van Gogh bis Twombly · Ausgewählte Werke · Berlin, 4. Juni 2015 Schmuck1 van Gogh bis Twombly Ausgewählte Werke Selected Works Auktion Nr. 240 Donnerstag, 4. Juni 2015 17.00 Uhr Auction No. 240 Thursday, 4 June 2015 5 p.m. www.villa-grisebach.de Experten Specialists Anfragen zu Versteigerungsobjekten/ Zustandsberichte Enquiries concerning this auction/ condition reports Vorbesichtigung Sale Preview Schriftliche Gebote Absentee bidding Eine Auswahl zeigen wir in A selection of works will be shown in Laura von Bismarck +49 (30) 885 915-24 Düsseldorf 5. und 6. Mai 2015 von 10 bis 18 Uhr Villa Grisebach Auktionen Daniel von Schacky Bilker Straße 4-6 · D-40213 Düsseldorf Friederike Valentien +49 (30) 885 915-4416 ――― Telefonische Gebote Telephone bidding Micaela Kapitzky +49 (30) 885 915-32 Dr. Markus Krause +49 (30) 885 915-29 ――― Rechnungslegung/Abrechnung Buyer’s/Seller’s accounts Katalogbestellung/Abonnements Catalogue subscription Friederike Cless +49 (30) 885 915-50 ――― Versand/Versicherung Shipping/Insurance Traute Meins +49 (30) 885 915-21 Norbert Stübner +49 (30) 885 915-30 Ulf Zschommler +49 (30) 885 915-33 4 München Kunst des 19. Jahrhunderts 6. und 7. Mai 2015 von 10 bis 18 Uhr Moderne Kunst 21. Mai 2015 von 10 bis 18 Uhr 22. Mai 2015 von 10 bis 15 Uhr Villa Grisebach Auktionen Dorothée Gutzeit / Jesco von Puttkamer Türkenstraße 104 · D-80799 München Dortmund 7. und 8. Mai 2015 von 10 bis 18 Uhr 9. Mai 2015 von 11 bis 16 Uhr Galerie Utermann Wilfried Utermann Silberstraße 22 · D-44137 Dortmund Zürich 12. Mai 2015 von 10 bis 17 Uhr 13. Mai 2015 von 10 bis 15 Uhr Villa Grisebach Auktionen AG Verena Hartmann Bahnhofstrasse 14 · CH-8001 Zürich Hamburg 19. Mai 2015 von 10 bis 17 Uhr Galerie Commeter Stefanie Busold Bergstraße 11 · D-20095 Hamburg Information für Bieter Information for Bidders Vorbesichtigung aller Werke in Berlin 29. Mai bis 2. Juni 2015 Viewing of all works in Berlin 29 May to 2 June 2015 Berlin Villa Grisebach Auktionen GmbH Fasanenstraße 25, 27 und 73 D-10719 Berlin Freitag bis Montag 10 bis 18 Uhr Dienstag 10 bis 17 Uhr ――― Kataloge im Internet unter www.villa-grisebach.de Die Verteilung der Bieternummern erfolgt eine Stunde vor Beginn der Auktion. Wir bitten um rechtzeitige Registrierung. Bidder numbers are available for collection one hour before the auction. Please register in advance. Nur unter dieser Nummer abgegebene Gebote werden auf der Auktion berücksichtigt. Von Bietern, die der Villa Grisebach noch unbekannt sind, benötigt die Villa Grisebach spätestens 24 Stunden vor Beginn der Auktion eine schriftliche Anmeldung. Only bids using this number will be included in the auction. Bidders previously unknown to Villa Grisebach must submit a written application no later than 24 hours before the auction. Sie haben auch die Möglichkeit, schriftliche oder telefonische Gebote an den Versteigerer zu richten. Ein entsprechendes Auftragsformular liegt dem Katalog bei. Wir bitten Sie in allen Fällen, uns dies bis spätestens zum 3. Juni 2015, 17 Uhr mitzuteilen. Über www.villa-grisebach.de können Sie die Auktionen live über das Internet verfolgen. Die Berechnung des Aufgeldes ist in den Versteigerungsbedingungen unter § 4 geregelt; wir bitten um Beachtung. Die Versteigerungsbedingungen sind am Ende des Kataloges abgedruckt. Die englische Übersetzung des Kataloges finden Sie unter www.villa-grisebach.de ――― We are pleased to accept written absentee bids or telephone bids on the enclosed bidding form. All registrations for bidding at the auctions should be received no later than 5 p.m. on 3 June 2015. At www.villa-grisebach.de you can follow the auctions live. Regarding the calculation of the buyer’s premium, please see the Conditions of Sale, section 4. The Conditions of Sale are provided at the end of this catalogue. The English translation of this catalogue can be found at www.villa-grisebach.de ――― Villa Grisebach is a partner of the Art Loss Register. All objects in this catalogue which are uniquely identifiable and which have an estimate of at least 2,500 Euro have been individually checked against the register’s database prior to the auction. Villa Grisebach Auktionen ist Partner von Art Loss Register. Sämtliche Gegenstände in diesem Katalog, sofern sie eindeutig identifizierbar sind und einen Schätzwert von mindestens EUR 2.500,– haben, wurden vor der Versteigerung mit dem Datenbankbestand des Registers individuell abgeglichen. 5 1 Walter Leistikow Bromberg 1865 – 1908 Berlin „Havelsee bei Berlin“. Um 1907 Öl auf Leinwand. 64,5 x 76,5 cm (25 ⅜ x 30 ⅛ in.). Unten rechts signiert: W. Leistikow. Holtmann (unveröffentlicht) 326. – [3276] Gerahmt. Provenienz: Sammlung Georg Schäfer, Schweinfurt / Privatsammlung, Niedersachsen € 50.000 – 70.000 $ 53,900 – 75,400 Zeit seines Lebens hat Walter Leistikow vor allem die brandenburgische Landschaft gemalt. Zwar entwarf Leistikow, was heute weniger bekannt ist, als Anhänger der britischen Artsand-Crafts-Bewegung auch Möbel, Stoffe, Teppiche und Tapeten. Doch am meisten faszinierte ihn das, was er auf seinen Ausflügen ins Umland von Berlin sah: die Wälder und einsamen Seen, die schilfbestandenen Ufer und der weite, fahlblaue Himmel zur Mittagszeit oder in der Abenddämmerung. Das Gemälde „Havelsee bei Berlin“ ist ein eindrucksvolles Beispiel für Leistikows stilistische Reife. Der Wasserlauf, die Kiefern auf sandigem Waldgrund, die grandiosen Wolkenformationen und ihre Reflexionen auf der Wasseroberfläche, das alles ist in der für den Künstler charakteristischen, expressiv-flächigen Malweise ausgeführt. Darüber hinaus jedoch weist „Havelsee bei Berlin“ ein Merkmal auf, das dem Bild eine Sonderstellung in seinem Schaffen garantiert. Es ist der Standpunkt, den der Maler für sein Gemälde gewählt hat. Üblicherweise baut Leistikow in seinen Kompositionen auf eine Spannung von Frontalität und dreidimensionalem Raum, Nahansichten im Vordergrund kontrastieren mit einer perspektivischen Öffnung im Mittel- und Hintergrund. Oft bedient er sich dabei auch harter Gegensätze von beleuchteten hellen Zonen und im Schatten gelegenen dunklen Bereichen. Der „Havelsee bei Berlin“ dagegen ist geprägt von einer neuen Dynamik, einem Sog, der den Betrachter unwiderstehlich ins Bild zieht, hervorgerufen insbesondere von der kräftigen Diagonalen der Baumreihe links. Durch diesen Kunstgriff gelingt es Leistikow, der kargen brandenburgischen Landschaft die Aura eines spektakulären Ereignisses zu verleihen. (UC) 6 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 7 2 Max Slevogt Landshut 1868 – 1932 Neukastel/Pfalz Selbstportrait. 1894 Gouache, Tusche und Kreide auf Papier, auf leichten Karton aufgezogen. 33 x 25,6 cm (13 x 10 ⅛ in.). Unten links mit Bleistift über Gouache monogrammiert und datiert: MS 94. [3466] Provenienz: Ehemals Wilhelm Buller, Duisburg € 15.000 – 20.000 $ 16,200 – 21,600 Max Slevogt war 25 Jahre alt, als er dieses beeindruckende Selbstportrait schuf. Er hatte erfolgreich sein Studium an der Münchner Kunstakademie abgeschlossen und in Paris – wie später auch Henri Matisse und Pierre Bonnard – die angesehene private Académie Julian besucht. 1890 war er mit seinem Künstlerfreund Robert Breyer durch Italien gereist, um sich an den Kunstschätzen des Landes zu schulen. Nun hatte er sich in München als freier Künstler niedergelassen. Sein in Kreide, Tusche und Gouache ausgeführtes Bildnis zeigt ihn in leichter Untersicht als selbstbewußten jungen Mann. Der Blick des Künstlers in den Spiegel ist distanziert und sich selbst (und damit auch den Betrachter) kritisch musternd – ein Eindruck, der durch die zusammengezogenen, auf der Stirn eine Falte bildenden Augenbrauen noch gesteigert wird. Seine malerischen Mittel stehen ihm hier bereits in derselben Virtuosität zur Verfügung, die nach der Jahrhundertwende auch seine bekannten lichtdurchfluteten und farbensatten impressionistischen Gemälde kennzeichnen wird. In großer Meisterschaft läßt er den Umriß seines Hauptes aus dem Hintergrund hervortreten, moduliert in feinen farblichen Nuancen das Antlitz. Dabei ist die Grundstimmung des Kolorits dunkel, fast düster und nur im Inkarnat und am Hemdkragen rot, hellbraun und weiß gehöht. Der Kontrast, der sich dadurch ergibt, verstärkt die eigentümlich belebte Wirkung, die von Max Slevogts Selbstportrait ausgeht. Über diese Strahlkraft war sich der Maler offenkundig im Klaren. Dies ist das Bild eines Mannes, der genau weiß, was er vermag. (UC) 8 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 9 3 Lesser Ury Birnbaum/Posen 1861 – 1931 Berlin Straße bei Nacht im Regen (Berlin). Um 1898/1900 Öl auf Leinwand. 52 x 36 cm (20 ½ x 14 ⅛ in.). Unten links signiert: L. Ury. Das Gemälde wird aufgenommen in das Werkverzeichnis der Gemälde, Pastelle, Gouachen und Aquarelle von Lesser Ury von Dr. Sibylle Groß, Berlin (in Vorbereitung). – Craquelé, Retuschen. [3547] Gerahmt. Provenienz: Galerie Stieglitz, Tel Aviv / Privatsammlung, Israel / Privatsammlung, Berlin Die Poesie der europäischen Großstadt rührt im ausgehenden 19. Jahrhundert wesentlich von einer historischen Verzögerung beim Individualverkehr her. Immer noch war die Kutsche das vorherrschende Fahrzeug. Ihr leises Fahrgeräusch und das Hufgetrappel der Pferde zieht sich als Ton durch die Großstadtliteratur der frühen Moderne. Die lederbezogene Höhle, auf die der Regen trommelt, ist in vielen Büchern (z.B. den „phantastischen“ Nächten Arthur Schnitzlers) der Schauplatz der Liebesaffären, ob stürmischer Beginn, ob trister Ausklang. € 60.000 – 80.000 $ 64,700 – 86,200 Solange die Kutschen fuhren, war die Großstadtnacht zwar beleuchtet, aber geheimnisvoll, mit theaterartigen Hell-DunkelKontrasten. In der deutschen Kunst hat niemand suggestiver als der Berliner Lesser Ury diese Poesie der nächtlichen Avenuen in Malerei verwandelt. Die Faszination, die von diesen Nachtstücken ausgeht, ist mit dem zeitlichen Abstand immer größer geworden. Am Ende eines über 110jährigen Siegeszuges der „autogerechten Stadt“ blicken wir auf Pferde, Zaumzeug, Kutschen und Lichtreflexe Urys wie auf ein verlorenes ästhetisches Paradies. (CS) 10 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 11 4 Odilon Redon Bordeaux 1840 – 1916 Paris „Roger et Angélique“ (auch „Saint Georges et le Dragon“ oder „Andromède sauvée“). (Vor) 1908 Öl auf Leinwand . 50 x 32 cm (19 ⅝ x 12 ⅝ in.). Unten rechts signiert: ODILON REDON. Wildenstein 1276. – [3247] Gerahmt. Provenienz: Galerie Druet, Paris (1908 bis mind. 1912) / Richard Bühler, Winterthur (bis 1935) / Sammlung Bergengren, Lund (1958) / Galerie Europe, Paris / Galerie Der Spiegel, Köln (um 1962) / Privatsammlung, Nordrhein-Westfalen (1968, seitdem in Familienbesitz) Ausstellung: Peintures, pastels, dessins, lithographies par Odilon Redon. Paris, Galerie Druet, 1908, Kat.-Nr. 16 / Vystavka sto let francuzskoj zivopisi (1812–1912) / Exposition centennale de l’Art français. Sankt Petersburg, Institut Français, 1912, S. 113, Kat.-Nr. 517 / Ausstellung Odilon Redon, 1840–1916. Winterthur, Museum, 1919, Kat.-Nr. 193 / Fem sekler fransk konst. Miniatyrer, målningar, teckningar 1400–1900. Stockholm, Nationalmuseum, 1958, Kat.-Nr. 160 / Jubiläumsausstellung 1912/1962. Neuss, ClemensSels-Museum im Obertor, 1962/63, Kat.-Nr. 20, ganzseitige Abb. S. 14 („Das Ungeheuer“, Leihgabe aus Privatbesitz) / 22. Ruhrfestspiele Recklinghausen 1968: Reiche des Phantastischen. Recklinghausen, Städtische Kunsthalle, 1968, Kat.-Nr. 148, m. Abb. / Odilon Redon. Winterthur, Kunstmuseum, und Bremen, Kunsthalle, 1983/84, ganzseitige Abb. S. 198 („Die Rettung der Andromeda“) / Odilon Redon. Prince of Dreams, 1840–1916. Chicago, Art Institute; Amsterdam, Van Gogh Museum, und London, Royal Academy of Arts, 1994/95, Kat.-Nr. 102, Abb. S. 342 Literatur und Abbildung: Charles Fegdal. Paris, Rieder, 1929 (= Maîtres de l’Art moderne), Abb. Tf. LV / Sammlung Richard Bühler, Winterthur. Luzern, Galerie Fischer, im Hotel National, 2.9.1935, Kat.-Nr. 8, Abb. Tf. 5 / Klaus Berger: Odilon Redon. Phantasie und Farbe. Köln, Verlag M. DuMont Schauberg, 1964, Kat.-Nr. 130 / Igor Gazdik: Odilon Redon. Bratislava, Pallas, 1971, Abb. Tf. 34 (Détail) / Matthias Frehner: Richard Bühler: „Un homme du XVIe siècle“. In: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft (Hrsg.): Die Kunst zu sammeln. Schweizer Kunstsammlungen seit 1848. Zürich, Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, 1998, S. 225-242, hier S. 228, Abb. 3 € 80.000 – 120.000 $ 86,200 – 129,000 In der griechischen Sage rettet Perseus mit Hilfe des geflügelten Pegasus die Königstochter Andromeda vor dem riesigen Seemonster Keto, dessen Opfergabe die Prinzessin sein sollte. Die Dramatik des entscheidenden Augenblickes, in welchem Perseus Keto tötet und Andromeda im allerletzten Moment vor dem sicheren Tod bewahrt, hat die Alten Meister wie Cesari oder Rubens, aber auch Gustave Doré und vor allem Odilon Redon, den „Prinzen der Träume“, wie er anläßlich der Retrospektive 1994/95 in Chicago, Amsterdam und London bezeichnet wurde, fasziniert und gefesselt und zu immer neuen Bilderfindungen angeregt. 12 Der Faszination des Schreckens konnte sich also auch Redon nicht entziehen. Der französische Erneuerer der Graphik und der dekorativen Malerei, der bis in die 1890er Jahre in der sogenannten „Schwarzen Phase“ fast ausschließlich Kohlezeichnungen und Lithographien von skurrilem und bizarrem Erfindungsreichtum schuf, vollführte um 1900 eine radikale Wendung in seinem Werk und wurde zu einem der größten Koloristen der frühen Avantgarde. Das Meer und der damit verbunde Schöpfungs- und Weiblichkeitsmythos waren zentrale Vorstellungen in Redons farbiger Phase, mit denen er sich in zahlreichen Bildern auseinandersetzte. Sie alle zeichnet auch eine gewisse erotische Spannung aus, die vor allem vom Kontrast zwischen der gefesselten nackten Frau und dem kriegerischen Helden beziehungsweise dem furchteinflößenden Ungeheuer mit Ansätzen einer menschlichen Physiognomie lebt. In unserem Bild läßt Redon die an einen Felsen gekettete Andromeda farblich und kompositorisch in den Bildhintergrund treten. Andromeda wurde von Ursula Perucchi-Petri (2003) exemplarisch als „an die Natur und an die Materie gebundene Frau“ interpretiert. Der Künstler fokussiert weniger auf die Prinzessin als vielmehr auf den sich anbahnenden Kampf zwischen Keto – dessen unheimlicher, roter Kopf und riesige Tentakel sich aus dem aufgewühlten Meer erheben – und dem von rechts oben herannahenden Perseus, der zum finalen Schlag mit einer Lanze ansetzt. Perucchi-Petri erkennt hier den „Kampf des höheren Bewußtseins gegen die instinkthaften und destruktiven Kräfte des Ungeheuers“, was Redons Bild vom Künstler als Retter „der Schönheit aus der formlosen Materie“ des Meeres entspricht. Die bewegte Meeresoberfläche und der Wellengang nehmen diese dynamische Diagonale von rechts oben nach links unten auf. Somit weisen Komposition und Farbgebung des Bildes auf die Auseinandersetzung zwischen Held (Geist) und Monster (Materie) hin, die für den Künstler auch stellvertretend für seine Weltsicht war, in der „die Kunst die Macht hat, selbst die niedrigsten Formen des Lebens in Geistiges zu verwandeln“. Unser Bild weist neben dem dichten Ideengehalt, der typisch für Redons Werk ist, eine hochkarätige Provenienz auf. Es befand sich 1935 in der berühmten Schweizer Kunstsammlung von Richard Bühler in Winterthur. Um 1900 war das schweizerische Städtchen aufgrund umfangreicher mäzenatischer Aktivitäten der Familien Bühler, Hahnloser und Reinhart zu einem Zentrum des Sammelns französischer Kunst des 19. Jahrhunderts avanciert. In dieser Atmosphäre wurde Redon zu einem gefragten Künstler, der nicht nur privaten Kontakt mit den Familien Bühler und Hahnloser unterhielt, sondern auch 1919 im Kunstmuseum Winterthur mit einer frühen Retrospektive geehrt wurde. Unser Andromeda-Bild steht somit stellvertretend für Redons Erfolg bei bürgerlichen Sammlern Anfang des 20. Jahrhunderts, die seine visionären und einzigartigen Qualitäten bereits zu Lebzeiten förderten und seine vergeistigte Kunstphilosophie wie seine phantasiereichen Bilderfindungen zu schätzen wußten. (OS) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 13 5 Lovis Corinth Tapiau/Ostpreußen 1858 – 1925 Zandvoort „Gutshof im Winter“. 1912 Öl auf Leinwand. 79 x 94 cm (31 ⅛ x 37 in.). Unten links signiert, datiert und bezeichnet: LOVIS CORINTH 1912 i/M [in Mecklenburg]. Berend-Corinth/Hernad 550. – [3277] Gerahmt. Provenienz: Dr. K. Ellstädter, Berlin / Dr. Paul Grünfeld, Berlin (seitdem in Familienbesitz) Das Jahr 1911 war ein Schicksalsjahr für Lovis Corinth. Im Dezember erlitt der 53jährige einen heftigen Schlaganfall. Doch das hielt ihn nicht vom Malen ab, im Gegenteil. Heute sind sich die Kunsthistoriker einig, daß er in der Zeit danach eine bis dahin ungekannte Freiheit im künstlerischen Ausdruck entwickelte. Ausstellung: Berliner Secession 1916, Kat.-Nr. 25, m. Abbildung / 32. Ausstellung: Lovis Corinth zum 60. Geburtstag. Berlin, Berliner Secession, 1918, Kat.-Nr. 94 / Corinth-Ausstellung. Einhundertsiebzig Bilder aus Privatbesitz. Berlin, Nationalgalerie, 1923, Kat.-Nr. 94 (datiert „1914“) / Lovis Corinth, Ausstellung von Gemälden und Aquarellen zu seinem Gedächtnis. Berlin, Nationalgalerie, 1926, Kat.-Nr. 259 (dort datiert „1914“) / Lovis Corinth. London, Tate Gallery, 1997, außer Katalog (lt. Etikett auf dem Schmuckrahmen) € 100.000 – 150.000 $ 108,000 – 162,000 14 Der „Gutshof im Winter“ ist eines der ersten Gemälde, die nach dem gesundheitlichen Zusammenbruch entstanden. Die Bäume sind kahl, Schnee ist gefallen. Allerdings ist es offenbar nicht sehr kalt, denn sonst wären die Hühner und Kühe im Stall. Was die Palette betrifft, so hat sich Corinth wie so häufig auf zwei, drei dominante Hauptfarben beschränkt. Auf Rot- und Brauntöne und ein fahles Weiß, das im Vordergrund zu Grau wird. Daß dieses Winterbild dennoch den für Corinth typischen malerischen Glanz ausstrahlt, liegt daran, daß der Künstler in den Dreiklang der Hauptfarben vereinzelt Lichter in Orange, Gelb, Blau und Grün gesetzt hat – so bringt er seine Komposition zum Leuchten. Beim „Gutshof“ deutet sich bereits an, was Corinth in seinem berühmten expressiven Spätwerk zu höchster Virtuosität steigerte. Den Realismus, der sich für den Betrachter auch früher schon oft nur aus kürzelhaften zeichnerischen Andeutungen erschloß, vermischt der Maler hier mit dezidiert abstrakt ausgeführten Zonen. Für Corinth kann eine Farbschliere auf der Leinwand eine Spur im Schnee sein oder eben auch nur eine Farbschliere. Das macht seinen von keinem anderen deutschen Secessionisten erreichten künstlerischen Rang aus – und den „Gutshof im Winter“ zu einem großartigen Meisterwerk. (UC) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 15 6 Vincent van Gogh Groot-Zundert 1853 – 1890 Auvers-sur-Oise „Head of a Peasant Woman: Right Profile“ („Kopf einer Bäuerin: Profil nach rechts“). Um 1884/85 Öl auf Leinwand. Doubliert. 41 x 30,5 cm (16 ⅛ x 12 in.). de la Faille 144 / Hulsker 561. – Kleine Retuschen. [3230] Provenienz: Vincent van Gogh (bei der Familie in Nuenen zurückgelassen) / Anna Cornelia van Gogh-Carbentus, Schwester des Künstlers, Nuenen/Breda (1885-86) / Adrianus („Janus“) Schrauwen, Breda (1886-1902) / Jan C. Couvreur, Breda (1902) / W. van Bakel und Cornelius Hendrikus Wilhelmus („Kees“) Mouwen jr., Breda (1902-03) / Kunstzalen Oldenzeel, Rotterdam (1903) / Gerlacus („Gerlach“) Ribbius Peletier jr., Utrecht (im Febr. 1903 bei Oldenzeel erworben, bis 1930) / Adriana Louisa Ribbius Peletier-Wijbelingh, Ehefrau des Vorbesitzers, Utrecht (durch Erbschaft 1930 erhalten, bis 1939) / Louise J. SchokkingRibbius Peletier, Tochter der Vorbesitzerin, Doorn (durch Erbschaft 1939 erhalten, bis ca. 1959) / Galerie E. J. van Wisselingh & Co., Amsterdam (ca. 1959 erworben) / Olive Hosmer, Montreal ([vor] 1960 erworben) / John H. Shuter, Neffe der Vorbesitzerin, Beaconsfield, Québec/Montreal (nach 1970 erhalten) / Galerie Nathan, Zürich / Privatsammlung, Süddeutschland/ Großbritannien (1984 bei Nathan erworben) Ausstellung: Vincent van Gogh. Rotterdam, Kunstzalen Oldenzeel, 1903, Nr. 4 / Canada collects. European Painting 1860–1960. Montreal, Museum of Fine Arts, 1960, Kat.-Nr. 153, Abb. S. 51 Literatur und Abbildung: J(acob)-B(aart) de la Faille: L’Œuvre de Vincent van Gogh. Catalogue raisonné. 4 Bde. Paris/Brüssel, Les Éditions G. van Oest, 1928, hier Bd. 1: Kat.-Nr. 144, Bd. 2: Abb. Tf. XL („Paysanne brabançonne“, Leinwand auf Holz) / Walther Jan Clemens Vanbeselaere: De Hollandsche periode (1880–1885) in het werk van Vincent van Gogh (1853–1890). Antwerpen, De Sikkel, 1937 (= Diss. 1934), S. 290, Nr. 144 (Leinwand auf Holz), S. 341f. / J(acob)-B(aart) de la Faille: Vincent van Gogh. Paris, Hyperion, 1939, Kat.-Nr. 154, m. Abbildung („Bäuerin aus Brabant“, Öl auf Holz) / Jan Hulsker: Van Gogh en zijn weg. Het complete werk. Amsterdam, Meulenhoff International, 1978, Kat.-Nr. 561, m. Abb. („Boerenvrouw, kop“, Leinwand auf Holz) / Ingo F. Walther/ Rainer Metzger: Vincent van Gogh. Sämtliche Gemälde, Bd. 1: Etten, April 1881 – Paris, Februar 1888. Köln, Benedikt Taschen Verlag, 1989, Abb. S. 68 („Kopf einer Bäuerin mit weißer Haube“) / Louis van Tilborgh und Marije Vellekoop: Van Gogh in Utrecht. The Collection of Gerlach Ribbius Peletier (1856–1930). In: Van Gogh Museum Journal 1997-1998, S. 26-41, hier S. 28, Abb. 2 (Foto des Wohnzimmers der Familie Ribbius Peletier in Utrecht, 1903-04, unser Gemälde links auf einer Staffelei), S. 30, S. 33, Abb. 6 (Gemälde des Wohnzimmers der Familie Ribbius Peletier in Utrecht von Elsie Spronck, 1932, unser Gemälde hinten rechts über der Tür), S. 34 u. S. 36, Nr. 2, m. Abb. („Head of a woman“, Öl auf Leinwand auf Holz) / Martha Op de Coul: In search of Van Gogh’s Nuenen studio: the Oldenzeel exhibitions of 1903. In: Van Gogh Museum Journal 2002, S. 113, Nr. 4 € 600.000 – 800.000 $ 647,000 – 862,000 16 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 17 Auf dem Weg zu den „Kartoffelessern” Über die Bedeutung der Brabanter Portraits für Vincent van Goghs Gesamtwerk Die Kopfportraits von Bauern und ihren Frauen, die Vincent van Gogh zwischen 1884 und 1885 in der südholländischen Provinz Brabant zeichnete und malte, zeigen den Niederländer noch vor dem Höhepunkt seines Schaffens. Diese geschlossene Werkgruppe dokumentiert einen entscheidenden Moment auf seinem Weg vom Autodidakten, der sich noch an Vorbildern der „Haager Schule“ orientierte, hin zum autonomen Künstler, der einmal selbst die Kunstgeschichte maßgeblich prägen sollte. Mit den Bauernbildnissen bereitete van Gogh gezielt sein erstes Hauptwerk vor – die berühmten „Kartoffelesser“ von 1885 (Abb. 8), in denen der damals 32jährige zum ersten Mal seine künstlerischen Ideen zusammenfaßte. Besonders erfolgreich war das Leben von Vincent van Gogh bis dahin nicht verlaufen. Als Kunsthändler und als Lehrer war er gescheitert, ebenso als Theologe und Buchhändler. Freiwillig ging der Pastorensohn danach als Laienprediger ins belgische Kohlengebiet des Borinage, um dort auf eigene Faust unter den Arbeitern zu missionieren. Seine ehrgeizige Familie, aus der studierte Theologen und Lehrer, Offiziere und Kunsthändler stammten, hatte versucht, ihm diesen Plan auszureden. Daß ihr Sohn ihn trotzdem verfolgte, führte zu einem tiefen Zerwürfnis vor allem mit den Eltern. Van Goghs Bruder Theo, der als erfolgreicher Kunsthändler in Paris lebte, war es schließlich, der den vier Jahre Älteren an dessen frühere Leidenschaft fürs Zeichnen erinnerte. Van Gogh folgte seinem Rat, beschloß, seinen Lebensunterhalt fortan als Künstler zu verdienen, und kehrte nach einem zweieinhalbmonatigen Malaufenthalt in der niederländischen Provinz Drenthe schließlich im Dezember 1883 ins Haus seiner Eltern nach Nuenen in der Provinz Brabant zurück – obwohl er sich von ihnen auch weiterhin unverstanden fühlte. „Man hat eine ähnliche Scheu, mich ins Haus zu nehmen, wie man sich scheuen würde, einen großen zottigen Hund im Haus zu haben“, schrieb er nach Paris. „Er kommt mit nassen Pfoten in die Stube - und er ist überhaupt so zottig und wüst! Allen läuft er in den Weg. Und er bellt so laut. Kurzum – er ist ein schmutziges Vieh.“ Im Pfarrhaus in Nuenen arbeitete van Gogh zunächst in der ehemaligen Bügelkammer, die für ihn umgebaut und mit einem Ofen ausgestattet wurde; später zog er in einen stallähnlichen Anbau an der Rückseite des Pastorats neben dem Misthaufen um. Seinen Platzbedürfnissen entsprach auch das nicht. Im Mai 1884 mietete van Gogh deshalb für 75 Gulden im Jahr zwei Räume im Haus des katholischen Küsters Johannes Schafrat an (Abb. 3). Im größeren der beiden Zimmer hängte er seine Gemälde und Zeichnungen auf. Im kleineren malte er, abends bei Kerzenlicht, und er unterrichtete dort auch vier Schüler: seinen Freund Anton Kerssemakers, den Eindhovener Goldschmied Antoon Hermans, Willem van de Wakker, einen Angestellten im Telegrafenamt von Eindhoven, und Dimmen Gestel, der in derselben Stadt eine Fabrik für Zigarrenbanderolen besaß. In einer Kammer unterm Dach des katholischen Küsters schlief Vincent van Gogh schließlich auch (Abb. 2) – ein Affront für seinen Vater, den reformierten Pastor Theodorus van Gogh. Hier, im Hause Schafrat, entstand vermutlich wenig später auch das vorliegende Frauenbildnis. Noch in Drenthe hatte van Gogh zunächst mit einer Bilderserie begonnen, die Weber bei der Arbeit in ihren großen Webstühlen und Frauen an Spinnrädern zeigt. Dort auch den bewunderten Max Liebermann zu treffen, der regelmäßig von Berlin zum Malen nach Drenthe fuhr, gelang ihm nicht: Als van Gogh ankam, war der Deutsche schon abgereist. Ähnlich wie in van Goghs zeitgleich entstandenen Landschaftsbildern, die keinerlei Hinweise auf die auch in den Niederlanden längst begonnene Industrialisierung enthalten, idealisierte er auch in den Interieurs seine Motive und verklärte sie romantisch. „Heutzutage gibt es keine Spinnräder mehr, und das ist für Maler und Zeichner sehr bedauerlich“, hatte er an Theo geschrieben. „Jedoch ist etwas anderes an ihre Stelle getreten, was nicht weniger malerisch ist, nämlich die Nähmaschine.“ Trotzdem feierte van Gogh in seinen Bildern weiter die vorindustriellen Zustände, wie er sie aus Romanen und von seinen Vorbildern der „Haager Schule“ – Jozef Israëls und Johan Hendrik Weissenbruch, den Brüdern Jacob, Matthijs und Willem Maris, von George Hendrik Breitner und seinem Cousin und Lehrer Anton Mauve – kannte. Abb. 1. Vincet van Gogh. Kopf einer Bauersfrau (F 1174). 1884. Bleistift und Tinte auf Papier. 15,9 x 10,7 cm. Privatsammlung 18 In diesem Zusammenhang sind auch die Bildnisse von Landarbeitern und ihren Frauen zu sehen, die Vincent van Gogh im Winter 1884/85 in der Umgebung seines Wohnortes Nuenen zeichnete und malte und zu denen auch das vorliegende Gemälde zählt. Grisebach 06/2015 Abb. 2. Witwe Schafrat mit van Goghs Stuhl, auf dem er malte. Abb. 3. Haus des Küsters Schafrat in Nuenen (van Goghs Atelier hinter den beiden Fenstern links). Sie dienten ihm – auf Papier wie auf Leinwand – als Vorbereitung für jenes große Bild, mit dem er schließlich Mitte April 1885 im Atelier bei Schafrat begann. Die 47 erhaltenen Ölbilder sind trotzdem autonome Werke, zu denen van Gogh unter anderem durch die Serie „Heads of peasants“ in der Zeitschrift „The Graphic“ inspiriert worden war. Manche Gemälde bereitete er durch Federzeichnungen vor, die er selbst als „Gekritzel“ bezeichnete. Einige von ihnen zeichnete van Gogh sogar mit Bleistift vor – so auch die 15,9 x 10,7 Zentimeter messende Skizze zum vorliegenden Gemälde (de la Faille 1174, Abb. 1), auf der die Augen der Frau geöffnet sind. Daß das etwas spätere Ölbild das einzige unter den zahlreichen in Nuenen entstandenen Bildnisstudien ist, auf dem van Goghs Modell die Augen geschlossen hat, verleiht ihm eine besondere Qualität. Die Frau, die in kontemplativer Versenkung völlig auf ihre innere Welt konzentriert zu sein scheint, bleibt dadurch als Individuum mit eigenen Gedanken sichtbar. Hinter dem selbstgewählten neuen Bildnis-Projekt stand auch van Goghs Wunsch, irgendwann einmal als Figurenmaler Karriere machen zu können: Das Genre galt auch ihm als Königsdisziplin der Malerei. Ende Oktober 1884 entstand das erste Bildnis, und tatsächlich verbesserten sich danach van Goghs Fähigkeiten auf diesem Gebiet merklich: Er fand von der flächigen Malerei zu einer plastischeren Gestaltung seiner Sujets. Kaum eines der Modelle ist namentlich bekannt, auch die Frau auf dem vorliegenden Gemälde nicht. Gelegentlich wurde sie als Mutter von Gordina de Groot identifiziert, der jüngeren Frau, die auf dem „Kartoffelesser“-Bild hinter dem Esstisch sitzt. Einen Beleg dafür gibt es allerdings nicht. Und weil das große Gemälde die Kate der Familie de Grootvan Rooij zeigt, ist es auch durchaus wahrscheinlich, daß eher die ältere Frau am rechten Bildrand die Mutter ist. Ihre vergleichsweise große Nase und die deutlich wulstigeren Lippen lassen sich, anders als auf anderen Einzelbildnissen jener Zeit, auf dem vorliegenden aber nicht wiederfinden. Und doch ist sie im Werkzusammenhang zugleich, ähnlich wie bei Rembrandts Gemälde vorbereitenden „Tronjen“, auch Vertreterin jenes entindividualisierten Menschentyps, nach dessen wahrhafter Darstellung van Gogh in jener Zeit suchte. 15 solcher Zeichnungen auf Papier sind heute noch überliefert. In insgesamt vier Sendungen schickte Vincent van Gogh sie zwischen Dezember 1884 und Januar 1885 an Theo nach Paris: „Ich arbeite sehr hart an der Serie von Köpfen, an die ich mich gegeben habe“, teilte er ihm dazu mit und forderte den Bruder, der ihm das Zeichnen nahegelegt hatte, auf, nun auch Kontakt zu Verlegern für diese Arbeiten zu suchen. Sollten die an Theo geschickten Zeichnungen vorher als unmittelbare Vorlagen für die Umsetzung der Bildnisse im Atelier auf Leinwand gedient haben, müßte auch das vorliegende Gemälde demnach spätestens vor deren Versand, also in den ersten Wochen des Jahres 1885, entstanden sein. Abb. 4. Typische Trachten Brabanter Bauern. Van Goghs Ziel war es auch im vorliegenden Bildnis ohnehin nicht, in erster Linie eine individuelle Physiognomie wiederzugeben. Er suchte in den Nuenener Bauernköpfen die Verkörperung des primitiven Landlebens, die er Theo bereits im Sommer in einem Brief beschrieben hatte: „Meine Farbrechnung steht aber so, daß ich mit dem Anfangen von neuen Sachen in größerem Format ein bißchen zurückhaltend sein muß, umso mehr, als es mich ziemlich viel an Modellen kosten wird; falls ich überhaupt mal geeignete Modelle kriegen kann von dem Typus, der mir vorschwebt (grobe, platte Gesichter mit niedriger Stirn und dicken Lippen, nicht dieses Scharfe, sondern voll und Millet-artig), und gerade mit dieser Kleidung.“ Ihn faszinierte die traditionelle Tracht der Brabanter Landbevölkerung (Abb. 4): Keine Frau verließ damals das Haus, ohne eine von verschiedenen möglichen Hauben auf dem Kopf zu tragen. Den Kontrasten, die sich in ihrem Faltenwurf, in den Schatten und im Vergleich zur dunklen Kleidung ergaben, versuchte van Gogh mit malerischen Mitteln zu entsprechen – auch auf dem vorliegenden Bild. Ganz langsam wurden seine Darstellungen plastischer, ganz langsam hellte sich in Nuenen seine Palette auf. Zu echter Farbe allerdings fand van Gogh erst, als er 1886 zu seinem Bruder nach Paris, ins Zentrum des Impressionismus, zog. Er habe versucht, die Menschen so naturgetreu wie möglich wiederzugeben, teilte er Theo van Gogh später mit. Nicht als sozialen Kommentar, sondern so, wie er seine Motive sah: als Zeugen eines archaischen Bauernlebens, das von der fortschreitenden Industrialisierung noch völlig unberührt geblieben ist: „Ich habe mich nämlich sehr bemüht, den Betrachter auf den Gedanken zu bringen, daß diese Leutchen, die bei ihrer Lampe Kartoffeln essen, mit denselben Händen, die in die Schüssel langen, auch selber die Erde umgegraben Grisebach 06/2015 19 haben; das Bild spricht also von ihrer Hände Arbeit und davon, dass sie ihr Essen ehrlich verdient haben.“ Der 31jährige wollte nach Jahren weitestgehend autodidaktischer Schulung außerdem endlich auch ein Bild schaffen, mit dem er in den Augen seiner Kollegen und des Kunsthandels würde bestehen können. Die Aufgabe, die er sich ausgerechnet mit jenem Motiv gestellt hatte, war trotz aller Vorarbeiten nicht einfach zu lösen. Das Vorhaben, fünf Menschen so darzustellen, daß sie im Schein nur einer einzigen Öllampe auch noch halbwegs naturalistisch aussehen, mußte letztlich scheitern. Van Gogh hatte zwar versucht, das Problem mit Hilfe unzähliger Vorstudien in Kohle und zweier Vorfassungen in Öl in den Griff zu bekommen. Er skizzierte die Kanne auf dem Tisch, die Uhr an der Wand und sogar die Gabeln, mit denen die Bauersleute nach den Kartoffeln stochern. Das erhoffte Meisterwerk wurde bis ins Detail geplant. Er probierte aus, ob er das im Vordergrund dargestellte Mädchen besser stehen oder sitzen ließ, und beschäftigte die alte Frau am rechten Bildrand mit Kanne und Tassen, als er feststellte, daß sie mit ihrem Arm gar nicht bis an die Kartoffeln herankommen würde. Abb. 5. Van Gogh. Die Kartoffelesser (F 1661). 1885. Lithographie. 26,5 x 32,5 cm Daß er wieder gescheitert war, wurde van Gogh schließlich selbst bewußt – nicht erst durch die völlig vernichtende Kritik des Freundes van Rappard, der über die noch schwächere, seitenverkehrte Lithographie, die van Gogh sofort im April 1885 nach dem Gemälde druckte (Abb. 5), an ihn schrieb: „Du wirst mir beistimmen, daß eine solche Arbeit nicht ernstgemeint ist. Glücklicherweise kannst Du mehr als das; aber warum hast Du dann alles gleichermaßen oberflächlich betrachtet und behandelt? Warum die Bewegungen nicht gründlich studiert? Jetzt posieren sie. Diese kokette kleine Hand der hintersten Frau, wie wenig wahr! Und welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Kaffeekessel, dem Tisch und der Hand, die oben auf dem Henkel liegt? Was macht dieser Kessel eigentlich, er steht nicht, er wird nicht festgehalten, aber was dann? Und warum darf der Mann rechts kein Knie haben und keinen Bauch und keine Lungen? Oder stecken die in seinem Rücken? Und warum muß sein Arm einen Meter zu kurz sein? Und warum muß er auf die Hälfte seiner Nase verzichten? Und warum muß die Frau links so ‘nen Pfeifenstiel mit einem Würfel dran als Nase haben? Und bei einer solchen Arbeitsweise wagst Du dann noch, die Namen Millet und Breton anzurufen? Wirklich, die Kunst steht zu hoch, scheint mir, als daß man sie so unbekümmert behandeln dürfte.“ Tief getroffen, beendete van Gogh daraufhin zunächst die Freundschaft. Wenig später gestand er dann aber selbst ein: „Ich weiß auch, daß es seine Mängel hat, doch gerade weil ich sehe, daß die jetzigen Köpfe kräftiger werden, wage ich zu behaupten, daß auch die Kartoffelesser ihre Kraft behalten werden.“ Abb. 6. Wohnzimmer im Hause Ribbius Peletier, Utrecht, 1903/04. Links auf der Staffelei steht unser Bild. Abb. 7. Elsie Spronck. Das Wohnzimmer der Familie Ribbius Peletier. 1932. Sammlung Stichting Landgoed Linschoten. Unser Bild hängt über der Tür. 20 Trotzdem schickte van Gogh Abzüge der Lithographie auch an Theo, zur Verteilung an Pariser Kunsthändler wie Durand-Ruel. Der Bruder kam der Bitte offenbar gar nicht erst nach. Zwar lobt er, man könne „die Holzschuhe der Gemalten aneinanderschlagen hören“; vor allem seine Bemerkung, die Körper der Bauern seien schlechter als deren Köpfe gelungen, traf van Gogh aber: Er hatte ja gerade keine abbildenden Portraits, sondern eine allgemeingültige und dadurch in seinen Augen wahrhafte Genreszene malen wollen. Theo forderte ihn auf, hellere Farben einzusetzen, weil es für van Goghs dunkle Gemälde mit ihren melancholischen Bauernsujets kaum noch einen Markt gab. In Paris hatten längst die Impressionisten ihren Siegeszug angetreten. Die zwischen 1874 und 1886 veranstalteten Gruppenausstellungen dieser Künstler versetzten die Kunstwelt in Aufruhr, und Theo van Gogh zählte zu den wichtigsten Förderern der umstrittenen neuen Bewegung. Seinen Bruder in den Niederlanden aber hatte diese radikale Erneuerung der europäischen Kunst noch nicht erreicht. Grisebach 06/2015 Abb. 8. Vincent van Gogh. Die Kartoffelesser (F 82). Nuenen, April 1885. Öl auf Leinwand. 82 x 114 cm. Van Gogh Museum, Amsterdam (Vincent van Gogh Stichting). „Wenn ich später wieder Modelle für meine Figuren finde, kann ich hoffentlich beweisen, daß ich noch auf etwas anderes aus bin als auf grüne Landschaften und Blumen“, wird Vincent van Gogh später aus Paris an seine Schwester Willemien schreiben. Die Figurenmalerei war ihm, durch die Erfahrungen mit den Bauernportraits in Nuenen, zum zentralen Anliegen geworden. Mit dem Malen der Brabanter Landbevölkerung hatte er im Spätsommer 1885 aber abrupt aufgehört. Die unverheiratete Gordina de Groot war schwanger geworden, und für den katholischen Pfarrer kam als Vater nur der Maler – der zu allem Überfluß auch noch im Haus seines Küsters lebte und arbeitete – in Frage. „Der Pfarrer ging so weit“, schrieb van Gogh empört seinem Bruder ins bedeutend leichtlebigere Paris, „daß er den Leuten Geld versprach, wenn sie sich nicht malen ließen. Hätte ich diesen Ärger mit den Modellen nicht gehabt, so wäre ich den Winter über noch hiergeblieben. Aber hier mit Modell zu arbeiten, stößt, wie sich zeigt, nicht so sehr auf den Widerstand des Pfarrers, der an sich durch völlige Nichtbeachtung meinerseits wirkungslos geworden wäre; das Elend ist vielmehr – obwohl ich mich nicht beirren lasse –, daß die Leute zögern und mehr Angst haben, als ich dachte.“ In Paris aber, wohin er 1886 zu seinem Bruder zog, konnte Vincent van Gogh Portraitstudien wie diese nicht fortsetzen: Ihm fehlte schlicht das Geld, um dort die professionellen Modelle bezahlen zu können. Zur Provenienz des Gemäldes Anders als in Deutschland, wo private Sammler vor allem durch die pathetisch legendenbildenden Veröffentlichungen von Julius Meier-Graefe und die Ausstellungen bei Paul Cassirer erstmals auf das farbenstarke Spätwerk von Vincent van Gogh aufmerksam wurden, konzentrierten sich die Sammler in den Niederlanden zunächst auf das Frühwerk. Maßgeblich dafür waren unter anderem die drei Ausstellungen mit Van-Gogh-Werken, die die Rotterdamer Galerie Oldenzeel im Januar, Mai und Dezember 1903 ausrichtete. Schon im Februar des Jahres erwarb dort der Utrechter Zigarrenfabrikant Gerlach Ribbius Peletier für 500 Gulden das vorliegende Bild, das Vincent van Gogh 1885 bei seinen Eltern in Nuenen zurückgelassen und das seine Schwester Anna Cornelia später wie Dutzende andere für wenige Gulden an einen Trödler verkauft hatte. Es war das zweite Van-Gogh-Werk, das Ribbius Peletier in seinen Besitz brachte; acht weitere Van-Gogh-Gemälde, darunter auch zwei Spätwerke, sollten im Laufe der Jahre folgen. Davon, daß das Frauenbildnis über fünf Jahrzehnte lang in Familienbesitz blieb, legen auch zwei Bilddokumente Zeugnis ab: Um 1903/04 ließ sich die Familie Ribbius Peletier im Salon ihres Hauses an der Maliebaan 15 in Utrecht fotografieren (Abb. 6); das Gemälde steht auf einer Staffelei am linken Bildrand. 1932 malte dann die Künstlerin Elsie Spronck das Wohnzimmer im selben Haus (Abb. 7). Dort hatte man inzwischen umdekoriert: Das Frauenbildnis hatte nun auf einem Bord über einer Tür Platz gefunden. Über die Galerie van Wisselingh in Amsterdam wurde das Gemälde zunächst nach Kanada verkauft. Mitte der 1980er Jahre fand es dann über die Zürcher Galerie Nathan zum heutigen Besitzer. Stefan Koldehoff Der Autor stellt sein Honorar der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V. zur Verfügung, die in Liebermanns Villa am Wansee bis zum 10. August 2015 die Ausstellung „Liebermann und van Gogh“ zeigt. Grisebach 06/2015 21 7 Max Liebermann 1847 – Berlin – 1935 „Gemüsemarkt in Delft“. 1907 Öl auf Leinwand. 71 x 89 cm (28 x 35 in.). Unten rechts signiert und datiert: M. Liebermann 1907. Eberle 1907/21. – [3120] Gerahmt. Provenienz: Theodor Behrens, Hamburg (erworben am 21.12.1907 in der Galerie Paul Cassirer, Berlin) / ehemals Privatsammlung, USA Ausstellung: X. Jahrgang, VI. Ausstellung. Berlin, Galerie Paul Cassirer, 1908, Kat.-Nr. 40 („Gemüseauktion in Delft II“) / Private Schätze. Über das Sammeln von Kunst in Hamburg bis 1933 (Katalog zur Ausstellung: Picasso, Beckmann, Nolde und die Moderne. Meisterwerke aus frühen Privatsammlungen in Hamburg). Hamburg, Hamburger Kunsthalle, 2001, Kat.-Nr. 93, Farbabbildung S. 110, und S. 42 m. Abbildung / Der deutsche Impressionismus. Bielefeld, Kunsthalle, 2009/10, ganzseitige Farbabbildung S. 219 Literatur und Abbildung: N. N.: Kunstausstellungen: In: Kunst und Künstler, Jg. VI, H. 6, 29.2.1908, S. 255-258, hier S. 256 / Gustav Pauli: Max Liebermann. Des Meisters Gemälde in 304 Abbildungen. Stuttgart und Leipzig, Deutsche Verlags-Anstalt, 1911 (= Klassiker der Kunst in Gesamtausgaben, Neunzehnter Band), Abbildung S. 170, Anm. S. 247 u. S. 250 / Erich Hancke: Max Liebermann. Sein Leben und seine Werke. Berlin, Bruno Cassirer, 1914, S. 451 u. S. 543 (Werkkatalog) / Erich Hancke: Max Liebermann. Sein Leben und seine Werke. Berlin, Bruno Cassirer, 2. Auflage 1923, S. 451 / Bernhard Echte und Walter Feilchenfeldt (Hrsg.): Kunstsalon Paul Cassirer. Die Ausstellungen. Band 3: „Den Sinnen ein magischer Rausch“, 1905–1908. Wädenswil, Nimbus, 2013, ganzseitige Farbabbildung S. 666, auf S. 667, 668, 671, 676, 677, 681, 683, 686 u. 687 erwähnt in den Rezensionen von Willy Pastor (Tägl. Rundschau, 7.2.1908, Nr. 32), J. Meier-Graefe (Tagebucheintrag vom 9.2.1908), Fritz Stahl (Berliner Tageblatt, 11.2.1908, Nr. 88), Ernst Kreowski (Berliner Volkszeitung, 19.2.1908, Nr. 83), Wilhelm Micheels (Berliner Neueste Nachrichten, 20.2.1908, Nr. 93), Rudolf Klein (Magdeburgische Zeitung, 23.2.1908, Nr. 98), Paul Landau (Freisinnige Zeitung, 28.2.1908), Alfred Gold (Frankfurter Zeitung, 29.2.1908, Nr. 60), Curt Glaser (Hamburgischer Correspondent, 2.3.1908, Nr. 112), und Walter Cohen (Kunstchronik N. F., 19. Jg., Nr. 21, 3.4.1908, Sp. 356 f.) € 150.000 – 200.000 $ 162,000 – 216,000 Wie auf einer Bühne dirigieren beim „Gemüsemarkt in Delft“ die Männer mit langen Stecken ihre flachen Boote aneinander vorbei. In einem einfachen Haus mit Öffnung zum Kanal warten die Händler auf die Waren. Unzählige Schaulustige verfolgen das Spektakel. „Um den Duft des Sonnenlichts auf die Gegenstände und auf die sie umgebende Luft zu malen, taucht Liebermann stets den Pinsel zuerst in das reine Weiß und dann erst in die Lokalfarbe. [...] Dadurch erzeugt er die Wirkung allgemeiner Helligkeit, in der das Hellste erst recht leuchtet.“ (Woldemar von Seidlitz, in: Cornelius Gurlitt: Die deutsche Kunst seit 1800, Berlin 1924, S. 364) Auf unserem Bild erhalten die hellen Hemden der Schiffer einen Lichtimpuls, der ihre für die Komposition wichtigen Bewegungen betont. Und aus dem bräunlich dunklen Grundton des Wassers und der Boote leuchten die Berge an Gemüse taufrisch hervor. 22 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 23 8 Lovis Corinth Tapiau/Ostpreußen 1858 – 1925 Zandvoort „Charlotte mit Wilhelmine“. 1909 Öl auf Papier. 69,2 x 51,4 cm (27 ¼ x 20 ¼ in.). Unten rechts mit Bleistift signiert und datiert: Lovis Corinth 1909. Berend-Corinth/Hernad 392. – Kleine Retuschen. [3537] Gerahmt. Provenienz: Privatsammlung / Dr. Fritz Rothmann, London / Kunsthandlung Franz Resch, Gauting / Privatsammlung, Rheinland Wir sehen die 29jährige Gattin des Künstlers, Charlotte BerendCorinth, und die am 13. Juli 1909 geborene Tochter Wilhelmine. Eine junge Mutter mit ihrem Kind – eine alltägliche, fast beiläufige Szene. Und doch spüren wir auf besondere Weise die körperliche Nähe, sehen wir das Licht, das im Gesicht des Kindes und im Haar der Frau spielt, und teilen die Intimität, die der Maler so ungezwungen und mit energischer Direktheit festhält. Ausstellung: Lovis Corinth, 1858–1925. Zürich, Kunsthaus, 1933, Kat.-Nr. 7 / Lovis Corinth. Sammlung Dr. Fritz Rothmann, London. Kassel, Staatliche Kunstsammlungen, 1963/64, Kat.-Nr. 6, mit ganzseitiger Abbildung Lovis Corinth hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen langen künstlerischen Weg zurückgelegt, war aus München nach Berlin gezogen und hatte sich als einer der wichtigsten Künstler der Berliner Secession etabliert.1904 heiratete er Charlotte Berend, die er wie auch die Kinder Thomas und Wilhelmine in zahlreichen Portraits dargestellt hat. In Berlin eignete Corinth sich zunehmend eine lockere impressionistische Malweise an. Der Drang des Malers, den Reiz des Flüchtigen unmittelbar einzufangen, zeigt sich insbesondere in den Bildnissen seiner Frau. In den Erinnerungen Charlotte Corinths erfahren wir immer wieder, wie spontan der Künstler auf momentane Situationen und Sinneseindrücke reagierte. Literatur und Abbildung: Versteigerungskatalog: Modern Paintings, Drawings and Sculpture. London, Christie’s, 21.10.1988, Kat.-Nr. 378, m. Abbildung € 80.000 – 120.000 $ 86,200 – 129,000 Corinth ergreift den Zauber des Augenblicks mit großzügigen Pinselstrichen. Körperumrisse und räumliche Umgebung deutet er nur skizzenhaft an, während er farblich modellierend betont, worauf es ihm in diesem Moment ankommt: den Kopf des Neugeborenen an der Brust der Mutter, die bergenden und unterstützenden Hände, die innige seelische Verbindung, die im Körperlichen sichtbar wird. Im Gegensatz zu dem im selben Jahr entstandenen monumentalen Familienbildnis, das sich heute im Niedersächsichen Landesmuseum Hannover befindet, steht in vorliegender Darstellung der Eindruck des Zufälligen und Unwiederholbaren im Vordergrund. Neben der Intensität und dem Ausdruck persönlicher Gefühle zelebriert der Maler hier auch den Akt der Wahrnehmung selbst: den entscheidenden Moment, der die Bildwürdigkeit und Gültigkeit eines Motives erkennt. (sch) 24 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 25 9 Max Liebermann 1847 – Berlin – 1935 Im Ruderboot. 1920er Jahre Pastell auf Papier (aus einem Zeichenblock). 23,5 x 30 cm (9 ¼ x 11 ¾ in.). Unten rechts mit Bleistift signiert: MLiebermann. Unten minimal berieben. [3048] Gerahmt. Provenienz: Dr. Hans Heymann, Berlin / Privatsammlung, Ostdeutschland / Privatsammlung, Berlin (bis 1992) / Galerie Rosenbach, Hannover / Galerie Binhold, Berlin / Privatsammlung, Berlin (1992 bei Binhold erworben, seitdem in Familienbesitz) Wüßten wir nichts über das kleine, bezaubernde Pastell, so würden wir denken: Im Ruderboot sitzt unverkennbar Max Liebermann. Es ist eine schöne Phantasie: Der Maler sitzt am Ufer des Wannsees in seinem Garten, skizziert die Segelboote auf dem Wasser, malt ein hölzernes Ruderboot dazu – und setzt sich einfach selbst dort hinein. Natürlich auch im Boot zeichnend, denn auch wenn man den Block nicht sieht, zeigt die Armhaltung, daß seine Hände nicht untätig sein können. Literatur und Abbildung: Berlin, Versteigerungshaus „Union“ (Leo Spik), 28./29.4.1937, Nr. 35 (Einlieferung unter Zwang; in der Auktion nicht verkauft) / 25. Kunstauktion: 19. und 20. Jahrhundert. Berlin, Villa Grisebach Auktionen, 30.5.1992, Kat.-Nr. 132, mit Farbabbildung € 40.000 – 60.000 $ 43,100 – 64,700 Wir danken Margreet Nouwen, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität des Pastells und für freundliche Hinweise. Der heutige Besitzer und die Erben nach Dr. Hans Heymann haben sich bezüglich dieses Werkes gütlich geeinigt. Hierdurch ist die Eigentumslage geklärt und sichergestellt, daß der Ersteigerer unumschränktes und einredefreies Eigentum an dem Pastell erhält. 26 Die Technik des Pastells kommt Liebermann in zwei Dingen künstlerisch entgegen. Zum einen erlaubt sie ein spontanes, zeichnerisches Arbeiten vor dem Sujet, das dennoch nicht auf Farbe verzichtet. Zum anderen wirken die Arbeiten lichtdurchflutet und hell. Liebermanns Palette hat sich durch die Verwendung der Pastelltechnik in der Folge auch beim Malen in Öl aufgehellt. Unsere Arbeit ist voller Licht. Silbrig blau leuchtet die Wasseroberfläche, meisterlich gibt Liebermann die Bewegung der weißen Segel wieder, indem er sie nicht als Fläche malt, sondern sie durch einzelne, nebeneinander gesetzte Striche darstellt. Wenige Striche genügen auch, um Spiegelungen auf das Papier zu bringen. Luftig leicht ist diese Freilichtmalerei. In ihr vereint sich die Wiedergabe des Natureindrucks mit einem künstlerischen Einfall. Wünschen wir dem Maler im Boot, daß er sich nicht zu sehr in die Arbeit vertieft, denn zum Ufer muß er schließlich doch selbst zurückrudern. (OH) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 27 10 Erich Heckel Döbeln 1883 – 1970 Radolfzell am Bodensee „Alsterlandschaft“ (Die Alster bei der Mellingburger Schleuse). 1913 Öl und Tempera auf Leinwand. 69,5 x 79 cm (27 ⅜ x 31 ⅛ in.). Unten rechts monogrammiert und datiert: EH 13. Rückseitig in Schwarz signiert: Erich Heckel. Hüneke 1913-29 (in Vorbereitung) / Vogt 1913/45. – Farben im Rahmenausschnitt leicht geblichen. [3253] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Prof. Dr. Richard Hessberg, Essen (bis 2010 Depositum im Museum Folkwang, Essen) Ausstellung: Erich Heckel 1883–1970. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Graphik. Essen, Museum Folkwang, und München, Haus der Kunst,1983/1984, Kat.-Nr. 41, mit Farbabbildung / Hamburger Ansichten. Maler sehen die Stadt. Hamburg, Hubertus-Wald-Forum in der Hamburger Kunsthalle, 2009/2010, Kat.-Nr. 50, Farbabb. S. 175 („Die Alster bei der Mellingburger Schleuse“) € 250.000 – 350.000 $ 269,000 – 377,000 28 Heckel siedelte 1911 von Dresden nach Berlin über. Der als ruhig und maßvoll beschriebene Maler suchte in der Großstadt weniger nach neuen Bildmotiven, obgleich er aus Straßenschlucht und Hochbahnviadukten eine düster-statische Komposition (Straße in Berlin, 1911) schuf. In Berlin erhofften sich Heckel, Kirchner und die anderen Brücke-Künstler ein größeres Publikum, bessere Ausstellungsmöglichkeiten, geschäftlichen Erfolg und engere Kontakte zu Galeristen und Förderern. Inspiration fand der Maler weiterhin eher in der Natur: Die Sommermonate der folgenden Jahre verbrachten der Maler und seine Frau auf Hiddensee, Fehmarn, dem Darß und auf Sylt. Über die Reisen schrieb Heckel an den Freund Walter Kaesbach: „Ich sammle Vorräte, Material.“ (Zit. nach: Anton Henze: Erich Heckel. Leben und Werk. Stuttgart 1983, S. 46) Im Sommer 1913 wandert Heckel mit seiner Frau, der Ausdruckstänzerin Sidi Riha, durch Schleswig-Holstein. In Osterholz an der Flensburger Förde mieten sie ein Häuschen, das zum ersehnten Rückzugsort wird. Von dort aus statten sie dem Förderer und Freund Gustav Schiefler auf dessen Landsitz in Mellingstedt im Alstertal einen Besuch ab. Das Glück und die Lebensfreude dieses Sommers sprechen aus der „Alsterlandschaft“. Die wilden Farbstürme der Dresdener Jahre weichen hier einer neuen Intensität. Heckel verdünnt nun die Ölfarben mit Benzin, sie werden immaterieller, doch leuchtender. Der Maler legt nur wenige Flächen an: ein Stück Wiese, einen Erdhang. Der Rest wird mit kurzem, in alle Richtungen ausgreifenden Pinselstrichen erfaßt. Immer wieder bleiben Teile der Leinwand frei. Werner Haftmann sagte über die Kunst Heckels, „daß er noch in der Erregung eine geheime Überlegenheit bewahrte“ (Zit. nach: Paul Vogt: Geschichte der deutschen Malerei im 20. Jahrhundert, Köln 1976, S. 39). Bei aller Frische und Spontaneität ist die malerische Umsetzung der Spiegelungen im Fluß höchst kunstvoll: Selbst die Leerstellen auf der Leinwand werden Teil der Wasseroberfläche. (OH) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 11 Emil Nolde Nolde 1867 – 1956 Seebüll „Landschaft mit Kirche (gelb und violett)“. Um 1931 Aquarell auf Japan. 19,7 x 15,4 cm (7 ¾ x 6 ⅛ in.). Unten rechts mit Feder und dunkler Tinte signiert: Nolde. Das Aquarell war ursprünglich eingeklebt in das hier beigegebene Buch: Emil Nolde: Das eigene Leben. Ohne Ort und Verlag, 1931 (numeriertes Künstlerexemplar im goldgeprägten grünen Halbledereinband mit grauem Leinenbezug). Mit einer Expertise von Prof. Dr. Manfred Reuther, Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, vom 20. April 2015. – [3524] Provenienz: Privatsammlung, Nordrhein-Westfalen € 60.000 – 80.000 $ 64,700 – 86,200 Emil Noldes Aquarellmalerei erfuhr zweimal einen radikalen Wandel: Die frühesten, rein deskriptiven Arbeiten waren noch geprägt von einer „intimen, aber etwas kleinlich tiftelnden Art“, so der Maler selbst, geboren aus einer „äußerlich gesehenen abschreibenden Naturfreude“. 1908 dann gelangte er zu einer „freieren, breiteren und flüssigen Darstellung, die ein besonderes, gründliches Verstehen und Eingehen auf Struktur und Art der Papiere und die Möglichkeiten der Farbe erfordert, aber vor allem wohl doch die Fähigkeit der sinnlichen Einstellung des Auges“ (Emil Nolde: Reisen, Ächtung, Befreiung. Köln 1988, S. 27). Anfang der zwanziger Jahre erfolgte dann schrittweise die gänzliche Hinwendung zur Farbe als autonomem Ausdrucksträger, was eine grundlegend veränderte Arbeitsweise zur Folge hatte. Nicht mehr das Motiv bestimmte, was auf dem Papier entstand, sondern allein die scheinbar willkürlich aufgetragenen, intensiven Farben. Verläufe, Flecken, Abdrücke und Wasserränder evozieren Gesichter, Phantasiegestalten, Landschaften oder Meere, die Nolde in einem letzten Arbeitsschritt mittels Tuschfeder oder –pinsel präziser in Erscheinung treten läßt. Dem Zufall kommt bei diesem Prozess eine entscheidende Rolle zu, der Künstler beugt sich bereitwillig und lustvoll dem Diktat der Farben. Unser kleinformatiges Blatt ist mit seiner berauschenden Farbigkeit ein herausragendes Beispiel für Noldes Aquarellmalerei um 1930. Die Komplementärfarben Gelb und Violett beherrschen das fulminante Himmelsgeschehen, das wie ein bedrohlicher Gewittersturm über einem Bergsee anmutet. Kühle Blau- und Grüntöne dagegen bestimmen den schmalen, fest umgrenzten Streifen Land im unteren Bilddrittel, in den mit filigranem Federstrich eine Kirche mit Nebengebäude eingezeichnet ist. Deren rote Ziegeldächer sorgen für einen zusätzlichen, delikaten Farbakzent. Der Gegensatz zwischen großflächigem, von enormem künstlerischen Selbstbewußtsein zeugenden Farbauftrag und kleinteiliger, fast schon kalligraphischer Federzeichnung macht den Reiz der Aquarelle aus Noldes Reifephase aus. Daß er dieses kleine Blatt besonders geschätzt haben muß, belegt die Tatsache, daß er es in einen Vorzugsband seiner Autobiographie „Das eigene Leben“ von 1931 eingeklebt hat. Diese Bände wurden – oft mit persönlicher Widmung versehen – nur engsten Freunden und treuen Wegbegleitern als Geschenk überreicht. (AF) 30 Grisebach 06/2015 (Abbildung in Originalgröße) Grisebach 06/2015 31 12 Emil Nolde Nolde 1867 – 1956 Seebüll „Tulpen (rot und violett) in einer blauen Vase“. Um 1930 Aquarell auf Japan. 33,7 x 47 cm (13 ¼ x 18 ½ in.). Unten rechts mit Feder und dunkler Tinte signiert: Nolde. Mit einer Expertise von Prof. Dr. Manfred Reuther, Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, vom 20. April 2015. – [3033] Gerahmt. Provenienz: Privatsammlung, Norddeutschland Ausstellung: Blume und Stilleben. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Graphik. Berlin, Galerie Pels-Leusden, 1985/86, Kat.-Nr. 89, Farbabb. (Faltblatt) Literatur und Abbildung: Auktion 254. Hamburg, Hauswedell & Nolte, 8./9. Juni 1984, Nr. 1217a, Farbabb. Tf. 19 € 80.000 – 100.000 $ 86,200 – 108,000 In diesem Tulpenaquarell spielt Emil Nolde seine ganze Könnerschaft aus – er läßt die Farben verlaufen, so daß sie organisch werden, aber in ihrer nahezu abstrakten inneren Struktur weisen die Blüten zugleich weit über ein bloßes Abbild hinaus. Vor allem aber gelingt es Nolde hier durch seine Komposition, also den Blick von halb oben auf die Vase und die Anschnitte rechts und links, den Strauß zu einer energiegeladenen Ballung von Rot, Blau und Lilatönen zu verdichten. Unterstützt wird die innere Tektonik der Komposition vor allem durch die beiden gut sichtbaren Stiele der Tulpen in der linken Bildhälfte, die sich biegen wie die Kiele eines aufgespannten Regenschirms. Die dünnen Stengel scheinen die opulente Blütenpracht kaum tragen zu können und neigen sich unter deren Last zu Boden. So kommt es, daß sich das komplementäre Blattgrün des Straußes erst im oberen Bilddrittel entfaltet. Gemeinsam bilden sie ein kühles, vertikales Gegengewicht zu dem sattfarbigen Oval der Blüten. Dieses kompositorische Grundmotiv greift auch die farblich dezente Gestaltung des Hintergrundes auf. Ein zartes Gelb bereichert die Farbpalette am rechten Bildrand in Form von Astern oder Orchideenblüten. Die Tulpe ist in Noldes Blumenmalerei die Blume, die am häufigsten auftaucht. Fotografien aus dem Hause Nolde und der Berliner Atelierwohnung belegen die hohe Wertschätzung des Malers für die Tulpe in all ihren unterschiedlichen Varianten, solange deren Blüte einfarbig ist. Mehrfarbige Züchtungen wurden gemieden. Ihre Wiedergabe im Aquarell hätte eine kleinteiligere Malweise erfordert und widersetzte sich der von Nolde bevorzugten großflächigen Malweise in der für ihn so typischen Naß-in-Naß-Technik. In unserem Aquarell reihen sich die schweren, fast kreisrunden Tulpenblüten wie in einer innerlich leuchtenden, rot-violetten Farbgirlande aneinander. (AF) 32 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 33 13 Karl Schmidt-Rottluff Rottluff 1884 – 1976 Berlin Stilleben. 1913 Öl auf Leinwand. 65 x 73 cm (25 ⅝ x 28 ¾ in.). Unten links signiert und datiert: S. Rottluff 1913. Das Gemälde ist im Archiv der Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung, Berlin, dokumentiert. – [E] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Herbert Eulenberg, Düsseldorf (Geschenk des Künstlers) Ausstellung: 1913. Bilder vor der Apokalypse. Kochel, Franz Marc Museum, 2013, ganzs. Farbabb. S. 57 € 300.000 – 400.000 $ 323,000 – 431,000 Von der realistischen, „täuschend echten“ Naturnachahmung zum gleichnishaften Sinnbild und zur reinen Form: Das Motiv des Stillebens wandelte sich mit dem Zeitgeist in der Kunst und dem jeweiligen Verständnis von Realität und Abbild, Sein und Schein. Die Klassische Moderne hauchte dann den Gefäßen, Blumen und Früchten ein Leben jenseits der Natur ein. Unser „Stilleben“ gehört einer Schaffensphase Karl Schmidt-Rottluffs an, die ganz im Bann der Abstraktion, der Vereinfachung und Vertiefung stand. Die Eruptionen der frühen „Brücke“-Jahre sind dem konzentrierten Blick und der Suche nach der großen umfassenden Form gewichen. Wir blicken in leichter Aufsicht auf die Objekte, die sich rhythmisch um eine Kanne gruppieren. Der Künstler vertraut ganz auf die Ausdruckskraft weniger Farben und verzichtet weitgehend auf die Wiedergabe von Details – umso betörender die Wirkung der einzelnen tiefblauen Blume. Der ungewohnte Bildausschnitt drängt die Objekte an den Rand, beschneidet ihre Formen. SchmidtRottluff malt uns die Gegenstände fremd. Nicht durch übermäßige Verzerrung, sondern indem er die scheinbar eindeutige Perspektive subtil bricht und die Formen soweit wie möglich reduziert, zum Teil bis zur Unkenntlichkeit. Wir sehen einfache Elemente wie Kreisformen, Scheiben, schwungvolle Konturen, fein ausbalancierte Farbflächen, deren Verhältnis zueinander die innere Spannung des Bildes erzeugt. Das Ganze ist von äußerster Raffinesse, keine ausdrucksgeladene Geste, wie wir sie mit dem Begriff „Expressionismus“ zumeist in Verbindung bringen, sondern Charakterisierung durch schärfste Beobachtung. Wir sollen nicht Vertrautes wiedererkennen, wir sollen die wundersame Schönheit entdecken, die Intensität und Klarheit, die zum Vorschein kommt, wenn man den Schleier lüftet. „Expression“ speist sich hier mehr aus dem Geistigen als aus dem Emotionalen – und hat dennoch eine große Seele. Das Bild ist ein Geschenk des Künstlers an die Familie des Schriftstellers Herbert Eulenberg (1876-1949), der seinerseits die geistigen Strömungen der Zeit mit seinem Schaffen begleitet hat. Eulenbergs romantisch-expressionistische Bühnenwerke und Dramen zeichnen sich durch ein hohes Maß an Subjektivität und Gefühl aus, er selbst konnte sich nach eigener Aussage „manchen Gemälden wie Menschen hingeben“ (zit. nach: H. Eulenberg, So war mein Leben, Düsseldorf 1948). (sch) 34 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 35 14 Hermann Max Pechstein Zwickau 1881 – 1955 Berlin Blick auf Dorf mit Kirchturm (Leba). 1921/22 Aquarell über Kreide auf Papier. 49 x 59 cm (19 ¼ x 23 ¼ in.). Unten rechts mit Bleistift signiert (ligiert): HMPechtstein. Restaurierter Einriß. [3537] Gerahmt. Provenienz: Kunsthandel Wolfgang Werner, Bremen (1983) / Galerie Rosenbach, Hannover / Privatsammlung, Rheinland Ausstellung: Aquarelle der Brücke. Berlin, Brücke-Museum, 1995/96, Kat.-Nr. 105 mit ganzs. Farbabb. € 40.000 – 50.000 $ 43,100 – 53,900 „In dem Friedensvertrag [nach dem Ende des Ersten Weltkriegs] wurde bei Nidden die Grenze gezogen. Der Ort kam zu Litauen; also mußte ich mich trennen und mich erneut auf die Suche nach einem Fleck Erde begeben, der nicht von Malern, Touristen und Badegästen überlaufen war. Im April 1921 machte ich mich allein, nur mit dem nötigsten Material im Rucksack, auf die Suche. Ich hatte der Karte nach in Ostpommern eine ähnliche Nehrung zwischen dem Leba-See und der Ostsee ausfindig gemacht. Zu Fuß streifte ich die Ostseeküste, nach Westen marschierend, ab. Ich entschloß mich zuletzt, in Leba mein Standquartier zu errichten. Wenngleich dort andere Menschen, andere Fischertypen lebten, so wiesen doch die große Londsker Wanderdüne und das weit ausgebreitete Dünengelände eine gewisse Ähnlichkeit mit der Kurischen Nehrung auf, die mich bewog, hier zu arbeiten. Die darauffolgenden Jahre blieb es dabei, und ich habe es nicht bereut. Ich lernte diese Küste nicht nur schätzen, sondern auch lieben. Sei es nun, daß ich auf meinen Streifzügen weiter ins Land hinein, ins ‘blaue Ländchen’ kam, in herrliche Wälder, zwischen denen verborgene Seen aufblitzten und sprudelnde Flüsse und Bäche sich durch die Landschaft schlängelten. [...] Dabei ruhte der Stift nicht. Alles, was ich sah und um mich erlebte, wurde unerbittlich festgehalten und wie die erbeuteten Forellen, Lachse, Hechte und Aale nach Hause getragen. Ich erhielt dadurch eine Sicherheit, die mich nicht versinken ließ in dem Zusammenbruch nach dem Kriege.“ (Max Pechstein: Erinnerungen. Wiesbaden, Limes Verlag, 1960, S. 107f.) 36 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 37 15N Hermann Max Pechstein Zwickau 1881 – 1955 Berlin „Ein Sonntag“. 1921 Öl auf Leinwand. 80 x 100 cm (31 ½ x 39 ⅜ in.). Unten rechts signiert (ligiert): HMPechstein. Rückseitig in Schwarz mit Werknummer bezeichnet, betitelt und signiert: 1921 (12 Ein Sonntag HMPechstein. Soika 1921/14. – [3453] Gerahmt. Provenienz: Dr. Walter Minnich, Montreux (um 1921 beim Künstler erworben, bis 1937) / Kunstmuseum, Luzern (1937 als Schenkung von Walter und Alice Minnich erw., Inv.-Nr. KH 320, „Sonntag, Kornfeld“) / Kunsthändler Gerhard Brauer, Amsterdam (1964 vom Kunstmuseum Luzern erw., bis 1969) Kunsthandel, Hamburg (erw. 1969) / Privatsammlung, Schweiz Ausstellung: Max Pechstein. Zürich, Kunsthaus, 1923, Kat.-Nr. 65 („Sonntagmorgen, Kornfeld“) (?) Literatur und Abbildung: Auktion 508: Kunst des XX. Jahrhunderts. Köln, Kunsthaus Math. Lempertz, 4./5.12.1969, Kat.-Nr. 4869, Abb. Tf. 2 / Isabel Greschat und Christoph Lichtin (Hrsg.): Der Sammler Walter Minnich und das Kunstmuseum Luzern. Pechstein, Melzer, Soutine, Terechkovitch [anläßlich der Ausstellung „Modell für ein Museum’“, Luzern, Kunstmuseum, 2006/07]. Heidelberg, Kehrer Verlag, 2006, S. 38, Anm. 74 € 500.000 – 700.000 $ 539,000 – 754,000 38 Die politische Nachkriegsordnung zwang Pechstein 1921, sich einen neuen Ort für die sommerlichen Arbeitsaufenthalte zu suchen. Er fand ihn in Leba, an der pommerschen Ostseeküste. An Freunde schreibt er: „Neue Landschaft, neue Menschen, ich habe mich hineingefressen. [...] Dazu habe ich das Ackerland hinten, also ein bedeutend breiteres Arbeitsfeld als in Nidden.“ (Zit. nach: Ausst.-Kat. Max Pechstein. Sein malerisches Werk, Brücke Museum Berlin, Berlin 1996, S. 21) Unser Gemälde ist ein großartiges Zeugnis für die Inspiration, welche die neue Landschaft in dem Maler weckte. Zwischen Getreidefeldern schreitet ein Mensch auf einem gewundenen Weg in die Tiefe der hügeligen Landschaft. Durch Wolkenlücken brechen Sonnenstrahlen und tauchen alles in goldenes Licht. Wie schon in seinen früheren Arbeiten sind die Farben bei Pechstein weniger Emotion und Ausdrucksverlangen, sondern voll des sinnlichen Natureindrucks. Die Welt war ihm nicht Gleichnis, sondern Gegenwart. Pechstein liebte es, Lichteindrücke wiederzugeben. Spiegelungen, Sonnenuntergänge: Kaum einer seiner expressionistischen Malerfreunde vermochte es so eindringlich wie Pechstein, den Natureindruck so glanzvoll zu überhöhen. Während Schmidt-Rottluff das Naturvorbild deutlich erkennbar zum Zeichen reduziert, wirkt die Vereinfachung der Dinge bei Pechstein so organisch, daß man als Betrachter kaum irritiert ist. Haben wir nicht alle jene durch die Wolken brechenden Sonnenstrahlen schon einmal genau so gesehen wie auf dem Gemälde? Die Komposition ist ganz aus der Farbe heraus entwickelt. Unser Bild besteht lediglich aus Gelb, Grün und Blau. Blockhaft sind die Feldstreifen horizontal geschichtet. Sonnenstrahlen und Weg sorgen für vertikale und diagonale Gegenbewegungen. In leuchtender Fülle sind die Töne auf die Leinwand gebracht. Der Betrachter spürt die Freude des Malers vor dem Motiv, seine nach den Entbehrungen des Krieges wiedergewonnene Lebensfreude. (OH) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 16 Hermann Max Pechstein Zwickau 1881 – 1955 Berlin „Ein grauer Morgen“. 1940 Öl auf Leinwand. 79,5 x 100,5 cm (31 ¼ x 39 ⅝ in.). Unten rechts signiert (ligiert) und datiert: HMPechstein 1940. Rückseitig in Schwarz betitelt, signiert und bezeichnet: Ein grauer Morgen HMPechstein Berlin W. 62. Kurfürstenstr. 126. Nicht bei Soika. – Mit einem kunsthistorischen Gutachten von Prof. Dr. Aya Soika, Berlin, vom 8. April 2015. – [3474] Gerahmt. Provenienz: Privatsammlung, Berlin (bis 1995) / Privatsammlung, Deutschland (durch Erbschaft vom Vorbesitzer) € 70.000 – 90.000 $ 75,400 – 97,000 Nach der bewegten „Brücke“-Zeit in Dresden und Berlin entdeckte Max Pechstein zu Beginn der 1920er Jahre die Abgeschiedenheit der pommerschen Landschaft für sich. Vor allem die Gegend rund um den Garder See faszinierte ihn. Immer wieder fuhr er für Monate an die Ostsee. Ab 1939 zog er sich ganz dorthin zurück und blieb im Badeort Leba. Hier konnte er sich seiner Kunst widmen, ohne Nachstellungen durch die Nationalsozialisten befürchten zu müssen. Als das Gemälde „Ein grauer Morgen“ entstand, war der Zweite Weltkrieg bereits in vollem Gange. Doch auf den ersten Blick deutet nichts in diesem Bild darauf hin. Pechstein scheint beim Malen buchstäblich in die Natur eingetaucht zu sein. Seine Staffelei hat der Künstler direkt ans Ufer gestellt, so daß das Schilf im Vordergrund ihn nahezu umschließt, wie wenn er darin Schutz suchte. Virtuos hat Max Pechstein die frühmorgendliche Stimmung eingefangen. In der rechten oberen Ecke der Leinwand lassen die ersten Sonnenstrahlen die Wolken am Himmel erstrahlen. Über dem Rest liegt noch das verblassende Blau der Nacht. Dennoch ist das Gemälde von einer eigentümlichen Spannung durchdrungen. Sie ergibt sich vor allem durch die unterschiedliche malerische Behandlung der einzelnen Bereiche. Im Lauf der Jahre hatte sich Pechstein zunehmend von seinen expressionistischen Anfängen entfernt. Beim „Grauen Morgen“ scheint er noch einmal darauf zurückzugreifen. Spitzen Stacheln gleich, mit scharfen Widerhaken bewehrt, ragen die Schilfrohre fast bedrohlich aus dem Wasser. Sie stehen damit in einem deutlichen Kontrast zum Sfumato des Mittel- und Hintergrundes – als wollte der Künstler dadurch zum Ausdruck bringen, daß auch hier, am vermeintlich friedlichen Garder See, die Idylle brüchig geworden ist. (UC) 40 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 41 17N Ernst Ludwig Kirchner Aschaffenburg 1880 – 1938 Davos „Portrait Bosshart“. 1922 Öl auf Leinwand. 70 x 60 cm (27 ½ x 23 ⅝ in.). Rückseitig mit dem Stempel und der mit Pinsel in Schwarz eingetragenen Registriernummer: NACHLASS E. L. KIRCHNER Da/Ba 47. Gordon 698 (datiert „1921-23“). – Kleine Retuschen. [3512] Gerahmt. Provenienz: Nachlaß des Künstlers (1968) / Familienstiftung Benvenuta, Vaduz (2000) / Privatsammlung, Schweiz Ausstellung: Ernst Ludwig Kirchner. Werke aus dem Nachlaß, zum ersten Male in Deutschland, aus Anlaß seines 70. Geburtstages 1950. Hamburg, Kunstverein; Hannover, Kestner-Gesellschaft; Bremen, Kunsthalle, und Wuppertal, Städtisches Museum, 1950/51, Kat.-Nr. 24 / Ernst Ludwig Kirchner. Lugano, Museo d’Arte Moderna, Villa Malpensata, 2000, Kat.-Nr. 68, m. Abb. € 250.000 – 350.000 $ 269,000 – 377,000 Ernst Ludwig Kirchner als Portraitmaler? Es ist immer noch zu wenig bekannt, daß in Kirchners malerischem und vor allem graphischem Werk zahlreiche Bildnisse vorkommen, die künstlerisch zu den herausragenden Arbeiten seiner Kunst zählen. So hat er nicht nur in der „Brücke“-Zeit die Freundinnen Fränzi, Marcella und Dodo häufig dargestellt, sondern auch während seiner ganzen Schaffenszeit Menschen seiner Umgebung und Bekanntschaft in Bildnissen gedeutet, unter anderen die Schriftsteller Alfred Döblin, Carl Sternheim und Leonhard Frank und die Maler Erich Heckel, Oskar Schlemmer und Otto Mueller. Zu dieser Reihe gehören auch die Portraitstudien und das Gemälde des Schweizer Dichters Jakob Bosshart (1862–1924). Kirchners gezeichnete und gemalte Bildnisse sind keine Auftragsarbeiten und keine Abbilder der äußeren Erscheinung der portraitierten Personen. Sie beruhen auf dem inneren Bild, das sich der Künstler vom Wesen des Dargestellten machte. Sie wollen durch die Maske, die jeder trägt, hindurchschauen auf den wahren Menschen. Im Gegensatz zur Photographie geben sie auch keinen Augenblicksmoment wieder, sondern sie enthalten im besten Fall einen Teil der Biographie, die sich in das Gewordensein des Gesichts eingeschrieben hat. Das Problem, das mit dem Portrait gelöst werden muß, ist, für die Wesensschau eine Form zu finden, mit der sich sowohl ein stimmiges Bild gestalten als auch die 42 Personendeutung für den Betrachter verstehbar ausdrücken läßt. Für seine vielen Portraits hat Kirchner jeweils eine eigene, charakteristische Form gefunden, so daß es keine Wiederholungen gibt. Seine Erfindung neuer Bildzeichen (Hieroglyphen) entspricht der Einmaligkeit jedes Einzelnen der Dargestellten. Kirchner lernte Jakob Bosshart im Herbst 1921 in der Zürcher Heilstätte Davos Clavadel kennen. Bald entwickelte sich ein für beide inspirierendes, freundschaftliches Verhältnis. Jakob Bosshart sah Kirchners kleine Holzschnitte zu Georg Heyms Gedichten „Umbra vitae“ und wünschte sich auch Illustrationen zu seinen Erzählungen, die dann 1923, bebildert mit 22 folkloristischen Text-Holzschnitten von Kirchner, unter dem Titel „Neben der Heerstraße“ erschienen. In einem Brief an Gustav Schiefler hebt Kirchner die Menschenfreundlichkeit und „unglaubliche Güte“ Bossharts hervor. Diese Charakterzüge sollten auch in das Portrait eingehen. In vielen Zeichnungen und Skizzen und einer lockeren Strichätzung (Dube R 386) hat Kirchner das Portrait eingeübt. Aber gegenüber den Strichzeichnungen erforderte das Gemälde eine Umsetzung in flächige Formen. Zunächst ist die rigorose Großformigkeit befremdlich, mit der das Gesicht als homogene Farbfläche, akzentuiert durch das massive Brillengestell und den bogenförmigen Schnauzbart, gemalt ist. Aber gerade dadurch erreicht Kirchner den Ausdruck einer souveränen Ruhe und Gelassenheit im Bildnis des Schriftstellers. Die leichte Wendung des Kopfes und der lebhafte Blick drücken seine gespannte Aufmerksamkeit und Anteilnahme aus. Man glaubt auch, in dem Gemälde den Pädagogen zu erkennen. Jakob Bosshart hat sechzehn Jahre lang als Rektor des Kantonsgymnasiums Zürich gewirkt. Der entschiedene Ausdruck des Mundes, gemalt als gerader Strich im Oval der wulstigen Lippen, läßt keinen Zweifel daran, daß er dieser Leitungsfunktion gewachsen war. Das Gesicht des 60jährigen wird eingerahmt vom weißen Kopf- und Barthaar, das dem Dichter die Abgeklärtheit des Alters gibt. Kirchner hat den Kopf vor den Hintergrund der Clavadeler Bergwelt gesetzt. Die Farben und Formen der Gebirgslandschaft, in ähnlichen Nuancen wie die des Gesichts und der Haare, binden den Kopf in die Komposition des Bildganzen. Das „Portrait Bosshart“ ist ein Bildnis der Freundschaft, das Ernst Ludwig Kirchners Sympathie für den Dichter widerspiegelt und die unsrige weckt. Günther Gercken, Lütjensee Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 43 18 Georg Kolbe Waldheim/Sachsen 1877 – 1947 Berlin „Kniende“. 1926 Bronze mit goldbrauner Patina. Höhe: 54 cm (21 ¼ in.). Auf der linken Fußsohle monogrammiert (ligiert): GK. Darunter der Gießerstempel H.NOACK BERLIN. Vgl. Berger 87. – Mit einem Gutachten von Dr. Ursel Berger, Berlin, vom 12. Januar 2015. – Einer von ca. 20 posthumen Güssen. [3151] Provenienz: Privatsammlung, Baden-Württemberg € 40.000 – 60.000 $ 43,100 – 64,700 Zuerst wollte der junge Georg Kolbe Maler werden. Nach ersten Studien und mehreren Auslandsreisen, unter anderem nach Paris und Rom, führten Louis Tuaillon und August Gaul Georg Kolbe zur Bildhauerei. Die frühen Plastiken Georg Kolbes stehen in akademischer Tradition, zeigen aber auch Elemente des Jugendstils. Strengere Figuren folgen, die mit sparsamen Mitteln größtmöglichen Ausdruck erzielen sollten. Gebrochene Konturen und lebhafte Körpersprache zeigen dann den Einfluß des Expressionismus. Später wandte sich Kolbe wieder der griechischen Plastik der Antike, Auguste Rodin und Aristide Maillol zu. Sein ausgesprochenes Interesse für den Tanz führte zu einer großen Zahl von Tanzdarstellungen. Aber auch in anderen Werken führte Kolbe die Beweglichkeit des Körpers vor. „Mit dieser ,Knienden‘ begann Kolbes reifes Werk. Ihre Ruhe ist nicht mit Entspanntheit gleichzusetzen: Die Arme sind leicht abgespreizt, die Hände gedreht, der Kopf zur Seite gewendet, die Füße berühren nur mit den Zehen den Boden. Eine innere Spannung scheint die junge Frau zu erfüllen. Ihre Haltung, ihr sensibles Gesicht mit den halbgeschlossenen Augen wie auch die vibrierende Oberfläche tragen dazu bei, daß die Figur beseelt wirkt. Seit Herbst 1926 waren Bronzegüsse der ,Knienden‘ in zahlreichen Ausstellungen zu sehen, zuerst vermutlich auf der Biennale von Venedig 1926. Auffallend ist, daß die besinnlichen Frauengestalten aus der Mitte der zwanziger Jahre die größte Resonanz bei Sammlern fanden.“ (Ursel Berger, in: Georg Kolbe 1877-1947. Ausst.-Kat. Georg Kolbe Museum Berlin, 1997/98, S. 113-114) 44 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 45 19N Karl Schmidt-Rottluff Rottluff 1884 – 1976 Berlin „Regenbogen über der Bucht“. 1956 Öl auf Holz. 87,5 x 101,5 cm (34 ½ x 40 in.). Unten rechts signiert: S. Rottluff. Rückseitig mit Pinsel in Schwarz signiert, betitelt und mit der Werknummer bezeichnet: Schmidt=Rottluff „Regenbogen über der Bucht“ ((5619)). Nicht mehr bei Grohmann. – Das Gemälde ist im Archiv der Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung, Berlin, dokumentiert. – [3505] Gerahmt. Provenienz: Galerie Wilhelm Grosshennig, Düsseldorf (1961, 1969) / Privatsammlung (ab 1972) / Galerie Margret Heuser, Düsseldorf (1995) / Privatsammlung, Schweiz Ausstellung: Schmidt-Rottluff – Gemälde aus den letzten 15 Schaffensjahren. Sonderausstellung. Düsseldorf, Galerie Wilhelm Grosshennig, 1961, S. 15 / Sonderausstellung Schmidt-Rottluff. Gemälde aus den Jahren 1907-1961. Düsseldorf, Galerie Wilhelm Grosshennig, 1969, Farbabb. S. 23 € 140.000 – 180.000 $ 151,000 – 194,000 46 Sierksdorf an der Lübecker Bucht war ab 1951 der letzte Rückzugsort von Schmidt-Rottluff an der Ostsee. In Nidden an der Kurischen Nehrung hatte der Maler vierzig Jahre zuvor zu der für ihn typischen Malerei gefunden. Alte Motive wie Akte im Freien, Fischerboote, einzelne Bäume – all dies sah er in Sierksdorf neu. Er schuf Kürzel für die Seinswelt, reduzierte Formen, die dennoch alles Wesentliche enthielten. Dissonante Farbtöne prallten in seinen Bildern aufeinander und steigerten die Gegenstände zu einer kraftvollen Monumentalität. Man spürt den Einfluß der ungegenständlichen Malerei des Informel und des Abstrakten Expressionismus. Die Dinge werden zu immer stärker vereinfachten Bildzeichen. Indem Schmidt-Rottluff sie durch Konturen trennt, die oft farblich vom Gegenstand abgelöst sind, werden aus seinen Werken strenge Kompositionsgefüge aus Formen und Farbe. Von der Steilküste blickt der Betrachter über die Bucht auf das gegenüberliegende Ufer. Vor düsteren Wolken erscheint ein Regenbogen. Bäume, Steilküste und Blumen sind nur noch als Chiffren erkennbar. Die kompositorisch vermittelnde Wasserfläche ist lediglich durch mehrere Bögen angedeutet. Die Farbklänge des Vorder- und Hintergrundes können sich umso wirkungsvoller entfalten. Im Vordergrund steht ein warmer Akkord aus Ocker und Gelb einem kalten aus Türkis und Rosa gegenüber. Hinreißend gemalt, zieht ein türkisfarbenes Band in den warmen Akkord. Etwas aufgehellt taucht das Türkis vor dem Küstenstreifen wieder auf. Der Einsatz der Farbe folgt bildnerischen Gesetzmäßigkeiten und konstituiert so den Bildraum. Asketisch in der Form, doch ganz frei in der Farbigkeit, findet der über siebzigjährige Schmidt-Rottluff in den späten Arbeiten zu einer zeitlos schönen Malerei. (OH) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 47 20 Ernst Barlach Wedel 1870 – 1938 Rostock „Die lesenden Mönche III“. 1932 Bronze mit brauner Patina. Höhe: 58 cm (22 ⅞ in.). Rechts unten signiert und datiert: E Barlach 1932. Darunter der Gießerstempel: H.NOACK BERLIN. Laur 528. – Einer von 19 seit 1950 entstandenen Bronzegüssen. [3539] Provenienz: Privatsammlung, Süddeutschland (erworben 1954) Ausstellung: Ernst Barlach. Artist of the North. Eine Ausstellung der Ernst Barlach Gesellschaft, Hamburg, und der Ernst Barlach Stiftung, Güstrow, im Rahmen von Ars Baltica. Rostock, Kunsthalle; Gdańsk, Museum Narodowe; Helsinki, Ateneum; Wedel, Ernst Barlach Museum, und Aalborg, Nordjyllands Kunstmuseum, 1998-2000, ganzseitige Farbabbildung S. 220 € 40.000 – 60.000 $ 43,100 – 64,700 48 Nach der Rußlandreise des Jahres 1906 entwickelte Ernst Barlach die Formensprache seiner Skulpturen: blockhafte Gestalt, geschlossene Konturen und wenige, deskriptive Einzelheiten. Damals fand der Künstler eine Verbindung zwischen innerer Empfindung und Stimmung des Menschen mit seiner äußeren Körperlichkeit. Ähnlich der mittelalterlichen Bildhauerkunst, die Barlach ebenfalls geprägt hat, berühren seine stillen Bildwerke Grundfragen menschlichen Seins und werden intuitiv verstanden. Ausgebildet an der Hamburger Kunstgewerbeschule und der Akademie in Dresden, brachte die erwähnte Reise Barlach in seiner Kunst entscheidend vorwärts. 1909 übersiedelte er, von einem Italienaufenthalt zurückgekehrt, nach Güstrow und widmete sich der Plastik, der Literatur und später auch graphischen Arbeiten. Vom Gedankenaustausch mit anderen Künstlern hielt Barlach sich weitgehend fern, er hatte auch kein Lehramt inne. Wie viele seiner Zeitgenossen begrüßte Barlach den Ersten Weltkrieg zunächst als eine Möglichkeit, soziale Veränderungen zu bewirken, die er seit langem ersehnt hatte. Schnell jedoch wurde er dieser Illusion beraubt und wandte sich gegen jede Form von Aggression. Im Umfeld der dramatischen Ereignisse dieser Jahre wurde die Gebärdensprache seiner Skulpturen weiter verknappt und zusammengefaßt. Eine erste Ausstellung 1917 im Kunstsalon Cassirer stieß bei Publikum und Kritik noch auf wenig Zustimmung, eine weitere am gleichen Ort brachte Barlach 1926 endlich den verdienten Erfolg. „Bei keinem Künstler des Expressionismus sind wir so schnell mit dem Wort deutsch bei der Hand wie bei Barlach. [...] Formvereinfachung, Suche nach dem Kreatürlichen und Verzicht auf komplizierte intellektuelle Inhalte waren das Anliegen einer ganzen Generation. Barlach verband dies mit einer zunehmend religiösen Weltschau, und darin mögen wir das spezifisch Deutsche erkennen.“ (Angela Schneider, in: Kunst des 20. Jahrhunderts, Nationalgalerie Berlin, o.J., S. 22) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 49 21 Alexej von Jawlensky Torschok 1864 – 1941 Wiesbaden „Große Meditation“. Um 1936/37 Öl auf leinenstrukturiertem Papier, auf Karton aufgezogen. 24,9 x 18,8 cm (9 ¾ x 7 ⅜ in.). Unten links monogrammiert: A. J. Unten rechts unleserlich datiert: 3[.]. Nicht bei Jawlensky. – Mit einer Fotoexpertise von Maria Jawlensky, Lucia Pieroni-Jawlensky und Angelica Jawlensky Bianconi, Alexej von Jawlensky-Archiv S.A., Locarno, vom 9. Oktober 2001. – Restaurierte Einrisse. [3545] Gerahmt. Provenienz: Arte Moderna e Contemporanea, Venedig/ Pietrasanta / Privatsammlung, Polen (erworben 2002 in der o.g. Galerie) € 70.000 – 90.000 $ 75,400 – 97,000 Alexej von Jawlensky hat sich selten zu seiner Kunst geäußert und ihr kein Theoriegebäude wie beispielsweise Kandinsky zur Seite gestellt. Dies führte dazu, daß die Nachwelt gerade den späten Bildfolgen einen mystischen Nimbus verlieh, der sich aus der russischen Heimat des Künstlers herleitet. Zweifellos war Jawlensky ein tiefreligiöser Mensch, und die Kopfform der späten Arbeiten erinnert an den Christuskopf, doch greift eine solche Interpretation der Versenkung ins Innere und Geistige zu kurz. Der Maler erforschte die Möglichkeiten der Malerei auf empirische Weise in seinen Serien der „Variationen“, der „Abstrakten Köpfe“ und der „Meditationen“. Der menschliche Kopf war das beherrschende Motiv im Werk Jawlenskys, von den Anfängen bis zu den letzten Arbeiten. Die starkfarbigen Portraits begründeten seine ersten Erfolge, in den „Abstrakten Köpfen“ tilgte der Maler die Individualität und vereinfachte sie zugunsten einer seriellen Systematisierung immer mehr. Gleichzeitig erzeugt die große Varianz der Palette eine Vielzahl von Stimmungen. In seiner letzten Serie, den „Meditationen“, vereinheitlicht Jawlensky Form und Farbklang noch stärker. Ein in jedem Bild wiederkehrendes Bildgerüst wird in dunkler Farbigkeit, ernst und herb, getönt. In dieser Serie verwirklicht Jawlensky seine Vorstellung von der Macht der Farbe, die sich nun fast gänzlich vom Gegenstand, dem menschlichen Gesicht, löst. Mit formelhafter Geste wird das Antlitz auf vertikale und mehrere horizontale Striche reduziert. Dazwischen erscheinen Farbflächen in Ocker, Türkis, Rot und mehreren, aus diesen Farben gewonnenen Zwischentönen. Jede der „Meditationen“ ist einzigartig, und es ist fast verstörend, in welche Tiefen des Ausdrucks Jawlensky mit jedem einzelnen dieser Bilder vorzudringen vermochte. (OH) 50 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 51 22 Alexej von Jawlensky Torschok 1864 – 1941 Wiesbaden „Variation“. 1915/16 Öl auf leinenstrukturiertem Papier, auf Leinwand aufgezogen. 35,7 x 25,9 cm (14 x 10 ¼ in.). Unten rechts monogrammiert: A. J. Auf dem Keilrahmen oben ein Etikett der Galerie Beyeler, Basel. Nicht bei Jawlensky. – Mit einem Gutachten (in Kopie) von Angelica Jawlensky Bianconi, Alexej von Jawlensky-Archiv S.A., Locarno, vom 19. November 2012. – Die seitlichen Kanten minimal beschnitten, kleine Farbverluste. [3538] Gerahmt. Provenienz: Harold Diamond, New York / Galerie Beyeler, Basel (erworben 1961 vom Vorbesitzer) / Rolf und Lotte Frowein, Wuppertal (erworben 1961 von Beyeler) / Privatsammlung, Nordrhein-Westfalen € 100.000 – 150.000 $ 108,000 – 162,000 Mit Beginn des Ersten Weltkrieges mußte Jawlensky Deutschland verlassen. Er fand Zuflucht in Saint-Prex am Genfersee und begann hier mit einer Serie von Bildern, die den Ausblick aus dem Fenster seines Arbeitszimmers zeigen und deshalb als „Landschaften“ bezeichnet werden. Doch schnell wird klar, sie sind viel mehr als das. Zum ersten Mal in der Geschichte der Malerei beginnt ein Maler, eine Serie ähnlichen Formats zu schaffen, in der sich die Objekte vom Naturvorbild lösen und zu Formeln werden, die allein durch Farbflächen definiert sind. Nun könnte man einwenden, Monet habe dieses Prinzip schon Jahrzehnte zuvor mit seinen Ansichten der Kathedrale von Rouen verwirklicht, doch zeigen Monets Werke immer einen Augenblick, eine Beleuchtung oder Stimmung. Jawlenskys „Variationen“ hingegen sind vollkommen unabhängig von Tages- oder Jahreszeiten, seine Farben nie oder nur selten beschreibend. Und noch etwas fällt auf: Trotz hartnäckiger Wiederholung der immer gleichen Bildformeln gibt es keine Steigerung beispielsweise zu einer immer stärkeren Abstrahierung des Naturvorbilds. Neben einer ganz in Farbflächen aufgelösten „Variation“ entsteht eine weitere, in der wir plötzlich wieder das Haus oder die Gartenpforte erkennen, wie auf unserem Bild. Und dies bedeutet keineswegs einen malerischen oder gedanklichen Rückschritt. Es ist ein Mosaikstein im konsequenten Ausloten von Farbklängen und der kompositorischen Organisation der Bildfläche. Unsere „Variation“ besticht durch den Gegensatz von zarter Tönung, Türkis, Blau und Violett in lichter Farbgebung, und einer Dynamik der Formen. Von der unbesetzt wirkenden Bildmitte streben die Flächen zu den Seiten hin. Auch die Binnenstrukturen der einzelnen Farbflecken sind durch den sichtbaren Pinselstrich bewegt. Jawlensky gelingt es mit den „Variationen“ erstmals, die Vorstellung von einer unbegrenzt erweiterbaren Folge mit Hilfe von systematisierten Formen zu vermitteln. (OH) 52 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 53 23 Oskar Schlemmer Stuttgart 1888 – 1943 Baden-Baden „Roter schräg, Kleinbild V?“. 1932 Öl und Bleistift auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen. 18 x 27 cm (7 ⅛ x 10 ⅝ in.). Rückseitig mit Pinsel in Schwarz teilweise unleserlich datiert, betitelt und signiert: 193[2] Roter schr... O Schlemmer. von Maur WVZ G 260. – [3543] Gerahmt. Provenienz: Hermann Mattern, Berlin (um 1935 vom Künstler erhalten) / Privatsammlung, Berlin Ausstellung: Oskar Schlemmer. Stuttgart, Galerie Dr. F.C. Valentien (Liste vom 13.9.33, Nr. 13, betitelt: Roter schräg) / Oskar Schlemmer. Stuttgart, Galerie Lutz und Meyer, 1948, Kat.Nr. 17 / Kunst von 1835-1960 aus Kasseler Privatbesitz. Kassel, Kunstverein, 1960, Kat.-Nr. 133 (betitelt: Rufer statt: Roter) / Poelzig - Endell - Moll und die Breslauer Akademie 1911-1932. Berlin, Akademie der Künste; Mülheim, Städtisches Kunstmuseum, und Darmstadt, Kunstverein, 1965, Kat.-Nr. 275 Literatur und Abbildung: Hans Hildebrandt: Oskar Schlemmer. München, Prestel-Verlag, 1952, Kat.-Nr. 232 (betitelt: Rote Mitte; Kleine Fassung) € 120.000 – 150.000 $ 129,000 – 162,000 Die Darstellung des modernen Menschen in seiner elementaren Wesensform ist das zentrale Anliegen von Oskar Schlemmers Kunst. Um seine Vision eines zeitgemäßen Menschenbildes künstlerisch umzusetzen, wählte er zahlreiche unterschiedliche Herangehensweisen, nutzte den graphischen Verlauf einer Linie, das Volumen einer Plastik ebenso wie die Bewegung eines Tänzers auf der Bühne. Die Schilderung individueller Erscheinungen und psychischer Empfindungen sucht man bei Schlemmer vergebens, das zeigt schon der Blick auf nüchtern klingende Bildtitel wie „Figuren im Raum“ oder „Kopf nach rechts“. Die menschliche Gestalt wird zur Chiffre, die der Künstler in ein System aus Rhythmen, räumlichen Bezügen und einfachen Gesetzmäßigkeiten einbindet. In den vielfältigen Spielarten, die innerhalb dieser formalen Strenge möglich sind, vor allem aber in ihrer sinnbildhaften und spirituellen Ebene liegt die Faszination von Schlemmers unverwechselbarer Bildsprache. Im Bild „Roter schräg“ gibt Oskar Schlemmer dem Ausdruckswert der Farbe besondere Bedeutung. Die leuchtend rote Halbfigur mit den vor dem Körper verschränkten Armen drückt dynamische und zugleich gebremste Bewegung aus. Während sie mit Händen, Schultern und dem zur Seite geneigten Haupt fest in der Bildfläche verankert ist, vermitteln die beiden im Profil gesehenen Randfiguren zu einem diffus-mystischen Raum im Hintergrund. Somit ist Rot nicht nur die Farbe vitaler Lebensenergie, sondern auch die Farbe der Transzendenz und einer entmaterialisierten geistigen Sphäre, in der die Gesetze von Abstraktion, Form und Maß auf die Kräfte des Unbewußten und Irrationalen treffen. „Ohne Zweifel hat Schlemmer während seiner Breslauer Akademiezeit, die mit dem Umzug nach Berlin im November 1932 endet und der bereits im Frühjahr 1933 die Verbannung aus der Öffentlichkeit folgt, malerisch seine größte, zwischen konstruktiver Bildarchitektur und atmosphärischer Farbautonomie pendelnde Variationsbreite erreicht.“ (Ina Conzen, in: Ausst.-Kat. Oskar Schlemmer. Visionen einer neuen Welt. Staatsgalerie Stuttgart 2014/15, S. 102) (sch) 54 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 55 24 Paul Klee Münchenbuchsee 1879 – 1940 Muralto/Locarno „Das Haus zum blauen Stern“. 1920 Aquarell auf Gipsgrundierung auf Leinen auf Papier auf Karton. 17,5 x 12,5 cm (25,4 x 19,2 cm) (6 ⅞ x 4 ⅞ in. (10 x 7 ½ in.)). Oben links signiert: Klee. Unterhalb der Darstellung auf dem Karton mit Feder in Schwarz mit Werknummer bezeichnet und betitelt: 1920/136 Haus zum blauen Stern. Rückseitig unten rechts der Stempel von Dr. Karl-Gustav Gerold, Bonn. Paul-Klee-Stiftung 2481. – [3055] Provenienz: Neue Kunst Hans Goltz, München (im Mai 1921 vom Künstler erworben) / Karl-Gustav Gerold, Dublin/Bonn (seitdem in Familienbesitz) Ausstellung: Die Maler am Bauhaus. München, Haus der Kunst, 1950, Kat.-Nr. 131 Literatur und Abbildung: Ausstellungskatalog: Paul Klee. Im Zeichen der Teilung. Die Geschichte zerschnittener Kunst Paul Klees 1883–1940. Mit vollständiger Dokumentation. Düsseldorf, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, und Stuttgart, Staatsgalerie, 1995, Abb. S. 341 (nicht ausgestellt) € 200.000 – 300.000 $ 216,000 – 323,000 „Das Haus zum blauen Stern“ ist zeitlich in die Periode nach der berühmten Tunisreise (1914) und vor der Übersiedelung Paul Klees ans Weimarer Bauhaus 1921 einzuordnen. Auf ihrer Studienreise durch Tunesien hatten Paul Klee und seine Malerkollegen August Macke und Louis Moillet sich intensiv mit dem analytischen Form- und Farbverständnis Robert Delaunays und Paul Cézannes auseinandergesetzt. Es ging nicht darum, die Natur nachzuahmen, sondern Möglichkeiten der Gestaltung analog zu den Prinzipien der Natur hervorzubringen. Hauptanliegen Klees war es in dieser Zeit, eine Verbindung zwischen innerer und äußerer Welt zu schlagen, denn weder auf die geistige Fülle der inneren Sphäre noch auf die ästhetischen Reize der äußeren wollte er verzichten. Er fand die Antwort in der Reduktion. Er erkannte die Möglichkeiten einfacher kubischer Formen, die sich selbst nicht gegenständlich lesen lassen und dennoch, durch systematisches Aneinandersetzen, Assoziationen mit bestimmten Umwelteindrücken hervorrufen können. Im „Haus zum blauen Stern“ gelingt es Klee durch das Aufeinandertreffen gerader und spitzwinkliger Linien und durch die Wiederholung dieses Prinzips, das Bild eines spitzdachigen Hauses inmitten einer Stadt zu erschaffen. Gelbe Rechtecke werden zu Fenstern, die ein warmes Licht ausstrahlen und die Assoziation einer freundlichen Herberge hervorrufen. Die Fensterläden sind geöffnet und laden den vorbeiziehenden Besucher zur Rast ein. Die untergehende Sonne steht wie ein roter Ball im Zentrum des Bildes und taucht die Architektur in abendliches Licht. Der farbige Stern, der dem Bild schließlich seinen Namen gibt, ist ein Motiv, das seit der Tunisreise immer wieder in Klees Bildern erscheint – ein Fragment seiner Beschäftigung mit der geistigen Welt des Orients, Zeichen für die Suche nach einer Ganzheit von Kosmos, Welt und Kunst. Auch mit Materialien und Techniken experimentierte Klee in dieser Zeit. Er malte auf Leinengewebe und Nessel ebenso wie auf Holztafeln und Pappe oder Papier, das er, wie beim „Haus zum blauen Stern“, auf Leinen aufzog. Für die Grundierungen verwendete er neben den üblichen Materialien auch Kreide und Gips. Der Farbcharakter bekommt so eine matte Erscheinung und nähert sich einer freskohaften Wirkung. Durch den Gipsgrund erhält die Komposition einen haptischen Charakter, der im Kontrast zu den zarten Aquarellfarben steht und dem Bild eine spannende Zweischichtigkeit verleiht. (NB) 56 Grisebach 06/2015 (Abbildung in Originalgröße) Grisebach 06/2015 57 25 Paul Klee Münchenbuchsee 1879 – 1940 Muralto/Locarno „Noch heiss, und fremd einher“. 1938 Pastell auf Jute. 40,5 x 49,5 cm (16 x 19 ½ in.). Auf einem rückseitig aufgeklebten Streifen des Originalkartons mit Feder in Braun links datiert und mit Werknummer bezeichnet sowie rechts betitelt: 1938 T 10 noch heiss, und fremd einher. Paul-Klee-Stiftung 7512. – Vom Original-Karton abgelöst und auf eine grau bemalte Leinwand aufgezogen. [3386] Gerahmt. Provenienz: Galerie Beyeler, Basel (bis 1966) / Privatsammlung, Deutschland Ausstellung: Klee. Basel, Galerie Beyeler, 1963, Kat.-Nr. 62, mit Farbabbildung / Klee. Spätwerke. Basel, Galerie Beyeler, 1965, Kat.-Nr. 23, mit Farbabbildung € 250.000 – 350.000 $ 269,000 – 377,000 „Wir stehen aufrecht in der Erde verwurzelt / Ströme bewegen leicht uns hin und her / frei ist nur die Sehnsucht dorthin: zu Monden und Sonnen“ – Paul Klee (Zit. nach: Das Universum Klee. Ausst.-Kat. Berlin 2008, S. 88) Paul Klee hat einen vollkommen selbständigen Bildkosmos erschaffen. In diese Wunderwelt fanden Musik, Dichtung, die Naturwissenschaften, Kindliches und Philosophisches Eingang. Klee nahm alles in sich auf, ließ vieles Jahre in sich ruhen, um es dann als ganz eigene, neue Schöpfung in die Welt zu senden. Sein Blick blieb immer neugierig, Gegensätze und Widersprüche ließ er gelten, ja er suchte sie geradezu. Die Vielgestaltigkeit der Dinge erfreute ihn. Als Lehrer am Bauhaus in Weimar und Dessau entwickelte Klee eine Kunsttheorie, in der er die Bewegung als kosmische Urkraft definierte. Anders als Kandinsky beispielsweise formulierte er auf Grundlage dieser Idee aber keinen Führungsanspruch seiner Kunst. Selbst eher intuitiv arbeitend, gab es für ihn kein richtig oder falsch. Wie in seiner Kunst schätzte er auch gedanklich das Schwebende. Gänzlich undogmatisch konnte der Künstler so sein einzigartiges Werk erschaffen, das sich neben der Seinswelt und der auf Theorien aufgebauten Gedankenwelt als eine dritte Möglichkeit von Wirklichkeit bis heute behauptet. In den abstrakten Arbeiten der 1920er Jahre steigern sich die vielen kleinteiligen Elemente durch die dynamische Komposition zu größerer Wirkung, ähnlich wie sich Motive einer Sinfonie durch Dynamik und Klangfarbe zu einem großen Ganzen verbinden. In den späteren Werken wurden die Motive größer, auch elementarer. Das Motiv der roten Scheibe taucht häufig in Klees Werk auf. Wie die Sonne ist sie ein Kraftfeld. Man gewinnt den Eindruck, die blaue Form und der dunkle Bogen wurden durch die Energie der roten Scheibe deformiert. Und während alle anderen Formen statisch wirken, wohnt der Scheibe eine Dynamik inne. Mit feiner Ironie kehrt Klee hier die wissenschaftliche Erkenntnis um, nach der die Sonne in ihrem System der statische Punkt ist, um den sich alles dreht. (OH) 58 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 59 26N Walter Dexel München 1890 – 1973 Braunschweig „1923 III“. 1923 Öl auf Leinwand. 40 x 30 cm (15 ¾ x 11 ¾ in.). Unten mittig signiert und datiert: DEXEL 23 (in die frische Farbe geritzt). Auf dem Keilrahmen mit Bleistift signiert und bezeichnet (mit Pinsel in Schwarz wohl von fremder Hand nachgezogen): WALTER DEXEL 1923 III. Nicht bei Wöbkemeier. – [3492] Provenienz: Paul Lutzeier, Detroit und Ann Arbor / Michigan (erworben in Deutschland während seiner Tätigkeit 1946 bis 1953 für die US-amerikanische Militärregierung in Berlin, seitdem in Familienbesitz) € 60.000 – 80.000 $ 64,700 – 86,200 Wir danken Dr. Ruth Wöbkemeier, Bremen, für die Bestätigung der Authentizität des Gemäldes. 60 Der lyrische Anteil in Walter Dexels konstruktivistischen Kompositionen, der sich vor allem in der Verwendung gemischter Farben ausdrückt, verdankt sich seiner pragmatischen Bindung an die Wirklichkeit der Empfindungen. Als gelernter Werbegestalter und Typograph verstand Dexel etwas von Wahrnehmungspsychologie und war sich der Tatsache bewußt, daß die „reine“ Lehre der „absoluten“ Bildgestaltung zwar auf dem Papier einen guten Eindruck hinterlassen mag, aber nicht unbedingt die Menschen in der Intensität erreicht, die ihren Verfechtern vorschwebt. Dexel, der für sich „weder die mystisch-philosophischen Grundgedanken des de Stijl noch die Begrenzung des formalen Kanons auf die gerade Linie, den rechten Winkel und die Grundfarben“ akzeptierte (so Walter Vitt im Werkverzeichnis der Druckgraphik, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 1971, S. 6/7), verwandelt damit in seinen abstrakten Bildern grundsätzlich das ausschließende Prinzip der Beschränkung in ein den Betrachter einschließendes Verständnis der Erweiterung. Zwar bleibt er in der Komposition „1923 III“ der geraden Linie und dem rechten Winkel treu, aber die formale Strenge dieser Entscheidung wird durch die Wahl der Farben nahezu hintertrieben. Es gibt hier keine reine, ungemischte Farbe. Das Kolorit bewegt sich in einem für konstruktivistische Gestaltungen unüblichen Gefilde von Erd- bzw. Naturtönen wie Dunkelgrün, Blaßgelb, Braun und Ocker. Die Temperatur ist eher warm. Der Gegensatz von statischer Formgebung und dem Lyrismus der Farben bringt eine Spannung in das Bild, die subtil und unspektakulär, aber dennoch sehr wirkungsvoll ist. Dies ist das Gemälde eines Meisters, der „seinen“ Konstruktivismus kennt und über die nötige Souveränität verfügt, sich auch ein wenig außerhalb der Regeln zu bewegen. Vielleicht begründet das einen Teil der sympathischen Anmutung, die das Bild in seinem kleinen Format ausstrahlt. (MS) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 61 27 Walter Dexel München 1890 – 1973 Braunschweig „Glasbild II“ oder „Blaue Scheibe“. 1928 Hinterglasmalerei. Im Künstlerrahmen. 46,5 x 39,6 cm (Rahmen) (18 ¼ x 15 ⅝ in. (frame)). Auf der Rückwand mit Pinsel in Schwarz signiert, datiert und bezeichnet: WALTER DEXEL 1928 II. Auf der Rückwand des Schmuckrahmens ein Etikett der Galerie Gmurzynska, Köln. Wöbkemeier 344. – [3422] Provenienz: Carl Laszlo, Basel / Galerie Bargera, Köln / Privatsammlung, Rheinland In wenigen Jahren schuf Walter Dexel Anfang der zwanziger Jahre ein singuläres abstraktes Werk. Die Hinterglasbilder nehmen darin eine Ausnahmestellung ein – in einer der ältesten künstlerischen Techniken, die ihre Blüte in den Kathedralen der Gotik erlebte, entwarf Dexel Werke von größter Modernität. Während seinen Collagen und Gemälden immer eine spezifische Form von warmer Abstraktion zu eigen ist, weil er der Harmonie am Ende doch immer den Vorzug gab vor der Dekonstruktion und weil sie leben von der spröden, trockenen Materialität der Collagepapiere und der Ölfarben (siehe Los 26), kommt in den Hinterglasbildern eine zusätzliche Dimension hinzu: ein stolzer Glanz der Perfektion. Ausstellung: Walter Dexel. Bild, Zeichen, Raum. Bremen, Kunsthalle; Wuppertal, Von der Heydt-Museum; Berlin, Bauhaus-Archiv; Wolfsburg, Kunstverein; Karlsruhe, Badischer Kunstverein, 1990/91, Kat.-Nr. 71, S. 177 / Konstruktivismus – Entwicklungen und Tendenzen seit 1913. Köln, Galerie Gmurzynska und Bargera, 1972, Kat.-Nr. 110, ganzs. Farbabbildung [irrtümlich auf dem Kopf stehend abgebildet] So unterscheiden sich die Hinterglasbilder vor allem dadurch von seinem übrigen Werk, daß sie durch die Verglasung zu Ende gedacht und fixiert erscheinen. Wo ansonsten die geometrischen Formen bei Dexel immer wirken, als sei das Dargestellte nur eine Möglichkeit unter vielen und als könne sich das ganze, fein austarierte Gefüge durch einen Lufthauch auch wieder in Bewegung setzen, so sind die Hinterglasbilder abgeschlossene Manifestationen einer neuen Form. „Glasbild II oder Blaue Scheibe“ ist das drittletzte Hinterglasbild, das Dexel überhaupt schuf. Die Hinterglasbilder markieren den Gipfelpunkt von Walter Dexels solitärem künstlerischen Werdegang. € 50.000 – 70.000 $ 53,900 – 75,400 Es war Dexel selbst, der erkannte, daß der Weg für ihn an dieser Stelle zu Ende war. Denn er war von dem Gedanken an eine künstlerische Durchdringung der Gesellschaft erfüllt und war parallel zu seinem künstlerischen Werk in Jena auch als Typograph und Werbegrafiker tätig, entwarf Straßenbeleuchtung, Richtungsweiser – und Leuchtreklamen. Gerade diese Leuchtreklamekästen mit Werbung schienen ihm dann selbst eine neue Richtung zu weisen – ganz hin zur angewandten Kunst. Für über vierzig Jahre pausierte er dann als Maler. Und heute, fast hundert Jahre nach dem Entstehen, kann man in der formvollendeten Schönheit einer Hinterglasmalerei wie unserem „Glasbild II“ erkennen, daß da in der Tat eine gesamte Avantgardebewegung ihren gültigen Ausdruck gefunden hatte. Der blaue Halbkreis kann nur dort links unten stehen, und das Orange kann das Weiß nur so begleiten. Das ganze Bild drückt aus: Da geht es lang. Fünf Werke gibt es überhaupt nur aus dem Jahr 1928 von ihm – er war auf dem Absprung. Wenig später wendete er sich ganz der Reklame zu, der Photographie, der Typographie. Mit seinen Hinterglasbildern schuf er gleichsam bereits die einzigen Reklametafeln für die Schönheit der Abstraktion und für die Kraft der Geometrie, die es in der Kunst des 20. Jahrhunderts gegeben hat. (FI) 62 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 63 28 Hermann Glöckner Cotta bei Dresden 1889 – 1987 Berlin „Projektion eines Keils auf Bronze, nach rechts“. 1933/34 Mischtechnik und Ritzung auf Karton. 35 x 25 cm (13 ¾ x 9 ⅞ in.). Oben rechts datiert (eingeritzt): 11.6.33. Rückseitig mit dem geprägten Monogramm und datiert: G XXXIV. Auf der Rückpappe ein Aufkleber mit ausführlicher handschriftlicher Bildlegende von Gerhard Altenbourg (in blauer Tinte). Dittrich 55. – [3315] Gerahmt. Provenienz: Gerhard Altenbourg (1969 vom Künstler) / Privatsammlung, Süddeutschland Ausstellung: Hermann Glöckner zum 80. Geburtstag. Zeichnungen, Gemälde und Tafeln aus den Jahren 1911-1945. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, 1969, Kat.-Nr. 137 € 30.000 – 40.000 $ 32,300 – 43,100 Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts bereiteten russische Künstler der Abstraktion den Weg: Malewitsch und sein „Schwarzes Quadrat“ oder Kandinsky, der Punkt und Linie definierte. Um 1930 erfand Hermann Glöckner, einer der großen Einzelgänger der deutschen Kunstgeschichte, der nach einer Lehre als Musterzeichner und dem Akademiebesuch in seiner Heimatstadt Dresden als freier Künstler tätig war, die „Faltungen“. Durch Teilen und Knicken von Flächen ergeben sich in ihnen geometrische Formen. Glöckner begann damals auch, seine kontinuierlichen Forschungen zu Fläche und Raum zu dokumentieren. Als er die unbewußt formulierten Maßverhältnisse in seinem Bild „Der kleine Dampfer“ (Dittrich G 60) entdeckte, „war [das] für mich die Veranlassung, die konstruktiven, geometrischen Grundlagen meiner Malerei zu untersuchen, ihre elementaren und komplexen Zusammenhänge zu finden. Ich habe mich damals entschlossen, noch einmal von vorn anzufangen, alles, was bisher geschehen war, beiseite zu werfen und mich ganz und gar auf diese Frage zu konzentrieren.“ So schildert Glöckner den Beginn dessen, „was später von Kunstwissenschaftlern als ,Tafelwerk‘ bezeichnet worden ist“ (Hermann Glöckner. Ein Patriarch der Moderne. Hrsg. John Erpenbeck, Berlin, 1983, S. 57). Unser Bild gehört in diesen Zusammenhang. Ein kupfernes Dreieck erhebt sich über einem zweiten in Schwarz. Oder ist dies der Schatten des Kupfers? Den gesamten Bildgrund in Ockergelb durchziehen fein eingeritzte Linien: ein weites Feld für die Konstruktion, eine Landschaft, in der ein kupferner Weg sich zum Horizont erstreckt. So ist das Kunstwerk mehrfach zu lesen, und auch Glöckner hat sich mehr für Variablen als für Konstanten interessiert. Die Rückseite unserer Tafel zeigt auf rotem Papier einzig Glöckners Signet, das „G“. Es belegt das typographische Feingefühl, das diesen Maler, Zeichner, Plastiker, Photographen, Gestalter und Sammler auszeichnet. Veränderungen alltäglicher Dinge, ein frischer Blick auf Vertrautes, ein neuer Zusammenhang wohlbekannter Objekte – alles geriet ihm zur Kunst. (EO) 64 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 65 29 Max Beckmann Leipzig 1884 – 1950 New York „The Swing“ (Die Schaukel). 1947 Feder in Schwarz über Kohle auf Bütten. 54 x 49,8 cm (21 ¼ x 19 ⅝ in.). Unten rechts mit Feder in Braun signiert, bezeichnet und datiert (verblaßt): Beckmann A 47. Dort auch mit Bleistift betitelt: „the swing“. Mit einer Bestätigung (in Kopie) von Mathilde Q. Beckmann, New York, vom 5. September 1978. – Leicht stockfleckig. Randmängel. [3468] Gerahmt. Provenienz: Privatsammlung, Hessen/Bayern (1978 über die Catherine Viviano Gallery, New York, aus dem Nachlaß des Künstlers erworben) Ausstellung: Max Beckmann. Exhibition of Paintings, Water Colors, Drawings. Sculptures, Graphics. New York, Catherine Viviano Gallery, 1970, Kat.-Nr. 17, Abbildung auf dem Umschlag / A Catalogue of Paintings, Sculptures, Drawings & Water Colors by Max Beckmann. New York, Catherine Viviano Gallery, 1973, Kat.Nr. 21, mit ganzseitiger Abbildung / Max Beckmann. Drawings, Sculptures. New York, Carus Gallery, 1975, Kat.-Nr. 18, mit ganzseitiger Abbildung / Max Beckmann, Aquarelle und Zeichnungen 1903-1950. Bielefeld, Kunsthalle; Tübingen, Kunsthalle, und Frankfurt a.M., Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut, 1977/78, Kat.-Nr. 202, mit ganzseitiger Abbildung € 30.000 – 40.000 $ 32,300 – 43,100 Als Max Beckmann diese schwungvolle, überaus reizvolle Zeichnung zu Papier brachte, lebte er bereits seit zehn Jahren im Exil. 1937 hatte er Deutschland verlassen und war nach Amsterdam gezogen, wo er Naziherrschaft und Krieg nur unter Entbehrungen und bei zunehmend angegriffener Gesundheit überstand. 1947 aber kündigten sich große Ereignisse an. Mußte er noch kurz zuvor befürchten, aus den Niederlanden ausgewiesen zu werden, so hatte er jetzt endlich den entscheidenden „non-enemy status“ erlangt. Damit war es ihm möglich, das heiß ersehnte Visum für die USA zu beantragen, das er im Sommer 1947 auch erhielt. Diese Aufbruchsstimmung prägt unsere Zeichnung, der Beckmann den Titel „Die Schaukel“ gegeben hat. Daß dieses Blatt dem Künstler besonders wichtig war, zeigt der Umstand, daß es aus dem Nachlaß von Quappi stammt, seiner verehrten Frau, der er es offenkundig zum Geschenk gemacht hat. Wie immer bei Beckmann ist es auf den ersten Blick nicht einfach zu erkennen, worum es im Bild geht. Man sieht drei weibliche Gestalten, aber nur die im Hintergrund sitzt tatsächlich gerade auf einer Schaukel. Hinter der Hauptfigur befindet sich eine weitere Person, beider Gesichter sind merkwürdig verschattet. Links im Bild ist eine vierte Gestalt, anscheinend ein Mann. So rätselhaft sich dieses Arrangement ausnimmt, so sehr erinnert es bis in die Details an ein berühmtes Gemälde gleichen Titels: „Die Schaukel“, Jean-Honoré Fragonards Ikone des Rokoko. Da dieses Gemälde seit 1900 in der Wallace Collection in London ausgestellt war, ist stark anzunehmen, daß Beckmann es dort bei einem seiner England-Aufenthalte gesehen hat – 1938 etwa, als er anläßlich der Ausstellung „Twentieth Century German Art“ in London einen Vortrag über seine Malerei hielt. Fragonards Bild handelt von Aufbruch und Verführung, von Überraschung und jugendlicher Leichtigkeit. Das gleiche empfand wohl Beckmann, als er seine beschwingte Version der „Schaukel“ zeichnete. (UC) Jean-Honoré Fragonard. Die Schaukel. 1767/68. Öl auf Leinwand. 81 x 64 cm. Wallace Collection, London 66 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 67 30 Georg Tappert 1880 – Berlin – 1957 „Tänzerin im Rampenlicht (Varieté)“. Um 1920 Öl auf Leinwand. 90,5 x 71 cm (35 ⅝ x 28 in.). Unten links signiert: Tappert. Rückseitig mit Kreide signiert und betitelt: TAPPERT VARIETÉ. Wietek 208. – [3463] Gerahmt. Provenienz: Privatsammlung, Norddeutschland (Leihgabe im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum Schloß Gottorf, Schleswig, 1995-99) / Privatsammlung, Süddeutschland Georg Tappert zählt zu den herausragenden Malern des deutschen Expressionismus, auch wenn sein Name heute noch immer nicht allen geläufig ist. 1910 hatte der Künstler am Tag der Ablehnung eines seiner Gemälde durch die Jury der Berliner Secession mit zwei Mitstreitern die Neue Secession gegründet. Dieser Berliner Salon des Refusés stieß sogleich auf großen Anklang. Mitglieder der ersten Stunde waren unter anderen die Angehörigen der Dresdner „Brücke“, ein Jahr später kamen auch Franz Marc und Wassily Kandinsky hinzu. Ausstellung: Georg Tappert. Ein Berliner Expressionist 1880 bis 1957. Berlin, Berlinische Galerie, 1980/81, Kat.-Nr. 28 / Georg Tappert – Das Vermächtnis. Werke der Georg-TappertStiftung. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Druckgraphik, Photographien. Kloster Cismar, Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloß Gottorf, 1995, Kat.-Nr. 45, Abb. S. 190 / Georg Tappert. Deutscher Expressionist. Schleswig, Schloß Gottorf, Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, und Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, 2005, Kat.-Nr. 53a, ganzs. Farbabb. S. 97 Seine Motive fand Georg Tappert vor allem im Berliner Nachtleben. Er kannte die Halbwelt der Vergnügungssüchtigen, der Tänzerinnen und Varieté-Besucher, der Prostituierten und Kleinkriminellen seit seiner Kindheit aus eigener Anschauung. Als Sohn eines Schneiders war Tappert in der Friedrichstraße aufgewachsen, damals das Berliner Mode- und Amüsierviertel par excellence. Nachdem er zunächst eine Schneiderlehre absolviert hatte, studierte er von 1900 bis 1903 an der Großherzoglich-Badischen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. Danach zog er für vier Jahre nach Worpswede, wo er eine Kunstschule leitete. Dort lernte er Paula Modersohn-Becker kennen, die ihn mit aktuellen Strömungen der französischen Kunst vertraut machte. Später stand er stilistisch Malern wie George Grosz und Otto Dix nahe, allerdings ohne sich deren Hang zum Karikaturhaften anzueignen. Literatur und Abbildung: Jahrbuch des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums 1996, S. 154 € 50.000 – 70.000 $ 53,900 – 75,400 68 Und so weist auch seine um 1920 entstandene „Tänzerin im Rampenlicht“ alle Merkmale des expressiven Verismus der 1920er Jahre auf: die ausdrucksstarke, leicht gekünstelte Körperhaltung, das intensive Kolorit und generell ein besonderes Einfühlungsvermögen in psychologische Ausnahmezustände. Die Anspannung, unter der die junge Frau die Bühne betritt, ist bei Tappert regelrecht mit Händen zu greifen, auf eine sympathisierende, nicht bloßstellende Art. (UC) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 69 31 Otto Dix Gera-Untermhaus 1891 – 1969 Singen „Frühling am Untersee“. 1941 Mischtechnik auf OSSA-Holztafel. 65 x 85 cm (25 ⅝ x 33 ½ in.). Unten rechts monogrammiert und datiert: 19 [Monogramm] 41. Löffler 1941/19. – Kleine Retuschen, Frühschwundrisse. [3547] Gerahmt. Provenienz: Privatsammlung, Berlin € 70.000 – 90.000 $ 75,400 – 97,000 Über Felder und blühende Bäume schweift der Blick über den Untersee, dahinter der Thurgau und vor dem Horizont eine erste Kette der Hochalpen. Dieses Landschaftsbild wirkt in seiner auf den ersten Blick realistischen Auffassung lapidar und schlicht, doch ist es mit seiner kostbaren malerischen Ausführung ein Zeugnis großer Künstlerschaft. Das Gebiet um den Bodensee wurde dem 1933 aus seinen Ämtern an der Dresdner Kunstakademie gedrängten Dix zur unfreiwilligen neuen Heimat. Der Großstadtmensch, hineingeworfen in eine paradiesische Landschaft („zum Kotzen schön“, wie er bekannte), entwickelte sich fast notgedrungen zum Landschaftsmaler. Gerade unser Bild mit dem überhöhten Standort wirkt wie ein bewußter Akt der Aneignung dieser so anderen Welt. Die erkennbar komponierte Landschaft verstärkt den Eindruck noch. Die Auseinandersetzung des Malers mit der deutschen und niederländischen Renaissancemalerei ist schon bei frühen Werken erkennbar. Sie erreicht in unserem Bild einen Höhepunkt. Die Anlage des Sujets als Überblickslandschaft erinnert an Brueghel; Details wie der ins Bild ragende Ast einer Kiefer lassen an Altdorfer denken, und auch die lasierende Maltechnik verweist auf die Kunst der Alten Meister. Die Rezeption altdeutscher Malerei führte bei Dix zu einer sachlich-realistischen, detailreichen Malerei. Die Verstärkung dieser Tendenzen in den 1930er Jahren kann nur als Reaktion auf den ideologisch verbrämten Naturalismus gesehen werden, der die malerische Massenproduktion der Zeit bestimmte. Dix stellte sich hierdurch in eine Traditionslinie mit den Alten Meistern und suchte nach einer eigenen Position als deutscher Maler. (OH) 70 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 71 32N Karl Hofer Karlsruhe 1878 – 1955 Berlin Sonnenblumen in einer Vase. 1946 Öl auf Leinwand. 97 x 71 cm (38 ¼ x 28 in.). Unten rechts monogrammiert und datiert (ligiert): CH 46. Nicht bei Wohlert. – [3520] Gerahmt. Provenienz: Privatsammlung, USA (vom Künstler erworben, seitdem in Familienbesitz) € 70.000 – 90.000 $ 75,400 – 97,000 Karl Hofer, gegen den 1934 von den Nationalsozialisten ein Malund Arbeitsverbot verhängt wurde, verlor niemals an Schaffenskraft und Produktivität. Auch während des Krieges und danach entstanden zahlreiche Gemälde, die von seinem meisterhaften Können zeugen. Häufig empfing er Gäste in seinem Atelier und verkaufte Gemälde dort direkt. Die Vielfalt der Fertigkeiten Hofers zeigt sich nicht nur in seinen inhaltsreichen Figurenbildern, sondern auch in den immer wieder in verschiedenen Varianten auftretenden Blumen- und Früchtestilleben. Die Stillebenmalerei hat eine lange Tradition in der Kunstgeschichte. Zunächst ging es vor allem um die naturgetreue, täuschend echte Wiedergabe von ausgesuchten Objekten, später auch um Sinnbilder der Vergänglichkeit. Im 20. Jahrhundert treten diese inhaltlichen Überlegungen hinter der Freude an neuen Möglichkeiten der Darstellung und Farbigkeit zurück. Hofer zeigt hier einen großen, in prächtiger Blüte stehenden Strauß Sonnenblumen, der auf einem Tisch vor einem durch wenige erdige Farbtöne definierten Hintergrund steht. Die Blumen hingegen erscheinen in strahlendem Gelb, überwirklich schön, aber distanziert, von großer Naturnähe und doch entrückt. Licht und Schatten sind mit sparsamen, aber entschiedenen Pinselstrichen akzentuiert. Der breitflächige und trockene Farbauftrag ist typisch für die Malweise des Künstlers, der, inspiriert von Expressionismus, Kubismus und Neuer Sachlichkeit, seine eigene künstlerische Formensprache fand. (NB) 72 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 73 33 Karl Hofer Karlsruhe 1878 – 1955 Berlin „Pierrot und Harlekin“. Um 1923 Öl auf Leinwand. 117,5 x 90,5 cm (46 ¼ x 35 ⅝ in.). Unten links monogrammiert (ligiert): CH. Auf dem Keilrahmen oben mit Bleistift signiert und betitelt: K. Hofer, Pierrot u. Harlekin. Wohlert 549. – Rückseitig eine übermalte „Tropische Scene II“ (laut handschriftlichem Titel auf dem Keilrahmen). [3033] Gerahmt. Provenienz: Galerie Flechtheim, Düsseldorf / Wallraf-RichartzMuseum, Köln (ehem. Inv.-Nr. 1214, erworben 1923, 1937 als „entartet“ beschlagnahmt) / Kunstsalon Abels, Köln / Privatsammlung (bis 1975) / Galerie Pels-Leusden, Berlin (1982) / Privatsammlung, Berlin (1982 in der Galerie Pels-Leusden erworben, seitdem in Familienbesitz) Ausstellung: Karl Hofer. Das gesammelte Werk. Mannheim, Städtische Kunsthalle, 1928, Kat.-Nr. 25 / Karl Hofer. Zürich, Kunsthaus, 1929, Kat.-Nr. 77 / Karl Hofer. Ölbilder, Aquarelle, Zeichnungen. 30 Jahre Galerie Bremer 1946–1976. Berlin, Galerie Bremer, 1976, Abbildung auf dem Vorderumschlag / Karl Hofer. Gemälde, Handzeichnungen und Graphik. Berlin, Galerie PelsLeusden, 1979, Kat.-Nr. 7, Farbabbildung auf dem Titel Literatur und Abbildung: Das Querschnittbuch 1923. Frankfurt, Querschnitt-Verlag, 1923, S. 86 / Wilhelm Michel: Neue Gemälde von Karl Hofer. In: Deutsche Kunst und Dekoration, Bd. 53, 1923/24, S. 2-10, hier Abb. S. 5 / Alfred Salmony: Die neue Galerie des 17. bis 20. Jahrhunderts im Museum Wallraf-Richartz in Köln. In: Der Cicerone, Jg. 16, 1924, S. 5, Abb. 4 („Pierrots“), und S. 7 / Max Deri: Der Maler Karl Hofer. In: Die Dame, Bd. 53, 1925/26, H. 9, S. 5f., hier Abb. S. 6 / Hans Friedrich Secker: Die Galerie der Neuzeit im Museum Wallraf-Richartz. Leipzig, Klinkhardt & Biermann, 1927, S. 148, Abb. Tf. 47 / Museum der Gegenwart, Jg. 2, 1931/32, H. 3, S. 135 / Kunstchronik, Jg. 1, 1948, H. 1/2, S. 11 / Der Tag (Berlin), 31.3.1949, Nr. 50, m. Abb. / Versteigerungskatalog 549: Kunst des XX. Jahrhunderts. Köln, Kunsthaus Lempertz, 5.12.1975, Kat.-Nr. 325, Farbabbildung auf dem Vorderumschlag / Eo Plunien: Eine Million durch das Rätsel der Kunst gehämmert. In: Die Welt (Hamburg und Berlin), 10.12.1975, Nr. 287, S. 23 m. Abb. / Peter Hans Göpfert: Briketts ersetzten den Blumenstrauß. 30 Jahre Galerie Bremer (...). In: Die Welt (Berlin), 16.10.1976, Nr. 242, Beilage S. II m. Abb. / John Laupitz: In Form und Farbe. Galerie Bremer: Hofer-Ausstellung zum Jubiläum. In: Der Abend (Berlin), 19.10.1976, Nr. 238, S. (5) / Lutz Meunier: Aktuelle Ausstellungen in Westberlin. (...). In: Die Weltkunst, Jg. 49, 1979, H. 10, 15.5.1979, S. 1274, Abb. S. 1275 / Gerhard Leistner: Nachgewiesene Museumsverkäufe durch die Galerie Flechtheim. In: Ausstellungskatalog: Alfred Flechtheim. Sammler, Kunsthändler, Verleger. Düsseldorf, Kunstmuseum, 1987/88, S. 129133, hier S. 129 („1934 verkauft an Kunsthaus A. Faust, Köln“) / Andrea Reich: Das Harlekin-Motiv bei Karl Hofer. Mag.-Arbeit. Berlin, Freie Universität, 1994, Abb. 30 / Alexandra Lieb: Maske oder Gesicht? Überlegungen zu den Gesichtsstereotypen im Werk Karl Hofers. Mag.-Arbeit. Universität Augsburg, 2001, S. 32, Abb. 31 Karl Hofer ist einer der großen Menschenmaler des 20. Jahrhunderts. Höchst selten nur hat er seine Figuren als Staffage benutzt oder ihnen Posen abverlangt, die auf eine rein körperhafte Darstellung abzielen. Ihn interessierte vor allem die Innenwelt seiner Menschen, und mit der Art der konzentrierten Vereinfachung, in der er sie darstellt, schlägt er inhaltlich einen Bogen in die Vergangenheit, zum großen Rembrandt, einem anderen Spezialisten für psychologische Einfühlung. Hier hat er sich zwei Figuren erwählt, die schon qua Tradition eine Projektionsfläche für Gemütslagen bieten, die durchaus im Widerstreit miteinander liegen können. Zum einen den Pierrot als stummen Betrachter der Welt, dessen Gefühle und Gedanken sich vor allem pantomimisch artikulieren, und zum anderen den Harlekin, der, aus einer älteren Tradition kommend, als subversiver Spaßmacher zwischen listiger Gaunerhaftigkeit und aufklärerischem Impetus changierte. Hofers Blick zielt aber nicht auf den komödiantischen Hintergrund, sondern auf die stumme Zwiesprache, mit der er die beiden ein wenig der lauten Welt der Manege entrückt, die sie wohl gleich betreten werden, um in ihren Kostümen die ihnen zugewiesenen Rollen zu spielen. Hier, am Rand des Spektakels, sind sie zuallererst Menschen, die ganz bei sich sind, und wir wissen nicht, ob sie sich sammeln für ihren Auftritt oder anderen Gedanken nachhängen. Beides scheint der Fall zu sein. Während Harlekin ganz in sich gekehrt scheint und vielleicht über etwas grübelt, was nichts mit seinem Spiel zu tun hat, neigt sich Pierrot zu ihm, mit leicht fragendem Blick, als wollte er noch etwas besprechen mit seinem Kollegen oder als wollte er ihn erinnern, daß sie beide doch gleich wieder hinausmüssen. Doch jener scheint ihn nicht zu bemerken, er befindet sich in einer anderen Sphäre. Sinnfällig arrangiert Hofer diese Diskrepanz zwischen innen und außen durch die beiden blauen Bahnen des geöffneten Vorhangs. Während Harlekin sich dahinter befindet, ist Pierrot vor den Vorhang getreten und hat sich gedanklich schon auf den Weg in die Manege begeben, die er aber mit seinem Kollegen teilen möchte. Dies alles erzählt Karl Hofer ohne große Gesten oder Posen, und sein Gemälde zeigt beispielhaft seine Auffassung, die er im Jahr 1922 in seinem Text „Ein neuer Naturalismus?“ so formuliert hatte: „Es ist schwer, oder vielmehr die seltene Gabe seltener Menschen, den inneren Ausdruck in der allen und zu allen Zeiten verständlichen Sprache der Naturform darzustellen. Nicht durch ein Ungefähr oder Übertreibung, sondern durch verstehende Vereinfachung, die alles enthält.“ (Karl Hofer. Malerei hat eine Zukunft. Briefe, Aufsätze, Reden. Hrsg. Von Andreas Hüneke. Kiepenheuer Verlag, Leipzig und Weimar 1991, S. 159) (MS) € 200.000 – 300.000 $ 216,000 – 323,000 74 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 75 34 Karl Hofer Karlsruhe 1878 – 1955 Berlin „Frau in Ruinen“. 1945 Öl auf Leinwand. 100 x 65 cm (39 ⅜ x 25 ⅝ in.). Unten links monogrammiert und datiert (ligiert): CH45. Wohlert 1881. – Neufassung einer wohl verbrannten Fassung von 1944 (Wohlert 1782). Rückseitig ein verworfenes Frauenportrait. Monogrammiert und datiert (ligiert): CH44 (nicht bei Wohlert). [3511] Gerahmt. Provenienz: Sammlung Klopmann, Berlin / Galerie Pels-Leusden, Berlin / Privatsammlung, Norddeutschland (1979 bei PelsLeusden erworben, von 1981 bis 1997 als Leihgabe in der Hamburger Kunsthalle) Ausstellung: 1. Deutsche Kunstausstellung der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung in der Sowjetischen Besatzungszone. Berlin, Zeughaus, 1946, Kat.-Nr. 189, Abb. S. 19 / Ausstellung Hamburger Künstler. Hamburg, Kunstverein, August 1946 / Carl Hofer. Ausstellung von neuen Werken. Berlin, Ausstellungsräume des Westens, 1946, Nr. 35, Abb. 47 (Faltblatt mit Ausstellungsliste nebst Bildband von Adolf Jannasch, Potsdam 1946) / Karl Hofer. Gemälde, Handzeichnungen und Graphik. Berlin, Galerie Pels-Leusden, 1979, Kat.-Nr. 16a, Farbabbildung S. 2 / Zeitspiegel I. 1891–1945. Berlin, Galerie Pels-Leusden, 1986, S. 134, Farbabb. S. 135 / Die Kunst der frühen Jahre 1945–1949. Malerei und Graphik. Berlin, Neue Berliner Galerie im Alten Museum, 1990 / Karl Hofer. Selm, Schloß Cappenberg, 1991, S. 185, ganzseitige Farbabb. S. 139 / Karl Hofer. Gemälde und Zeichnungen. Wolfsburg, Kunstverein, 1992, (Klappkarten-) Nr. 38 / InterZonale 1945. Konferenz der Bilder. Kiel, Schleswig-Holsteinischer Kunstverein, in der Kunsthalle, 1995, S. 156, Farbabb. S. 97 / ArmutsZeugnisse. Die Darstellung der Armut in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Dortmund, Fritz-Hüser-Institut, im Museum am Ostwall, 1995, Abb. S. 21 / Deutsche Kunst 1933–1945 in Braunschweig. Kunst im Nationalsozialismus. Braunschweig, Städtisches Museum, 2000, Kat.-Nr. 255, m. Abb. / Im Zentrum: Ernst Ludwig Kirchner. Eine Hamburger Privatsammlung. Hamburg, Kunsthalle; Davos, Kirchner Museum, und Berlin, Brücke-Museum, 2001-2003, S. 123, S. 176f., Kat.-Nr. 22, ganzseitige Farbabbildung S. 142 / Zeit im Blick. Felix Nussbaum und die Moderne. Osnabrück, Felix-Nussbaum-Haus, 2004/05, Kat.-Nr. 181, mit Farbabbildung / Karl Hofer. Anmut, Elegie und äußerste Härte. Ausstellung zum 50. Todestag. Berlin, Galerie Pels-Leusden, 2005, S. 88f., mit Farbabbildung Literatur und Abbildung: Die umfangreichen Angaben zu Literatur und Abbildungen unter www.villa-grisebach.de € 100.000 – 150.000 $ 108,000 – 162,000 Dies ist ein Jahrhundertbild der deutschen Kunst, geschaffen von einem Künstler, der eine Jahrhundertgestalt gewesen ist. In seiner „Frau in Ruinen“ hat Karl Hofer dem Schicksal seines Vaterlandes und Europas in der Stunde Null mit einem unvergeßlichen Bild geantwortet. Auch siebzig Jahre nach seiner Entstehung geht von ihm die gleiche unmittelbare, den Betrachter ergreifende starke Botschaft aus, die sofort nach seiner Veröffentlichung in der Öffentlichkeit begriffen wurde. Man hat das Bild damals „eine Bildwerdung des Unsagbaren“ genannt, „mehr Leben bergend, als die schärfste Beobachtung erfassen vermag“ (Adolf Behne, 1947). Mehr Leben? Mehr Tod vor allem in einer Dimension, die jede traditionelle Totenklage in Frage stellte. Die Frau in Ruinen ist stumm, ja sie scheint sich sogar selbst den Mund zu verschließen. Aber sie spricht mit ihrer Geste dennoch das Schlußwort zur Katastrophe, die sich in diesem Jahr erfüllt hat. Im Mai 1995, ein halbes Jahrhundert danach, hat Roman Herzog in Worten gesagt, was der Zeitgenosse Hofer im Sinn hatte, als er das Werk schuf: „Deutschland hatte den furchtbarsten Krieg entfesselt, den es bis dahin gegeben hatte, und es erlebte die furchtbarste Niederlage, die man sich vorstellen konnte. Europa war ein Trümmerfeld, vom Atlantik bis zum Ural und vom Polarkreis bis zur Mittelmeerküste. Millionen aus allen Völkern, auch aus dem deutschen, waren tot, gefallen, in Bombenangriffen zerfetzt, in Lagern verhungert, auf den Straßen der Flucht erfroren, und andere Millionen [...] waren den größten Vernichtungsaktionen zum Opfer gefallen, die menschliche Hirne je ersonnen hatten. Millionen hatten ihre Freunde, ihre Heimat verloren oder waren gerade dabei, sie zu verlieren, Millionen kamen aus Kriegsgefangenenlagern oder wanderten gerade dorthin. Millionen waren zu Krüppeln geschossen. Hunderttausende von Frauen wurden vergewaltigt. Der Geruch der Krematorien und der schwelenden Ruinen lastete über Europa.“ Hofers Leistung, das allgemeine Schicksal seiner Zeit in FigurenKonstellationen zu bannen, ist vielleicht erst heute, wo sich im Blick auf die Kunst des vergangenen Jahrhunderts die Spreu vom Weizen trennt, in ihrer ganzen Großartigkeit wahrzunehmen. Hofer wußte zeitlebens, daß unter der Oberfläche des wechselnden Zeitgeistes in Millionen von Seelen eine unterirdische Welt verborgen lag: mit unerfüllten Hoffnungen auf Frieden, mit Ozeanen von Leid, mit Landschaften voller Traum- und Alptraumszenerien. Hofer „glaubte ihren zitternden Herzschlag vernehmen zu sollen und quälte sich ab ,die Unsäglichkeiten faßbar und schaubar zu machen“– so hat es Paul Ortwin Rave, der treue Freund der verfemten Künstler während der NS-Zeit, 1956 ausgedrückt. Sehnsucht nach Idylle fern von dem Lärm der Zeit, Unruhe und Gram, Verzweiflung und Grauen, Gebärden von Qual und Klage, das sind Hofers große Themen gewesen. Hofers Œuvre ergibt ein Riesenpanorama der Seele im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Der Bogen spannt sich vom unversehrten, jahrtausendealten klassischen Menschenbild über Furcht und Elend des Menschen in bösen Zeiten bis hin zum Verstummen des Menschen in seiner Qual, dem kein Gott mehr zu sagen gibt, was er leidet. Christoph Stölzl, Weimar 76 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 77 35 Fritz Winter Altenbögge 1905 – 1976 Herrsching/Ammersee „Triebkräfte der Erde“. 1944 Öl und Monotypie auf dünnem, halbtransparentem Papier. 29,5 x 20,9 cm (11 ⅝ x 8 ¼ in.). Unten links monogrammiert und datiert: FW 44. Lohberg 784. – [3159] Gerahmt. Provenienz: Privatsammlung, Nordrhein-Westfalen Ausstellung: Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939. Köln, Messehallen, 1981, Kat.-Nr. 93, Abb. S. 349 / Fritz Winter. Triebkräfte der Erde. Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, und Villingen-Schwenningen, Städtische Galerie im Beethovenhaus, 1981/82, Kat.-Nr. 60, Farbabb. / Neue Formen. Fritz Winter. Arbeiten auf Papier 1925-1975. Stuttgart, Kunstmuseum, 2006, Kat.-Nr. 146, Farbabb. S. 112 Literatur und Abbildung: Werner Haftmann: Fritz Winter – Triebkräfte der Erde. München, Verlag R. Piper & Co., 1957, Farbabb. o.S. € 50.000 – 70.000 $ 53,900 – 75,400 „Im sinnenden Vollziehen eines bildnerischen Äußerungswillens schrieb sich diese Reihe [Triebkräfte der Erde] hin, – ein Bilderund Tagebuch aus einzelnen, für sich bestehenden Seiten, die doch beim Abschluß einen zyklischen Zusammenhang ergaben, weil sie aus einem einheitlichen Erlebnisgrund hervortraten. Alle haben das gleiche Format, sie sind auf dünne, mit einer ölhaltigen Emulsion getränkte Schreibmaschinenblätter gemalt, die dem Maler bei Beginn der Arbeit zur Hand lagen. Alle sind Hochformate und schon in dieser Wahl nicht auf erzählende Breite als auf verdichtetes Wachstum der Form gerichtet. Schließlich entstanden sie in einem einzigen ununterbrochenen Arbeitsgang, der sich kaum über vier Wochen hinzog. Sie wurden im Januar/ Februar des Jahres 1944 gemalt in der Stille eines oberbayerischen Landhauses in Diessen am Ammersee, das ein großer Garten umgibt. Jeder Arbeitstag erbrachte mindestens ein Blatt, oft arbeitete der Maler an mehreren zugleich. [...] Im pochenden Drängen dieses Vorfrühlings entdeckte der Maler überall die Zeichen der unterirdisch andrängenden mächtigen Wachstumskraft. Eine aufgehobene Erdscholle gab den Blick frei auf keimende Entfaltungen; unter den modernden Blättern am Baumstamm drängten sich feine Gebilde nach oben; ans Flechtwerk der Wurzeln hatten sich feine Kristalle angesetzt. Schüchtern hob sich die lebendige Farbe – das Rot, das Blau, das Grün – aus dem toten Braun und Grau des Erdreichs. [...] All diese Bilder zeigen ein eigentümliches mikroskopisches Heranrücken an die natürlichen Erscheinungen. Diese Sehweise ist das Zeichen dafür, daß die Sensibilität des Malers nicht mehr so sehr auf die Sensationen der weiten, freien Natur antwortet [...] sondern auf die Wirklichen unterliegenden Wirkkräfte und Prozesse. Es ist eine sehr moderne Weise des Sehens.“ (Werner Haftmann in der Einführung zu dem 1957 erschienen Bändchen: Triebkräfte der Erde. München, Piper Verlag, S. 37, 41 u. 44) 78 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 79 36N Paul Delvaux Antheit 1897 – 1994 Furnes/Belgien Étude pour „Les Dryades“. 1966 Aquarell, Pinsel und Feder in Schwarz auf Papier. 62 x 50,5 cm (24 ⅜ x 19 ⅞ in.). Unten rechts signiert und datiert: P. DELVAUX 9-66. [3194] Gerahmt. Literatur und Abbildung: Versteigerungskatalog: London, Christie’s, 6.12.1983, Kat.-Nr. 194 € 70.000 – 100.000 $ 75,400 – 108,000 Wir danken Martine Van Deun Gautot, Fondation Paul Delvaux, St. Idesbald, für freundliche Hinweise. Paul Delvaux wehrte sich zeit seines Lebens gegen die Bezeichnung „Surrealist“, da seiner Malerei jede offenkundige Phantastik fremd sei. Aus heutiger Sicht ist seine Kunst eher dem Lager der „Magischen Realisten“ zuzurechnen, die der niederländische Maler Pyke Koch 1971 folgendermaßen von den Surrealisten abgrenzte: „Der Magische Realismus bedient sich Vorstellungen, die wohl möglich, aber unwahrscheinlich sind, während der Surrealismus unmögliche Situationen wiedergibt. Zwischen dem offenkundig Unmöglichen und dem Unwahrscheinlichen liegt die Welt von Surrealismus und Magischem Realismus“ (Pyke Koch, in: Ausst.-Kat. Magisch Realisme in Nederland, Antwerpen 1971). Delvaux bleibt in seinen Bildern stets nahe der natürlichen Wirklichkeit, übersteigert diese jedoch mittels einer verblüffenden Detailgenauigkeit und entführt den Betrachter so in traumhafte, visionäre Gefilde. Die Vorstudie ist für ihn ein wichtiges Mittel zur endgültigen Bildfindung. Unser Aquarell diente als Entwurf für sein großes Ölbild „Les Dryades“, das Ende 1966 entstand. Die anmutige zentrale Frauengestalt mit rotem Umhang und auffälligem Hutschmuck wurde für dieses Gemälde bis ins Detail übernommen, ihre Partnerin in Blau am rechten Bildrand hingegen nicht. Die Bildidee, hinter einer Wasserfläche eine sich nahezu endlos in den Tiefenraum erstreckende Tempellandschaft wiederzugeben, ist bereits hier in kleinem Maßstab angelegt, ebenso die Belebung der Szenerie mit weiteren nackten wie auch bekleideten Frauengestalten. Die titelgebenden Dryaden, Baumgeister der griechischen Mythologie, gehören dem komplexen bildnerischen Alphabet Delvaux’ an, das der Maler etwa Mitte der 1930er Jahre für seine Malerei zu entwickeln begann. All diese weiblichen Geschöpfe sind auf denselben Frauentyp zurückzuführen, den er in seinen Bildern immer wieder beschwor. Delvaux bekannte: „Frauen waren für mich sehr lange unerreichbare Wesen. Ich träumte sie mir herbei – in allen Situationen, die der Traum gebiert: Brücke, Platz und Eisenbahn.“ (Fritz J. Raddatz, in: DIE ZEIT, 29. Juli 1994) (AF) Paul Delvaux. Les Dryades. 1966 Öl auf Leinwand. 149,5 x 237,5 cm. Museum Ludwig, Köln KORR_80 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 81 37 René Magritte Lessines 1898 – 1967 Brüssel „La malédiction“. 1963 Öl auf Leinwand auf Karton. 16,1 x 21 cm (6 ⅜ x 8 ¼ in.). Unten rechts signiert: Magritte. Rückseitig mit Kugelschreiber in Schwarz gewidmet: Amicalement à Monsieur et Madame Amiel Najar René Magritte 1963. Dort auch ein Etikett der Mayor Gallery, London. Sylvester 975. – [3548] Gerahmt. Provenienz: Amiel E. Najar, Brüssel / Privatsammlung, Berlin Literatur und Abbildung: Patrick Waldberg: René Magritte. Suivi d’une bibliographie générale par André Blavier. André de Rache, Brüssel 1965, Abb. S. 234 € 150.000 – 200.000 $ 162,000 – 216,000 Wenige Künstler haben die Vorstellung von der Kunst im 20. Jahrhundert derart stark geprägt wie René Magritte. Frühe Anregungen empfing der Maler durch die Dada-Bewegung. In den späten zwanziger Jahren lernte er dann in Paris den Kreis der Surrealisten um André Breton und Paul Éluard kennen. Auch die Bilder Giorgio de Chiricos sollen ihn damals nachhaltig beeindruckt haben. In der Folge schuf Magritte ein in der europäischen Kunst einzigartiges Gesamtwerk, in dem sich präzise ausgeführte Bildideen und vage Assoziationen akkurat die Waage halten. Unsere Fassung von „La malédiction“ hat eine Reihe von Vorläufern, die alle denselben Titel tragen. Der Prototyp all dieser Gemälde, die Magritte über mehrere Jahrzehnte schuf, stammt aus dem Jahr 1931 (Sylvester 337). Die Arbeit daran fiel in eine für den Künstler entscheidende Phase. Zu jener Zeit lebte er schon wieder in Brüssel, hielt jedoch regen Kontakt zu seinen Freunden in Paris. Erste Erfolge stellten sich ein. Magritte entwickelte seinen eigenen Stil, illustrierte den Buchumschlag zu „Qu’est-ce que le surréalisme?“ von André Breton. Außerdem hatte er zum ersten Mal in seiner Laufbahn größere Ausstellungen, im Palais des Beaux-Arts in Brüssel und 1936 auch in New York. In diesen für ihn so wichtigen Monaten zieht er mit „La malédiction“ die Summe aus seinen bisherigen Erfahrungen. Die Kluft zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren hat hier die denkbar größte Tiefe erreicht. Der einladende blaue Himmel mit seinen dahingetupften Schäfchenwolken kollidiert heftig mit dem Titel, durch den der Künstler sein Werk vervollständigte. Die Unbeschwertheit eines Sommertages wird so auf sehr konkrete Weise zum Fluch. Denn dadurch erlangt das Bild eine Kraft, vergleichbar mit den maliziösdoppeldeutigen Weissagungen antiker Orakel. Als wollte Magritte dem Betrachter mitteilen, daß er es ihm gern selbst überlassen möchte, Sinn darin zu finden – allerdings, wie bei jedem anständigen Rätsel, auf eigenes Risiko. (UC) 82 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 83 38 Joan Miró Barcelona 1893 – 1983 Palma de Mallorca Ohne Titel. 1973 Gouache, Tuschpinsel und Farbkreide auf Velin. 70,3 x 86 cm (27 ⅝ x 33 ⅞ in.). Unten rechts signiert: Miró. Rückseitig mit Bleistift datiert: 23 / IV / 73, V. Mit einer Bestätigung von Emilio Fernandez Miró, Sucesión Miró, Palma de Mallorca, vom 3. September 1997. – [3438] Provenienz: Privatsammlung, Rheinland € 300.000 – 400.000 $ 323,000 – 431,000 Mit seiner unverwechselbaren, lyrisch-ungegenständlichen Form der Malerei war Miró maßgeblich daran beteiligt, der Abstraktion in der europäischen Kunst den Weg zu bereiten. Die Gouache „Ohne Titel“ von 1973 zählt zu jenen Arbeiten des Spätwerks, in denen der damals 80jährige Miró die Summe der Erfahrungen und Einflüsse zieht, die er selbst in den zurückliegenden sechs Jahrzehnten als prägend empfunden hat. Bis er sich 1956 auf Mallorca niederließ, hatte er die meiste Zeit seines Lebens in Paris zugebracht. Dort machte er unter anderem die Bekanntschaft der Surrealisten um André Breton, lernte Schriftsteller und Poeten wie Ernest Hemingway und Henry Miller kennen. Infolgedessen begann er sich für das Prinzip der „écriture automatique“ zu interessieren. Und er entwickelte einen persönlichen Kanon an Symbolen, von dem er fortan regelmäßig Gebrauch machte. In unserer souveränen, in schwungvollem Duktus ausgeführten Gouache finden sich eine ganze Reihe dieser Symbole: der gelbe und der rote Halbmond etwa, ein Verweis auf das Attribut der Artemis, der Göttin der Jagd und der Fruchtbarkeit, das bei Miró für Begierde steht. Die zwei Augen, die man im Bild erkennt, sind eine Verklausulierung weiblicher Geschlechtsorgane; der Stern links deutet auf das Wirken kosmischer Energien. Mit etwas Phantasie kann man auch die rundliche schwarze Form im Zentrum der Gouache als Vogel interpretieren, welcher – ähnlich wie der Halbmond – bei Miró ebenfalls Begehren symbolisiert. Nimmt man das alles als Ganzes, dann läßt dies nur einen Schluß zu: Bei dieser Gouache handelt es sich um eine Liebeserklärung an das Leben selbst. (UC) 84 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 85 39 Willi Baumeister 1889 – Stuttgart – 1955 „Helle Figuren auf Dunkel“. 1947 Öl mit Kunstharz und Spachtelkitt auf Karton. 35,7 x 45,9 cm (14 x 18 ⅛ in.). Oben rechts mit Bleistift signiert und datiert: Baumeister 47. Rückseitig mit Bleistift betitelt und datiert: Helle Figuren auf Dunkel 1944/47. Beye/Baumeister 1237. – [3409] Gerahmt. Provenienz: Maria Tannenbaum, New York / Galerie Gunzenhauser, München / Privatsammlung, Baden-Württemberg Ausstellung: Baumeister. Gemälde - Zeichnungen - Graphik. Frankfurt a.M., Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath, 1961, Kat.-Nr. 6a / Willi Baumeister. Ölbilder, Handzeichnungen. München, Galerie Gunzenhauser, 1986, Kat.-Nr. 7 Literatur und Abbildung: Will Grohmann: Willi Baumeister. Leben und Werk. Köln, Verlag DuMont Schauberg, 1963, Kat.-Nr. 904, mit Abb. € 50.000 – 70.000 $ 53,900 – 75,400 86 Willi Baumeister zählt zu den bedeutendsten Malern der Klassischen Moderne in Deutschland: 1913 nahm er, ein enger Freund Oskar Schlemmers, in Berlin an Herwarth Waldens legendärem Ersten Deutschen Herbstsalon teil. Später wurde Baumeister Mitglied in der „Novembergruppe“ und bei der Pariser Künstlervereinigung „Cercle et Carré“, in der sich auch Wassily Kandinsky, Piet Mondrian, Fernand Léger und Georges Vantongerloo zusammengetan hatten. Daneben begann er schon in den 1920er Jahren, sich intensiv für außereuropäische und prähistorische Kulturen zu interessieren. Wie befreiend das Ende des Zweiten Weltkrieges auf den von den Nationalsozialisten mit Ausstellungsverbot belegten Künstler gewirkt haben muß, kann man nur erahnen. Jedenfalls brachte Baumeister 1947 seine damals vielbeachtete Streitschrift „Das Unbekannte in der Kunst“ heraus – und schuf im selben Jahr das Gemälde „Helle Figuren“. Unser Werk zeigt den 58jährigen Maler auf dem Höhepunkt seines künstlerischen Vermögens. Der einheitliche Bildraum ist bei den „Hellen Figuren“ fast vollständig aufgelöst. Lediglich am unteren und oberen Rand der Leinwand deutet sich so etwas wie eine Perspektive an. Das Zentrum der Komposition wird eingenommen von kürzelhaften Andeutungen und Skripturen, die man nach eingehender Betrachtung tatsächlich als Figuren interpretieren könnte. Die Offenheit der Lesart war für Baumeister das entscheidende Element seiner Kunst. Der Künstler, schrieb der Maler in dem Jahr, in dem die „Hellen Figuren“ entstanden, „produziert seine bedeutenden Werte ohne Lehrgut, ohne Erfahrung, ohne Nachahmung. Nur auf diese Weise findet er bisher Unbekanntes, Originales. Das Genie ,kann‘ nichts und nur damit alles.“ (Zit. nach: C. Harrison/ P. Wood (Hrsg.): Kunsttheorie im 20. Jahrhundert, OstfildernRuit 1998, S. 753) (UC) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 87 40 Fritz Wotruba 1907 – Wien – 1975 „Kleine liegende Figur II“. 1953 Bronze mit dunkelbrauner Patina. 15,5 x 40,5 x 14 cm (6 ⅛ x 16 x 5 ½ in.). An der rechten Schmalseite des Sockels signiert: WOTRUBA. Breicha 177. – Einer von 7 numerierten Güssen. [3342] Provenienz: Privatsammlung, Süddeutschland € 25.000 – 35.000 $ 26,900 – 37,700 Nach 1945 veränderte sich die Kunst der westlichen Welt grundlegend. Der damalige Neubeginn war oftmals von der Absage an die Gegenständlichkeit geprägt. Einige Künstler versuchten, auf ihrem früheren Werk aufbauend, neue Wege für sich zu finden, wie etwa Henry Moore. Andere konnten bereits auf ihren persönlichen ‚Kanon‘ von Formulierungen zurückgreifen, wie zum Beispiel Alberto Giacometti. Fritz Wotruba blieb seinen Grundprinzipen treu und führte sie zugleich zu zeitloser Gegenwärtigkeit. Das Bild des Menschen war und blieb sein Thema. In der Nähe zu klassischen Skulpturen, deren Maximen er souverän in seine zergliederten, stereometrischen Formen übertrug, erweist sich Wotrubas Meisterschaft. „Ich versuche bei der Realisierung eines Themas mit einem Minimum an Formen auszukommen, da ich glaube, daß die künstlerische Aussage durch die rücksichtsloseste Ausmerzung jeder Formenphrase nur wahrer und dadurch wirksamer wird. Ich gebe aber zu, daß ich gleichzeitig glaube, daß auch bei größter Anstrengung (über sich selbst hinauszukommen) der Ballast, mit dem Herkunft und Erinnerung uns beschweren, niemals abgeworfen werden kann. Deswegen ist die Vorstellung von der einfachen, disziplinierten Form ein subjektiver Begriff, und doch gibt es einen Urbegriff von Einfachheit und Harmonie, der erreicht werden muß.“ (Fritz Wotruba, zit. nach: Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst. Fritz Wotruba, München 1993, S. 2) (EO) 88 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 89 41 Willi Baumeister 1889 – Stuttgart – 1955 „Fra Diavolo (auf Gelb)“. 1951 Öl mit Kunstharz auf Hartfaser. Im Künstlerrahmen. 65 x 81 cm (25 ⅝ x 31 ⅞ in.). Unten rechts mit Bleistift signiert und datiert: Baumeister 7.51. Rückseitig mit Kreide betitelt, datiert, signiert und bezeichnet: Fra Diavolo (auf Gelb) 1951 Baumeister 81 x 65 cm. Auf dem Rahmen oben Etiketten der Sammlung G. D. Thomson, der Modernen Galerie Otto Stangl und der Feigl Gallery, New York. Beye/Baumeister 2042. – [E] Gerahmt. Provenienz: Hacker Gallery, New York / G. David Thompson, Pittsburgh / Galerie Otto Stangl, München / ehemals Privatsammlung (1957 erworben bei Stangl, München) Ausstellung: Willi Baumeister. New York, Hacker Gallery, 1952, mit Abb. / Willi Baumeister. München, Galerie Otto Stangl, 1956 (außer Katalog, auf einem Ausstellungsphoto im Archiv Baumeister zu sehen) Literatur und Abbildung: Will Grohmann: Willi Baumeister. Stuttgart 1952, S. 59, Kat.-Nr. 142, mit Farbabbildung / Will Grohmann: Willi Baumeister. Leben und Werk. Köln, Verlag M. DuMont Schauberg, 1963, Kat.-Nr. 1123, mit Abb. / Oto Bihalji-Merin: Willi Baumeister. in: Quadrum, Nr. 8, 1960, S. 59-74, hier Farbabb. S. 63 / Morris Davidson: Painting with Purpose. Englewood Cliffs, New Jersey, 1964, S. 107, Abb. 41 € 150.000 – 200.000 $ 162,000 – 216,000 Der Kunsthistoriker Will Grohmann hat sich schon zu Lebzeiten des Künstlers als einer der besten Kenner von Willi Baumeisters Werk erwiesen und hat als erster versucht, die fast unüberschaubare Flut von künstlerischen Einfällen und Ideen in Kategorien zu fassen. Dabei spannt sich ein weiter Bogen etwa von den „Mauerbildern“ bis hin zu den „Metaphysischen Landschaften“. In letztere Werkgruppe ist im weiteren Sinne auch unser Bild einzuordnen. Aber Grohmann selbst stellt fest: „Man kommt bei Baumeister in jedem Jahrfünft oder Jahrzehnt in Verlegenheit, die Einzelfälle sinngemäß zu katalogisieren, es ist für sie nirgends Platz, außer im Ganzen des Œuvre, das alle nur denkbaren Entwürfe und Experimente zu beherbergen vermag. Es ginge nicht an, sie unter den Tisch fallen zu lassen, nur weil sie den Ordnungssinn des Chronisten stören.“ Ein solcher Einzelfall ist „Fra Diavolo“, das sich, folgt man Grohmann, mit der „Faust“-Serie berührt, „aber es ist so heiter und verwegen wie die Spieloper Aubers, mit dem neapolitanischen Gelb und Rot und der banditenhaften Figurine rechts“ (Will Grohmann: Willi Baumeister. Leben und Werk, Köln 1963, S. 112). Auf einem hellen Grund stehen aus dem Schaffen des Malers wohlvertraute Zeichen, zarte Liniengefüge, zerfließende amorphe Formen in sachter Bewegung, fast plastisch erscheinende Zusammenballungen und farbige, schwebende Einsprengsel. Diese charakteristischen Elemente beseelen das Bildformat, eine Bühne, auf der sich ein phantasievolles Spiel voller Poesie ereignet. (EO) 90 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 91 42N Norbert Kricke 1922 – Düsseldorf – 1984 „Raumplastik“. 1960 Edelstahlstäbe, geschweißt, auf schwarzen Onyxsockel montiert. Höhe (ohne Sockel): 56 cm (22 in. ). Die Plastik wird aufgenommen in das Werkverzeichnis der Plastiken Norbert Krickes von Dr. Sabine Kricke-Güse, Berlin (in Vorbereitung). – [3062] Provenienz: Galerie Karl Flinker, Paris / Mr. und Mrs. Robert Brookings Smith, St. Louis, Missouri (erworben 1965) / Sally Smith Duffield, Wellington, Florida, und Brian Brookings Romanski, St. Louis, Missouri (durch Erbschaft) / The Sheldon Art Galleries, St. Louis, Missouri (durch Schenkung) Literatur und Abbildung: Eduard Trier: Norbert Kricke (= Monographien zur rheinisch-westfälischen Kunst der Gegenwart, Bd. 28). Verlag Aurel Bongers, Recklinghausen 1963, ganzs. Abb. S. 60 € 140.000 – 180.000 $ 151,000 – 194,000 Wir danken Dr. Sabine Kricke-Güse, Berlin, für freundliche Hinweise. Mit dem Verkaufserlös werden das Ausstellungs- und das Vermittlungsprogramm der Sheldon Art Galleries, St. Louis, Missouri, gefördert. 92 In Norbert Krickes Schaffen ist die Auseinandersetzung mit dem Raum ausschließliches Thema. Der Künstler umkreiste die Fragestellung in mehreren Werkphasen und gelangte von geometrisierenden Formen über Flächenbahnen und kurvigdynamische Raumplastiken zur minimalistischen Linie im Raum, mit der er sein Werk beschloß. Hatten aus Drahtbündeln übereinander geschichtete Körper ihm ermöglicht, Verhalten und Wirkung einer Ebene oder senkrechten Wand im Raum zu studieren, gab er diese tektonische Konstruktionsweise Mitte der 1950er Jahre auf und erlaubte der Linie, Krümmungen, Kurven und dichte Knäuel zu bilden. Ob sie sich dabei zu einem Kern hin konzentrieren oder wieder auflösen und auseinanderstreben, überließ Kricke dem jeweiligen Entstehungsprozeß, denn im Raum gibt es seiner Überzeugung nach unendlich viele Richtungen. Unsere „Raumplastik“ von 1960 balanciert auf kleiner Standfläche. Daraus steigt eine erste Formation aus gebündeltem Draht empor, die sich im mittleren Bereich erst seitlich ausdehnt und dann weiter zur Höhe strebt. Filigrane Bündel wie auch einzelne Drähte sprengen die Kontur und verlieren sich im Raum. Einen Höhepunkt dieser Werkphase stellt die mächtig aufstrebende, wie im Abflug zu einer anderen Welt verharrende „Große Kasseler“ (1958/59) dar, eine imponierende Figuration über die Freiheit der Gedanken. Aber – dem Künstler erschloß sich der Raum noch nicht genug. Die Bewegung und die Zeit, die dabei verstreicht, versuchte er mit Linien in allen drei Dimensionen zu verfolgen. Der Raum aber ist unendlich groß und kaum für ein Individuum zu ermessen. Krickes Skulpturen sind beredte Zeugen seines Wunsches, das Geheimnis von Körper und Raum zu verstehen. Sie sind aber auch nur Stationen auf dem Weg des Künstlers, die für seine Kunst und für sich selbst existentiell notwendige Freiheit zu erlangen. (EO) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 93 43 Peter Brüning Düsseldorf 1929 – 1970 Ratingen „Ohne Titel“. Um 1961 Öl und Farbkreide auf Leinwand. Doubliert. 90 x 115,5 cm (35 ⅜ x 45 ½ in.). Otten 432. – [3119] Gerahmt. Provenienz: Nachlaß Peter Brüning, Ratingen / Privatsammlung, Hessen € 50.000 – 70.000 $ 53,900 – 75,400 Zwischen Peter Brünings frühen Landschaftsbildern und seinem Spätwerk, das die Urbanisierung der Natur durch Straßenbau und Massenverkehr zum Gegenstand hat, stehen in den Jahren um 1960 abstrakte Gemälde. Willi Baumeister hatte dem jungen Künstler empfohlen, sich auch der Innenwelt des Menschen zuzuwenden, und ihn auf die ostasiatischen Philosophen des Zen-Buddhismus aufmerksam gemacht. Ihre lakonische und zugleich definitive Kalligraphie hat in Brünings Malerei ebenso Spuren hinterlassen wie seine bewußte Auseinandersetzung mit Werken Cy Twomblys. Auf dem hellen Grund des Bildes stehen schraffierte Formen. Sie scheinen unruhig zu vibrieren, vor dem Blick zu verschwimmen und ihre Ausdehnung zu verändern. Der Maler wählte lebhaftes Rot, Rosa und etwas Hellbraun, um die spontanen Zeichen festzuhalten, der umgebende Raum wächst zu unendlicher Weite an. Skripturale schwarze Pinselstriche geben dem Auge Halt und regen Assoziationen an. Wenn nämlich der Gegenstand unbedeutend für ein Kunstwerk wird, dann ergänzt die Erfahrung aus dem immensen Gedächtnisspeicher, den jeder Mensch durch seine Entwicklung und die tägliche Wahrnehmung aufbaut, das, was dargestellt sein könnte. Die Ausdehnung des Raums, in dem die Zeichen schweben, hat Peter Brüning nicht festgelegt, das Bild kann als Momentaufnahme des Hier und Jetzt gesehen werden und als Ausdruck der Unendlichkeit. An keiner Stelle verschließt es sich dem Zugang, nirgends errichtet es eine Schwelle. In unserem Bild öffnet sich die Tür zu einer großen gedanklichen und künstlerischen Weite. (EO) 94 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 95 44 Hann Trier Düsseldorf-Kaiserswerth 1915 – 1999 Castiglione della Pescaia „Nymphe Echo“. 1964 Öl auf Leinwand. 195 x 129,5 cm (76 ¾ x 51 in.). Unten rechts signiert und datiert: hTrier 64. Rückseitig mit schwarzer Kreide signiert, datiert und betitelt: hTrier 1964 DIE NYMPHE ECHO. Auf dem Keilrahmen zwei Etiketten der Galerie Der Spiegel, Köln, sowie ein Etikett zur Ausstellung Kassel 1964 (s.u.). Gerlach-Laxner 452. – [3222] Gerahmt. Provenienz: Galerie Der Spiegel, Köln / Privatsammlung, Rheinland (seit Anfang der 1980er Jahre) Ausstellung: III. documenta. Kassel, 1964, Bd. 1, S. 194, Kat.-Nr. Trier 4 / Hann Trier. Köln, Kunstverein, 1979, Kat.-Nr. 61 € 18.000 – 24.000 $ 19,400 – 25,900 „Nymphe Echo“ ist ein Hauptwerk Hann Triers, nicht nur, weil es auf der legendären documenta von 1964 ausgestellt war, sondern vor allem, weil hier Dynamik auf so überzeugende Weise Form wird und Triers doppelhändige Malweise sich so souverän zu einer einheitlichen, kraftvollen Komposition verdichtet. Es ist, als schaue man von oben auf zwei Wellen, die in der Mitte des Bildes zusammenstoßen, sich dort auftürmen zu hellen und braunen Schaumkronen. Und genau aus diesem energiegeladenen Zusammentreffen der beiden Bildhälften baut Trier seinen Turm zur Feier der informellen und abstrakten Malerei. So kraftvoll malen die rechte Hand und die linke Hand hier gegeneinander an, daß das ganze Gebilde unten und oben etwas aus dem Lot gerät, doch es verliert seine Mitte nicht, und es ist gerade dieser Schwung innerhalb der Mittelachse, der den ganzen Bildraum elektrisiert und in Spannung hält. Im Dezember 1963 informierte der documenta-Rat Hann Trier darüber, daß beschlossen worden sei, eine Anzahl seiner Ölbilder anläßlich der dritten documenta (27. Juni – 5. Oktober 1964) auszustellen. Zuvor waren Werke von Hann Trier bereits 1955 und 1959 auf der documenta I und II gezeigt worden. Mit der Auswahl der Gemälde für die dritte documenta war Alfred Hentzen beauftragt. Gleichzeitig beschloß der Arbeitsausschuß für die Sonderausstellung „Handzeichnungen“, mehrere Zeichnungen von Hann Trier zu zeigen. Ihre Auswahl wurde seinem Bruder Eduard Trier übertragen, der nach Vorschlägen des Künstlers eine Gruppe von fünf Zeichnungen aus der Zeit von 1951 bis 1963 zusammenstellte. Hann Trier, der seinen farbigen Bildern lieber einen Namen als eine Nummer gegeben hat, verweist mit dem Titel „Nymphe Echo“ auf Ovids „Metamorphosen“. Die Nymphe hatte die Göttin Juno durch unentwegtes Reden von einem Ehebruch ihres Gatten Zeus abgelenkt. Aus Rache nahm daraufhin die Göttin Juno der Nymphe die Sprache, so daß sie nur noch wenige zuvor gehörte Worte anderer nachsprechen konnte. Trotz der vielen inhaltsschweren Titel war es nie die Intention von Hann Trier, „daß der Betrachter hingeht, den Titel liest und dann das Bild verhört, ob es dem Titel gerecht wird. Ich will nur sagen, was mich geleitet hat, was mir durch den Kopf ging oder wie es mir selbst hinterher manchmal vorkam.“ Mit beiden Händen gleichzeitig malend, entstand der für sein Werk gestische Aufbau der Bilder in einer tänzerischen Choreographie beider Arme – phasenweise sich abstoßend, doch am Ende souverän ineinanderfließend. (AGT) 96 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 97 45 Emil Schumacher Hagen 1912 – 1999 San José/Ibiza „Barbaros“. 1957 Öl auf Leinwand. 132 x 170 cm (52 x 66 ⅞ in.). Unten rechts signiert und datiert: Schumacher 57. Auf dem Keilrahmen mit Pinsel in Schwarz betitelt und mit Kugelschreiber datiert: Titel: Barbaros 10.IV.57. Rückseitig ein fragmentarisches Etikett der 29. Biennale Venedig, 1958. Auf dem Keilrahmen Etiketten der Ausstellungen Berlin 1957, Hannover 1961, Münster und Venedig 1962 (s.u.). Das Werk ist registriert im Archiv der Emil Schumacher Stiftung, Hagen, unter der Nummer 0/94. – [3109] Gerahmt. Provenienz: Privatsammlung, Süddeutschland (vom Künstler erworben) Ausstellung: Deutscher Künstlerbund. 7. Ausstellung, mit Sonderausstellung Kunst am Bau. Berlin, Hochschule für bildende Künste, 1957, Kat.-Nr. 279 mit Abb. (anderer Zustand) / Emil Schumacher. Hannover, Kestner-Gesellschaft, 1961, Kat.-Nr. 44a / 31. Biennale Venedig, 1962, Kat.-Nr. 173 / Emil Schumacher. Münster, Westfälischer Kunstverein, Landesmuseum, 1962, Kat.-Nr. 35 / Le grand geste! Informel und Abstrakter Expressionismus 1946-1964. Düsseldorf, museum kunst palast, 2010, Kat.-Nr. 132, ganzs. Farbabb. S. 149 Literatur und Abbildung: Werner Schmalenbach: Emil Schumacher. DuMont Buchverlag, Köln 1981, S. 64, Abb. 27 auf S. 147 € 150.000 – 200.000 $ 162,000 – 216,000 98 1945: eine ungeheuerliche und nahezu unüberwindliche Zäsur. Zusammenbruch, Befreiung, Neuanfang. Doch wo anknüpfen und wie? Für viele Künstler waren selbst die Strömungen der zwanziger Jahre nicht der richtige Weg für eine Neubesinnung. Eine schöpferische Welterfahrung ohne Figur und Gegenstand wurde für viele Maler der einzig gangbare Weg. Befördert durch den amerikanischen Abstrakten Expressionismus und die École de Paris, entwickelte sich das Informel zur wegweisenden Richtung in der europäischen Malerei zwischen etwa 1950 und 1960. Klassische Form- und Kompositionsprinzipien wurden ebenso abgelehnt wie die geometrische Abstraktion. Die Bildform sollte ebenso offen wie prozessual sein. „Barbaros“ gehört zu den ersten Arbeiten, in denen Schumacher eine ganz eigene „informelle“ Bildsprache fand, die ihn zu einem der großen deutschen Maler des 20. Jahrhunderts werden ließ. Das anspruchsvolle Format zeigt eine ovale Form aus verhalten leuchtendem Orange. Die Wärme des Farbtons läßt das umgebende Weiß sich wie schmelzendes Eis an die Bildränder zurückziehen. Doch existiert auch noch ein anderer, „gefährlicher“ Gelbton. Für Schumacher hat Gelb „einen unbeschreiblichen Reiz, [...] es riecht süß, es schmeichelt wie Moos, und man übersieht die Otter, die darin eingeringelt liegt. Unbekannte Gefahr“ (Emil Schumacher. Leben in der Malerei, Gespräche und Texte, Ostfildern, Hatje Cantz Verlag, 2008, S. 25). Offenbart sich in der Farbe ein Nachhall eigenen Erlebens? Ein grau-weißes Lineament überzieht das Bild. Die Linien, streng gerade, raumgreifend geschwungen oder unentschieden abbrechend, werden kontrastiert mit Punkten in Schwarz und wenigen Flecken in Rot. Das Geflecht scheint auf dem Weg zu einer Figuration zu sein, zu welcher, bleibt allerdings offen. Farben und Linien verharren in einem Schwebezustand, der den ästhetischen Reiz dieses Bildes von Schumacher ausmacht. Der Maler hat bekannt, dem Material, den Farben also und den Formen, oft seinen Willen gelassen zu haben. Dieses sich „Mitreißenlassen“ ist auch für den heutigen Betrachter eine beglückende Erfahrung. (OH) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 46 Fred Thieler Königsberg 1916 – 1999 Berlin „Desafinado“. 1963 Mischtechnik und Collage auf Leinwand. 190 x 125 cm (74 ¾ x 49 ¼ in.). Unten rechts signiert und datiert: F. Thieler 63. Rückseitig in Schwarz signiert, datiert und betitelt: F. Thieler 1963 desafinado. Melchior 6/151. – [3119] Gerahmt. Provenienz: Galerie Nothelfer, Berlin / Galerie Sander, Darmstadt / Privatsammlung, Hessen Innerhalb der ,Weltsprache‘ der Abstraktion nach 1945 nimmt Fred Thieler einen wichtigen Platz unter den deutschen Vertretern dieser Stilrichtung ein. Er beschäftigte sich sowohl mit dem Materialcharakter des Bildes als auch mit seinen lyrischen und abstraktexpressiven Kräften. Aus der Farbe ließ er eine dichte Struktur entstehen, die er in der Fläche des Bildformates ausbreitete. Seine Bilder benötigen keine Titel, sie sind pure Malerei. Sie verzichten auf den Gegenstand und sind Dokumente prozessualer Abläufe von unerhört frischer, immer verblüffender Aussage. Ausstellung: Fred Thieler. 1961-1963. Bilder und Grafik. Oldenburg, Oldenburger Kunstverein, 1963, Faltblatt Nr. 12 / Professor Fred Thieler, Berlin. Ölgemälde, Collagen, Graphiken. Witten, Märkisches Museum, 1965, Kat.-Nr. 29 / 40 Jahre Kunst in der Bundesrepublik Deutschland. Oberhausen, Städtische Galerie Schloß Oberhausen, und Berlin, Staatliche Kunsthalle, 1989, Abb. S. 94 Literatur und Abbildung: Manfred de la Motte (Hrsg.): Fred Thieler. Berlin, Galerie Georg Nothelfer, 1983, Abb. S. 108 / Ausst.-Kat. Fred Thieler. Arbeiten von 1940-1986. Berlin, Akademie der Künste und Saarbrücken, Saarland Museum, Moderne Galerie, 1986, Abb. S 75 / Ausst.-Kat. Fred Thieler. Dialog mit der Farbe. Emden, Kunsthalle; Herford, Daniel-Pöppelmann-Haus; Schweinfurt, Städtische Sammlungen, 1991, Abb. S. 23 € 30.000 – 40.000 $ 32,300 – 43,100 100 Ein dichter Strom von Farbe und Pigment, schwer zu lenken, breitet sich über die Leinwand aus. Dem vehementen Zugriff ausgeliefert, liegt sie während des Malvorgangs auf dem Boden von Thielers Atelier. Krater brechen auf, Blauwerte betören das Auge, prismenartig gebrochene, kristalline Formen irritieren den Blick. Werner Haftmann nannte das „Natur + Technik + Geschwindigkeit“, um ihre Beziehung zu organischem Wachsen, die rhythmische Strukturierung und die Dynamik der Oberfläche zu umschreiben. Aber damit nicht genug. „Zur Farbe und ihrer vielfältigen Verwendung kommt ein neues Element hinzu: Collage und dé-Collage. Meist wird Papier auf Leinwand verwendet, gelegentlich wieder neu bemalt, oft wieder entfernt, manchmal dann neuerlich miteinander verspannt und verzahnt. [...] in einem letzten Prozeß werden dann alle Elemente in Verbindung gebracht zu einem neuen Gesamten, das anders nicht hätte entstehen können.“ (Manfred de la Motte: Thieler-Lexikon 1960-1965. In: Fred Thieler. Arbeiten 1940-1986. Ausst.-Kat. Akademie der Künste, Berlin 1986, S. 74) (EO) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 101 47 Cy Twombly Lexington/Virginia 1929 – 2011 Rom „Silex Scintillans“. 1981/82 Öl, Farbkreide und Bleistift auf Fabriano-Velin. 100 x 70,6 cm (39 ⅜ x 27 ¾ in.). Oberhalb der Mitte monogrammiert und datiert: CT aug 81 mar 82. Unten betitelt: SILEX SCINTILLANS. Lambert 164. – [3010] Gerahmt. Provenienz: Privatsammlung, Berlin (1982 in der Galerie Karsten Greve, Köln, erworben) Ausstellung: Cy Twombly. Arbeiten auf Papier 1981-82. Köln, Galerie Karsten Greve, 1982, Kat.-Nr. 33, mit ganzs. Farbabb. € 100.000 – 150.000 $ 108,000 – 162,000 Die farbige Zeichnung „Silex Scintillans“ scheint auf den ersten Blick an eine Landschaft, den Verlauf einer Bucht oder auch einen Gebirgszug über dem Meer zu erinnern. Ein warmer, rot verdichteter Kern wird in deutlichem Kontrast von einer kühlen, blauen Linienstruktur eingeschlossen. Darüber liegt wie eine schützende Haube eine gelbe Linie. Blau und Gelb führen farbig unverändert zur rechten Blatthälfte, das Rot hingegen verläuft, abgeschwächt und mit Weiß vermengt, zum rechten Bildrand. Unterhalb der Lineaturen hat Twombly in Blau und Schwarz in Großbuchstaben den Titel „Silex Scintillans“ notiert, rechts ist das Blatt mit einem weit auseinander gezogenen „C T“ in Rot monogrammiert und daneben der Zeitraum festgehalten, in dem die Zeichnung entstanden ist: „aug 81 / mar 82“. Bereits 1957 tauchen erste lesbare Zeichen, Zitate und Texte als Bestandteile in Cy Twomblys Bilderns auf. Verschiedene Ausdrucksebenen gehen dabei eine vibrierende Synthese ein. Die Suche nach dem Sinn von Malerei, Zeichnung und Schrift wird der Assoziation des Betrachters überlassen. Twombly selbst hat hervorgehoben: „Das Malen bestimmt das Gebilde, deshalb erklärt es weitgehendst die Idee oder den Gefühlsinhalt eines Bildes.“ Als Twombly im August 1981 mit der Arbeit „Silex Scintillans“ begann, hielt er sich in der italienischen Hafenstadt Gaeta auf, deren malerische landschaftliche Umgebung offenbar die Zeichnung inspiriert hat. Auch im Folgejahr hat der Künstler das zwischen Rom und Neapel gelegene Küstenstädtchen besucht, in dem er schon bald seinen Lebensmittelpunkt wählte. Mit dem lateinischen Titel „Silex Scintillans“ (Funkensprühender Stein) verweist Twombly auf das 1650 erschienene gleichnamige Hauptwerk des walisischen Dichters Henry Vaughan (1622-1695). Der funkensprühende Stein ist darin die Metapher für ein durch die Worte Gottes wiedererwecktes erkaltetes Herz. Die Natur dient der Verwirklichung einer göttlichen Idee. Das Titelblatt der ersten Ausgaben Vaughans zeigt Gottes Hand, die durch Wolken greifend, mittels Berührung einen Stein in Form eines Herzens unter sprühenden Funken zum Schmelzen bringt. (AGT) 102 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 103 48 George Rickey South Bend, Indiana 1907 – 2002 St. Paul, Minnesota „Two Lines Up Excentric, Variation III“. 1975 Kinetische Edelstahlskulptur mit 2 beweglichen Nadeln (Außenskulptur). Höhe: 300 cm, Breite (im Ruhezustand): 97 cm, Nadeln: jeweils 211 cm (118 ⅛ in., 38 ¼ in., 83 ⅛ in.). Auf der Bodenplatte signiert und datiert (eingeritzt): Rickey 1975. Eines von 3 numerierten Exemplaren. Auf temporäre Betonverankerungskonstruktion montiert. [3533] Provenienz: Privatsammlung, Großbritannien (erworben bei Gimpel & Hanover Galerie, Zürich/London, seitdem in Familienbesitz) Ausstellung: George Rickey. Zürich/London Gimpel & Hanover Galerie, 1975, Kat.-Nr. 23, mit Abb. € 100.000 – 150.000 $ 108,000 – 162,000 Wir danken Birgit Mieschonz, Estate of George Rickey, East Chatham, für freundliche Hinweise. NEU KORR_104 Zwei geknickte Stäbe, die sich nach oben hin wie Nadeln verjüngen, schreiben unsichtbare Kreise und Schleifen in die Luft. Sie nähern sich an, kurz hält man den Atem an, aber sie berühren sich nicht. Sie schwingen, pendeln oder stehen fast reglos im Raum. Rickey hat einmal bekannt, daß die Bewegungsarten, die dem kinetischen Künstler zur Verfügung stehen, überschaubar seien, kaum mehr als die zwölf Töne umfaßten, die der abendländischen Musik zur Verfügung stünden. Hier wie dort existieren jedoch zugleich unerschöpfliche Möglichkeiten. Während aber das an den Notentext gebundene Musikstück bei jeder Aufführung zumindest ähnlich klingt, sind die Bewegungsmöglichkeiten einer Skulptur von Rickey unendlich. Die Abläufe gehorchen zwar den Naturgesetzen der Schwerkraft und der Luftenergie, doch die Skulptur ergibt sich auch den fließenden, modulierenden Kräften der Natur. Hierin liegt ein poetischer Gedanke. Jede Skulptur von Rickey gibt sich in Material und geometrischer Form eindeutig als Werk des 20. Jahrhunderts zu erkennen. Anders als der von ihm bewunderte Alexander Calder versucht Rickey nicht, die Natur zu imitieren. Der Künstler denkt technisch-konstruktiv. Die Bewegungen seiner Arbeiten sind koordiniert und geformt. In unserem Fall ist der kurze Teil des geknickten Stabes viel schwerer als der lange Teil. Hierdurch bewegen sich die Stäbe langsam, fast zögerlich. Das Vordringen in den Raum vollzieht sich nicht mit machtvoller Geste, sondern behutsam. Bei aller Beherrschung der Mittel spürt der Betrachter den Respekt vor den Wirkkräften der Natur. So bezeichnet Werner Haftmann denn auch die Arbeiten Rickeys als „bildhafte dichterische Metaphern einer zeitgenössischen Wirklichkeitserfahrung“ (George Rickey zum 80. Geburtstag. Skulpturen. Eine Werkübersicht, Galerie Pels-Leusden, Berlin 1987). (OH) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 105 49 Bruno Goller Gummersbach 1901 – 1998 Düsseldorf Die Krawatte. 1971 Öl auf Leinwand. 190 x 160 cm (74 ¾ x 63 in.). Unten rechts signiert: Bruno Goller. [3489] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Johannes Wasmuth, Rolandseck Ausstellung: Bruno Goller. Bilder, Zeichnungen. Remagen, Bahnhof Rolandseck, 1991, ganzs. Farbabb. S. 117 / Bruno Goller zum 95. Geburtstag. Bilder, Zeichnungen. Remagen, Bahnhof Rolandseck, und Solingen, Museum Baden, 1996/97, ganzs. Farbabb. S. 103 / Bruno Goller. Retrospektive zum hundertsten Geburtstag. Krefeld, Haus Langen und Haus Esters, und Winterthur, Kunstmuseum Winterthur, 2001/02, Kat.-Nr. 44, ganzs. Farbabb. S. 77 Literatur und Abbildung: Volker Kahmen: Bruno Goller. Edition Bahnhof Rolandseck, 1981, Nr. 107, ganzs. Abb., S. 198 € 40.000 – 60.000 $ 43,100 – 64,700 Die stille Monumentalität dieses Gemäldes von Bruno Goller erklärt sich aus der Perspektive des Malers: Die Krawatte, die dem Gemälde den Titel gibt, hat die enorme Größe, weil dem 70jährigen Künstler eine Kindheitserinnerung aufstieg, nämlich der Blick in die Auslagen des Putzmachergeschäftes seiner Mutter, mit dem Krawattenständer, dem zahlreichen Zierrat für Kleider und Hüte. Nach dem frühen Tod des Vaters hatte Goller viel Zeit im mütterlichen Geschäft im Erdgeschoß des Wohnhauses verbracht, und aus dieser fernen Welt der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg schraubte sich die Krawatte sowie die Bänder auf dem zweiten Ständer hinein in Gollers Motivrepertoire (natürlich spielt das Gemälde auch mit dem Phallussymbol, zu dem für den heranwachsenden Knaben die Krawattenständer geworden sind). Immer wieder gelingt es Bruno Goller, mit einem eingeschränkten Themenfundus aus seinem direkten Umfeld Kunstwerke zu schaffen, die aus ihrer Zeit fallen. Die Vasen, Schleifen, Tassen und Schüsseln, die er in seinen Bildern aufreiht, werden durch den so spröden wie ausgeklügelten Malstil sofort aus ihrer Alltäglichkeit gerissen und entfalten eine eigene Musealität. Er malt die Dinge so, als seien es archäologische Funde der Antike. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Oberflächenhaptik und seine – man könnte fast sagen – „etruskische Palette“, die den Leinwänden den Charakter von gebranntem Ton verleihen. Wie die zwei Enden eines Vorhangs läßt Goller bei unserem Bild die beiden angeschnittenen roten Flächen links und rechts zur Seite treten, um die Bühne zu bereiten für die Krawatte und den Schleifenständer. Skulpturen gleich stehen Sie da, wie angegossen. Und doch entwickeln die Muster auf ihnen ein Eigenleben, die organischen Formen lösen sich auf und verdichten sich wie Zellen unter einem Mikroskop; sie sind der einzige Bewegungsherd des Gemäldes. Besonderen Kunstwerken gelingt es, daß die persönliche Ebene des Künstlers, so subjektiv sie auch sein mag, auf einer höheren Ebene durch eine ganz andere gesellschaftliche Relevanz gesteigert wird. So verwandelt sich die Krawatte, die aus einer Kindheitserinnerung Bruno Gollers aufstieg, für uns heutige Betrachter zu einem Bild aus dem Jahre 1971, zur halbironischen, halb dokumentarischen Darstellung einer Ikone der Angestelltenwelt, auch zu einem versteinerten Männlichkeitssymbol (und dies alles lange bevor die Krawatte im Werk von Claes Oldenburg die beiden Assoziationsebenen mit den Mitteln der Pop Art in monumentale Kunstwerke verwandelte). Bruno Goller war ein Außenseiter und blieb es ein Leben lang. Gefangen in den Bildern seiner Kindheit, legte er sogar seine Professur an der Düsseldorfer Kunstakademie nieder, um sich ganz seinem Werk widmen zu können. Der Öffentlichkeit verweigerte er sich, Ausstellungen eigentlich auch, wenn doch, dann nahm er unter Protest teil. Nun hat seine Wiederentdeckung begonnen. (FI) 106 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 107 50 Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff 1923 – Berlin –2011 und Grötzingen 1921 – lebt in Berlin „Pegasos“. 1980/81 Messing und Zinn, auf schwarz lackierten Holzsockel montiert. 120 x 75 x 95 cm (ohne Sockel) (47 ¼ x 29 ½ x 37 ⅜ in.). Schwarz 424. – Unikat. [3519] Provenienz: Privatsammlung, Hannover Ausstellung: Matschinsky-Denninghoff. München, Galerie von Laar, 1981 / Matschinsky-Denninghoff, Skulpturen und Zeichnungen 1955-1985. Berlin, Akademie der Künste; Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Saarbrücken, Saarland-Museum, 1985, Kat.-Nr. 66, Abb. S. 26 / Matschinsky-Denninghoff. Hannover, Galerie Kö, 1988 Literatur und Abbildung: Vingt Ans de Prix Bourdelle. Paris, Musée Bourdelle, 1981, mit Abbildung € 80.000 – 120.000 $ 86,200 – 129,000 Seit 1955 arbeiteten die Bildhauerin Brigitte Meier-Denninghoff und der gelernte Photograph Martin Matschinsky, die sich am Theater begegnet waren, zusammen. Wenige Jahre später entwickelten sie die spezifische Technik, die ihr gemeinsames Schaffen über Jahrzehnte bestimmen sollte. Ihre Plastiken werden nicht modelliert und gegossen oder aus dem Stein herausgehauen, sondern aus unzähligen Drahtbündeln geschichtet und geformt, verlötet und zur Einheit gefügt. Was mit den Materialien Messing und Zinn begann, wurde später dauerhaft und wetterbeständig aus Chromnickelstahl gebaut. Die frühen Arbeiten haben den technisch perfektionierten des Spätwerks eine fragilere Oberfläche voraus, doch auch das neue Verfahren läßt die Skulpturen altern und eine Patina hervorbringen, die ihren eigenen Reiz besitzt. „Pegasos“ ist eine Kombination aus Rohr und Fläche. Ersteres wächst aus dem Boden hervor, einmal fast rechtwinklig in den Raum abbiegend, bevor es abrupt endet. Die Fläche schwingt sich empor, verjüngt sich in die Luft. Diese Bahn wirkt wie ein Stück Stoff, eine Standarte, ein langes, schmales Tuch. Johannes Langner nennt das „Antithese des Organischen und des Anorganischen, ein Grundthema des Schaffens der beiden Künstler“, und sieht unter Berücksichtigung des Titels in der Skulptur ein Symbol der Inspiration. (Matschinsky-Denninghoff. Skulptur und Zeichnung 1955-1985, Ausst.-Kat. Akademie der Künste, Berlin 1985, S. 26) Der traditionellen Erwartung an eine Freiplastik, „von allen Seiten gleich schön“ zu sein, folgt das abstrakte Bildwerk vollkommen. Brigitte Meier-Denninghoff ist durch Antoine Pevsner, bei dem sie gearbeitet hat, mit der dynamischen Form im Raum vertraut geworden, das photographisch geschulte Auge Martin Matschinskys erspürt hinter einer Ansicht auch ihre Varianten von der Seite oder von hinten. Und so ruht die Plastik in sich selbst, erlaubt aber den Gedanken, den sie umspielenden Kräften nachzuspüren und sie mit Assoziationen zu füllen. (EO) 108 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 109 Villa Grisebach Auktionen Berlin Villa Grisebach Fasanenstraße 25 D-10719 Berlin Telefon: +49-30-885 915-0 Telefax: +49-30-882 41 45 [email protected] www.villa-grisebach.de Bernd Schultz [email protected] Dr. Markus Krause [email protected] Micaela Kapitzky [email protected] Daniel von Schacky [email protected] Florian Illies [email protected] Wilfried Utermann | Dortmund Telefon: +49-231-4764 3757 [email protected] Auktionatoren Peter Graf zu Eltz, Salzburg Dr. Markus Krause, Berlin Bernd Schultz, Berlin (öffentlich bestellt und vereidigt) Daniel von Schacky, Düsseldorf/Berlin Repräsentanzen Representatives Norddeutschland Stefanie Busold Telefon: +49-40-4600 9010 [email protected] Contemporary Art Jesco von Puttkamer Telefon: +49-89-22 76 33 [email protected] Nordrhein-Westfalen/Benelux Daniel von Schacky Telefon: +49-211-8629 2199 [email protected] Schweiz Verena Hartmann Telefon: +41-44-212 88 88 [email protected] Anne Ganteführer-Trier Telefon: +49-221-390 98 09 gantefuehrer-trier@ villa-grisebach.de Frankreich Aurélie Tanaqui Telefon: +33-6-0320 3627 [email protected] Hessen Dr. Arnulf Herbst Telefon: +49-69-9550 7770 [email protected] Italien Eva Sichelschmidt Telefon: +39-329-972 67 79 [email protected] Baden-Württemberg Dr. Annegret Funk Telefon: +49-711-248 45 57 [email protected] USA/Kanada · New York Monika S. Finane Telefon: +1-212-308 07 62 [email protected] Bayern Dorothée Gutzeit Telefon: +49-89-22 76 32 [email protected] USA/Kanada · Los Angeles Jean Griffin Borho Telefon: +1-310-429 86 98 jean.griffin.borho@ villa-grisebach.com Frühjahrsauktionen in Berlin — 3. bis 6. Juni 2015 Kunst des 19. Jahrhunderts Photographie Mittwoch, 3. Juni 2015 · 14 Uhr Mittwoch, 3. Juni 2015 · 17.30 Uhr Moderne Kunst Graphik und Editionen Freitag, 5. Juni 2015 · 11 Uhr Freitag, 5. Juni 2015 · 14.30 Uhr www.villa-grisebach.de — All lot descriptions are available in English on our website Werke aus der Sammlung Manfred Wandel van Gogh bis Twombly Ausgewählte Werke Donnerstag, 4. Juni 2015 · 11 Uhr Donnerstag, 4. Juni 2015 · 17 Uhr Contemporary Art Third Floor Freitag, 5. Juni 2015 · 18 Uhr Samstag, 6. Juni 2015 11 Uhr / 15 Uhr Hinweise zum Katalog Catalogue Instructions 1. Alle Katalogbeschreibungen sind online und auf Anfrage in Englisch erhältlich. 1. Descriptions in English of each item included in this catalogue are available online or upon request. 2. Basis für die Umrechnung der EUR-Schätzpreise: 1 US $ = EUR 0,928 (Kurs vom 1. April 2015) 3. Bei den Katalogangaben sind Titel und Datierung, wenn vorhanden, vom Künstler bzw. aus den Werkverzeichnissen übernommen. Diese Titel sind durch Anführungszeichen gekennzeichnet. Undatierte Werke haben wir anhand der Literatur oder stilistisch begründbar zeitlich zugeordnet. 2. The basis for the conversion of the EUR-estimates: 1 US $ = EUR 0,928 (rate of exchange 1 April 2015) 4. Alle Werke wurden neu vermessen, ohne die Angaben in Werkverzeichnissen zu übernehmen. Die Maßangaben sind in Zentimetern und Inch aufgeführt. Es gilt Höhe vor Breite, wobei bei Originalen die Blattgröße, bei Drucken die Darstel- lungsgröße bzw. Plattengröße angegeben wird. Wenn Papier- und Darstellungsmaß nicht annähernd gleich sind, ist die Papiergröße in runden Klammern angegeben. Signaturen, Bezeichnungen und Gießerstempel sind aufgeführt. „Bezeichnung“ bedeutet eine eigenhändige Aufschrift des Künstlers, im Gegensatz zu einer „Beschriftung“ von fremder Hand. Bei druckgraphischen Werken wurde auf Angabe der gedruckten Bezeichnungen verzichtet. 5. Bei den Papieren meint „Büttenpapier“ ein Maschinenpapier mit Büttenstruktur. Ergänzende Angaben wie „JW Zanders“ oder „BFK Rives“ beziehen sich auf Wasserzeichen. Der Begriff „Japanpapier“ bezeichnet sowohl echtes wie auch maschinell hergestelltes Japanpapier. 6. Sämtliche zur Versteigerung gelangenden Gegenstände können vor der Versteigerung besichtigt und geprüft werden; sie sind gebraucht. Der Erhaltungszustand der Kunstwerke ist ihrem Alter entsprechend; Mängel werden in den Katalogbeschreibungen nur erwähnt, wenn sie den optischen Gesamteindruck der Arbeiten beeinträchtigen. Für jedes Kunstwerk liegt ein Zustandsbericht vor, der angefordert werden kann. 3. The titles and dates of works of art provided in quotation marks originate from the artist or are taken from the catalogue raisonné. These titles are printed within quotation marks. Undated works have been assigned approximate dates by Villa Grisebach based on stylistic grounds and available literature. 4. Dimensions given in the catalogue are measurements taken in centimeters and inches (height by width) from the actual works. For originals, the size given is that of the sheet;for prints, the size refers to the plate or block image. Where that differs from the size of the sheet on which it is printed, the dimensions of the sheet follow in parentheses ( ). Special print marks or designations for these works are not noted in the catalogue. “Bezeichnung” (“inscription”) means an inscription from the artist’s own hand, in contrast to “Beschriftung” (“designation”) which indicates an inscription from the hand of another. 5. When describing paper, „Bütten paper” denotes machine made paper manufactured with the texture and finish of „Bütten”. Other designations of paper such as „JW Zanders” or „BFK Rives” refer to respective watermarks. The term „Japan paper” refers to both hand and machine-made Japan paper. 6. All sale objects may be viewed and examined before the auction; they are sold as is. The condition of the works corresponds to their age. The catalogues list only such defects in condition as impair the overall impression of the art work. For every lot there is a condition report which can be requested. 7. Die in eckigen Klammern gesetzten Zeichen beziehen sich auf die Einlieferer, wobei [E] die Eigenware kennzeichnet. 7. Those numbers printed in brackets [ ] refer to the consignors listed in the Consignor Index, with [E] referring to property owned by Villa Grisebach Auktionen. 8. Es werden nur die Werke gerahmt versteigert, die gerahmt eingeliefert wurden. 8. Only works already framed at the time of consignment will be sold framed. 114 Auktion in Berlin · 3./4. Juli 2015 · Katalogbestellung: [email protected] Lavinia Fontana de Zappis · Bildnis eines jungen Mannes · 1581 · Öl auf Leinwand · 76 x 63 cm (Detail) Versteigerungsbedingungen der Villa Grisebach Auktionen GmbH § 1 Der Versteigerer 1. Die Versteigerung erfolgt im Namen der Villa Grisebach Auktionen GmbH – nachfolgend: „Grisebach“ genannt. Der Auktionator handelt als deren Vertreter. Er ist gem. § 34b Abs. 5 GewO öffentlich bestellt. Die Versteigerung ist somit eine öffentliche Versteigerung i.S. § 474 Abs. 1 S. 2 und § 383 Abs. 3 BGB. 2. Die Versteigerung erfolgt in der Regel für Rechnung des Einlieferers, der unbenannt bleibt. Nur die im Eigentum von Grisebach befindlichen Kunstgegenstände werden für eigene Rechnung versteigert. Sie sind im Katalog mit „E“ gekennzeichnet. 3. Die Versteigerung erfolgt auf der Grundlage dieser Versteigerungsbedingungen. Die Versteigerungsbedingungen sind im Auktionskatalog, im Internet und durch deutlich sichtbaren Aushang in den Räumen von Grisebach veröffentlicht. Durch Abgabe eines Gebots erkennt der Käufer diese Versteigerungsbedingungen als verbindlich an. § 2 Katalog, Besichtigung und Versteigerungstermin 1.Katalog Vor der Versteigerung erscheint ein Auktionskatalog. Darin werden zur allgemeinen Orientierung die zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände abgebildet und beschrieben. Der Katalog enthält zusätzlich Angaben über Urheberschaft, Technik und Signatur des Kunstgegenstandes. Nur sie bestimmen die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes. Im übrigen ist der Katalog weder für die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes noch für dessen Erscheinungsbild (Farbe) maßgebend. Der Katalog weist einen Schätzpreis in Euro aus, der jedoch lediglich als Anhaltspunkt für den Verkehrswert des Kunstgegenstandes dient, ebenso wie etwaige Angaben in anderen Währungen. Der Katalog wird von Grisebach nach bestem Wissen und Gewissen und mit großer Sorgfalt erstellt. Er beruht auf den bis zum Zeitpunkt der Versteigerung veröffentlichten oder sonst allgemein zugänglichen Erkenntnissen sowie auf den Angaben des Einlieferers. Für jeden der zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände kann bei ernstlichem Interesse ein Zustandsbericht von Grisebach angefordert und es können etwaige von Grisebach eingeholte Expertisen eingesehen werden. Die im Katalog, im Zustandsbericht oder in Expertisen enthaltenen Angaben und Beschreibungen sind Einschätzungen, keine Garantien im Sinne des § 443 BGB für die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes. Grisebach ist berechtigt, Katalogangaben durch Aushang am Ort der Versteigerung und unmittelbar vor der Versteigerung des betreffenden Kunstgegenstandes mündlich durch den Auktionator zu berichtigen oder zu ergänzen. 2.Besichtigung Alle zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände werden vor der Versteigerung zur Vorbesichtigung ausgestellt und können besichtigt und geprüft werden. Ort und Zeit der Besichtigung, die Grisebach festlegt, sind im Katalog angegeben. Die Kunstgegenstände sind gebraucht und werden in der Beschaffenheit versteigert, in der sie sich im Zeitpunkt der Versteigerung befinden. 3. Grisebach bestimmt Ort und Zeitpunkt der Versteigerung. Sie ist berechtigt, Ort oder Zeitpunkt zu ändern, auch wenn der Auktionskatalog bereits versandt worden ist. § 3 Durchführung der Versteigerung 1.Bieternummer Jeder Bieter erhält von Grisebach eine Bieternummer. Er hat die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anzuerkennen. Von unbekannten Bietern benötigt Grisebach zur Erteilung der Bieternummer spätestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung eine schriftliche Anmeldung mit beigefügter zeitnaher Bankreferenz. Nur unter einer Bieternummer abgegebene Gebote werden auf der Versteigerung berücksichtigt. 2.Aufruf Die Versteigerung des einzelnen Kunstgegenstandes beginnt mit dessen Aufruf durch den Auktionator. Er ist berechtigt, bei Aufruf von der im Katalog vorgesehenen Reihenfolge abzuweichen, Los-Nummern zu verbinden oder zu trennen oder eine Los-Nummer zurückzuziehen. Der Preis wird bei Aufruf vom Auktionator festgelegt, und zwar in Euro. Gesteigert wird um jeweils 10 % des vorangegangenen Gebots, sofern der Auktionator nicht etwas anderes bestimmt. 3.Gebote a) Gebote im Saal Gebote im Saal werden unter Verwendung der Bieternummer abgegeben. Ein Vertrag kommt durch Zuschlag des Auktionators zustande. Will ein Bieter Gebote im Namen eines Dritten abgeben, hat er dies mindestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung von Grisebach unter Vorlage einer Vollmacht des Dritten anzuzeigen. Anderenfalls kommt bei Zuschlag der Vertrag mit ihm selbst zustande. b) Schriftliche Gebote Mit Zustimmung von Grisebach können Gebote auf einem dafür vorgesehenen Formular auch schriftlich abgegeben werden. Sie müssen vom Bieter unterzeichnet sein und unter Angabe der Los-Nummer, des Künstlers und des Titels den für den Kunstgegenstand gebotenen Hammerpreis nennen. Der Bieter muss die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anerkennen. Mit dem schriftlichen Gebot beauftragt der Bieter Grisebach, seine Gebote unter Berücksichtigung seiner Weisungen abzugeben. Das schriftliche Gebot wird von Grisebach nur mit dem Betrag in Anspruch genommen, der erforderlich ist, um ein anderes Gebot zu überbieten. Ein Vertrag auf der Grundlage eines schriftlichen Gebots kommt mit dem Bieter durch den Zuschlag des Auktionators zustande. Gehen mehrere gleich hohe schriftliche Gebote für denselben Kunst gegenstand ein, erhält das zuerst eingetroffene Gebot den Zuschlag, wenn kein höheres Gebot vorliegt oder abgegeben wird. c) Telefonische Gebote Telefonische Gebote sind zulässig, wenn der Bieter mindestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung dies schriftlich beantragt und Grisebach zugestimmt hat. Der Bieter muss die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anerkennen. Die telefonischen Gebote werden von einem während der Versteigerung im Saal anwesenden Mitarbeiter von Grisebach entgegengenommen und unter Berücksichtigung der Weisungen des Bieters während der Versteigerung abgegeben. Das von dem Bieter genannte Gebot bezieht sich ausschließlich auf den Hammerpreis, umfasst also nicht Aufgeld, etwaige Umlagen und Umsatzsteuer, die hinzukommen. Das Gebot muss den Kunstgegenstand, auf den es sich bezieht, zweifelsfrei und möglichst unter Nennung der Los-Nummer, des Künstlers und des Titels, benennen. Telefonische Gebote können von Grisebach aufgezeichnet werden. Mit dem Antrag zum telefonischen Bieten erklärt sich der Bieter mit der Aufzeichnung einverstanden. Die Aufzeichnung wird spätestens nach drei Monaten gelöscht, sofern sie nicht zu Beweiszwecken benötigt wird. d) Gebote über das Internet Gebote über das Internet sind nur zulässig, wenn der Bieter von Grisebach zum Bieten über das Internet unter Verwendung eines Benutzernamens und eines Passwortes zugelassen worden ist und die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anerkennt. Die Zulassung erfolgt ausschließlich für die Person des Zugelassenen, ist also höchstpersönlich. Der Benutzer ist verpflichtet, seinen Benutzernamen und sein Passwort Dritten nicht zugänglich zu machen. Bei schuldhafter Zuwiderhandlung haftet er Grisebach für daraus entstandene Schäden. Gebote über das Internet sind nur rechtswirksam, wenn sie hinreichend bestimmt sind und durch Benutzernamen und Passwort zweifelsfrei dem Bieter zuzuordnen sind. Die über das Internet übertragenen Gebote werden elektronisch protokolliert. Die Richtigkeit der Protokolle wird vom Käufer anerkannt, dem jedoch der Nachweis ihrer Unrichtigkeit offensteht. Grisebach behandelt Gebote, die vor der Versteigerung über das Internet abgegeben werden, rechtlich wie schriftliche Gebote. Internetgebote während einer laufenden Versteigerung werden wie Gebote aus dem Saal berücksichtigt. 117 4. a) b) c) d) – – – e) Der Zuschlag Der Zuschlag wird erteilt, wenn nach dreimaligem Aufruf eines Gebots kein höheres Gebot abgegeben wird. Der Zuschlag verpflichtet den Bieter, der unbenannt bleibt, zur Abnahme des Kunstgegenstandes und zur Zahlung des Kaufpreises (§ 4 Ziff. 1). Der Auktionator kann bei Nichterreichen des Limits einen Zuschlag unter Vorbehalt erteilen. Ein Zuschlag unter Vorbehalt wird nur wirksam, wenn Grisebach das Gebot innerhalb von drei Wochen nach dem Tag der Versteigerung schriftlich bestätigt. Sollte in der Zwischenzeit ein anderer Bieter mindestens das Limit bieten, erhält dieser ohne Rücksprache mit dem Bieter, der den Zuschlag unter Vorbehalt erhalten hat, den Zuschlag. Der Auktionator hat das Recht, ohne Begründung ein Gebot abzulehnen oder den Zuschlag zu verweigern. Wird ein Gebot abgelehnt oder der Zuschlag verweigert, bleibt das vorangegangene Gebot wirksam. Der Auktionator kann einen Zuschlag zurücknehmen und den Kunstgegenstand innerhalb der Auktion neu ausbieten, wenn ein rechtzeitig abgegebenes höheres Gebot von ihm übersehen und dies von dem übersehenen Bieter unverzüglich beanstandet worden ist, wenn ein Bieter sein Gebot nicht gelten lassen will oder wenn sonst Zweifel über den Zuschlag bestehen. Übt der Auktionator dieses Recht aus, wird ein bereits erteilter Zuschlag unwirksam. Der Auktionator ist berechtigt, ohne dies anzeigen zu müssen, bis zum Erreichen eines mit dem Einlieferer vereinbarten Limits auch Gebote für den Einlieferer abzugeben und den Kunstgegenstand dem Einlieferer unter Benennung der Einlieferungsnummer zuzuschlagen. Der Kunstgegenstand bleibt dann unverkauft. § 4 Kaufpreis, Zahlung, Verzug 1.Kaufpreis Der Kaufpreis besteht aus dem Hammerpreis zuzüglich Aufgeld. Hinzukommen können pauschale Gebühren sowie die gesetzliche Umsatzsteuer. A. a) Bei Kunstgegenständen ohne besondere Kennzeichnung im Katalog berechnet sich der Kaufpreis wie folgt: Bei Käufern mit Wohnsitz innerhalb des Gemeinschaftsgebietes der Europäischen Union (EU) berechnet Grisebach auf den Hammerpreis ein Aufgeld von 30 %. Auf den Teil des Hammerpreises, der 500.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 25 % berechnet. Auf den Teil des Hammerpreises, der 1.000.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 20 % berechnet. In diesem Aufgeld sind alle pauschalen Gebühren sowie die gesetzliche Umsatzsteuer enthalten (Differenzbesteuerung nach § 25a UStG). Sie werden bei der Rechnungstellung nicht einzeln ausgewiesen. Käufern, denen nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) im Inland geliefert wird und die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, kann auf Wunsch die Rechnung nach der Regelbesteuerung gemäß Absatz B. ausgestellt werden. Dieser Wunsch ist bei Beantragung der Bieter nummer anzugeben. Eine Korrektur nach Rechnungsstellung ist nicht möglich. b) Bei Kunstwerken mit der Kennzeichnung „N“ für Import handelt es sich um Kunstwerke, die in die EU zum Verkauf eingeführt wurden. In diesen Fällen wird zusätzlich zum Aufgeld die verauslagte Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von derzeit 7 % des Hammerpreises erhoben. B. Bei im Katalog mit dem Buchstaben „R“ hinter der Losnummer gekennzeichneten Kunstgegenständen berechnet sich der Kaufpreis wie folgt: a)Aufgeld Auf den Hammerpreis berechnet Grisebach ein Aufgeld von 25 %. Auf den Teil des Hammerpreises, der 500.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 20 % berechnet. Auf den Teil des Hammerpreises, der 1.000.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 15 % berechnet. b)Umsatzsteuer Auf den Hammerpreis und das Aufgeld wird die jeweils gültige gesetzliche Umsatzsteuer erhoben (Regelbesteuerung mit „R“ gekennzeichnet). Sie beträgt derzeit 19 %. c)Umsatzsteuerbefreiung Keine Umsatzsteuer wird für den Verkauf von Kunstgegenständen berechnet, die in Staaten innerhalb der EU von Unternehmen erworben und aus Deutschland exportiert werden, wenn diese bei Beantragung und Erhalt ihrer Bieternummer ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer angegeben haben. Eine nachträgliche Berücksichtigung, insbesondere eine Korrektur nach Rechnungsstellung, ist nicht möglich. Keine Umsatzsteuer wird für den Verkauf von Kunstgegenständen 118 berechnet, die gemäß § 6 Abs. 4 UStG in Staaten außerhalb der EU geliefert werden und deren Käufer als ausländische Abnehmer gelten und dies entsprechend § 6 Abs. 2 UStG nachgewiesen haben. Im Ausland anfallende Einfuhrumsatzsteuer und Zölle trägt der Käufer. Die vorgenannten Regelungen zur Umsatzsteuer entsprechen dem Stand der Gesetzgebung und der Praxis der Finanzverwaltung. Änderungen sind nicht ausgeschlossen. 2. Fälligkeit und Zahlung Der Kaufpreis ist mit dem Zuschlag fällig. Der Kaufpreis ist in Euro an Grisebach zu entrichten. Schecks und andere unbare Zahlungen werden nur erfüllungshalber angenommen. Eine Begleichung des Kaufpreises durch Aufrechnung ist nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig. Bei Zahlung in ausländischer Währung gehen ein etwaiges Kursrisiko sowie alle Bankspesen zulasten des Käufers. 3.Verzug Ist der Kaufpreis innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Rechnung noch nicht beglichen, tritt Verzug ein. Ab Eintritt des Verzuges verzinst sich der Kaufpreis mit 1 % monatlich, unbeschadet weiterer Schadensersatzansprüche. Zwei Monate nach Eintritt des Verzuges ist Grisebach berechtigt und auf Verlangen des Einlieferers verpflichtet, diesem Name und Anschrift des Käufers zu nennen. Ist der Käufer mit der Zahlung des Kaufpreises in Verzug, kann Grisebach nach Setzung einer Nachfrist von zwei Wochen vom Vertrag zurücktreten. Damit erlöschen alle Rechte des Käufers an dem ersteigerten Kunstgegen stand. Grisebach ist nach Erklärung des Rücktritts berechtigt, vom Käufer Schadensersatz zu verlangen. Der Schadensersatz umfasst insbesondere das Grisebach entgangene Entgelt (Einliefererkommission und Aufgeld), sowie angefallene Kosten für Katalogabbildungen und die bis zur Rückgabe oder bis zur erneuten Versteigerung des Kunstgegenstandes anfallenden Transport-, Lager- und Versicherungskosten. Wird der Kunstgegenstand an einen Unterbieter verkauft oder in der nächsten oder übernächsten Auktion versteigert, haftet der Käufer außerdem für jeglichen Mindererlös. Grisebach hat das Recht, den säumigen Käufer von künftigen Versteigerungen auszuschließen und seinen Namen und seine Adresse zu Sperrzwecken an andere Auktionshäuser weiterzugeben. § 5 Nachverkauf Während eines Zeitraums von zwei Monaten nach der Auktion können nicht versteigerte Kunstgegenstände im Wege des Nachverkaufs erworben werden. Der Nachverkauf gilt als Teil der Versteigerung. Der Interessent hat persönlich, telefonisch, schriftlich oder über das Internet ein Gebot mit einem bestimmten Betrag abzugeben und die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anzuerkennen. Der Vertrag kommt zustande, wenn Grisebach das Gebot innerhalb von drei Wochen nach Eingang schriftlich annimmt. Die Bestimmungen über Kaufpreis, Zahlung, Verzug, Abholung und Haftung für in der Versteigerung erworbene Kunstgegenstände gelten entsprechend. § 6 Entgegennahme des ersteigerten Kunstgegenstandes 1.Abholung Der Käufer ist verpflichtet, den ersteigerten Kunstgegenstand spätestens einen Monat nach Zuschlag abzuholen. Grisebach ist jedoch nicht verpflichtet, den ersteigerten Kunstgegenstand vor vollständiger Bezahlung des in der Rechnung ausgewiesenen Betrages an den Käufer herauszugeben. Das Eigentum geht auf den Käufer erst nach vollständiger Begleichung des Kaufpreises über. 2.Lagerung Bis zur Abholung lagert Grisebach für die Dauer eines Monats, gerechnet ab Zuschlag, den ersteigerten Kunstgegenstand und versichert ihn auf eigene Kosten in Höhe des Kaufpreises. Danach hat Grisebach das Recht, den Kunstgegenstand für Rechnung des Käufers bei einer Kunstspedition einzulagern und versichern zu lassen. Wahlweise kann Grisebach statt dessen den Kunstgegenstand in den eigenen Räumen einlagern gegen Berechnung einer monatlichen Pauschale von 0,1 % des Kaufpreises für Lager- und Versicherungskosten. 3.Versand Beauftragt der Käufer Grisebach schriftlich, den Transport des ersteigerten Kunstgegenstandes durchzuführen, sorgt Grisebach, sofern der Kaufpreis vollständig bezahlt ist, für einen sachgerechten Transport des Werkes zum Käufer oder dem von ihm benannten Empfänger durch eine Kunstspedition und schließt eine entsprechende Transportversicherung ab. Die Kosten für Verpackung, Versand und Versicherung trägt der Käufer. 4.Annahmeverzug Holt der Käufer den Kunstgegenstand nicht innerhalb von einem Monat ab (Ziffer 1) und erteilt er innerhalb dieser Frist auch keinen Auftrag zur Versendung des Kunstgegenstandes (Ziffer 3), gerät er in Annahmeverzug. 5. Anderweitige Veräußerung Veräußert der Käufer den ersteigerten Kunstgegenstand seinerseits, bevor er den Kaufpreis vollständig bezahlt hat, tritt er bereits jetzt erfüllungshalber sämtliche Forderungen, die ihm aus dem Weiterverkauf zustehen, an Grisebach ab, welche die Abtretung hiermit annimmt. Soweit die abgetretenen Forderungen die Grisebach zustehenden Ansprüche übersteigen, ist Grisebach verpflichtet, den zur Erfüllung nicht benötigten Teil der abgetretenen Forderung unverzüglich an den Käufer abzutreten. § 7 Haftung 1. Beschaffenheit des Kunstgegenstandes Der Kunstgegenstand wird in der Beschaffenheit veräußert, in der er sich bei Erteilung des Zuschlags befindet und vor der Versteigerung besichtigt und geprüft werden konnte. Ergänzt wird diese Beschaffenheit durch die Angaben im Katalog (§ 2 Ziff. 1) über Urheberschaft, Technik und Signatur des Kunstgegenstandes. Sie beruhen auf den bis zum Zeitpunkt der Versteigerung veröffentlichten oder sonst allgemein zugänglichen Erkenntnissen sowie auf den Angaben des Einlieferers. Weitere Beschaffenheitsmerkmale sind nicht vereinbart, auch wenn sie im Katalog beschrieben oder erwähnt sind oder sich aus schriftlichen oder mündlichen Auskünften, aus einem Zustands bericht, Expertisen oder aus den Abbildungen des Katalogs ergeben sollten. Eine Garantie (§ 443 BGB) für die vereinbarte Beschaffenheit des Kunstgegenstandes wird nicht übernommen. 2. Rechte des Käufers bei einem Rechtsmangel (§ 435 BGB) Weist der erworbene Kunstgegenstand einen Rechtsmangel auf, weil an ihm Rechte Dritter bestehen, kann der Käufer innerhalb einer Frist von zwei Jahren (§ 438 Abs. 4 und 5 BGB) wegen dieses Rechtsmangels vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern (§ 437 Nr. 2 BGB). Im übrigen werden die Rechte des Käufers aus § 437 BGB, also das Recht auf Nacherfüllung, auf Schadenersatz oder auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen ausgeschlossen, es sei denn, der Rechtsmangel ist arglistig verschwiegen worden. 3. Rechte des Käufers bei Sachmängeln (§ 434 BGB) Weicht der Kunstgegenstand von der vereinbarten Beschaffenheit (Urheberschaft, Technik, Signatur) ab, ist der Käufer berechtigt, innerhalb von zwei Jahren ab Zuschlag (§ 438 Abs. 4 BGB) vom Vertrag zurückzutreten. Er erhält den von ihm gezahlten Kaufpreis (§ 4 Ziff. 1 der Versteigerungsbedingungen) zurück, Zug um Zug gegen Rückgabe des Kaufgegenstandes in unverändertem Zustand am Sitz von Grisebach. Ansprüche auf Minderung des Kaufpreises (§ 437 Nr. 2 BGB), auf Schadensersatz oder auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 437 Nr. 3 BGB) sind ausgeschlossen. Dieser Haftungsausschluss gilt nicht, soweit Grisebach den Mangel arglistig verschwiegen hat. Das Rücktrittsrecht wegen Sachmangels ist ausgeschlossen, sofern Grisebach den Kunstgegenstand für Rechnung des Einlieferers veräußert hat und die größte ihr mögliche Sorgfalt bei Ermittlung der im Katalog genannten Urheberschaft, Technik und Signatur des Kunstgegenstandes aufgewandt hat und keine Gründe vorlagen, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. In diesem Falle verpflichtet sich Grisebach, dem Käufer das Aufgeld, etwaige Umlagen und die Umsatzsteuer zu erstatten. Außerdem tritt Grisebach dem Käufer alle ihr gegen den Einlieferer, dessen Name und Anschrift sie dem Käufer mitteilt, zustehenden Ansprüche wegen der Mängel des Kunstgegenstandes ab. Sie wird ihn in jeder zulässigen und ihr möglichen Weise bei der Geltendmachung dieser Ansprüche gegen den Einlieferer unterstützen. 4. Fehler im Versteigerungsverfahren Grisebach haftet nicht für Schäden im Zusammenhang mit der Abgabe von mündlichen, schriftlichen, telefonischen oder Internetgeboten, soweit ihr nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Dies gilt insbesondere für das Zustandekommen oder den Bestand von Telefon-, Fax- oder Datenleitungen sowie für Übermittlungs-, Übertragungs- oder Übersetzungsfehler im Rahmen der eingesetzten Kommunikationsmittel oder seitens der für die Entgegennahme und Weitergabe eingesetzten Mitarbeiter. Für Missbrauch durch unbefugte Dritte wird nicht gehaftet. Die Haftungsbeschränkung gilt nicht für Schäden an der Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit. 5.Verjährung Für die Verjährung der Mängelansprüche gelten die gesetzlichen Verjährungsfristen des § 438 Abs. 1 Ziffer 3 BGB (2 Jahre). § 8 Schlussbestimmungen 1.Nebenabreden Änderungen dieser Versteigerungsbedingungen im Einzelfall oder Nebenabreden bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform. 2. Fremdsprachige Fassung der Versteigerungsbedingungen Soweit die Versteigerungsbedingungen in anderen Sprachen als der deutschen Sprache vorliegen, ist stets die deutsche Fassung maßgebend. 3. Anwendbares Recht Es gilt ausschließlich das Recht der Bundesrepublik Deutschland. Das Abkommen der Vereinten Nationen über Verträge des internationalen Warenkaufs (CISG) findet keine Anwendung. 4.Erfüllungsort Erfüllungsort und Gerichtsstand ist, soweit dies rechtlich vereinbart werden kann, Berlin. 5. Salvatorische Klausel Sollte eine oder mehrere Bestimmungen dieser Versteigerungsbedingungen unwirksam sein oder werden, bleibt die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen davon unberührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung gelten die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften. 119 Conditions of Sale of Villa Grisebach Auktionen GmbH Section 1 The Auction House 1. The auction will be implemented on behalf of Grisebach Auktionen GmbH – referred to hereinbelow as “Grisebach”. The auctioneer will be acting as Grisebach’s representative. The auctioneer is an expert who has been publicly appointed in accordance with Section 34b paragraph 5 of the Gewerbeordnung (GewO, German Industrial Code). Accordingly, the auction is a public auction as defined by Section 474 paragraph 1 second sentence and Section 383 paragraph 3 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code). 2. As a general rule, the auction will be performed on behalf of the Consignor, who will not be named. Solely those works of art owned by Grisebach shall be sold at auction for the account of Grisebach. Such items will be marked by an “E” in the catalogue. 3. The auction shall be performed on the basis of the present Conditions of Sale. The Conditions of Sale are published in the catalogue of the auction and on the internet; furthermore, they are posted in an easily accessible location in the Grisebach spaces. By submitting a bid, the buyer acknowledges the Conditions of Sale as being binding upon it. Section 2 Catalogue, Pre-Sale Exhibition and Date of the Auction 1.Catalogue Prior to the auction date, an auction catalogue will be published. This provides general orientation in that it shows images of the works of art to be sold at auction and describes them. Additionally, the catalogue will provide information on the work’s creator(s), technique, and signature. These factors alone will define the characteristic features of the work of art. In all other regards, the catalogue will not govern as far as the characteristics of the work of art or its appearance are concerned (color). The catalogue will provide estimated prices in EUR amounts, which, however, serve solely as an indication of the fair market value of the work of art, as does any such information that may be provided in other currencies. Grisebach will prepare the catalogue to the best of its knowledge and belief, and will exercise the greatest of care in doing so. The catalogue will be based on the scholarly knowledge published up until the date of the auction, or otherwise generally accessible, and on the information provided by the Consignor. Seriously interested buyers have the opportunity to request that Grisebach provide them with a report outlining the condition of the work of art (condition report), and they may also review any expert appraisals that Grisebach may have obtained. The information and descriptions contained in the catalogue, in the condition report or in expert appraisals are estimates; they do not constitute any guarantees, in the sense as defined by Section 443 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code), for the characteristics of the work of art. Grisebach is entitled to correct or amend any information provided in the catalogue by posting a notice at the auction venue and by having the auctioneer make a corresponding statement immediately prior to calling the bids for the work of art concerned. 2. Pre-sale exhibition All of the works of art that are to be sold at auction will be exhibited prior to the sale and may be viewed and inspected. The time and date of the pre-sale exhibition, which will be determined by Grisebach, will be set out in the catalogue. The works of art are used and will be sold “as is”, in other words in the condition they are in at the time of the auction. 3. Grisebach will determine the venue and time at which the auction is to be held. It is entitled to modify the venue and the time of the auction, also in those cases in which the auction catalogue has already been sent out. Section 3 Calling the Auction 1. Bidder number Grisebach will issue a bidder number to each bidder. Each bidder is to acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it. At the latest twenty-four (24) hours prior to the start of the auction, bidders as yet unknown to Grisebach must register in writing, providing a written bank reference letter of recent date, so as to enable Grisebach to issue a bidder number to them. At the auction, only the bids submitted using a bidder number will be considered. 2. Item call-up The auction of the individual work of art begins by its being called up by the auctioneer. The auctioneer is entitled to call up the works of art in a different sequence than that published in the catalogue, to join catalogue items to form a lot, to separate a lot into individual items, and to pull an item from the auction that has been given a lot number. When the work of art is called up, its price will be determined by the auctioneer, denominated in euros. Unless otherwise determined by the auctioneer, the bid increments will amount to 10 % of the respective previous bid. 3.Bids a) Floor bids Floor bids will be submitted using the bidder number. A sale and purchase agreement will be concluded by the auctioneer bringing down the hammer to end the bidding process. Where a bidder wishes to submit bids in the name of a third party, it must notify Grisebach of this fact at the latest twenty-four (24) hours prior to the auction commencing, submitting a corresponding power of attorney from that third party. In all other cases, once the work of art has been knocked down, the sale and purchase agreement will be concluded with the person who has placed the bid. b) Written absentee bids Subject to Grisebach consenting to this being done, bids may also be submitted in writing using a specific form developed for this purpose. The bidder must sign the form and must provide the lot number, the name of the artist, the title of the work of art and the hammer price it wishes to bid therefor. The bidder must acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it. By placing a written bid, the bidder instructs Grisebach to submit such bid in accordance with its instructions. Grisebach shall use the amount specified in the written bid only up to whatever amount may be required to outbid another bidder. Upon the auctioneer knocking down the work of art to a written bid, a sale and purchase agreement shall be concluded on that basis with the bidder who has submitted such written bid. Where several written bids have been submitted in the same amount for the same work of art, the bid received first shall be the winning bid, provided that no higher bid has been otherwise submitted or is placed as a floor bid. c) Phoned-in absentee bids Bids may permissibly be phoned in, provided that the bidder applies in writing to be admitted as a telephone bidder, and does so at the latest twenty-four (24) hours prior to the auction commencing, and furthermore provided that Grisebach has consented. The bidder must acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it. Bids phoned in will be taken by a Grisebach employee present at the auction on the floor, and will be submitted in the course of the auction in keeping with the instructions issued by the bidder. The bid so submitted by the bidder shall cover exclusively the hammer price, and thus shall not comprise the buyer’s premium, any allocated costs that may be charged, or turnover tax. The bid must unambiguously designate the work of art to which it refers, and must wherever possible provide the lot number, the artist and the title of the work. Grisebach may make a recording of bids submitted by telephone. By filing the application to be admitted as a telephone bidder, the bidder declares its consent to the telephone conversation being recorded. Unless it is required as evidence, the recording shall be deleted at the latest following the expiry of three (3) months. d) Absentee bids submitted via the internet Bids may be admissibly submitted via the internet only if Grisebach has registered the bidder for internet bidding, giving him a user name and password, and if the bidder has acknowledged the Conditions of Sale as being binding upon it. The registration shall be non-transferable and shall apply exclusively to the registered party; it is thus entirely personal and private. The user is under obligation to not disclose to third parties its user name or password. Should the user culpably violate this obligation, it shall be held liable by Grisebach for any damages resulting from such violation. Bids submitted via the internet shall have legal validity only if they are sufficiently 120 4. a) b) c) d) e) determinate and if they can be traced back to the bidder by its user name and password beyond any reasonable doubt. The bids transmitted via the internet will be recorded electronically. The buyer acknowledges that these records are correct, but it does have the option to prove that they are incorrect. In legal terms, Grisebach shall treat bids submitted via the internet at a point in time prior to the auction as if they were bids submitted in writing. Bids submitted via the internet while an auction is ongoing shall be taken into account as if they were floor bids. Knock down The work of art is knocked down to the winning bidder if, following three calls for a higher bid, no such higher bid is submitted. Upon the item being knocked down to it, this will place the bidder under obligation to accept the work of art and to pay the purchase price (Section 4 Clause 1). The bidder shall not be named. Should the bids not reach the reserve price set by the Consignor, the auctioneer will knock down the work of art at a conditional hammer price. This conditional hammer price shall be effective only if Grisebach confirms this bid in writing within three (3) weeks of the day of the auction. Should another bidder submit a bid in the meantime that is at least in the amount of the reserve price, the work of art shall go to that bidder; there will be no consultations with the bidder to whom the work of art has been knocked down at a conditional hammer price. The auctioneer is entitled to refuse to accept a bid, without providing any reasons therefor, or to refuse to knock down a work of art to a bidder. Where a bid is refused, or where a work of art is not knocked down to a bidder, the prior bid shall continue to be valid. The auctioneer may revoke any knock-down and may once again call up the work of art in the course of the auction to ask for bids; the auctioneer may do so in all cases in which – The auctioneer has overlooked a higher bid that was submitted in a timely fashion, provided the bidder so overlooked has immediately objected to this oversight; – A bidder does not wish to be bound by the bid submitted; or – There are any other doubts regarding the knock-down of the work of art concerned. Where the auctioneer exercises this right, any knock-down of a work of art that has occurred previously shall cease to be effective. The auctioneer is authorized, without being under obligation of giving notice thereof, to also submit bids on behalf of the Consignor until the reserve price agreed with the Consignor has been reached, and the auctioneer is furthermore authorized to knock down the work of art to the Consignor, citing the consignment number. In such event, the work of art shall go unsold. Section 4 Purchase Price, Payment, Default 1. Purchase price The purchase price consists of the hammer price plus buyer’s premium. Additionally, lump sum fees may be charged along with statutory turnover tax. A. a) For works of art that have not been specially marked in the catalogue, the purchase price will be calculated as follows: For buyers having their residence in the community territory of the European Union (EU), Grisebach will add a buyer’s premium of 30 % to the hammer price. A buyer’s premium of 25 % will be added to that part of the hammer price that is in excess of EUR 500,000. A buyer’s premium of 20 % will be added to that part of the hammer price that is in excess of EUR 1,000,000. This buyer’s premium will include all lump sum fees as well as the statutory turnover tax (margin scheme pursuant to Section 25a of the German Turnover Tax Act). These taxes and fees will not be itemized separately in the invoice. Buyers to whom delivery is made within Germany, as defined by the German Turnover Tax Act, and who are entitled to deduct input taxes, may have an invoice issued to them that complies with the standard taxation provisions as provided for hereinabove in paragraph B. Such invoice is to be requested when applying for a bidder number. It is not possible to perform any correction retroactively after the invoice has been issued. b) Works of art marked by the letter “N” (for Import) are works of art that have been imported from outside the EU for sale. In such event, the import turnover tax advanced, in the amount of currently 7 % on the hammerprice, will be charged in addition to the buyer’s premium. B. For works of art marked in the catalogue by the letter “R” behind the lot number, the purchase price is calculated as follows: a) Buyer’s premium Grisebach will add a buyer’s premium of 25 % to the hammer price. A buyer’s premium of 20 % will be added to that part of the hammer price that is in excess of EUR 500,000. A buyer’s premium of 15 % will be added to that part of the hammer price that is in excess of EUR 1,000,000. 121 b) Turnover tax The hammer price and the buyer's premium will each be subject to the statutory turnover tax in the respectively applicable amount (standard taxation provisions, marked by the letter "R"). Currently, this amounts to 19 %. c) Exemption from turnover tax No turnover tax will be charged where works of art are sold that are acquired in states within the EU by corporations and exported outside of Germany, provided that such corporations have provided their turnover tax ID number in applying for and obtaining their bidder number. It is not possible to register this status after the invoice has been issued, and more particularly, it is not possible to perform a correction retroactively. No turnover tax shall be charged for the sale of works of art that are delivered, pursuant to Section 6 paragraph 4 of the Umsatzsteuergesetz (UStG, German Turnover Tax Act), to destinations located in states that are not a Member State of the EU, provided that their buyers are deemed to be foreign purchasers and have proved this fact in accordance with Section 6 paragraph 2 of the German Turnover Tax Act. The buyer shall bear any import turnover tax or duties that may accrue abroad. The above provisions on turnover tax correspond to the legislative status quo and are in line with the practice of the Tax and Revenue Authorities. They are subject to change without notice. 2. Due date and payment The purchase price shall be due for payment upon the work of art being knocked down to the buyer. The purchase price shall be paid in euros to Grisebach. Cheques and any other forms of non-cash payment are accepted only on account of performance. Payment of the purchase price by set-off is an option only where the claims are not disputed or have been finally and conclusively determined by a court’s declaratory judgment. Where payment is made in a foreign currency, any exchange rate risk and any and all bank charges shall be borne by the buyer. 3.Default In cases in which the purchase price has not been paid within two (2) weeks of the invoice having been received, the buyer shall be deemed to be defaulting on the payment. Upon the occurrence of such default, the purchase price shall accrue interest at 1 % per month, notwithstanding any other claims to compensation of damages that may exist. Two (2) months after the buyer has defaulted on the purchase price, Grisebach shall be entitled – and shall be under obligation to do so upon the Consignor’s corresponding demand – to provide to the Consignor the buyer’s name and address. Where the buyer has defaulted on the purchase price, Grisebach may rescind the agreement after having set a period of grace of two (2) weeks. Once Grisebach has so rescinded the agreement, all rights of the buyer to the work of art acquired at auction shall expire. Upon having declared its rescission of the agreement, Grisebach shall be entitled to demand that the buyer compensate it for its damages. Such compensation of damages shall comprise in particular the remuneration that Grisebach has lost (commission to be paid by the Consignor and buyer’s premium), as well as the costs of picturing the work of art in the catalogue and the costs of shipping, storing and insuring the work of art until it is returned or until it is once again offered for sale at auction. Where the work of art is sold to a bidder who has submitted a lower bid, or where it is sold at the next auction or the auction after that, the original buyer moreover shall be held liable for any amount by which the proceeds achieved at that subsequent auction are lower than the price it had bid originally. Grisebach has the right to exclude the defaulting buyer from future auctions and to forward the name and address of that buyer to other auction houses so as to enable them to exclude him from their auctions as well. Section 5 Post Auction Sale In the course of a two-month period following the auction, works of art that have gone unsold at the auction may be acquired through post auction sales. The post auction sale will be deemed to be part of the auction. The party interested in acquiring the work of art is to submit a bid either in person, by telephone, in writing or via the internet, citing a specific amount, and is to acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it. The sale and purchase agreement shall come about if Grisebach accepts the bid in writing within three weeks of its having been received. The provisions regarding the purchase price, payment, default, pick-up and liability for works of art acquired at auction shall apply mutatis mutandis. Section 6 Acceptance of the Work of Art Purchased at Auction 1.Pick-up The buyer is under obligation to pick up the work of art at the latest one (1) month after it has been knocked down to the buyer. However, Grisebach is not under obligation to surrender to the buyer the work of art acquired at auction prior to the purchase price set out in the invoice having been paid in full. Title to the work of art shall devolve to the buyer only upon the purchase price having been paid in full. 2. Storage Grisebach shall store the work of art acquired at auction until it is picked up, doing so at the longest for one (1) month, and shall insure it at its own cost, the amount insured being equal to the purchase price. Thereafter, Grisebach shall have the right to store the work of art with a specialized fine art shipping agent and to insure it there. At its choice, Grisebach may instead store the work of art in its own premises, charging a monthly lump-sum fee of 0.1 % of the purchase price for the costs of storage and insurance. 3.Shipping Where the buyer instructs Grisebach in writing to ship to it the work of art acquired at auction, subject to the proviso that the purchase price has been paid in full, Grisebach shall procure the appropriate shipment of the work of art to the buyer, or to any recipient the buyer may specify, such shipment being performed by a specialized fine art shipping agent; Grisebach shall take out corresponding shipping insurance. The buyer shall bear the costs of packaging and shipping the work of art as well as the insurance premium. 4. Default of acceptance Where the buyer fails to pick up the work of art within one (1) month (Clause 1) and fails to issue instructions for the work of art to be shipped to it (Clause 3), it shall be deemed to be defaulting on acceptance. 5. Sale to other parties Should the buyer, prior to having paid the purchase price in full, sell the work of art it has acquired at auction, it hereby assigns to Grisebach, as early as at the present time and on account of performance, the entirety of all claims to which it is entitled under such onward sale, and Grisebach accepts such assignment. Insofar as the claims so assigned are in excess of the claims to which Grisebach is entitled, Grisebach shall be under obligation to immediately re-assign to the buyer that part of the claim assigned to it that is not required for meeting its claim. Section 7 Liability 1. Characteristics of the work of art The work of art is sold in the condition it is in at the time it is knocked down to the buyer, and in which it was viewed and inspected. The other characteristic features of the work of art are comprised of the statements made in the catalogue (Section 2 Clause 1) regarding the work’s creator(s), technique and signature. These statements are based on the scholarly knowledge published up until the date of the auction, or otherwise generally accessible, and on the information provided by the Consignor. No further characteristic features are agreed among the parties, in spite of the fact that such features may be described or mentioned in the catalogue, or that they may garnered from information provided in writing or orally, from a condition report, an expert appraisal or the images shown in the catalogue. No guarantee (Section 443 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code)) is provided for the work of art having any characteristic features. 2. Buyer’s rights in the event of a defect of title being given (Section 435 of the German Civil Code) Should the work of art acquired be impaired by a defect of title because it is encumbered by rights of third parties, the buyer may, within a period of two (2) years (Section 438 paragraph 4 and 5 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code)), rescind the agreement based on such defect of title, or it may reduce the purchase price (Section 437 no. 2 of the German Civil Code). In all other regards, the buyer’s rights as stipulated by Section 437 of the German Civil Code are hereby contracted out, these being the right to demand the retroactive performance of the agreement, the compensation of damages, or the reimbursement of futile expenditure, unless the defect of title has been fraudulently concealed. 3. 4. 5. Buyer’s rights in the event of a material defect being given (Section 434 of the German Civil Code) Should the work of art deviate from the characteristic features agreed (work’s creator(s), technique, signature), the buyer shall be entitled to rescind the agreement within a period of two (2) years after the work of art has been knocked down to it (Section 438 paragraph 4 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code)). The buyer shall be reimbursed for the purchase price it has paid (Section 4 Clause 1 of the Conditions of Sale), concurrently with the return of the purchased object in unaltered condition, such return being effected at the registered seat of Grisebach. Claims to any reduction of the purchase price (Section 437 no. 2 of the German Civil Code), to the compensation of damages or the reimburse–ment of futile expenditure (Section 437 no. 3 of the German Civil Code) are hereby contracted out. This exclusion of liability shall not apply should Grisebach have fraudulently concealed the defect. The right to rescind the agreement for material defects shall be contracted out wherever Grisebach has sold the work of art for the account of the Consignor and has exercised, to the best of its ability, the greatest possible care in identifying the work’s creator(s), technique and signature listed in the catalogue, provided there was no cause to doubt these statements’ being correct. In such event, Grisebach enters into obligation to reimburse the buyer for the buyer’s premium, any allocated costs that may have been charged, and turnover tax. Moreover, Grisebach shall assign to the buyer all of the claims vis-à-vis the Consignor to which it is entitled as a result of the defects of the work of art, providing the Consignor’s name and address to the buyer. Grisebach shall support the buyer in any manner that is legally available to it and that it is able to apply in enforcing such claims against the Consignor. Errors in the auction proceedings Grisebach shall not be held liable for any damages arising in connection with bids that are submitted orally, in writing, by telephone or via the internet, unless Grisebach is culpable of having acted with intent or grossly negligently. This shall apply in particular to the telephone, fax or data connections being established or continuing in service, as well as to any errors of transmission, transfer or translation in the context of the means of communications used, or any errors committed by the employees responsible for accepting and forwarding any instructions. Grisebach shall not be held liable for any misuse by unauthorized third parties. This limitation of liability shall not apply to any loss of life, limb or health. Statute of limitations The statutory periods of limitation provided for by Section 438 paragraph 1 Clause 3 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code) (two years) shall apply where the statute of limitations of claims for defects is concerned. Section 8 Final provisions 1. Collateral agreements Any modifications of the present Conditions of Sale that may be made in an individual case, or any collateral agreements, must be made in writing in order to be effective. 2. Translations of the Conditions of Sale Insofar as the Conditions of Sale are available in other languages besides German, the German version shall govern in each case. 3. Governing law The laws of the Federal Republic of Germany shall exclusively apply. The United Nations Convention on the International Sale of Goods shall not apply. 4. Place of performance Insofar as it is possible to agree under law on the place of performance and the place of jurisdiction, this shall be Berlin. 5. Severability clause Should one or several provisions of the present Conditions of Sale be or become invalid, this shall not affect the validity of the other provisions. Instead of the invalid provision, the corresponding statutory regulations shall apply. 122 Einliefererverzeichnis Impressum Consignor Index Imprint [3010] 47 [3033] 12, 33 [3048] 9 [3055] 24 [3062] 42 [3109] 45 [3119] 43, 46 [3120] 7 [E] 13, 41 [3151] 18 [3159] 35 [3194] 36 [3222] 44 [3230] 6 [3247] 4 [3253] 10 [3276] 1 [3277] 5 [3315] 28 [3342] 40 [3386] 25 [3409] 39 [3422] 27 [3438] 38 [3453] 15 [3463] 30 [3466] 2 [3468] 29 [3474] 16 [3489] 49 [3492] 26 [3505] 19 [3511] 34 [3512] 17 [3519] 50 [3520] 32 [3524] 11 [3533] 48 [3537] 8, 14 [3538] 22 [3539] 20 [3543] 23 [3545] 21 [3547] 3, 31 [3548] 37 Herausgegeben von: Villa Grisebach Auktionen GmbH, Fasanenstraße 25, D-10719 Berlin Geschäftsführer: Bernd Schultz, Micaela Kapitzky, Florian Illies, Dr. Markus Krause, Daniel von Schacky, Rigmor Stüssel HRB 25 552, Erfüllungsort und Gerichtsstand Berlin Katalogbearbeitung: Dr. Markus Krause, Traute Meins, Stefan Pucks, Dr. Martin Schmidt, Nina Barge, Laura von Bismarck, Miriam Klug Research: Miriam Klug Provenienzrecherche: Dr. Sibylle Ehringhaus Textbeiträge: Nina Barge (NB), Ulrich Clewing (UC), Dr. Andreas Fluck (AF), Anne Ganteführer-Trier (AGT), Oliver Hell (OH), Florian Illies (FI), Dr. Elke Ostländer (EO), Susanne Schmid (sch), Dr. Martin Schmidt (MS), Prof. Dr. Christoph Stölzl (CS), Oliver Sukrow (OS) Text-Lektorat: Matthias Sommer, Berlin Photos: © Fotostudio Bartsch, Karen Bartsch, 2015 Photobearbeitung: Ulf Zschommler © VG Bildkunst, Bonn 2015 (für vertretene Künstler) Trotz intensiver Recherche war es nicht in allen Fällen möglich, die Rechteinhaber ausfindig zu machen. Produktion/DTP: Daniel Lamprecht Database-Publishing: Digitale Werkstatt, J. Grützkau, Berlin Herstellung & Lithographie: Königsdruck GmbH Gedruckt auf Maxisatin, 150 g/qm Schrift: Didot und Corporate S Die bibliographischen Angaben zu den zitierten Werkverzeichnissen unter www.villa-grisebach.de/de/kataloge/WVZ_240 Abbildungen auf dem Umschlag: Umschlag vorn: Vincent van Gogh · Los 6 Doppelseite vorn: Hermann Max Pechstein · Los 15 Doppelseite 2/3: Willi Baumeister · Los 41 Einzelseite hinten: Paul Delvaux · Los 36 Doppelseite hinten: Emil Nolde · Los 12 Umschlag hinten: Cy Twombly · Los 47 (Ausschnitt) © VG Bild-Kunst, Bonn 2015 (Ausschnitt) © Fond. P. Delvaux S. Idesbald, Belgien / VG Bild-Kunst, Bonn 2015 (Ausschnitt) © Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde (Ausschnitt) 123 124 Schmuckseite / zur Umschlagseite U3
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