wörgl und bindet große Teile Österreichs umsteigefrei an die Schweiz an. Fotos: ÖBB / Harald Eisenberger, ÖBB / Christian Auerweck D ie Oper in Zürich besuchen, die einzigartige Bergwelt rund um Interlaken genießen, über die Kapellbrücke in Luzern spazieren oder Museen in Basel entdecken – mit den Zügen der ÖBB reist man schnell und bequem in die Schweiz. Noch dazu preiswert: Mit der „ÖBB SparSchiene“ gelangt man beispielsweise ab 19 EUR (2. Klasse) bzw. 29 EUR (1.Klasse) nach Zürich. Ab 29 EUR (2. Klasse) bzw. EUR 39 (1. Klasse) sind Interlaken, Luzern und Basel erreichbar. Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 Goroc Der Begleiter für jedes Terrain. flyer-bikes.com MOUNTAIN 83 Etappe: Ort 1 – Ort 2 – ort 3 BAHN FAHR ER sin CO2 -S d PARE R Auf ein herzli’ Grüezi nach Zürich. Günstig von Wien nach Zürich, bis zu 7 Mal täglich. Alle Infos und Buchung auf oebb.at/sparschiene TIPP: SparSchiene-Tickets sind auch für weitere Reiserouten erhältlich. * 84 Ab-Preis für ein SparSchiene-Ticket 2. Klasse pro Person und Richtung, kontingentiertes und zuggebundenes Angebot, bis 3 Tage vor Fahrtantritt buchbar. Keine VORTEILSCARD-Ermäßigung. Stornierung und Erstattung von Tickets für Nachtreisezüge (EN) ausgeschlossen. Es gelten die Tarifbestimmungen der ÖBB-Personenverkehr AG. Alle Infos zur Buchung und Stornierung/Erstattung auf oebb.at, beim ÖBB-Kundenservice 05-1717 und an der Personenkasse.
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