Entbürokratisierung in der Pflege Strukturmodell Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation - Haftungsrechtliche Einordnung – Altenpflege 2015 Nürnberg, 24.3.2015 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Dr. Albrecht Philipp Rechtsanwalt Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Sozialrecht August-Exter-Str. 4 – 81245 München Gliederung Strukturmodell Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation I. Haftungsrechtliche Beurteilung II. Exkurs: Sozialrechtliche und heimrechtliche Beurteilung III. Ausblick IV. Diskussion 2 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Haftungsrechtliche Beurteilung Verhängnisvolle Faustregeln… … als Pflegekraft stehe ich immer mit einem Bein im Gefängnis … was nicht dokumentiert ist, gilt als nicht erbracht Versuch, durch möglichst viele Dokumentationsdetails Sicherheit zu erzeugen. Hohe zeitliche und fachliche Belastung der Pflegekräfte zum Schaden aller 3 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Haftungsrechtliche Beurteilung „Bein im Gefängnis“? Zahl der Strafverfahren gegen Pflegekräfte ist viel geringer als angenommen Rechtliche Bewertung von Vorgängen nimmt Problem des „Nachher ist man immer klüger“ auf „Jeder Sturz im Heim ist ein Haftungsfall“ wird von Rechtsprechung nicht gestützt Eine fachlich begründete Entscheidung im Pflegeprozess ist rechtlich unangreifbar 4 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Haftungsrechtliche Beurteilung „was nicht dokumentiert ist…“? Übersteigerter Schluss aus „Beweislastumkehr“ in manchen Haftungsprozessen Kontrollinteresse von Heimaufsicht und Kostenträgern ist kein Zweck der Pflegedokumentation Wahrheitsgehalt hängt vom Dokumentationssystem ab 5 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Haftungsrechtliche Beurteilung Wesentliche Zwecke der Pflegedokumentation 6 Fachlich: Steuerungsgrundlage für und Informationsmittel im Pflegeprozess (Qualitätssicherung) Beweismittel für fachlich korrekte Pflege Z.T. in ambulanter Pflege Leistungsnachweis für Abrechnung Nicht direkt: Kontrollinstrument für Sozialleistungsträger und Aufsichtsbehörden BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Haftungsrechtliche Beurteilung Erfordernisse des Pflegeprozesses (1): 7 Alle Informationen und Bewertungen können in dem Bogen „Strukturierte Informationssammlung“ erfasst werden. Risiko-einschätzungen (häufiges Problem in Prüfsituationen) ergeben sich unmittelbar. Grundlage: Fachliche Kompetenz der Pflegefachkraft ! Aus dem umfassenden Leistungsangebot von Dienst/Einrichtung („Verfahrensanweisung“) wird anhand der Informationen und Bewertungen die konkrete Pflegeplanung abgeleitet BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Haftungsrechtliche Beurteilung Erfordernisse des Pflegeprozesses (2): 8 In der Sprache des Strukturmodells bedeutet „kein Eintrag“ die Abarbeitung des in der Pflegeplanung niedergelegten Ablaufs von Pflegeleistungen. Dagegen sind Abweichungen gesondert zu beschreiben. Abweichungen sind zugleich Grundlage für Prüfung, ob Pflegeplanung aktualisiert werden muss (PDCAZyklus) BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Haftungsrechtliche Beurteilung Beweismittel („Kasseler Erklärung“ und Bachem/Börner, Altenheim 5/2014. S. 22): In der Pflege bereits Beweislastumkehr seltener als in Krankenhaus und bei ärztlicher Behandlung. Deshalb bei weitem nicht jede Dokumentationslücke haftungsträchtig Aussagekraft der Dokumentation nach Strukturmodell ist bei guter und aktueller Pflegeplanung nicht geringer als bei klassischer Abzeichnung von Einzelleistungen Rechtsprechung erkennt „Immer-So-Beweis“ an, sofern Strukturmodell tatsächlich gelebt wird 9 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Haftungsrechtliche Beurteilung Verfahrensanweisung PFLEGEPLANUNG SIS Schriftlich nur noch Abweichungen 10 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Haftungsrechtliche Beurteilung Ausnahmen: 11 Leistungen der medizinischen Behandlungspflege (=ärztlich angeordnet) sind spätestens wegen der Neuregelungen im Patientenrechtegesetz nach Erbringung abzuzeichnen Die Lagerung muss wegen einer (allerdings problematischen!) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus den 1980er Jahren ebenfalls bis auf Weiteres abgezeichnet werden. BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Haftungsrechtliche Beurteilung Ausnahme I: Leistungen der medizinischen Behandlungspflege § 630 f Abs. 1 Satz 1 BGB: Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. § 630 f Abs. 2 Satz 1 BGB: Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen (…). 12 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Haftungsrechtliche Beurteilung Ausnahme II: Lagerung BGH, Urteile. v. 18.3.86 u. 2.6.87 (VI ZR 215/84 und VI ZR 174/86): „Die Entscheidung über das, was zu tun war, durfte nicht allein dem Pflegepersonal überlassen bleiben. Es musste organisatorisch sichergestellt sein, dass die Dekubitus-Prophylaxe und -Pflege ärztlich ausreichend überwacht wurde, und die Durchführung der allgemein oder für den speziellen Fall angeordneten Maßnahmen musste in irgendeiner Weise schriftlich festgehalten werden.“ 13 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Sozial- und heimrechtliche Bewertung Ausgangslage SGB XI: Gesetzgeber hat Überbewertung der Dokumentation bei der Beurteilung von Pflegequalität erkannt. § 114a Abs. 3 Satz 3 SGB XI lautet seit 1.1.2013: „Bei der Beurteilung der Pflegequalität sind die Pflegedokumentation, die Inaugenscheinnahme der Pflegebedürftigen und Befragungen der Beschäftigten (…) sowie der Pflegebedürftigen (…) angemessen zu berücksichtigen.“ 14 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Sozial- und heimrechtliche Bewertung Ausgangslage: § 113 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1SGB XI lautet seit 2009: (In den MuG sind Anforderungen zu regeln an) … „eine praxistaugliche, den Pflegeprozess unterstützende und die Pflegequalität fördernde Pflegedokumentation, die über ein für die Pflegeeinrichtungen vertretbares und wirtschaftliches Maß nicht hinausgehen dürfen.“ 15 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Sozial- und heimrechtliche Bewertung Inhalt MuG: Herkömmliche Pflegedokumentation wird nicht ausdrücklich gefordert Formulierungen teils ersichtlich aber auf AEDL/Modell Krohwinkel abgestellt Ausweitung der Funktion von Pflegeprozess und –qualität klingt an: „Leistungsnachweis“ (zB MuG stationär Nr. 3.1.3) 16 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Sozial- und heimrechtliche Bewertung Landes-Rahmenverträge und Praxisvorschriften teils missverständlich, aber Alle Regelungen im Sinne der §§ 113 ff. SGB XI auszulegen Beschluss des Lenkungsgremiums vom Juli 2014 (Pressemitteilung vom 4.7.2014): Strukturmodell ist mit den derzeit geltenden MuG und den QPR vereinbar; Flächendeckende Umsetzung kann beginnen! 17 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Sozial- und heimrechtliche Bewertung Ausnahme: Ambulante Pflege: Soweit Abrechnungsvorschriften die tägliche Abzeichnung von Modulen vorschreiben, kann das Strukturmodell daran nichts ändern. 18 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Sozial- und heimrechtliche Bewertung Art. 3 Abs. 2 Nr.8 PfleWoqG Bayern: 19 stationäre Einrichtungen müssen den an der Person des Pflegebedürftigen orientierten Pflegeprozess umsetzen und dessen Verlauf aufzeichnen. Dieser Anforderung genügt das Strukturmodell BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Ausblick 20 Überkommene Konzepte der Pflegedokumetation bleiben zulässig, keine Änderung Strukturmodell rechtlich und fachlich effektiv und ausreichend Ausgangssituation für Einwände gegen abweichende Prüfungsanforderungen derzeit so günstig wie nie Für alle Modelle ist letztlich Voraussetzung, dass Pflegekräfte ihre Fachkompetenz selbstbewusst wahrnehmen. BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Vielen Dank ! Bei Fragen: [email protected] BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE Dr. Albrecht Philipp Rechtsanwalt Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Sozialrecht August-Exter-Str. 4 – 81245 München 21 BENDER & PHILIPP RECHTSANWÄLTE
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