Veranstaltungsprogramm 2. Halbjahr 2015 - Nordrhein

Nordrhein-Westfälische Akademie
der Wissenschaften und der Künste
Wissenschaftliche Sitzungen 2. Halbjahr 2015
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Wissenschaftliche Klassensitzungen und
Akademieveranstaltungen für alle Klassen
der Nordrhein-Westfälischen Akademie
der Wissenschaften und der Künste im
2. Halbjahr 2015
Die Akademie ist eine Vereinigung führender Forscherinnen und Forscher
des Landes und die Heimat von zurzeit 14 wissenschaftlichen Forschungsvorhaben. In der Akademie pflegen die Mitglieder wie in den weiteren sieben
deutschen Landesakademien den wissenschaftlichen Gedankenaustausch
untereinander sowie mit Vertretern von Politik und Gesellschaft und unterhalten enge Kontakte zu anderen wissenschaftlichen Einrichtungen im
In- und Ausland.
Die Nordrhein-Westfälische Akademie ist in drei wissenschaftliche Klassen,
Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften und Medizin sowie Ingenieurund Wirtschaftswissenschaften, und eine Klasse der Künste gegliedert. In
ihnen findet das eigentliche wissenschaftliche und diskursive Leben der
Akademie statt. Die regelmäßigen nichtöffentlichen Klassensitzungen bieten
die Gelegenheit zur Diskussion wissenschaftlicher Forschungsergebnisse oder
künstlerischer Fragestellungen, in ihnen werden für die akademieeigenen
Schriftenreihen vorgesehene Publikationen vorgelegt. Die Vielfalt der vertretenen Fachrichtungen bietet die Gewähr für disziplinenübergreifenden Gedankenaustausch und interdisziplinäres Arbeiten.
Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste
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Übersicht 2| 2015
G
Mittwoch, 9. September 2015 um 15.00 Uhr
„Plena dignitatis domus“ – Das Haus des römischen Senators
Prof. Dr. Harald Mielsch, Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
IW
Mittwoch, 16. September 2015 um 15.30 Uhr
Die Organisation von Innovation im Unternehmen
Prof. Dr. Mark Ebers, Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Vom Klima-Killer zum Welten-Retter?
Zur stofflichen Nutzung von Kohlendioxid
Prof. Dr. André Bardow, Aachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
NM
Mittwoch, 23. September 2015 um 15.30 Uhr
Intravitales funktionelles Imaging mit Zweiphotonenmikroskopie:
neue Einblicke in Leberfunktionen und Prinzipien der Gewebeorganisation
Prof. Dr. Jan Hengstler, Dortmund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Der kleine Unterschied – Materie gegen Antimaterie und die Folgen für
das Universum
Prof. Dr. Bernhard Spaan, Dortmund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18
JK
Donnerstag / Freitag, 24.–25. September 2015
Fachtagung „Widerstandsrecht“
Abschlussveranstaltung eines Forschungsprojekts des Jungen Kollegs
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A
Mittwoch, 7. Oktober 2015 um 17.00 Uhr (ÖV)
Leo Brandt-Vortrag
Lesung des Schriftstellers Jürgen Becker
NM
Mittwoch, 21. Oktober 2015 um 15.30 Uhr
Functionalization of Synthetic Carbon Allotropes
Prof. Dr. Andreas Hirsch, Erlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20
Angeborene Störungen der Flimmerhärchen oder Warum schlägt unser Herz
am rechten Fleck
Prof. Dr. Heymut Omran, Münster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
JK
Freitag, 23. Oktober 2015 um 14.00 Uhr (ÖV)
Das Fremde – Annäherung und Ausgrenzung
Forschungstag des Jungen Kolleg
G
Mittwoch, 28. Oktober 2015 um 15.00 Uhr
Kleine und fragmentarische Historiker der Spätantike
Prof. Dr. Bruno Bleckmann / Prof. Dr. Markus Stein, Düsseldorf . . . . . . . 24
IW
Donnerstag, 5. November 2015 um 13.00 Uhr
Themenklassensitzung:
Verkehr – Gegenwart und Zukunft / Wie reagieren die Ingenieur- und
Wirtschaftswissenschaften auf die Herausforderungen? . . . . . . . . . . . 26
Regulierung von Verkehrsmärkten
Prof. Dr. Gernot Sieg, Münster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
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Moderne Mobilität und IT-Technik – Automatisiertes Fahren und die Folgen
Prof. Dr. Michael Schreckenberg, Duisburg / Essen . . . . . . . . . . . . . . . 28
Vernetzte Mobilität durch kooperative Verkehrssysteme
Prof. Dr. Fritz Busch, München. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Kooperative automatische Automobile
Prof. Dr. Christoph Stiller, Karlsruhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Verkehrsinfrastrukturen zwischen Markt und Staat
Prof. Dr. Günter Knieps, Freiburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
NM
Mittwoch, 11. November 2015 um 15.30 Uhr
Die Entdeckung hochenergetischer kosmischer Neutrinos:
Ein neues Fenster zum Kosmos?
Prof. Dr. Marek Kowalski, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Die Galileischen Monde des Jupiters: Feuer, Eis und Wasser
Prof. Dr. Joachim Saur, Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
A
NM
Mittwoch, 9. Dezember 2015 um 15.30 Uhr
Die Suche nach der Quantenraumzeit: Warum 3+1 manchmal 2 ergibt
Prof.'in Dr. Renate Loll, Nijmegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Kollektive Zellmigration – wie koordinieren Ensembles von Epithelzellen
die Wundheilung
Prof. Dr. Joachim Spatz, Stuttgart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
A
Montag, 14. Dezember 2015
Fachwissenschaftlicher Workshop
Forschungsstelle „Textdatenbank und Wörterbuch des klassischen Maya“
G
Mittwoch, 16. Dezember 2015 um 15.00 Uhr
„Ich bin Realist, wie es vor mir noch kein Mensch gewesen ist“ –
Der philosophische Provokateur Friedrich Heinrich Jacobi
Prof.'in Dr. Birgit Sandkaulen, Bochum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Freitag, 13. November 2015 um 15.00 Uhr (ÖV)
Erinnern / Vergessen: Gewinn oder Verlust?
7. Forum aller Klassen
G
Mittwoch, 18. November 2015 um 15.00 Uhr
Die Völkerstraftat der Aggression
Prof. Dr. Claus Kreß, Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
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Legende / Erläuterungen
A
= Akademieveranstaltung für alle Klassen
G
= Klasse für Geisteswissenschaften
NM
= Klasse für Naturwissenschaften und Medizin
IW
= Klasse für Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften
K
= Klasse der Künste
JK
= Junges Kolleg
ÖV
= Öffentliche Veranstaltung
Weitere Informationen zu den Klassensitzungen sind zeitnah im Internet zu finden.
Bitte beachten Sie bei den genannten öffentlichen Terminen die Einladungen und
hierbei eventuelle Terminänderungen. Weitere Terminhinweise finden Sie unter
www.awk.nrw.de.
Die Klassensitzungen sind grundsätzlich nur für die Mitglieder der Akademie und
der Stiftung der Freunde und Förderer der Akademie zugänglich.
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Wissenschaftliche Sitzungen 2 | 2015
IW
Mittwoch, 16.09.2015 um 15.30 Uhr, 100. Sitzung
Vortrag 1
G
Mittwoch, 09.09.2015 um 15.00 Uhr, 564. Sitzung
„Plena dignitatis domus“
Das Haus des römischen Senators
Prof. Dr. Harald Mielsch, Bonn
Ziel des Vortrags ist es, aus archäologischen und literarischen Quellen die
typischen Züge des Hauses der römischen Führungsschicht herauszuarbeiten. Der Bestand an Denkmälern ist fragmentarisch, erlaubt aber mehr
Aussagen, als gemeinhin angenommen wird. So lassen sich einige literarisch
bekannte Funktionen rekonstruieren, in denen sich das römische etwa vom
pompejanischen Haus unterscheidet. Dazu gehören etwa Räume für Gerichtsverhandlungen oder zur Bewirtung zahlreicher Gäste, aber auch Orte
für die demonstrative Betätigung der senatorischen Frauen bei der Verfertigung von Textilien. Einige Eigenheiten bleiben bis in die Spätantike in
veränderter Form erhalten.
Professor Dr. Harald Mielsch, 1944 in Baden-Baden geboren, promovierte
1970 in Bonn. Nach einigen wissenschaftlichen Stationen von 1971 bis Mitte
der 1980ziger Jahre in Rom und Berlin, habilitierte er 1984 an der Freien
Universität Berlin. Von 1985 bis 1994 hatte er an der Universität Würzburg
eine Professur für Klassische Archäologie inne. 1994 wechselte er an die
Universität Bonn, wo er bis zu seinem Ruhestand 2009 die Professur für
Klassische Archäologie innehatte. Prof. Mielsch ist seit 2005 ordentliches
Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der
Künste.
12
Die Organisation von Innovation
im Unternehmen
Prof. Dr. Mark Ebers, Köln
Um nachhaltig erfolgreich sein zu können, müssen Unternehmen ihre Produkte und Leistungen, Leistungserstellungs- und Vermarktungsprozesse immer
wieder verbessern und verändern. Denn wenn sie dies nicht tun, fallen sie mit
der Zeit hinter ihre Konkurrenten zurück, verlieren an Wettbewerbsfähigkeit
und scheiden irgendwann aus dem Wettbewerb aus. So gehören bspw. nur 61
der Unternehmen, die im Jahre 1955 unter den Fortune 500 waren, auch in
2014 noch dazu.
Unternehmen stehen dabei vor der doppelten Herausforderung, sowohl ihre
Bestands- als auch neuartige Geschäfte beständig zu entwickeln. Sie müssen
ihre bestehenden Geschäfte beständig bewahren und verbessern, weil Konkurrenzdruck, technischer Wandel, abnehmende Nachfrage, regulatorische
Eingriffe und andere Entwicklungen mehr bestehende Geschäftsmodelle rasch
entwerten können. Da bestehende Geschäfte nicht dauerhaft sind, und auch
um über die bestehenden Geschäfte hinaus Wachstum zu erzielen, müssen
Unternehmen aber auch, wenn sie nachhaltig erfolgreich sein wollen, in der
Lage sein, neue Geschäfte zu entwickeln. Bestandsgeschäfte liefern freien
Cashflow, aus dem Investitionen in Neugeschäfte finanziert werden können.
Und die Neugeschäfte werden, wenn sie denn erfolgreich sind, zu den Bestandsgeschäften der Zukunft. Dieser Kreislauf sichert den nachhaltigen
Bestand und Erfolg des Unternehmens.
Es ist nun jedoch nicht leicht, eine solche Balance zwischen Bestands- und
Neugeschäften in einem Unternehmen zu erreichen. Denn die Sicherung und
Weiterentwicklung von Bestandsgeschäften stellt ganz andere Anforderungen
13
an ein Unternehmen, dessen Steuerung, Organisation und Management, als
die Entwicklung neuartiger Geschäfte.
Der Beitrag wird u.a. auf Basis eigener empirischer Forschungsarbeiten
diskutieren wie Unternehmen die Spannungsfelder zwischen der Sicherung
des Bestandsgeschäfts und der Entwicklung neuartiger, innovativer Leistungen und Geschäftsmodelle erfolgreich bewältigen können.
Professor Dr. Mark Ebers, geboren am 13. März 1956. 1974 Abitur in Hamburg. 1974–1979 Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität
Hamburg. 1979 Diplom-Kaufmann, Universität Hamburg. 1980–1985
wissenschaftlicher Angestellter am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Organisation (Prof. Dr. Alfred Kieser), Universität Mannheim.
1985 Promotion, Universität Mannheim. 1985–1992 Hochschulassistent an
der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre, Universität Mannheim. 1989–1990
John F. Kennedy Memorial Fellow Universität Harvard, Cambridge, Mass.,
USA. 1993 Habilitation, Universität Mannheim. 1992–1994 Vertretungsprofessor (C4) cum spe für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere
Organisation, Universität-GHS-Paderborn. 1994–2004 Universitätsprofessor
(C4) für Betriebswirtschaftslehre, Schwerpunkt Unternehmensführung und
Organisation, Universität Augsburg. 1996 Visiting Professor Universitá L.
Bocconi, Mailand. 1997 Visiting Scholar Harvard University, Cambridge, MA,
USA. 2002 Visiting Scholar Harvard Business School, Boston, MA, USA. 2004
Visiting Professor Tilburg University, Niederlande. Seit 2004 Universitätsprofessor (C4) für Betriebswirtschaftslehre, Unternehmensentwicklung und
Organisation, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität zu
Köln. 2006–2007 Visiting Fellow Advanced Institute of Management (AIM)
International, University of Strathclyde, Glasgow, Schottland. 2008–2010
Visiting Professor University of Strathclyde, Glasgow, Schottland. 2008–2009
Visiting Scholar Columbia Business School, Columbia University, New York
City, NY, USA. 2012–2013 Fellow Institute for Advanced Studies, Hebrew
University, Jerusalem, Israel. 2014 Visiting Scholar New York University, New
York City, NY, USA. 1985 Verleihung des Karin-Islinger Preis der Universität
Mannheim für die Dissertationsschrift. Best Paper Award 2007, Verband der
Hochschullehrer für Betriebswirtschaft. Best Paper Award 2007, European
Group for Organizational Studies (EGOS). Seit 2000 Mit-Herausgeber der
Fachzeitschrift „Die Betriebswirtschaft“. Mitglied in Editorial Boards verschie14
dener führender internationaler Fachzeitschriften. Seit 2003 Mitglied des
Vorstands der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V.. Seit 2011
Leiter des Arbeitskreises Organisation der Schmalenbach-Gesellschaft für
Betriebswirtschaft e.V.. Seit 2007 Mitglied des Councils der „International Max
Planck Research School on the Social and Political Constitution of the Economy“, Köln. Seit 2007 Senator der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen
Fakultät der Universität zu Köln. Seit 2013 Representative-at-Large der
Organization and Management Theory Division, Academy of Management,
Inc..
Vortrag 2
Vom Klima-Killer zum Welten-Retter?
Zur stofflichen Nutzung von Kohlendioxid
Prof. Dr. André Bardow, Aachen
Kohlendioxid ist das wichtigste Produkt der Menschheit: Kein anderes
Molekül stellt der Mensch mehr her als CO2. Allerdings ist das Produkt „CO2“
nur ein Neben-Produkt, denn es entsteht bei der Erzeugung von Strom, Wärme
und Antriebsenergie durch die Verbrennung fossiler Kraftstoffe. Das NebenProdukt CO2 wird als Abfall in die Atmosphäre entlassen, wo es wiederum
seine schädigende Bedeutung für die Menschheit erlangt: Als Hauptursache
des Klimawandels. Klimaschutz-Maßnahmen zielen daher auf die Reduktion
von CO2-Emissionen.
In jüngster Zeit wird allerdings intensiv diskutiert, Kohlendioxid nicht blindlings zu vermeiden, sondern stattdessen stofflich zu nutzen. Die stoffliche
Verwertung von CO2 nutzt dabei die spezifischen Eigenschaften des CO2Moleküls zur Wertschöpfung. Mögliche Anwendungen reichen von der etablierten direkten Nutzung von CO2, z. B. im Feuerlöscher, über die Herstellung von
Kunststoffen aus CO2 bis zu sogenannten solaren Brennstoffen aus Kohlendioxid und Wasserstoff. Die stoffliche Nutzung von CO2 soll dabei gleichzeitig
CO2-Emissionen vermeiden und als unbegrenzte Kohlenstoff-Quelle den
Verbrauch von fossilen Rohstoffen reduzieren.
15
In diesem Vortrag wird die stoffliche Nutzung aus verschiedenen Perspektiven
diskutiert. Die wissenschaftlichen und technischen Herausforderungen werden
aus einer thermodynamischen Betrachtung der CO2-Nutzung abgeleitet. Diese
Betrachtung erlaubt eine Klassifizierung der Möglichkeiten der stofflichen
CO2-Nutzung. Hierzu werden aktuelle Beispiele aus der Forschung und Praxis
präsentiert. Mit Hilfe der Methodik der Ökobilanz (engl.: Life-cycle assessment,
LCA) kann der mögliche Beitrag der CO2-Nutzung zum Klimaschutz quantifiziert werden und eine Einordnung der Bedeutung der stofflichen CO2-Nutzung
erfolgen.
Professor Dr. André Bardow ist seit Februar 2010 Universitätsprofessor und
Inhaber des Lehrstuhls für Technische Thermodynamik an der RWTH Aachen
University. Dort studierte er Maschinenbau mit der Fachrichtung Verfahrenstechnik (Diplom 1999) und promovierte am Lehrstuhl für Prozesstechnik bei
Herrn Prof. Marquardt (Promotion 2004). Auslandsaufenthalte absolvierte er
an der Carnegie Mellon University, USA, und der Polnischen Akademie der
Wissenschaften in Gliwice, Polen. Thema seiner Dissertation war die „Modellgestützte experimentelle Analyse der Diffusion in Mehrkomponentengemischen“. Als Postdoktorand arbeitete er 2005–2006 am Institut für Polymere an
der ETH in Zürich. Ab 2007 war er zunächst Assistant, dann Associate Professor für Trenntechnik an der Delft University of Technology in den Niederlanden im Department of Process & Energy. Herr Bardow wurde gefördert durch
die Studienstiftung, DAAD, DFG und die DaimlerChrysler Studienförderung.
Von der RWTH erhielt er die Springorum Denkmünze und die BorchersPlakette. Für seine grundlegenden Arbeiten zum integrierten Prozess- und
Produktentwurf verlieh ihm die VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und
Chemieingenieurwesen 2009 den Arnold-Eucken-Preis. Seine Forschung
umfasst alle Skalen der technischen Thermodynamik: vom Molekül bis zum
Prozess. Die Anwendungen liegen dabei in der Energie- und Verfahrenstechnik. Schwerpunkte sind Stoffdaten für komplexe Fluide, die Energiesystemtechnik und die Sorptionstechnik.
16
NM
Mittwoch, 23.09.2015 um 15.30 Uhr, 569. Sitzung
Vortrag 1
Intravitales funktionelles Imaging mit
Zweiphotonenmikroskopie: neue Einblicke
in Leberfunktionen und Prinzipien der
Gewebeorganisation
Prof. Dr. Jan Hengstler, Dortmund
Eine grundlegende Eigenschaft von Geweben und Organen ist ihre Fähigkeit
zur Regeneration. Begrenzte Zerstörungen lösen in der Regel koordinierte
Prozesse aus, bei denen ausgehend von überlebenden Zellen die funktionelle
Gewebestruktur in voller Komplexität wieder hergestellt wird. Unter noch
nicht vollständig verstandenen Umständen wird diese perfekte Regeneration
gestört. Stattdessen kommt es dann zur narbigen Ausheilung. Für manche
Organe hat diese Narbenbildung fatale Folgen, zum Beispiel die Zirrhose der
Leber. Eine kritische Frage besteht nach wie vor darin, welche Ereignisse für
ein Umschalten von perfekter zu narbiger Ausheilung verantwortlich sind. Zur
Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen hat sich in unserem Labor funktionelles Imaging mit Zweiphotonen-Mikroskopie bewährt. Diese Technik
ermöglicht nicht invasive Zeitrafferaufnahmen lebender Organe bei einer
Auflösung von weniger als 500 nm. Während des Imaging können einzelne
Zellen mittels Laserbestrahlung oder auch größere Zellverbände modifiziert
oder zerstört und die Konsequenzen verfolgt werden. Eine Schlüsselbeobachtung besteht darin, dass nur die Zerstörung bestimmter Zelltypen des Lebergewebes, nämlich der sinusoidalen Endothelzellen, Narben zur Folge hat,
während nach ausschließlicher Zerstörung der Hepatozyten eine perfekte
Regeneration beobachtet wird. An diesem und weiteren Beispielen werden
Möglichkeiten und Grenzen der intravitalen modellgestützten Zweiphotonenmikroskopie erläutert werden.
17
Professor Dr. Jan Hengstler, geboren 1965, hat an der Universität Mainz
Medizin studiert (1984–1990) und am Institut für Toxikologie promoviert
(1991). Weitere Stationen führten über die Abteilung für Molekulare Toxikologie (Leitung 2003–2007) und das Institut für Rechtsmedizin (kommissarische
Leitung: 2006–2007) an das Leibniz-Institut (IFADO) an der TU Dortmund
(seit 2007). Jan Hengstler ist Toxikologe mit Schwerpunkt Lebertoxizität. In
seiner Gruppe entwickelte er in vitro Systeme für Toxizitätstestungen, welche
inzwischen weltweit eingesetzt werden. Neben angewandter Forschung
interessiert sich seine Arbeitsgruppe für Grundprinzipien der Gewebeorganisation. Um zu verstehen, wie Millionen an Zellen koordiniert werden, um ein
hochspezialisiertes funktionelles Gewebe zu bilden, setzt die Gruppe mathematische Modelle, als auch intravitales Imaging und Geweberekonstruktionstechniken ein.
Vortrag 2
Der kleine Unterschied – Materie gegen Antimaterie und die Folgen für das Universum
Prof. Dr. Bernhard Spaan, Dortmund
Experiment am größten Teilchenbeschleuniger der Welt, dem Large Hadron
Collider am CERN, versucht man mehr über diesem Unterschied in Erfahrung
zu bringen.
Professor Dr. Bernhard Spaan, studierte in Dortmund Physik und promovierte dort 1988 mit einer Arbeit auf dem Gebiet der Experimentellen Teilchenphysik. Nach einem Forschungsaufenthalt am Deutschen Elektronen Synchrotron (DESY) in Hamburg und der Mitarbeit am ARGUS-Experiment wechselte
er 1993 als Senior Research Associate an die McGill University in Montreal,
Kanada, verbunden mit der Mitarbeit am CLEO-Experiment der Cornell-University um am 1993 genehmigten BABAR-Experiment am Beschleunigerlabor
SLAC, das durch die Stanford-University betrieben wurde. 1995 wurde er auf
eine Professur an der Technischen Universität Dresden berufen. Im Mittelpunkt der Forschungsaktivitäten stand zunächst das BABAR-Experiment.
Zugleich beteiligte er sich an den Arbeiten zum Aufbau des LHCb-Experiments
am CERN. 2004 wurde er auf eine Professur an die Technische Universität
Dortmund berufen. Zu den Arbeiten auf dem Gebiet der Experimentellen
Teilchenphysik mit dem LHCb-Experiment ist dort auch eine Aktivität im
Bereich der medizinischen Physik hinzugekommen. Er war Deutscher Vertreter in RECFA (Restricted European Committee for Future Accelerators),
Vorsitzender des KET (Komitee für Elementarteilchenphysik); Dekan der
Fakultät Physik und ist zurzeit Vorsitzender des Collaboration Boards der
LHCb-Kollaboration.
Seit der Entdeckung des Antiteilchens des Elektrons, des Positrons, wissen wir,
dass es neben Materie auch Antimaterie geben muss. Treffen Materie und
Antimaterie aufeinander, so kommt es zu einer Vernichtungsreaktion, bei der
gemäß der Einstein‘schen Formel E=mc², eine sehr große Energiemenge
freigesetzt wird. Trotz intensiver Suche konnte keine derartigen Vernichtungen im Universum beobachtet werden, so dass unser Universum ganz augenscheinlich nur aus Materie besteht. Im Mikrokosmos aber herrscht eine weitgehende Symmetrie zwischen Teilchen und Antiteilchen: bei der Erzeugung
eines Teilchens wird auch immer ein Antiteilchen erzeugt. Damit müsste nach
dem Urknall, durch den im Prinzip nur Energie und nicht Materie oder
Antimaterie erzeugt wurde, zu gleichen Teilen Materie und Antimaterie
erzeugt worden sein, die sich im Laufe der Zeit wieder gegeneinander vernichtet hätten. Unsere Existenz hängt damit von einem winzigen Unterschied
zwischen der Welt der Teilchen und der der Antiteilchen ab. Mit dem LHCb18
19
NM
Mittwoch, 21.10.2015 um 15.30 Uhr, 570. Sitzung
Vortrag 1
Functionalization of Synthetic Carbon
Allotropes
Prof. Dr. Andreas Hirsch, Erlangen
Chemical functionalization of new C-allotropes is of fundamental interest and
opens the door to unprecedented materials applications. In principle, the
physical and chemical properties of fullerenes, carbon nanotubes (CNTs) and
graphene are related to each other, although their levels of development vary
considerably. In order to efficiently explore the reactivity of the less developed
CNTs and especially that of graphene it is our goal to provide a unifying
approach for the chemistry of all three new carbon allotropes. The fullerenes
present the first family of synthetic carbon allotropes. Since their availability
in macroscopic quantities numerous investigations with respect to their
physical characterization and chemical functionalization have been carried
out. CNTs – the second new family of C-allotropes – exhibit at least the same
potential for unprecedented applications. Their chemistry, however, is much
less developed. Although many protocols for covalent and non-covalent CNT
functionalization have been published there are still many fundamental
problems to be solved. This includes inter alia the highly selective functionalization of metallic- or semiconducting SWNTs, the high throughput isolation of
SWNTs with single helicity, the development of general concepts allowing for
tunable doping of individualized tubes with single helicity or least defined
transport characteristics (metallic – semiconductive). Finally, the youngest
representative in the list of new C-allotropes is graphene and the exploration
of its chemistry has just begun to start. So far only investigation on the functionalization of defect rich graphene oxide (GO) but not intact graphene itself
have been published. Compared to the various flavours of CNTs (broad
variation of helicities, single walled, multi walled) graphene is a much more
uniform material. This will facilitate the development of its chemistry considerably. We will present a series of new results of covalent and non-covalent
functionalizations of fullerenes, carbon nanotubes and graphene.
20
Professor Dr. Andreas Hirsch promovierte 1990 an der Eberhard Karls
Universität Tübingen. Von 1990 bis 1991 forschte er als Postdoc am Institute
for Polymers und Organic Solids in Santa Barbara, Kalifornien, in der Arbeitsgruppe von Prof. Wudl. Danach kehrte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an
das Institut für Organische Chemie nach Tübingen zurück. Nach Abschluss
seiner Habilitation, für die er 1994 verschiedene Preisen und Ehrungen
einschließlich des Otto-Röhm-Forschungspreises und des Jahrespreises für
Habilitanden der ADUC (Arbeitsgemeinschaft deutscher Professoren/innen
für Chemie) erhielt, wurde Andreas Hirsch 1994 als Professor für Organische
Chemie an die Fakultät für Chemie der Universität Karlsruhe berufen. Seit
Oktober 1995 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Organische Chemie an der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Im Jahr 2000
lehnte er einen Ruf auf den Lehrstuhl für Organische Chemie an die University
of St. Andrews, Schottland, ab. Im Jahr 2004 wurde Andreas Hirsch zum
außerplanmäßigen Professor an der Rice University in Houston und zum
Senator an der FAU ernannt. Im Jahr 2005 lehnte er ein Angebot für eine
gemeinsame Berufung als Welch Professor für Chemie an der Rice University
Houston und als Welch-Cullen Professor für Chemie und Nanotechnologie am
University of Texas Health Science Center in Houston ab. Das Angebot wurde
initiiert und stark unterstützt von Prof. Smalley, dem Nobelpreiseträger für
Chemie 1996 für die Entdeckung der Fullerene. 2006 erhielt er den ElhuyarGoldschmidt-Preis der Chemischen Gesellschaften von Spanien und Deutschland. Von dem Magazin Unicum Beruf wurde Andreas Hirsch 2007 zum
Professor des Jahres gewählt. Für die FAU warb er 2010 den ersten ERC
Advanced Grant (GRAPHENOCHEM) ein. Im Jahr 2012 wurde ihm sowohl
der Max-Grundig-Gedächtnispreis als auch die Medaille des Instituts für
Organische Chemie der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen
Republik verliehen.
21
Vortrag 2
Angeborene Störungen der Flimmerhärchen
oder Warum schlägt unser Herz am rechten
Fleck
Prof. Dr. Heymut Omran, Münster
Die primäre ziliäre Dyskinesie (englisch primary ciliary dyskinesia; PCD) ist
eine seltene, klinisch und genetisch heterogene Gruppe hereditärer Erkrankungen, denen eine Dysfunktion beweglicher Zilien zugrunde liegt. Durchschnittlich sind einer von ca. 15.000 Menschen betroffen. Die PCD basiert auf
Störungen der Bewegung motiler respiratorischer Zilien (Flimmerhärchen),
die mit einer verminderten Reinigung der oberen und unteren Atemwege
einhergehen. Daher leiden PCD-Patienten an persistierenden und destruierenden Entzündungen der Atemwege, die zu einer chronischen Ateminsuffizienz
führen. Zusätzlich zu den respiratorischen Symptomen zeigt die PCD weitere
Erkrankungsmanifestationen. So können Motilitätsstörungen der nodalen
Zilien, die während der frühen Embryonalentwicklung für die Etablierung der
Rechts-Links-Körperachse verantwortlich sind, in 40–50% der PCD Fälle zu
einem Situs inversus (Kartagener-Syndrom) führen. In seltenen Fällen ist bei
diesen Lateralitätsdefekten die Ausbildung einzelner Organe gestört (z. B.
kongenitale Herzfehler, Asplenie/Polysplenie). Männliche PCD Patienten
zeigen außerdem eine hohe Inzidenz von Infertilität. Eileiter sind ebenfalls
von motilen Zilien ausgekleidet. Eine Störung dieser Zilien erklärt möglicherweise auch ein gering erhöhtes Risiko für extrauterine Schwangerschaften.
Durch eine Dysfunktion der Ependymzilien, die das Ventrikelsystem des
Gehirns auskleiden, ist das Risiko eines Hydrocephalus (Wasserkopfes) geringfügig erhöht. Die Diagnose der PCD wird derzeit hauptsächlich aufgrund des
Nachweises funktioneller oder struktureller Defekte von respiratorischen
Zilien gestellt. Derzeit wird die PCD nur symptomatisch behandelt, es steht
keine kausale oder evidenz-basierte Therapie zur Verfügung. Die Identifikation der zu Grunde liegenden genetischen Defekte erlaubt im zunehmenden
Maße eine molekulargenetische Diagnostik und eröffnet Möglichkeiten neuer
Therapieverfahren.
22
Professor Dr. Heymut Omran studierte Humanmedizin an der Universität
Freiburg, University of Massachusetts (USA) und University of Manchester
(UK) und erlangte 1994 die Approbation. In den Jahren von 1994 bis 2009 war
er an der Universitäts-Kinderklinik Freiburg zunächst als wissenschaftlicher
Assistent, dann als Fach- und Oberarzt tätig. Während dieser Zeit erhielt er
neben der Gebietsbezeichnung Kinderheilkunde auch die Zusatzqualifikationen
für Neuropädiatrie, Kinderpneumologie, und Kinderdiabetologie und Endokrinologie. Im Jahr 2002 habilitierte er mit Arbeiten zu Zystennierenerkrankungen und Blindheit. Seit 2007 ist er zusätzlich als Adjunct-Professor an der
University of North Carolina at Chapell Hill (USA) tätig. Während seiner
klinischen Tätigkeit hat er sich immer für die Belange von Patienten eingesetzt
und ist daher seit vielen Jahren in Selbsthilfegruppen wie Primäre Ciliäre
Dyskinesie und Kartagener Syndrom e.V. aktiv. Seit 2010 ist er Lehrstuhlinhaber für Kinder- und Jugendmedizin (W3) der Westfälischen Wilhelms-Universität und Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin
der Universitätsklinik Münster.
Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeiten sind seltene hereditäre
Erkrankungen. Insbesondere konnte seine Arbeitsgruppe zahlreiche genetische
Defekte von Ziliopathien entschlüsseln. So konnte er die Bedeutung motiler
Zilien / Geißeln und unbeweglicher Monozilien für die Erkrankungsentstehung
im Detail charakterisieren. Diese Arbeiten haben wesentlich dazu beigetragen,
die Ätiologien zystischer Nierenerkrankungen, chronischer Atemwegserkrankungen, retinale Degeneration, Infertilität, Herzentwicklungsstörungen und
Hydrocephalus zu klären. Mittels molekulargenetischer und zellbiologischer
Techniken charakterisierte er evolutionär konservierte biologische Mechanismen wie Festlegung der Links/Rechts-Körperasymmetrie, Hirnventrikel-Entwicklung und mukoziliäre Reinigung der Atemwege.
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G
Mittwoch, 28.10.2015 um 15.00 Uhr, 565. Sitzung
Kleine und fragmentarische Historiker
der Spätantike
Prof. Dr. Bruno Bleckmann / Prof. Dr. Markus Stein, Düsseldorf
Ein Großteil der Quellen, die wir über die Geschichte der Spätantike besitzen,
ist verloren und kann allenfalls in Ausschnitten wiedergewonnen werden aus
Erwähnungen bei nachfolgenden Autoren, die mitunter ein halbes Jahrtausend später gelebt haben. Dabei ist die Spätantike für die politische und
kulturelle Entwicklung Europas von kaum zu überschätzender Bedeutung: In
diese Epoche fallen z.B. die Ereignisse, die man allgemein mit den Stichwörtern „Völkerwanderung“ oder „Ende des römischen Reiches“ verbindet, und es
ist die Zeit, in der das Christentum von einer verfolgten zur Staatsreligion
aufsteigt und sich das pagane Gedankengut anverwandelt, so dass auch solche
Werke der Nachwelt überliefert wurden.
Publikationen: Die Reichskrise des III. Jahrhunderts in der spätantiken und
byzantinischen Überlieferung, München 1992; Die römische Nobilität im
Ersten Punischen Krieg, München 2002; Die Germanen, München 2009.
Professor Dr. Markus Stein
Nach Studium der Klassischen Philologie und Geschichte in Köln dort 1992
Promotion und 2000 Habilitation; wissenschaftlicher Mitarbeiter in Köln,
Bonn (Franz Joseph Dölger-Institut zur Erforschung der Spätantike) und
Göttingen, seit 2005 Professor für Klassische Philologie, insbesondere Latinistik,
an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Publikationen: Definition und Schilderung in Theophrasts Charakteren,
Stuttgart 1992; Manichaica Latina 1–3 (Papyrologica Coloniensia XXVII 1–3 ),
Opladen / Paderborn 1998–2006.
Das Akademieunternehmen der Kleinen und fragmentarischen Historiker der
Spätantike umfasst knapp 90 Autoren bzw. anonyme Werke vom 3. bis 6. Jh.
Dazu gehören lateinische und griechische Autoren, Profan- und Kirchenhistoriker, fragmentarisch erhaltene und „kleine“ Autoren, namentlich bekannte
Historiker und sicher rekonstruierbare, aber anonyme Geschichtswerke. Diese
Schriften bzw. ihre Überreste werden nicht allein im Originaltext ediert,
sondern auch mit einer deutschen Übersetzung und einem philologischen
sowie historischen Kommentar ausgestattet.
Der Vortrag gibt einen Überblick über Erträge und Schwierigkeiten der Arbeit
der ersten drei Jahre.
Professor Dr. Bruno Bleckmann
Nach Studium der Geschichte und Klassischen Philologie in Würzburg, Köln
und Münster 1991 Promotion in Köln und 1996 Habilitation in Göttingen;
nach Professuren in Strasbourg und Bern seit 2003 Professor für Alte Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
24
25
IW
Donnerstag, 05.11.2015 um 13.00 Uhr, 101. Sitzung
Themenbezogene Klassensitzung
Verkehr – Gegenwart und Zukunft / Wie
reagieren die Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften auf die Herausforderungen?
Das neue Format der Themenbezogenen Klassensitzung (ThemenKS) soll dazu
dienen, Problemstellungen hohen Komplexitätsgrades sowie wichtige Zukunftsprobleme aus Sicht der Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften zu
hinterfragen, zu analysieren und – über Klassengrenzen hinweg – zu diskutieren.
Für die vierte ThemenKS, die am Donnerstag, dem 5. November 2015, ab
13.00 Uhr, stattfindet, ist folgendes Programm vorgesehen:
ThemenKS finden im halbjährlichen Rhythmus statt; sie beginnen jeweils zur
Mittagszeit, umfassen vier bis maximal fünf Vorträge unterschiedlicher
Schwerpunktsetzung und erstrecken sich über den ganzen Nachmittag.
Vortrag 1
Sinn und Zweck des neuen Formats ist es des Weiteren, im Wechsel mit der
traditionellen Klassensitzung (KS) den Zusammenhalt der Mitglieder in der
Klasse für Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften zu verstetigen. Ebenso
soll der Diskurs zwischen Mitgliedern anderer Klassen der Akademie, des
Jungen Kollegs sowie eingeladenen Fachkollegen aus Universitäten und
wissenschaftlichen Einrichtungen befördert werden. Dies ermöglicht zahlreiche Wechselwirkungen über Klassengrenzen hinweg. Zugleich wird der
satzungsgemäße Anspruch der Akademie betont, auch eine Arbeitsakademie
zu sein.
Prof. Dr. Gernot Sieg, Münster
Das Thema „Verkehr – Gegenwart und Zukunft / Wie reagieren die Ingenieurund Wirtschaftswissenschaften auf die Herausforderungen?“ wurde gewählt,
da sich die Verkehrsproblematik – getragen von dem Wunsch nach immer
mehr Mobilität – zunehmend verschärft bzw. weiter verschärfen wird: Im
Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen dabei vor allem die Überlastung des
Straßenverkehrs (Stauszenarien) mit teilweise gravierenden Auswirkungen auf
die Volkswirtschaft, die Finanzierung dringender Maßnahmen zur Verbesse26
rung der Verkehrsinfrastruktur, die Einrichtung von kooperativen intelligenten
Verkehrssystemen, technische Innovationen bei den Antriebssystemen
(Elektromobilität, effiziente Motoren etc.), die Verkehrssicherheit (Fahrerassistenzsysteme, autonomes Fahren), der Einsatz digitaler Techniken bei der
Verkehrssteuerung, aber auch der Umweltschutz infolge Verkehrsbelastung.
Zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen sind vor allem ganzheitliche, systemwissenschaftlich abgesicherte Problemlösungskonzepte
gefragt, wobei den Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften bei der Problembewältigung zweifelsohne eine Schlüsselrolle zufällt. Die nachfolgend aufgeführten Vorträge zeigen hierzu zukunftsweisende Lösungsansätze auf und
stellen diese zur Diskussion.
Regulierung von Verkehrsmärkten
Will man Verkehrssysteme als Märkte betreiben, muss der Markt organisiert
und reguliert werden. Insbesondere müssen Marktfehler beispielsweise
resultierend aus der Vorstellung dass zusätzliche Straßennutzung keine
Kosten verursacht und Regulierungsfehler wie beispielsweise die zur Zeit
offensichtliche Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur vermieden
werden. Oft führt der nicht regulierte Markt zu einer nicht optimalen Qualität
und Quantität der Verkehrsinfrastruktur und zu einer Über- bzw. Unternutzung. Viele Effekte des Verkehrs werden vom Markt nicht direkt erfasst.
Während Umwelt- und Klimafolgen durch Steuern und Grenzwerte internalisiert werden können, ist dieses für Lärm-, Ballungs- und Stauexternalitäten
schwieriger zu realisieren. Darüber hinaus sind die verteilungspolitischen
Folgen solch einer Steuerung des Verkehrs über Preise oft unerwünscht. Auch
die Verkehrssicherheit erfordert eine ausgewogene Regulierung.
27
Professor Dr. Gernot Sieg, geboren 1966, ist Inhaber des Lehrstuhls für
Industrieökonomik, insbesondere Infrastruktur- und Verkehrsökonomik an
der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Direktor des Instituts für
Verkehrswissenschaft Münster im Center für Angewandte Wirtschaftswissenschaften. Nach dem Studium der Mathematik und Wirtschaftswissenschaften
in Trier mit Diplom in Wirtschaftsmathematik (1990) Promotion (1993) und
Habilitation in Volkswirtschaftslehre (1999) an der Georg-August-Universität
Göttingen. Nach Lehr- und Forschungsaufenthalten an der Freien Universität
Bozen und der University of Southern California, Los Angeles bis 2013
Direktor des Instituts für Volkswirtschaftslehre an der TU Braunschweig. In
der Forschung befasst sich Professor Sieg insbesondere mit industrie- und
verkehrsökonomischen Themen. Forschungsschwerpunkte sind Verkehrsmärkte
und ihre Regulierung, Verkehrssicherheit. Verkehrspolitik und Transport und
Klimawandel. Er ist berufenes Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des
Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur.
Vortrag 2
Moderne Mobilität und IT-Technik –
Automatisiertes Fahren und die Folgen
Prof. Dr. Michael Schreckenberg, Duisburg/Essen
Die Zukunft des Verkehrs auf der Straße wird wesentlich von dem Einfluss von
Assistenzsystemen bis hin zu tatsächlich autonomem Fahren bestimmt. Doch
im Fahrzeug befindet sich immer noch ein menschlicher Fahrer, der letztendlich (mit-) verantwortlich ist für alles, was passiert. Bei diesem Miteinander von
Mensch und Maschine bleiben aber bis heute viele Dinge ungeklärt, ob technisch, juristisch oder ethisch. Die verschiedenen Aspekte der möglichen Folgen
der automobilen Autonomie werden in dem Vortrag anschaulich dargestellt.
Professor Dr. Michael Schreckenberg, geboren 1956 in Düsseldorf, studierte
Theoretische Physik an der Universität zu Köln, an der er 1985 in Statistischer
Physik promovierte und 1991 habilitierte. 1994 wechselte er zur Universität
Duisburg-Essen, wo er 1997 die erste deutsche Professur für Physik von
28
Transport und Verkehr erhielt. Seit über 20 Jahren arbeitet er an der Analyse,
Modellierung, Simulation und Optimierung von Transportsystemen in großen
Netzwerken, besonders Straßenverkehr, und dem Einfluss von menschlichem
Verhalten darauf. Seine aktuellen Aktivitäten umfassen Online-Verkehrsprognosen des Autobahnnetzwerkes von Nordrhein-Westfalen, die Reaktion von Autofahrern auf Verkehrsinformationen, die Entwicklung individueller Navigationssysteme, die Möglichkeiten der Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation, Perspektiven
der Elektromobilität sowie die Installation und Effizienz von Baustellen.
Vortrag 3
Vernetzte Mobilität durch kooperative
Verkehrssysteme
Prof. Dr. Fritz Busch, München
Die schnellen Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik bewirken zunehmend Veränderungen auch in den Verkehrssystemen,
die die Personen- und Güter-Mobilität im städtischen und regionalen Umfeld
gestalten. Besonders treten hierbei die zunehmende und allgegenwärtige
Verfügbarkeit von immer vielfältigeren Mobilitätsinformationen sowie der
steigende Vernetzungsgrad innerhalb der Verkehrssysteme hervor. Durch
Austausch von Daten zwischen Fahrzeugen sowie zwischen Fahrzeugen und
einer intelligenten Verkehrsinfrastruktur wird nicht nur die Informationslage
über den jeweiligen Zustand des Verkehrssystems verbessert, sondern es
werden auch Abstimmungen bis hin zu echten Kooperationen zwischen den
Systempartnern möglich. Fahrzeuge bilden halbautomatische Kolonnen und
stimmen sich beim Einfädeln und Überholen ab, Ampeln kooperieren mit
Fahrzeugen, indem sie Schaltzeiten und Annäherungsverhalten aufeinander
abstimmen, Fahrzeuge informieren Leitzentralen und Wartungsdienste über
Unfälle, Staus oder kritische Straßen- und Wetterzustände, Verspätungs- oder
Umleitungsinformationen des öffentlichen Personennahverkehrs werden in
Echtzeit mit Alternativangeboten verschiedener Verkehrsträger im Smartphone
angegeben … Diese und ähnliche Anwendungen führen zu einem Zustand
hochgradig vernetzter Mobilität in kooperativen Verkehrssystemen, der neben
29
vielen unbestreitbaren Vorteilen jedoch auch eine Fülle neuer Herausforderungen und Risiken mit sich bringt. Neben der Regelung/Vereinbarung technischer Standards, die eine Vernetzung überhaupt erst ermöglichen, entstehen
Fragen nach Verantwortlichkeiten und Rollenverteilung der beteiligten Systempartner, bis hin zu Kostenträgerschaften. Neuartige Mobilitätsdienste in einer
vernetzten Welt führen bereits heute zu Veränderungen im Mobilitätsverhalten
und damit mittelbar auch zu veränderten gesellschaftlichen Strukturen, was
neue Disziplinen und Denkweisen im Umgang mit Technik fordert. Die
aktuelle Diskussion zu derartigen Fragen wird zumeist auf 3 Ebenen geführt:
den Diensten und Funktionen, der Informations- und Systemtechnik, der
Organisation und Regulation.
Der Vortrag stellt einige strukturelle Aspekte dieser Gesamtthematik vor und
illustriert den Stand der Technik anhand ausgewählter Beispiele aus Forschung
und Implementierung.
Professor Dr.-Ing. Fritz Busch studierte Bauingenieurwesen an der Universität
(TH) Karlsruhe. Die anschließende Promotion im Bereich der Verkehrsflussanalyse schloss er 1986 ebenfalls in Karlsruhe an der Fakultät für Bauingenieur- und Vermessungswesen ab. Im Anschluss wirkte er 4 Jahre in einem
internationalen Stuttgarter Ingenieurbüro als beratender Ingenieur für
Verkehrstechnik und Verkehrsplanung. Von 1990 bis 2002 war Fritz Busch in
verschiedenen Funktionen bei der Siemens AG in München tätig, wo er in den
letzten 4 Jahren als Mitglied der Geschäftsgebietsleitung die Verantwortung
für Produktmanagement und Systemmarketing des globalen Portfolios der
Siemens Straßenverkehrstechnik hatte. Seit 2003 leitet Fritz Busch als Ordinarius den Lehrstuhl für Verkehrstechnik in der Ingenieurfakultät Bau Geo
Umwelt der Technischen Universität München. Seine wissenschaftlichen
Schwerpunkte liegen in den Bereichen Datenerfassung, Verkehrsmodellierung
und Steuerung für intelligente Verkehrssysteme. Er hat seine Arbeiten als
Autor und Co-Autor in ca. 150 Aufsätzen in wissenschaftlichen Zeitschriften,
Buchbeiträgen, Konferenzbänden und Vorträgen veröffentlicht. Fritz Busch ist
Träger der Feuchtinger-Wehner Denkmünze, der höchsten Auszeichnung im
deutschsprachigen Bereich des Verkehrswesens. Er leitet den Ausschuss für
Verkehrstelematik der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen
und ist Mitglied verschiedener nationaler und internationaler Gremien und
Beiräte, unter anderem des wissenschaftlichen Beirats der Bundesanstalt für
Straßenwesen oder des Weltstraßenverbandes PIARC.
30
Vortrag 4
Kooperative automatische Automobile
Prof. Dr. Christoph Stiller, Karlsruhe
Individuelle Mobilität ist für uns Menschen ein hohes Gut. Sie bildet die Basis
des Wohlstands und trägt direkt zur Lebensqualität bei. Auf der Kehrseite
fordert sie einen hohen Preis in Form von Verkehrsunfällen mit zahlreichen
Verletzten und Getöteten, Umweltbelastung durch Lärm und Abgase, Ressourcenverbrauch durch Verkehrsträger sowie Produktiv- und Freizeitverluste
durch Staus.
In dieser Situation eröffnen jüngste Entwicklungen im Automobilbereich
attraktive Chancen. Zum einen entstehen derzeit in weltweiten Forschergruppen
automatische Fahrzeuge. Diese generieren durch Sensorik und digitale Karten
ein aktuelles Modell des Fahrzeugumfelds und können auf Basis dieser Information in zunehmend komplexen Situationen geeignete Fahrtrajektorien
planen und umsetzen. Zum anderen schreitet die Technik zu Kommunikation
zwischen Fahrzeugen und mit der Infrastruktur rasant voran, so dass sogenannte
Car2X Kommunikationssysteme in einigen Jahren als Regelausrüstung in
Automobilen zu erwarten sind.
Durch Verknüpfung dieser unabhängigen Entwicklungen entsteht mit Car2Xbasierter automatisierter Kooperation eine völlig neuartige Form automatisiert
kooperativen Verkehrs. Durch explizite Manöverabstimmung lassen sich
Fahrtrajektorien selbst in sicherheitskritischen Situationen millisekundenschnell generieren und sicher ausführen, in denen Autofahrer aufgrund ihres
eingeschränkten Kommunikations- und Reaktionsvermögens hierzu nicht mehr
in der Lage wären. Gleichzeitig erlaubt die niedrige Latenzzeit der Car2X
Kommunikation Manöverausführungen auf erheblich engerem Raum und mit
erheblicher Dämpfung der Beschleunigungen.
Anwendungsbeispiele werden aus der automatischen Bertha Benz Fahrt und
dem Grand Cooperative Driving Challenge Wettbewerb aufgezeigt.
31
Professor Dr.-Ing. Christoph Stiller studierte Elektrotechnik an der RWTH
Aachen und an der Norwegischen Technischen Hochschule in Trondheim,
Norwegen. Nach der Promotion an der RWTH Aachen arbeitete er zunächst
bei INRS-Telecommunications in Montreal, Kanada und später in der Vorausentwicklung der Robert Bosch GmbH in Hildesheim. Seit April 2001 leitet
er als Ordinarius das Institut für Mess- und Regelungstechnik des Karlsruher
Instituts für Technologie.
Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der maschinellen Wahrnehmung und Trajektorienplanung für automatische mobile Systeme.
Er ist amtierender Past-President der IEEE Intelligent Transportation Systems
Society und Sprecher des DFG Schwerpunktprogramms Kooperativ Interagierende Automobile.
Vortrag 5
Verkehrsinfrastrukturen zwischen Markt
und Staat
Funktionsfähiger Wettbewerb auf den Transportmärkten erfordert den
diskriminierungsfreien Zugang zu den Verkehrsinfrastrukturen für sämtliche
aktiven und potenziellen Anbieter von Verkehrsleistungen. Neben der Bedingung der Diskriminierungsfreiheit gilt es aber gleichzeitig eine effiziente
Allokation der knappen Infrastrukturkapazitäten sowie die erforderliche
Kostendeckung anzustreben.
In diesem Beitrag werden alternative Preissetzungs- und Qualitätsdifferenzierungsmechanismen zur Allokation knapper Infrastrukturkapazitäten aufgezeigt. Auch wird auf den Zusammenhang zwischen auslastungsabhängigen
Netznutzungsentgelten und sozial optimalem Infrastrukturniveau näher
eingegangen. Danach werden die Potentiale anreizkompatibler Regulierungsinstrumente dargelegt mit dem Ziel, die Marktmacht von Verkehrsinfrastruktur-Anbietern zu disziplinieren, gleichzeitig einen diskriminierungsfreien
Zugang zu den Infrastrukturen zu gewährleisten und überhöhte Benutzungsentgelte zu vermeiden.
Professor Dr. Günter Knieps ist Direktor des Instituts für Verkehrswissenschaft und Regionalpolitik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Er ist
Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur.
Prof. Dr. Günter Knieps, Freiburg
Der Aufbau und Betrieb von Verkehrsinfrastrukturen wurde in der Vergangenheit in starkem Maße als Aufgabe des Staates angesehen, da es sich um
öffentliche Güter handle, die von der öffentlichen Hand zu finanzieren seien.
Bewirken Unteilbarkeiten beim Aufbau von Verkehrsinfrastrukturen eine
vollständige Nicht-Rivalität bei deren Inanspruchnahme, so ist die Erhebung
einer Benutzungsgebühr zum Zwecke der Allokation der Kapazitäten nicht
sinnvoll. Es verbleibt demnach die Aufgabe, das gesellschaftlich erwünschte
Investitionsniveau festzulegen sowie dessen Finanzierung zu garantieren.
Erforderlich ist die transparente Ausübung des Bestellerprinzips im politischen Prozess, beispielsweise defizitäre Strecken im Rahmen eines Ausschreibungswettbewerbs zu finanzieren. Bei steigender Nachfrage nach Verkehrsleistungen steigt gleichzeitig die Nachfrage nach Infrastrukturkapazität. Die
Folgen sind erhebliche Stauprobleme auf Straßen, aber auch auf Flughäfen
und Schienennetzen.
32
Günter Knieps hat in Bonn Volkswirtschaftslehre und Mathematik studiert,
promovierte zum Dr. rer. pol. an der Universität Bonn und habilitierte sich an
der Universität Bern. Von 1988 bis 1992 hatte er eine Professur für Mikroökonomie an der Universität Groningen inne. Seit 1992 ist er Ordinarius für
Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg.
Seine Forschungsschwerpunkte sind Netzökonomie, Wettbewerbstheorie- und
politik, (De)-Regulierung und Privatisierung in Europa, Industrieökonomie
und Verkehrswissenschaft. Er hat zahlreiche Sektorstudien, insbesondere zu
den Themen Energie, Telekommunikation und Verkehr verfasst.
33
NM
Mittwoch, 11.11.2015 um 15.30 Uhr, 571. Sitzung
Vortrag 1
Die Entdeckung hochenergetischer
kosmischer Neutrinos: Ein neues Fenster
zum Kosmos?
dem Nachweis kosmischer Neutrinos sowie mit der präzisen Vermessung der
Expansion des Universums. Im Jahre 2009 erhielt er für seine Arbeit den Preis
für Physik der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.
Vortrag 2
Die Galileischen Monde des Jupiters:
Feuer, Eis und Wasser
Prof. Dr. Marek Kowalski, Berlin
Prof. Dr. Joachim Saur, Köln
Im Jahr 2013 hat das IceCube-Neutrinoteleskop am geographischen Südpol
erstmalig die Existenz hochenergetischer Neutrinos kosmischen Ursprungs
nachgewiesen. Damit steht der Astronomie ein neues Botenteilchen mit
besonderen Merkmalen zur Verfügung. So könnten hochenergetische Neutrinos in Zukunft z.B. Einblick in das Innere von Supernova-Sternexplosionen
geben oder erlauben, die Quellen der kosmischen Strahlung zu identifizieren.
In dem Vortrag wird der Nachweis hochenergetischer astrophysikalischer
Neutrinos mit IceCube vorgestellt, unser aktuelles Verständnis ihrer Quellen
diskutiert sowie ein Ausblick auf die Zukunft gegeben.
Professor Dr. Marek Kowalski wurde 1974 in Bonn geboren. Sein Studium
absolvierte er an der Universität Hamburg und der Humboldt-Universität zu
Berlin (Diplom 1999). Promoviert hat er am DESY in Zeuthen und an der
Humboldt-Universität zu Berlin (2003). Im Folgenden arbeitete er als Postdoctoral Researcher und Research Scientist am Lawrence Berkeley National
Laboratory in der Supernova-Kosmologie-Gruppe von Saul Perlmutter (2004–
2006). Mit einem Emmy-Noether-Stipendium kam er zurück nach Deutschland, wo er an der Humboldt-Universität eine Nachwuchsgruppe mit Schwerpunkt Neutrinos aufbaute (2006–2009). Im Jahr 2009 folgte er dem Ruf auf
eine W3-Professur für Astroteilchenphysik und Kosmologie am Physikalischen
Institut der Universität Bonn, wo er unter anderem den neuen Forschungsbau
„Forschungs- und Technologiezentrum Detektorphysik“ koordiniert hat. Im
Jahr 2014 nahm er einen Ruf auf eine W3-Professur an der Humboldt-Universität zu Berlin an, die mit der Stelle eines Leitenden Wissenschaftlers am DESY
in Zeuthen verbunden ist. In seiner Arbeit beschäftigt sich Marek Kowalski mit
34
Die vier großen Monde des Jupiters, Io, Europa, Ganymed und Kallisto, ihrem
Entdecker zu Ehren Galileische Monde genannt, spielten bei der Beantwortung
wichtiger naturwissenschaftlicher Fragen eine historische Rolle. Aber auch ihre
Beobachtungen mit modernen Teleskopen und Raumsonden bergen heute noch
große Überraschungen. So entpuppte sich der Mond Io als der vulkanisch aktivste
Körper unseres Sonnensystems. Die Jupitermonde Europa, Ganymed und Kallisto
gelten als verheißungsvolle Kandidaten bei der Suche nach einer habitablen
Umgebung außerhalb der Erde, d.h. einer Umgebung, die die Grundvoraussetzungen für biologisches Leben erfüllen könnte. Unter den Eisoberflächen dieser
drei Monde werden riesige Ozeane aus flüssigem Wasser vermutet. Der Mond
Ganymed ist außerdem der einzig bekannte Mond mit einem eigenen Magnetfeld. Auf Europa wurden jüngst aktive Geysire aus Wasserdampf gesehen, die 200
km in die Höhe ragen. Zudem weisen alle Monde Polarlicht-Aktivitäten auf, die
mit dem Hubble-Weltraum-Teleskop beobachtet werden können, und deren
Struktur und Helligkeit äußerst diagnostisch für das Verständnis der Atmosphären und des Inneren der Monde sind.
Professor Dr. Joachim Saur studierte Physik in Stuttgart und in Köln, wo er
das Diplom im März 1995 erwarb. Anschließend wurde er im Februar 2000 an
der Universität zu Köln mit einer Arbeit zur Plasmawechselwirkung von Io
und Europa mit der Magnetosphäre Jupiters promoviert. Danach war er als
Postdoc zunächst am Observatoire de la Côte d’Azure in Nizza (2000 bis 2001)
und anschließend als Postdoctoral Fellow (2001 bis 2002) an der Johns
Hopkins University und später als Senior Research Scientist (2003 bis 2005)
35
am Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University in Baltimore
tätig. Im Jahr 2005 wurde Joachim Saur als Professor an die Universität zu
Köln berufen, an der er bis heute den Lehrstuhl für Geophysik innehat.
Wissenschaftlich befasst sich Joachim Saur vor allem mit der Weltraumgeophysik und hier speziell mit der Wechselwirkung von Monden mit dem sie
umgebenden Plasma, mit den Plasmaumgebungen der Planeten in unserem
Sonnensystem und denen von extrasolaren Planeten, mit Nordlichtern
(Aurorae) bei Planeten und Monden und mit der Turbulenz in Weltraumplasmen. Interdisziplinär ist er tätig als Sprecher des Kompetenzfelds „Quantitative Modellierung komplexer Systeme“ an der Universität zu Köln, sowie in
einem gemeinsamen Projekt mit Neurowissenschaftlern, in dem es um die
Erforschung des Signaltransports in Patienten mit neurologischen Bewegungsstörungen (u. a. Parkinson) geht.
G
Mittwoch, 18.11.2015 um 15.00 Uhr, 566. Sitzung
Die Völkerstraftat der Aggression
Prof. Dr. Claus Kreß, Köln
In der Nürnberger Geburtsstunde des Völkerstrafrechts nach dem Zweiten
Weltkrieg standen die deutschen Angriffskriege unter der Überschrift „Verbrechen gegen den Frieden“ im Zentrum. Doch selbst bei der Errichtung des ersten
ständigen Weltstrafgerichtshofs 1998 in Rom gelang es der Staatengemeinschaft
nicht, sich auf eine Definition des „hochpolitischen“ Verbrechens der Aggression
zu verständigen. Der für viele Beobachter überraschende Verhandlungsdurchbruch gelang erst 2010 in der ugandischen Hauptstadt Kampala. Die hier
erzielte Einigung, die eine fast ein Jahrhundert währende Diskussion zu einem
vorläufigen Abschluss gebracht hat, bleibt einstweilen völkerrechtspolitisch
umstritten und deshalb fragil. Doch sie eröffnet die Perspektive, dass der
Internationale Strafgerichtshof 2017 damit wird beginnen können, auf der
Grundlage des Völkerrechts gegen Staatsführer vorzugehen, die sich der Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung einer schwerwiegenden
Angriffshandlung gegen einen anderen Staat schuldig gemacht haben. Der
Vortrag möchte den Kompromiss von Kampala vorstellen und über seine
Bedeutung für das Völkerrecht der Friedenssicherung reflektieren.
Professor Dr. Claus Kreß, ist seit 2004 Professor für Strafrecht und Völkerrecht
an der Universität zu Köln. Sein Forschungsschwerpunkt betrifft das Völkerrecht der Friedenssicherung in einem weiten, das Recht der bewaffneten
Konflikte, das Recht der Friedenskonsolidierung und das Völkerstrafrecht
einschließenden Sinn. Kreß ist Inhaber des Lehrstuhls für deutsches und
internationales Strafrecht und Direktor des Institute for International Peace
and Security Law an der Universität zu Köln. Rufe an die Universität Regensburg sowie an das Max-Planck-Institute for International, European and
Regulatory Procedural Law in Luxemburg-Stadt lehnte er ab. Er war Gastprofessor u. a. am Lauterpacht Centre for International Law der Universität
Cambridge und an der Columbia University, und er ist Life Member des Clare
Hall College der Universität Cambridge. Er ist Mitherausgeber u.a. des Journal
of International Criminal Justice und des Journal on the Use of Force and
36
37
International Law. Seit 1998 ist er Mitglied der deutschen Regierungsdelegationen bei den Verhandlungen zum Internationalen Strafgerichtshof. In dieser
Eigenschaft nahm er an den Verhandlungen zum Verbrechen der Aggression
teil, in deren Verlauf er zeitweise mit der Aufgabe eines Sub-Koordinators
betraut war. 2014 erhielt er den M.C. Bassiouni Justice Award.
NM
Mittwoch, 09.12.2015 um 15.30 Uhr, 572. Sitzung
Vortrag 1
Die Suche nach der Quantenraumzeit:
Warum 3+1 manchmal 2 ergibt
Prof.'in Dr. Renate Loll, Nijmegen
Raum und Zeit sind allgegenwärtige Größen, aber geben uns in vielerlei
Hinsicht noch stets Rätsel auf: Haben sie eine Struktur, die sich aus grundlegenderen Prinzipien erklären lässt? Haben sie einen Anfang und ein Ende?
Aus Sicht der Physik hat sich unser Verständnis von Raum und Zeit seit dem
Zeitalter Newtons drastisch verändert. Im Rahmen der Einsteinschen Relativitätstheorie bilden sie zusammen eine untrennbare Einheit, die vierdimensionale
Raumzeit. Diese ist nicht strukturlos und statisch, sondern krümmt sich unter
dem Einfluss von Energie und Materie und überträgt so Gravitationswechselwirkungen.
Neue Einsichten zur Struktur der Raumzeit jenseits des Gültigkeitsbereichs
der klassischen Gravitationstheorie erhoffen wir uns von einer Theorie der
Quantengravitation, nach der seit vielen Jahren mit Hochdruck geforscht wird.
Welche Quantengesetze bestimmen die Dynamik von Raum und Zeit auf der
ultrakurzen Planckskala? Lassen sich die wohlbekannten Eigenschaften der
makroskopischen Raumzeit aus ihnen ableiten? Spielen Begriffe wie Raum,
Zeit, Kausalität und Dimension auf der Planckskala überhaupt noch eine Rolle
oder sind sie lediglich emergente Eigenschaften eines dynamischen Ensembles einer noch unbekannten Art mikroskopischer Elementarbausteine?
Ich werde einige Forschungsergebnisse eines neuen, vielversprechenden
Ansatzes zur Quantengravitation vorstellen, dem der sogenannten „Kausalen
Dynamischen Triangulierungen“. In dieser Formulierung lassen sich mit Hilfe
von Computersimulationen konkrete, quantitative Ergebnisse ableiten. Durch
Anwendung des üblichen quantenmechanischen Überlagerungsprinzips auf
die gekrümmten Raumzeiten wird eine Quantenraumzeit erzeugt, deren
physikalische Eigenschaften man in numerischen „Experimenten“ messen
38
39
kann. Auf großen Skalen sind diese kompatibel mit der allgemeinen Relativitätstheorie, aber auf der Planckskala findet man ein völlig unerwartetes,
nichtklassisches Verhalten, was sich anhand des Begriffs der Dimension schön
illustrieren lässt.
Professorin Dr. Renate Loll studierte Physik an der Universität Freiburg im
Breisgau und promovierte 1989 am Imperial College, London, bei Christopher
J. Isham mit einer Arbeit zur Quantisierung von Systemen mit Zwangsbedingungen. Nach ihrer Doktorarbeit wandte sie sich dem Gebiet der Quantengravitation zu, und damit der Suche nach einer der allgemeinen Relativitätstheorie
zugrunde liegenden, fundamentalen Quantentheorie. Ihre Lehr- und Wanderjahre verbrachte sie als Postdoc in Deutschland (U. Bonn), den USA (Syracuse
U., Penn State U.) und Italien (U. di Firenze), bevor sie 1996 wissenschaftliche
Mitarbeiterin des neu gegründeten Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik
in Potsdam wurde. Loll habilitierte sich 1998 in theoretischer Physik an der U.
Potsdam und war ab 1999 Heisenberg-Stipendiatin am MPI. Dort legte sie
auch den Grundstein für ihr heutiges, erfolgreiches Forschungsprogramm der
Kausalen Dynamischen Triangulierungen zur nichtperturbativen Quantisierung der Gravitationstheorie. Sie wechselte 2001 an die U. Utrecht, wo sie ab
2005 eine Professur in theoretischer Physik innehatte. Von 2005–2009 war sie
auch wissenschaftliche Koordinatorin des europäischen Forschungsnetzwerks
ENRAGE zu Anwendungen von Zufallsgeometrie. Seit 2012 ist sie Professorin
für Physik jenseits des Standardmodells an der Radboud-Universität in
Nijmegen. Seit 2009 ist sie außerdem Distinguished Visiting Research Chair
am Perimeter Institute for Theoretical Physics in Waterloo, Kanada. Loll ist u.a.
Mitglied der Academia Europaea, Mitherausgeberin mehrerer internationaler
Fachzeitschriften, VICI-Preisträgerin der niederländischen Wissenschaftsorganisation NWO, Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats des Perimeter-Instituts
und Mitglied des Direktoriums der niederländischen Stiftung für Grundlagenforschung FOM. Sie ist eine gefragte Sprecherin bei Fachtagungen und populärwissenschaftlichen Veranstaltungen.
40
Vortrag 2
Kollektive Zellmigration – wie koordinieren
Ensembles von Epithelzellen die Wundheilung
Prof. Dr. Joachim Spatz, Stuttgart
Damit Wunden sich wieder verschließen können, müssen Zellen sich koordiniert, gemeinsam in eine Richtung, bewegen. Die kollektive Bewegung von
Zellen und anderer biologischer Systeme ist eines der wichtigsten natürlichen
Phänomene und kommt auf verschiedenen Ebenen und Längenskalen der
Natur vor. Bislang war der zentrale molekulare Mechanismus, mit dem Zellen
diese Bewegungen über größere Entfernungen koordinieren können, unklar.
Diese kollektive Zellmigration spielt nicht nur bei der Wundheilung eine
wichtige Rolle, sondern auch bei der Entwicklung von Krebs und der Embryonalentwicklung.
Wir haben nun den molekularen Hauptakteur und den entsprechenden
Mechanismus identifiziert, der die kollektive Migration von Epithelzellen, also
Zellen des Deckgewebes, steuert. In unseren Untersuchungen stellen wir einen
vollständigen molekularen Mechanismus vor, der sich auf das Protein Merlin
konzentriert. Die Ergebnisse stellen eine Verbindung von mechanischen
Kräften innerhalb der Zelle zu kollektiven Zellbewegungen her und zeigen
auch, wie lokale Interaktion eine kollektive Dynamik auf der multizellulären
Ebene bewirkt.
Innerhalb eines Zellkollektivs sind die Vorgänge des Wahrnehmens benachbarter Zellen und der koordinierten Aktion zwischen Zellen durch Signalübertragungswege miteinander verbunden. In einem Zellkollektiv gibt es eine Führungszelle. Diese Führungszelle ist mit den der Führungszelle folgenden Zellen
mechanisch durch Zell-Zellkontakte verbunden. Durch das Voranschreiten der
Führungszelle wird mechanische Spannung auf die Verfolgerzellen ausgeübt.
Diese mechanische Spannung nimmt das Protein Merlin wahr und initiiert die
polarisierte Verfolgungsbewegung. Und so wird die mechanische Spannung
von einer Zelle zur nächsten im Verfolgerfeld weitergegeben. Verfolgerzellen
reagieren darauf durch die Ausbildung von Lamellipodien in Richtung der
41
Führungszelle, um sich nach vorne zu bewegen. Damit ist das Protein Merlin
ein mechanosensitives Protein, welches zelluläre Kräfte in kollektive Zellbewegungen umwandelt. Ein weiterer Aspekt des Vortrags wird die Klärung der
Frage sein, wie eine Zelle zur Führungszelle in der Hierarchie eines Zellkollektivs
aufsteigt.
Als Modellsysteme verwendeten wir Einzelschichten von Epithelzellen,
dreidimensionale menschliche Haut und der menschlichen Haut entsprechende Systeme. In statischen Epithelzellen lokalisiert Merlin im Zellkortex und
hemmt Rac1, einen wichtigen Verursacher von Zellmigration. Während der
Migration wird Merlin durch die Zugkräfte zwischen den Zellen ins Zytoplasma
gespült. Dadurch wird die Aktivierung von räumlich polarisiertem Rac1 und
damit die Bildung von Lammellipodien ausgelöst, was die Zelle dazu bringt,
einer voranschreitenden Nachbarzelle zu folgen. Wird Merlin aus Zellen
isoliert, verlieren diese die Fähigkeit, sich kollektiv zu bewegen und verursachen
die damit verbundenen medizinisch relevanten, pathophysiologischen Merkmale von Organismen.
Professor Dr. Joachim Spatz studierte an der Universität Ulm Physik und
promovierte an dieser 1996 unter der Leitung von Prof. Martin Möller. In den
Jahren 1997/98 verbrachte er einen Post Doc Aufenthalt am Institut Curie
(Paris) und habilitierte sich im Jahr 2000 an der Universität Ulm in dem Fach
Physik. Im selben Jahr nahm er einen Ruf (C3) auf die Professur für Biophysikalische Chemie an der Universität Heidelberg an. Im Jahr 2004 nahm er
einen Ruf an das Max Planck Institut für Metallforschung – heute das MPI für
Intelligente Systeme – als Direktor und einen Ruf (C4) auf die Professur für
Biophysikalische Chemie der Universität Heidelberg an.
G
Mittwoch, 16.12.2015 um 15.00 Uhr, 567. Sitzung
„Ich bin Realist, wie es vor mir noch kein
Mensch gewesen ist“ – Der philosophische
Provokateur Friedrich Heinrich Jacobi
Prof.'in Dr. Birgit Sandkaulen, Bochum
Bisweilen schlägt die Philosophiegeschichte Kapriolen. Über lange Zeit war
die überragende Bedeutung des Düsseldorfer Philosophen und Romanautors
Friedrich Heinrich Jacobi (1743–1819) völlig überdeckt. Nicht zuletzt hat der
andere große Sohn der Stadt, nämlich Heinrich Heine, das Gerücht befördert,
dass Jacobi ein irrationaler Fideist gewesen sei, dem wir keinerlei wichtigen
Impuls verdanken. Inzwischen gehört diese kuriose, aber wirkmächtige
Fehleinschätzung der Vergangenheit an und Jacobi wird neue Aufmerksamkeit
zuteil. Als großbürgerlich situierter homme de lettres und „graue Eminenz“
der ganzen klassischen deutschen Philosophie hat er in seinen Schriften und
in seiner ausgedehnten Korrespondenz, die alle illustren Geister der Epoche
umfasst, nicht nur neben Kant die maßgeblichen Anstöße für die intellektuellen Debatten der beginnenden jüngeren Moderne gegeben. Die provokative
Kraft, mit der Jacobi diese Debatten streitbar und sprachgewaltig vorangetrieben hat, weist darüber hinaus auch in gegenwärtige Diskussionen voraus. Der
Vortrag zeigt dies am Fall des „Realismus“ – denn was heißt es, Realist zu sein,
wie es noch kein Mensch gewesen ist?.
Professorin Dr. Birgit Sandkaulen, geboren 1959 in Koblenz, wurde nach
Studium der Fächer Philosophie und Germanistik in Tübingen und Poitiers
1989 mit einer Studie zu Schelling in Tübingen promoviert. Von 1990 bis 1998
war sie wiss. Mitarbeiterin und Assistentin in Tübingen und Heidelberg. Die
Habilitation mit einer Studie zu Jacobi erfolgte 1999 in Heidelberg. Von 2000
bis 2011 war sie als Professorin für Philosophie mit Schwerpunkt auf dem
Gebiet des Dt. Idealismus in Jena tätig; seit 2011 ist sie Professorin für Philosophie unter besonderer Berücksichtigung der Klassischen Deutschen Philosophie in Bochum. Seit 2011 leitet sie in Bochum das Forschungszentrum für
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Klassische Deutsche Philosophie / Hegel-Archiv und ist Mitherausgeberin der
Hegel-Studien. Zusammen mit Walter Jaeschke ist sie seit 2013 Projektleiterin
des Akademievorhabens „Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel. Text – Kommentar – Wörterbuch Online“ an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften
zu Leipzig. Seit 2013 ist sie Ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen
Akademie der Wissenschaften und der Künste.
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Redaktionsschluss: 04. Mai 2015. Aktuelle Informationen zu
nachträglichen Programmänderungen finden Sie im Internet unter
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Redaktion
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Gestaltung
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