Wir bewegen was 01 2015 VERKEHRS REPORT L U F T V E R K E H R • S C H I F F FA H R T • S C H I E N E N V E R K E H R • Ö P N V • H Ä F E N Deutsche Hafenwirtschaft im Umbruch MEINUNG Gesundbleiben im ÖPNV Keine Frage, das Arbeiten in ÖPNVUnternehmen ist anstrengend. Dennoch lässt sich über Vorsorge und entsprechende Gestaltung der Arbeitsbedingungen vieles tun, um im Job gesund zu bleiben. Mit dem Verkehrsreport sprach Dr. Manuela Huetten, leitende Betriebsärztin bei den Berliner Verkehrsbetrieben, über ihren Alltag und neue Präventionsansätze. Seite 2 ÖPNV Arbeitszeit von Schulbusfahrern Wie andere Firmen der Branche geht das bundesweit aktive Unternehmen „Schulbusse Sonnenschein“ davon aus, dass die Arbeitszeit von Fahrern und Begleitern mit dem ersten Fahrgast beginnt und mit dem letzten endet. Dies sieht ver.di anders. Ein Prozess in Bielefeld soll Klarheit bringen. Seite 3 LUFTVERKEHR Gewerkschaft am Flughafen München Gewerkschaftliche Strategien für Automation und demografischen Wandel Die nationale, europäische und internationale Hafenwirtschaft befindet sich in einem rasanten Veränderungsprozess: Der technische Fortschritt und die daraus resultierenden Automatisierungsprozesse wirken sich auf die gewerblich geprägten Arbeitsplätze gravierend aus. Die vollautomatischen und selbstfahrenden Schwerlastfahrzeuge (Automated Guided Vehicle, kurz AGV) zum Containertransport sind dafür nur ein Beispiel. Mit den neuen Anforderungen ändert sich auch die Beschäftigtenstruktur der Kolleginnen und Kollegen. Die Beschäftigungsstruktur in den deutschen Seehäfen war jahrzehntelang geprägt von einem hohen Anteil gewerb licher Beschäftigter, die in den unterschiedlichsten Bereichen der Hafenwirtschaft ihren Lebensunterhalt verdienten. Die Hafenarbeiter haben gemeinsam mit ihren Gewerkschaften – zunächst der ÖTV und später ver.di – in den Häfen immer eine im Vergleich zu anderen Branchen außer ordentlich erfolgreiche Tarifpolitik betrieben. Grund dafür war und ist die hohe Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen, sich gewerkschaftlich zusammenzuschließen. Die Docker bilden damit eine Massen bewegung, die gegenüber den Kapital interessen der Arbeitgeber für höhere Löhne, sichere Beschäftigungsverhältnisse und eine Mitbestimmung auf Augenhöhe eintritt. Im Angestelltenbereich ist der Organi sationsgrad hingegen vergleichsweise gering; bei der gewerkschaftlichen Verankerung ist deutlich Luft nach oben. Dieser Nachholbedarf wurde in jüngster Vergangenheit erkannt, erste „Organizing-Projekte“ brachten Mitgliederzuwächse. „Diese positiven Ansätze müssen jedoch deutlich ausgebaut werden. Als gutes Beispiel für eine solche berufsgruppenübergreifende Solidarität ist die ITF-Billigflaggenkam pagne zu nennen, bei der erfolgreich gewerkschaftlicher Druck organisiert wird“, erklärt Christine Behle, ver.di-Bundesfachbereichsleiterin Verkehr. Auf bestehenden Terminals wird die Einführung neuer Techniken zum Abbau von gewerblichen Arbeitsplätzen führen. Für die Gewerkschaft gilt es, die Betroffenen zu schützen, den Abbau sozialverträglich zu gestalten und neue Arbeitsplätze zu schaffen – nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer und internationaler Ebene. Neben der Automatisierung macht auch die Alterung der Bevölkerung – der viel zitierte demografische Wandel – vor den Belegschaften in den Häfen nicht halt. Durch die hohen physischen und psychischen Belastungen wirkt er sich dort sogar noch schärfer aus: Von den Belegschaften wird eine immer größere Flexibilität erwartet. So führt etwa der rasante Konzentrationsprozess am Schifffahrtsmarkt dazu, dass immer größer werdende Megafrachter in die Häfen einlaufen, deren Ladung schnell gelöscht werden muss. Für die Beschäftigten entstehen massive „Peak Situationen“. Die geschilderte Situation veranlasste die Bundesfachgruppe Häfen, im Februar den Antrag „Die deutsche Hafenwirtschaft im Wandel“ an die Bundesfachbereichskonferenz zu formulieren: Darin fordert sie dazu auf, mit allen Mitteln geeignete gewerkschaftliche Strategien zu entwickeln, mit denen der fortschreitenden Automation in den deutschen Seehäfen begegnet werden kann – damit ver.di auch in Zukunft ihre gewerkschaftliche Stärke behaupten und eine gute Tarifpolitik für und mit den Mitgliedern gestalten kann! Außerdem soll sich der Fachbereichsvorstand dafür engagieren, der steigenden physischen und psychischen Belastung und den Anforderungen aus dem demografischen Wandel in den deutschen Seehäfen mit profunden tarifpolitischen Maßnahmen zu begegnen. „In enger Rückkoppelung mit unseren Mitgliedern wollen wir altersund alternsgerechte Arbeitsbedingungen schaffen. Sie sollen den Ansprüchen der Beschäftigten in allen Lebensphasen – vom Einstieg ins Berufsleben bis zum Aus scheiden – gerecht werden“, so Behle. In den Prozess werde man relevante arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse einfließen lassen. Der Leitantrag soll in ver.di eine Dis kussion über notwendige gewerkschaft liche Antworten, Strategien und Handlungsoptionen für die Häfen anstoßen. „Es gilt, über eine zukunftsgerichtete Gesellschafts-, Arbeitsmarkt-, Arbeitszeit- und Tarifpolitik nachzudenken und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen“, betont Behle. Gleichzeitig müsse man neue Organisierungsstrategien im Bereich der technischen und kaufmännischen Angestellten entwickeln, um trotz des Rückgangs gewerb licher Beschäftigung die gewerkschaftliche Stärke für die Zukunft zu sichern. „Die Zeit ist gekommen, die betriebliche und unternehmerische Mitbestimmung zu sichern. Dafür wird sich ver.di in einigen Bereichen neu aufstellen müssen“, so die FachbeUCB reichsleiterin. ÖPNV Brandenburger Busse blieben im Depot Erfolgreiche Warnstreiks mit großer Beteiligung Fast alle Räder standen still: Im Laufe der letzten Februarwoche kam es in etlichen Brandenburger Nahverkehrsbetrieben zu Warnstreiks. Nacheinander hatte ver.di Verkehrsbetriebe in allen Landesteilen ins Visier genommen. „Das war der umfangreichste und bedeutendste Warnstreik in dieser Branche seit über 20 Jahren in Brandenburg“, freut sich Verhandlungsführer Marco Pavlik. „Wir haben elf von vierzehn Landkreisen und alle kreisfreien Städte bestreikt.“ Außen vor blieben lediglich die Landkreise Teltow-Fläming, Ostprignitz-Ruppin und die Prignitz. Die Betriebe waren in der Regel fast zwölf Stunden lahmgelegt, jeweils vom Dienstbeginn bis zum frühen Nachmittag. „So etwas hat es noch nicht gegeben“, sagt Pavlik. Sehr angetan ist er von der großen Resonanz: „Die Kolleginnen und Kollegen, die berechtigt auch einen Lohnzuwachs erwarten, beteiligten sich zu 100 Prozent am Warnstreik.“ Dem Streik vorausgegangen war eine erste ergebnislose Verhandlungsrunde am 20. Februar. „Wir fordern für alle Mitarbeiter pauschal 120 Euro pro Monat mehr“, so Pavlik. Aus gutem Grund: Die Gewerkschafter wollen vermeiden, dass die Schere in der Tabelle weiter auseinandergeht. Im Fahrdienst würden die 120 Euro für Einsteiger einem Plus von etwa 6,6 Prozent entsprechen, Altbeschäftigte in der Entgeltgruppe 6 erhielten immerhin noch 5,3 Prozent mehr. Am 16. März startet die zweite Verhandlungsrunde, bis dahin herrscht erst mal Ruhe. Alles weitere hängt davon ab, was dann auf den Tisch kommt. Weitere Warnstreiks ausschließen will Pavlik nicht. UCB FOTO: ver.di Viele ver.di-Mitglieder, die am Flughafen München beschäftigt sind, wissen gar nicht, dass es dort ein eigenes Flughafen-Büro gibt. Der Verkehrsreport stellt die Mitarbeiter und einige wichtige Unternehmen vor. Seite 5 HÄFEN Laschen ist Hafenarbeit! Das Laschen und Entlaschen von Containern, Autos etc. gehört traditionell zu den Tätigkeiten der Hafenarbeiter. Das besagt auch die sogenannte Docker-Klausel. Weil in letzter Zeit immer häufiger von Seeleuten verlangt wird, dass sie diese Arbeit tun, startet eine gewerkschaftliche Kampagne. Seite 6 JUGEND Streikrecht für Azubis? FOTO: ver.di In Tarifrunden geht es oft auch um wichtige Veränderungen für Auszubildende. Über die Frage, ob sie sich auch an Streiks beteiligen dürfen, um berechtigten Forderungen Nachdruck zu verleihen, herrscht jedoch viel Unwissenheit. Der Verkehrsreport gibt einen Überblick. Seite 7 PANORAMA Equal Pay Day 2015 Nach wie vor verdienen Frauen für die gleiche Arbeit deutlich weniger als Männer – derzeit rund 22 Prozent. Eine wichtige Voraussetzung, um diese Strukturen zu ändern, ist Transparenz über die in den Unternehmen herrschenden Gehaltsstrukturen. Seite 8 2 MEINUNG FACHBEREICH VERKEHR 01 | 2015 EDITORIAL Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Selbstfahrende Busse, U-Bahnen und Straßenbahnen ohne Fahrpersonal bewegen sich – praktisch wie von Geisterhand gelenkt – auf unseren Straßen oder auf der Schiene, bringen uns von unseren Wohnorten zu unseren Arbeitsplätzen und sichern unsere Mobilität in den Städten und Regionen auch in der Freizeit. Vor nicht allzu langer Zeit galten diese Vorstellungen noch als utopisch und kaum umsetzbar. In der Zwischenzeit ist durch den voranschreitenden technischen Fortschritt und die Automatisierung – die sogenannte 4. industrielle Revolution – eine Umsetzung dieser Vorstellungen in eine greifbare Nähe gerückt. In fast allen Branchen und Beschäftigungsbereichen ist die anwachsende Technisierung und Digitalisierung zu spüren. So werden in großen Logistikzentren Waren volltechnisiert zusammengestellt und umgeschlagen, voll- automatisierte und selbstfahrende Schwerlastfahrzeuge erledigen schon heute den Transport in modernen Hafenterminals. Ebenfalls wird der Personentransport an vielen großen Flughäfen ganz selbstverständlich über einen fahrpersonallosen Zugverkehr erledigt. Diese technischen Entwicklungen werden zunehmend auch in unseren Alltag einziehen und unsere Lebenswelt komplett verändern. Viele Arbeitsplätze von heute werden deshalb morgen ganz anders aussehen. Wir alle gemeinsam sind gefordert, vor diesem Hintergrund unsere gewerkschaft liche Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit zu stärken, damit wir den Wandel der Arbeitswelt konstruktiv mitgestalten können. Beschäftigte müssen die Möglichkeit erhalten, sich frühzeitig und vorausschauend weiter qualifizieren zu können. Und nicht zuletzt sind die betroffenen Berufs Den Wandel der Arbeitswelt mitgestalten bilder und Ausbildungsberufe an die neuen technischen Entwicklungen anzupassen und zu modernisieren, damit junge Menschen auch zukünftig mit einer qualifizierten Ausbildung eine Chance auf eine dauerhafte Erwerbstätigkeit und damit auf gesellschaftliche Teilhabe erhalten. Mit herzlichen kollegialen Grüßen, CHRISTINE BEHLE CHRISTINE BEHLE, MITGLIED DES VER.DI-BUNDESVORSTANDES | FOTO: DIE HOFFOTOGRAFEN INTERVIEW Hochachtung vor den Beschäftigten da draußen! Eine Betriebsärztin zu den Gesundheitsfragen in einem großen Verkehrsbetrieb Dr. Manuela Huetten arbeitet seit 2009 als leitende Betriebsärztin bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG). Zuvor hatte die Medizinerin mit Facharztausbildung Arbeitsmedizin diese Tätigkeit schon 18 Jahre bei der Düsseldorfer Rheinbahn AG ausgeübt. Bei der BVG wacht sie über das gesundheitliche Wohl und Wehe von rund 13.500 Beschäftigten. Mit dem Verkehrsreport sprach sie über ihr Aufgabenfeld und die spezifischen gesundheitlichen Themen in einem großen Verkehrsunternehmen. DR. MANUELA HUETTEN | FOTO: PRIVAT Wie sieht Ihr beruflicher Alltag aus? Dr. Manuela Huetten | Betriebsärzte sind für die Beratung da, für alle Fragen, die die Schnittstelle Mensch und Arbeit betreffen. Unsere Aufgaben sind in verschiedenen Rechtsgrundlagen festgeschrieben, vor allem Paragraph 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG) regelt die Aufgaben der Betriebsärzte. Er sagt sehr detailliert, zu welchen Aspekten wir uns äußern müssen. Da steht beispielsweise, dass wir bestehende Arbeitsplätze regelmäßig begehen, neu eingerichtete Arbeitsplätze oder Verfahren begutachten sowie Arbeitszeiten und persönliche Schutzausrüstungen prüfen müssen. Wir sind auch zuständig dafür, die Erste Hilfe im Betrieb zu organisieren. Unabhängig davon führen wir außerdem verschiedene Untersuchungen durch, die nicht im ASiG stehen. So ist eine weitere wichtige Rechtsgrundlage die im letzten Herbst aktualisierte arbeitsmedizinische Vorsorgeverordnung. Sie regelt alle Vorsorgen – wir sprechen hier nicht mehr von Untersuchungen –, die Betriebsärzte machen. Dabei steht das Selbstbestimmungsrecht der Kolleg/-innen oben an. Sie haben die alleinige Entscheidungsgewalt darüber, ob sie ihren Vorgesetzten das Ergebnis der Untersuchung mitteilen. Allenfalls müssen sie im Fall von Pflichtvorsorgen zulassen, dass wir die Teilnahme bestätigen. Kommen die BVG-Mitarbeiter/-innen mit ihren spezifischen Beschwerden zu Ihnen? Dr. Manuela Huetten | Nun ja, wir sind nicht dafür da, den Hausärzten die Arbeit wegzunehmen. Es ist nicht unsere Auf gabe, individuelle Therapien und Behandlungen einzuleiten. Wir sind eigentlich mehr vor der Erkrankung tätig, im weiten Bereich der Prävention. Natürlich beraten wir jemanden auch, wenn wir sehen, dass er ein erhöhtes Risikoprofil aufweist. Das geschieht aber auf freiwilliger Basis. Wir beobachten andererseits aber auch, dass immer mehr Kolleg/-innen von sich aus zu uns kommen, um sich gesundheitlich oder in Bezug auf ihren Arbeitsplatz beraten zu lassen. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass Hausärzte ausführliche Beratungsgespräche kaum bezahlt bekommen. Wer mit uns einen Termin macht, kann sich darauf verlassen, dass wir uns Zeit nehmen – wenn es nötig erscheint, auch mal eine ganze Stunde. Führen Sie auch Pflichtuntersuchungen durch? Dr. Manuela Huetten | Ja, es gibt Tauglichkeitsuntersuchungen, die nichts mit Vorsorge zu tun haben. Die erfolgen auch nicht auf eigenen Wunsch, sondern sie betreffen in erster Linie alle Fahrer/-innen, die nach der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (BoStrab) in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiten oder die nach FeV (Fahrerlaubnisverordnung) und BO Kraft untersucht werden müssen. Mit welchen gesundheitlichen Problemen haben die Mitarbeiter/-innen in der Verwaltung bzw. im Fahrdienst von Bussen und Bahnen zu tun? Dr. Manuela Huetten | Bei den Verwaltungsangestellten sind das vor allem Rücken-, Nacken- und Schulterbeschwerden. Die Menschen sitzen einfach zu viel. Wir sind ja eigentlich von unserer Entwicklungsgeschichte her Lauftiere. Diese Veranlagung steckt noch immer in unseren Genen. Unser Muskel- und Skelettsystem hat sich auf das viele Sitzen noch nicht eingestellt. Im Fahrdienst sind die Beschwerden sehr unterschiedlich, wir identifizieren bei der Tauglichkeitsuntersuchung häufig Diabetes, der ja zu einer regelrechten Volkskrankheit geworden ist. Natürlich gibt es auch bei den Fahrer/-innen Rückenprobleme, schließlich wird ja auch der Fahrdienst im Sitzen ausgeübt. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Arbeit im Schichtdienst. Sie gewinnt sogar noch an Bedeutung, weil mit zu nehmendem Alter die Schichtarbeit immer schwieriger wird. Je älter ein Mensch wird, umso mehr schätzt er eine gewisse Regelmäßigkeit. Und auch die Belegschaft der BVG wird älter, derzeit liegt der Altersdurchschnitt bei 48,7 Jahren. Welche Rolle spielen Probleme im Umgang mit Fahrgästen? Dr. Manuela Huetten | In einer Großstadt wie Berlin eine bedeutende! Wenn sich etwa ein Bus aufgrund einer Verkehrs störung verspätet, muss der Fahrer damit rechnen, dass er an der nächsten Halte stelle angemeckert wird: Der Fahrgast ist ärgerlich, weil er vielleicht sein Flugzeug verpasst, seinen Frust lässt er am Busfahrer aus. In aller Regel ist das gar nicht persönlich gemeint. Aber es ärgert und wenn man sich über Jahre zu viel ärgert, kann das auch zum gesundheitlichen Problem werden. Eines ist alarmierend: Zwar gehen die Angriffe zahlenmäßig zurück, aber die Schwere und Brutalität der Aggression steigt. Es geht also nicht nur um verbale Attacken, sondern um echte physi sche Gewalt. Wie können die Fahrer/innen damit umgehen? Dr. Manuela Huetten | Die BVG bietet ihnen im Rahmen der regelmäßig vorgeschriebenen Fahrerunterweisungen Deeskalationstrainings an. Und für Kollegen, die besonders unter den Attacken leiden, weil sie diese zu persönlich nehmen, bieten wir Kurse an. Bevor jemand ernsthaft krank wird, kann er in einer extern therapeutisch begleiteten Gruppe mit anderen Kolleg/innen lernen, besser mit solchen Situationen umzugehen. Grundsätzlich lautet die Devise im Unternehmen immer Deeskala tion: Wenn ein Fahrer einen Fahrschein kontrollieren soll, aber die Situation droht, brenzlig zu werden, soll er in jedem Fall auf die Kontrolle verzichten, um sich nicht selbst zu gefährden. Aber der Umgang mit tatsächlicher oder möglicher Gewalt ist und bleibt sehr schwierig. Man muss vor den Kolleg/-innen, die täglich draußen unterwegs sind, nur Hochachtung haben. Sie machen einen richtig harten Job. Ist die Häufigkeit von bestimmten Belastungen gestiegen? Dr. Manuela Huetten | Die Zusammensetzung der Diagnosen hat sich nicht wesentlich verändert. Die „Top 3“ sind immer Herz-Kreislauf-Erkrankungen, „Rücken“, also Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates und psychische Probleme. Das Pendel schlägt mal in die eine, mal in die andere Richtung stärker aus. Die absolute Zunahme registrierter psychischer Erkrankungen lässt sich sicher auch damit erklären, dass sie heute weniger tabuisiert sind. Es ist nicht mehr anrüchig, an einer Depression zu leiden, deswegen wird das Thema zum Glück inzwischen auch öfter angesprochen, sodass man helfen kann. Begutachten Sie alle Arbeitsplätze hinsichtlich eventueller gesundheit licher Risiken? Dr. Manuela Huetten | Ja, Paragraph 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) schreibt vor, dass wir uns im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung alle Arbeitsplätze regelmäßig ansehen, seit vielen Jahren bezieht das auch psychische Belastungen ein. Mit Letzteren haben sich alle Unternehmen zunächst schwer getan, aber inzwischen hat die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) gemeinsam mit Betriebsärzten, Fachkräften für Arbeitsschutz und Personalvertretungen eine Checkliste entwickelt, die diesbezüglich auf die besondere Situation in Verkehrsbetrieben eingeht. Kürzlich haben wir Piloten jeweils im Vertrieb und im Call Center durch geführt. Beides hat gut funktioniert, so dass Mitte Februar der BVG-Vorstand zustimmte, dass wir die neue Gefähr dungsbeurteilung auf alle Arbeitsbereiche der BVG ausdehnen. Sie erwähnten die anstrengende Wechselschichtarbeit. Wie lässt sich da gegensteuern? Dr. Manuela Huetten | Wir entwickeln derzeit konkrete Maßnahmen, zum Teil laufen sie auch schon. Zuvor war bis Ende 2014 drei Jahre lang unter meiner Leitung ein großes Arbeitsfähigkeitsprojekt gelaufen. Dabei haben wir in einem Unter nehmensbereich die Arbeitsbedingungen unter die Lupe genommen, geleitet von der F ragestellung „Wie können wir Arbeit so gestalten, dass auch ältere Arbeitnehmer/-innen bis zum Erreichen der Regelarbeitsrente arbeitsfähig bleiben?“ Natürlich war da die Schicht ein wichtiger Aspekt. Anhand der Ergebnisse haben wir nun Dienstplanveränderungen im Busbereich vorgenommen. Wir haben etwa Stammlinien eingeführt: Lichtenberg wurde beispielsweise nochmals in vier Gebiete unterteilt, die Fahrer/-innen konnten sich dafür entscheiden, nur noch in diesen kleineren Bereichen zu fahren. Das bietet Vorteile: Die Fahrer/-innen kennen die Linien, die Fahrgäste haben immer wieder mit den gleichen Fahrer/-innen zu tun. Das wirkt sich positiv auf die Arbeitsatmos phäre und die Abläufe aus. Auch die Arbeitswege sind kürzer, weil die Fahrer/- innen natürlich die wohnortnahen Bezirke wählen. Dieses Projekt ist ein Riesenerfolg. Auch im Werkstattbereich-Bus läuft derzeit ein Programm an, mit dem Schichtdienstpläne geändert werden sollen. Wir besprechen mit den Kolleg/-innen, welche Aspekte ihnen am wichtigsten sind – etwa freie Wochenenden, die Anzahl freier Tage am Stück, die Dienstlängen oder die Übergangszeiten zwischen den Diensten. Anhand dieser Gespräche überarbeiten wir in einer Arbeitsgruppe die Dienstpläne. Es ist ganz wichtig, alles, was man sich zum Thema Gesundheit, Prävention usw. ausdenkt, mit den Beschäftigten gemeinsam zu entwickeln. Sie sind die Experten für ihr jeweiliges Arbeitsumfeld! Welche gesundheitlichen Präventionsmaßnahmen laufen derzeit bei der BVG? Dr. Manuela Huetten | Wir haben ein betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM), das schon zweimal mit dem „Corporate Health Excellence Award“ ausgezeichnet wurde. Aktuell laufen die Vorbereitungen für den Demografie-Tarifvertrag. Um besonders belastende Arbeitsplätze zu identifizieren, haben wir eine Abfrage in allen Bereichen gestartet und analysiert, wie die Altersverteilung und die Belastungssituation in den jeweiligen Bereichen ist. Außerdem veranstaltet die BVG Führungskräfte-Workshops, um diese auch mitzunehmen und zu sensibilisieren. Und unter Anleitung des BGM wird es demnächst Gesundheitszirkel in allen Bereichen geben, in denen wir diese Themen ganz spezifisch angehen. Gießkannenmaßnahmen sollte man immer meiden, stattdessen sollte sich alles am konkreten Bedarf orientieren. IMPRESSUM Verkehrsreport Nr. 1, März 2015 Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Bundesvorstand: V.i.S.d.P.: Frank Bsirske, Christine Behle Koordination: Carola Schwirn Redaktionelle Bearbeitung: Ute Christina Bauer (transit berlin.pro media) www.pressebuero-transit.de Redaktionsanschrift: ver.di-Bundesverwaltung Fachbereich Verkehr Paula-Thiede-Ufer 10 10179 Berlin Layout, Satzerstellung: VH-7 Medienküche GmbH Kreuznacher Straße 62 70372 Stuttgart www.vh7-m.de Druck: apm AG Darmstadt, Kleyerstraße 3, 65295 Darmstadt www.alpha-print-medien.de Titelfoto Seite 1: HHLA Der ver.di-Fachbereich Verkehr ist auch im Internet zu finden: www.verdi.de/verkehr FACHBEREICH VERKEHR 01 | 2015 ÖPNV 3 Trübe Aussichten für Sonnenschein Fahrer verklagt Schulbusfirma wegen unbezahlter Arbeitszeiten Heinz Meyer* war von Anfang November 2013 bei der Fa. Schul busse Sonnenschein OHG als Schulbusfahrer auf geringfügiger Basis beschäftigt. Seine Aufgabe bestand darin, behinderte Menschen an ihrem Wohnort abzuholen, sie zur Werkstatt Bielefeld zu fahren, sie später dort wieder abzuholen und schließlich zurück nach Hause zu fahren. In Meyers Arbeitsvertrag mit der Firma Sonnenschein fand sich jedoch ein kritischer Passus: „Die Arbeitszeit für den Fahrer/-in, Beifahrer/-in beginnt beim ersten Fahrgast und endet an der E inrichtung. Die Fahrt von der Wohnung und zurück, stellt keine bezahlte Arbeitszeit dar.“ Mit dieser Regelung war Meyer nicht einverstanden und verlangte die Bezahlung der kompletten Fahrzeit, also auch die Fahrzeit von und zu seinem Wohnort als Arbeitszeit. Dies verweigerte ihm die Sonnenschein OHG. Der Fahrer kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2014, im November reichte er Klage gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber ein. Er will damit eine rückwirkende Vergütung der nicht bezahlten Arbeitszeit in Höhe von knapp 2.000 *NAME GEÄNDERT Euro erstreiten. ver.di unterstützt die Klage des Schulbusfahrers, nach gewerkschaftlicher Auffassung beginnt die Arbeitszeit in dem Moment, wenn sich der Fahrer in sein Dienstfahrzeug setzt und die Fahrsicherheitskontrolle durchführt. „Wir lesen das auch so aus dem Arbeitszeitgesetz“, sagt Oliver Müller, Gewerkschaftssekretär in Bielefeld. Ihm seien auch keine anders lautenden Tarifverträge bekannt. Dennoch würden fast alle Schulbus-Unternehmen in die Arbeitsverträge ihrer Mitarbeiter/-innen gleiche oder ähnliche Sätze wie in den von Meyer schreiben. „Wir haben mit dem Thema Arbeitszeit von Schulbusfahrer/-innen seit vielen Jahren zu tun“, durch die Einführung des Mindestlohn werde die Sache noch einmal richtig interessant, erklärt Müller. „Die Kollegen nehmen in aller Regel das Dienstfahrzeug mit nach Hause. Davon profitiert die Firma: Ihre Logistik wird einfacher, außerdem muss sie keinen Betriebshof unterhalten.“ Eine private Nutzung sei den Fahrer/-innen jedoch entweder per Dienstanweisung oder durch den Arbeitsvertrag untersagt. Seit der Klageeinreichung im November 2014 gab es bislang einen Gütetermin. „Der Anwalt des Arbeitgebers hat alles bestritten, er hat auch die akribisch in Exceltabellen erfassten Aufzeichnungen FOTO: ISTOCKPHOTO.COM des Klägers über seine Arbeitszeit angefochten“, berichtet Müller. Inhaltlich geht es ver.di in der Klage noch um einen weiteren Punkt: ver.di will erreichen, dass bei der Bezahlung der ausstehenden Arbeitsstunden für Meyer das nordrhein-westfälische Tariftreue- und Vergabegesetz zugrunde gelegt wird. Demnach wäre jede Arbeitsstunde mit einem repräsentativen Stundenlohn von 17,62 Euro zu vergüten (Entgeltgruppe 5 Stufe 4 TV NW). Im ungünstigen Fall kommt das Gericht zur Auffassung, dass der Schulbusfahrer nur den Mindestlohn von 8,62 Euro geltend machen kann. Auch das möchte man in einem Verfahren einmal grundsätzlich klären, so Müller: „Ist das Tariftreueund Vergabegesetz für Schulbusfahrer/- innen anzuwenden? In dieser Frage gab es bislang noch kein Urteil.“ Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf vom April 2014 in einem ähnlich gelagerten Fall lässt die Bielefelder jedoch hoffen: Im Fall einer Schulbusbe gleiterin, ging es um die Sittenwidrigkeit der Vergütung. Ihr Arbeitgeber hatte sie ebenfalls erst ab dem Einstieg des ersten Fahrgasts bezahlt. „Das Landesarbeitsge- richt vertrat sehr deutlich die Auffassung, dass auch der Weg zum ersten Fahrgast schon Arbeitszeit ist, ebenso übrigens die Pufferzeiten, in denen die Wagen vor den Schulen bzw. Werkstätten stehen und auf ihre Fahrgäste warten“, kommentiert Müller. Das LAG habe auch festgestellt, dass das Verbot einer privaten Nutzung des Dienstfahrzeugs darauf hinweist, dass die Fahrt vor dem ersten und nach dem letzten Fahrgast Arbeitszeit ist. Ansonsten würde der Arbeitgeber mit der Zurverfügungstellung des Fahrzeugs selbst regelwidrige UCB private Fahrten anordnen. Auf der Suche nach Hartz IV für 33.000 Taxler bezahlter Arbeit DGB Bayern: Mindestlohn auch für Taxifahrer FOTO: VH-7 MEDIENKÜCHE gleich: Über alle Branchen hinweg liegt der Anteil der Aufstocker knapp über drei Prozent. Das mittlere Monatseinkommen von vollzeitbeschäftigten Taxifahr/- innen lag nach BA-Berechnungen 2013 bei 1.256 Euro im Monat, also weit unter der Niedriglohnschwelle von 1.973 Euro. Alles gute Gründe für den Mindestlohn. Das Taxigewerbe hat stets versucht, um den Mindestlohn herumzukommen. Nun gibt es aber keine Ausnahme für Taxen. Alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben Anspruch auf Mindestlohn. Diese Branche ist sehr heterogen. Selbstständige fahren neben sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, Rentner neben Studenten. Wie nötig der Mindestlohn gerade im Taxi gewerbe ist, zeigen die Fakten. Von den ca. 100.000 Beschäftigten im Taxigewerbe erhielten bisher unfassbare 33.000 ergänzende Hartz-IV-Leistungen. Zum Ver- Erhöht eine Kommune die Taxi gebühren, wird das von interessierter Seite sofort auf den Mindestlohn zu rückgeführt. Dabei gibt es in Bayern keineswegs überall Preiserhöhungen. Von Kommune zu Kommune ist das sehr verschieden. Und nicht überall geht mit einer Preiserhöhung auch eine Verbesserung der Einkommens situation der Fahrer einher. Im Ge genteil: Einige Taxiunternehmen wol len den Mindestlohn unterlaufen, indem sie fest angestellte Beschäftig te entlassen und dann als Soloselbst ständige wieder beschäftigen. Um zu verhindern, dass zwar der Min destlohn bezahlt, aber die Arbeitszeit ausgedehnt wird, müssten die Taxi betriebe die Autos umrüsten. Ein tatsächlicher Nachweis der Stand und Fahrzeiten schüfe Klarheit. Auch die Kommunen sind gefordert. Sie sollten Taxizulassungen beschränken und Konzessionen stärker an steuer liche und sozialversicherungsrecht liche Bedingungen knüpfen. Taxifah rer brauchen faire Bedingungen und Löhne. Es bleibt dabei: Mindestens. Mehr DGB/RED gibt’s mit Tarifvertrag! Busfahrer verlor Arbeit nach dem Publikmachen seiner Arbeitsbedingungen mobifair ist ein gemeinnütziger Verein, der sich im Verkehrsmarkt für einen fairen Wettbewerb durch Schutz der Lohn- und Sozialstandards einsetzt. Mit einer Solidaritätsaktion kämpft der Verein nun dafür, dass ein mutiger Busfahrer wieder eine Arbeit findet. Am 5. Juni 2013 hatte das Magazin Plusminus über den Busfahrer Vladislav Vlach aus Tschechien berichtet. Er war bei einer Tochterfirma der Regionalbus Ostbayern GmbH, der RDS-Bus s.r.o. mit Sitz im tschechischen Babylon beschäftigt. An den Wochentagen fuhr er vom Grenzort Zelezna Ruda in das benachbarte Bayerisch Eisenstein und weiter über Zwiesel nach Passau. Ohne Vorbereitungs- und Nach bereitungszeit begann die erste Fahrt um 5.25 Uhr, die letzte Ankunft erfolgte um 18.40 Uhr. Des Öfteren war er auch noch am Wochenende für sein Unternehmen im Einsatz. So leistete er oftmals mehr als 280 Stunden im Monat für umgerechnet 850 Euro. Das sind etwas über drei Euro pro Stunde! Die Linien, die er mit seinem tschechischen Bus mit Dumpinglohn für ein deutsches Unternehmen befuhr, waren überwiegend in Deutschland. All dies sprach der Busfahrer offen vor laufender Kamera aus. Bald darauf verlor Vladislav Vlach unter dem Vorwand an geblicher Verfehlungen seine Arbeit. Seine Bemühungen, wieder Bus zu fahren, das zu tun, was er seit über 30 Jahren mit großer Freude und Zuverlässigkeit beruflich getan hat, scheiterten. Wie Vladislav Vlach bei seinen Einstellungsgesprächen mitbekommen hat, aus Angst, Sub-Aufträge zu verlieren. „Man sorgte dafür, dass ihn kein anderes Busunternehmen einstellte“, ist sich Helmut Diener vom Verein mobifair sicher. Mit einer Kampagne für Vladislav Vlach wendet sich mobifair nun an die Öffentlichkeit und vor allem an die Busunternehmen in Niederbayern und der Oberpfalz. In einem Brief ruft der Verein die Unternehmen auf, dem Busfahrer Vladislav Vlach eine neue Chance für einen Wiedereinstieg in das Berufsleben zu geben. „Er hat niemandem etwas Böses getan. Er hat nur die Wahrheit erzählt und mobifair hat mit dieser Wahrheit und den vorliegenden Unterlagen Lohn- und Sozialdumping aufgedeckt“, so Diener. Als erste Aktion startete mobifair am 17. Februar 2015 eine Mahnwache am Busbahnhof von Zwiesel, ließ einen aufblasbaren Dumping-Hai steigen und verkaufte Soli-Buttons. Klar und deutlich forderte der Verein: „Schluss mit dem Berufsverbot für Busfahrer Vladislav Vlach!“. Andere Busfahrer vor Ort in Zwiesel hätten ihm bestätigt, dass Unter nehmen ihn nicht beschäftigen dürfen, weil sie fürchten ihre Subaufträge zu ver lieren, erzählt Diener. Am nächsten Tag trug m obifair die Sache in den politischen Aschermittwoch in Vilshofen. Dort wurde der Skandal auch dem Bundes wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgetragen. Gabriel versprach, sich für Vlach einzusetzen. ver.di unterstützt die Aktion mit einer Solidaritätsadresse: Vladislav hat mutig über die unwürdige Bezahlung und Arbeitsbedingungen im Busverkehr gesprochen. Er hat die miesen Machenschaften seines Arbeitgebers öffentlich gemacht. Das hat Aufsehen erregt, denn 280 Stunden Arbeit für weniger als drei Euro pro Stunde ist gegen alle guten Sitten. Ein altes Sprichwort besagt, wer die Wahrheit spricht, braucht ein schnelles Pferd. Vladislav ist es nun unmöglich, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ihm wurde gekündigt, niemand will ihn ein stellen. Das Ziel scheint zu sein, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unwürdige Arbeitsbedingungen einfach so hinnehmen. Aber derartige Einschüchterungen werden wir nicht akzeptieren. Vladislav Vlach hat unsere solidarische MOBIFAIR/RED Unterstützung! 4 LUFTVERKEHR FACHBEREICH VERKEHR 01 | 2015 Gemeinsam zum Erfolg Sicherheitsdienste erstritten Tarifvertrag Solidarität macht sich bezahlt: Am 9. Februar veranstaltete das Wachund Sicherheitspersonal (Fachbereich 13) auf den Flughäfen Hamburg und Stuttgart Warnstreiks. Besonders wirkungsvoll war die Aktion in Hamburg: Dort wurden die Kolleginnen und Kollegen aus der Fluggastkontrolle von den Bodenverkehrsdiensten (Fachbereich 11) unterstützt. Um ihre Verbundenheit mit den Sicherheitsleuten auszudrücken, war die halbe Schicht der BVD des Flughafens dem ver.di-Aufruf zum Solidaritätsstreik gefolgt. Der Flughafen Hamburg war am 9. Februar faktisch lahmgelegt. Wenige Tage später einigten sich ver.di und der Arbeitgeberverband BDSW auf einen Tarifabschluss für rund 8.000 Beschäftigte des Hamburger Wach- und Sicherheitsgewerbes. „Der Tarifabschluss ist ein Erfolg der Beschäftigten“, sagt Peter Bremme, ver.di-Verhandlungsführer in Hamburg. „Die Streikenden haben sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen und konsequent Druck für eine angemessen Lohnerhöhung gemacht. Der Warnstreik sei ein FOTO: ver.di „notwendiger Paukenschlag“ gewesen, die Streikbeteiligung „grandios“. Der Tarifabschluss sieht vor, dass die Einstiegslöhne im Hamburger Wach- und Sicherheitsgewerbe ab 1. Januar 2016 von 8,50 auf 9,00 Euro steigen. Am Flughafen soll der Stundenlohn in der Personen- und Warenkontrolle ab 1. April 2015 von 11,35 auf 11,95 Euro und ab 1. Januar 2016 auf 12,95 Euro steigen. Im gleichen Zeitraum sollen die Stundenlöhne der Luft sicherheitsassistenten von 14 auf 15 Euro und zum Jahreswechsel auf 15,50 Euro erhöht werden. Damit konnte eine Tariferhöhung bis zu 14 Prozent und eine Laufzeit bis zum 31. Dezember vereinbart werden. Reinhard Löhrs, Betriebsratsvorsitzender der Deutschen Schutz- und Wachdienst GmbH: „In dieser Tarifrunde hat mich besonders gefreut, dass sich so viele Kolle ginnen und Kollegen gegen eine Politik der Billiglöhne starkgemacht haben. Auch jenseits des Flughafens seien Beschäftige des Wach- und Sicherheitsgewerbes zum ersten Mal mit auf der Straße gewesen. Und auch für den Fachbereich 11 war der Solistreik in Hamburg ein voller Erfolg: „Bei einigen Kollegen ist richtig ein Schalter umgelegt worden, zehn Kollegen sind in ver.di eingetreten. Vielleicht ist uns damit endlich geglückt, wieder Boden bei den BVD zu gewinnen“, so die Gewerkschaftssekre RED tärin Irene Hatzidimou. APSB entlässt alle Mitarbeiter Betroffene protestierten in Tegel Der Abfertigungsdienstleister Aviation Passage Services Berlin (APSB) bietet mit etwa 180 Beschäftigten Serviceleistungen am Flughafen Tegel an. Nun kündigte die Geschäftsleitung der APSB allen Beschäftigten in Berlin und Schönefeld. Am 29. Januar fand deshalb um fünf nach zwölf am Flughafen Tegel eine Protestveranstaltung der Betroffenen statt. Die ver.di-Mitglieder hatten zuvor ein Verhandlungsergebnis abgelehnt, das nur geringfügig besser war als der von der Einigungsstelle angebotene Sozialplan. Die Geschäftsführung der APSB erklärte die Verhandlungen über einen Interessenausgleich einseitig als gescheitert. Sie hatte von Anfang an eine Transfergesellschaft favorisiert. Die Gründe: APSB will Kündigungsschutz- und Schadensersatzklagen verhindern sowie Zahlungspflichten w ährend der Kündigungsfristen unter Einbeziehung öffentlicher Fördermittel verkürzen. FOTOS (3): ver.di Der Hintergrund: 2008 kaufte der WISAG Konzern die Globe Ground Berlin und spaltete sie danach immer weiter in eigenständige Gesellschaften auf. Eine dieser Gesellschaften ist die APSB. Auch der 2013 unter anderem mit der WISAG abgeschlossene Flächentarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen hat die WISAG nicht davon abgehalten, ihre „teile und herrsche-Politik“ fortzusetzen. Der Tarifvertrag sollte für die Alt-Beschäftigten die höheren Vergütungen in einem Besitzstand sichern, für die neuen Beschäftigten wurden die Vergütungen angehoben, dafür gab es einige wenige Einschnitte beim Mantel. Skandalöserweise versucht die Geschäfts führung, sich durch Verlagerungen in andere WISAG-Unternehmen der Besitzstände zu entledigen. Mit der APBS-Schließung wären sie die aus ihrer Sicht renitenten Betriebsräte los. ver.di-Gewerkschaftssekretär Enrico Rümker dazu: „Die Geschäftsführung der APSB ist skrupellos. Alle Versuche der Gewerkschaft und des Betriebsrats, ein vernehmliche Lösungen zu finden, sind gescheitert. Die APSB ist lediglich bereit, für Beschäftigte, die zum Teil mehr als 30 Jahre für das Unternehmen gearbeitet haben, eine Abfindung von maximal 3.500 Euro brutto zu zahlen. Ich rechne daher mit vielen Klagen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ ver.di wird Mitgliedern, die den Klageweg gehen wollen, Rechtsschutz gewähren und über Kündigungsschutzklagen und eventuell Schadenersatzklagen versuchen, akzeptable Abfindungen zu erstreiten. Passend zum Gesamtbild: Fast alle Beschäftigten müssen noch Geld einklagen, weil jedem, der in den letzten Monaten auch nur einen Tag krank war, die Lohn fortzahlung im Krankheitsfall gekürzt wurde. Diese Regelung bewerteten Arbeits gerichte und Landesarbeitsgerichte als RED rechtswidrig. Arbeitsplatz Flughafen Hamburg FOTO: TILMANN JÖRG/PIXELIO.DE Lufthansa-Konzerntarifrunde Das Ziel: 5,5 Prozent mehr! Am 29. Januar hat die ver.di- Konzerntarifkommission (TK) den Weg für die anstehende Tarifrunde für den Lufthansa-Konzern freigemacht und die Kündigung der Vergütungstarifverträge zum 31. März 2015 beschlossen. Einbezogen in die Tarifrunde sind die Tarifbeschäftigten der LH AG (Boden und Kabine), LHT, LSY, LSG und LCAG. Die TK fordert eine Erhöhung der ergütungen um 5,5 Prozent bei einer V Laufzeit von zwölf Monaten. Das ist gerechtfertigt: Die Beschäftigten aller Geschäftsfelder, ob am Boden oder an Bord, haben erheblichen Nachholbedarf, die Krisen der letzten Jahre sind an den Beschäftigten der Lufthansa nicht spur- los vorbei gegangen. Arbeitsplätze wurden und werden abgebaut, die Arbeit auf die verbleibenden Beschäftigten verteilt. Durch geringere Vergütungserhöhungen oder sogar Einbußen haben die Beschäftigten ihren Beitrag zur Stabilisierung der Lufthansa geleistet. Jetzt ist es an der Zeit, dass die Beschäftigten für ihre Leistung und ihr Engagement etwas zurückbekommen! Wir wissen, dass die Rahmenbedingungen nicht einfach sind. Aber das waren sie im Luft verkehr selten. Bereits in den Vorgesprächen hatte die Lufthansa klargestellt, dass es aus ihrer Sicht keinen Abschluss ohne eine Regelung zur betrieblichen Altersversorgung geben kann. Diese Verknüpfung lehnt die TK ab. Das Thema der betrieb- lichen Altersversorgung sei nicht für eine Schnellschussregelung geeignet. Für die Auszubildenden fordert die TK 75 Euro mehr Ausbildungsvergütung bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Sie will, dass alle Azubis ihren Lebensunterhalt allein bestreiten können, ohne auf die Unterstützung der Eltern, Partner/-in oder des Staats angewiesen zu sein. Auszubildende brauchen sichere Zukunftsaussichten. Solche Perspektiven schafft nur eine verbindliche Übernahme. Deswegen fordert ver.di eine tariflich verankerte und eindeutig formulierte Übernahmeregelung. Die Verhandlungen beginnen am 23. März, weiter geht es am 20. April und am 8. Mai. Verschenkt wird dabei nichts, Ergebnisse können sicherlich nur mit Druck erreicht werden. Nur gemeinsam mit allen Auszubildenden und Beschäftigten ist das zu meistern! RED Im Januar erschien eine Analyse von Beschäftigung, Entlohnung und Arbeitsbe dingungen am Hamburger Flughafen. Gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung und unterstützt von ver.di hat das Autorenteam alle Arbeitsbereiche unter die Lupe genommen und auf 58 Seiten dargelegt. Katrin Schmid, Felix Hadwiger (2015) Arbeitsplatz Flughafen Hamburg: Eine Analyse von Beschäftigung, Entlohnung und Arbeitsbedingungen am Hamburger Flughafen, Hamburg. Download: http://boeckler.de/ 11145.htm?projekt=2014-697-1 Vergütungsrunde 2015 airberlin Im Februar hat ver.di die Geschäfts leitung von airberlin aufgefordert, unverzüglich Verhandlungen aufzu nehmen, nachdem die Gewerkschaft den Vergütungstarifvertrag Nr. 1 airberlin Kabine ordentlich zum 31. Dezember 2014 gekündigt hatte. Nach intensiver Debatte beschloss die Tarifkommission (TK) das Forde rungspaket für die Kabinenbeschäf tigten für die Vergütungsrunde 2015. Sie ist sich bewusst, dass erneut ein Spagat zwischen berechtigten Forde rungen und wirtschaftlicher Lage des Unternehmens zu bewältigen ist. Sie einigte sich auf folgende Punkte, um die fällige Angleichung der Gehalts strukturen voranzutreiben: Lineare Erhöhung 5,5 Prozent Einführung „Sollblockstunden“ Einheitliche Tabelle für Kabinen beschäftigte der airberlin Zusätzlicher Stufensprung für alle Tabellen/Endstufen Auslösegrenzen MFS ab 70. Blockstunde und 80. Blockstunde Umgruppierungsbetrag SCCMA zu SCCMB Umgruppierungsbetrag SCCMB zu PU Erhöhung der Sektorenzulagen Sektorenzulagen für aktive und passive Sektoren Flugzulage bei Proceeding Laufzeit 12 Monate LUFTVERKEHR FACHBEREICH VERKEHR 01 | 2015 5 Das ver.diFlughafenbüro Gewerkschaftsleben am Flughafen München TANJA RHEIN & ULRICH FEDER | FOTO: ver.di FOTO: ver.di Ein Mikrokosmos für sich Am ver.di-Flughafenbüro München laufen viele Fäden zusammen Die freundliche Begrüßung ist allen Besuchern gewiss. Dafür sorgen Ulrich Feder, ver.di-Fachbereichssekretär am Flughafen München, und die Verwaltungsangestellte Tanja Rhein. „Viele Mitglieder wissen nicht, dass es hier draußen ein ver.di-Flughafenbüro gibt“, wundern sich die beiden. „Die fahren erst nach München rein und werden dann zurückgeschickt.“ Der Flughafen München ist der zweitgrößte Deutschlands, mit seinen vielen miteinander verflochtenen und untereinander konkurrierenden Unternehmen bildet er so etwas wie einen eigenen Mikrokosmos mit rund 36.000 Beschäftigten. Das kleine, gut eingespielte ver.di-Team betreut im Einvernehmen mit vielen Vertrauensleuten am Flughafen München rund 2.500 Mitglieder. Die meisten davon arbeiten bei der Flug hafen München Gesellschaft (FMG), die mit fast 8.000 Beschäftigten auch der größter Arbeitgeber am Flughafen ist. Der Betreibergesellschaft, deren Anteilseigner die Bundesrepublik Deutschland, der Freistaat Bayern und die Stadt München sind, gehören die Gebäude und der Boden; sie ist vor allem in der Abfertigung aktiv. „Die FMG ist mein bestorganisierter Betrieb am Flughafen“, schwärmt Feder, „mit rund 1.000 Mitgliedern ist ver.di dort eine Hausmacht, es gibt insgesamt eine gute Struktur aus 70 Vertrauensleuten und zahlreichen Ehrenamtlichen.“ Mit der Sicherheitsgesellschaft am Flughafen München (SGM) existiert ein zweites staatliches Unternehmen am Münchner Flughafen. Dort ist beim Organisationsgrad der rund 1.200 Beschäftigten „noch Luft nach oben.“ Dennoch tut sich auch hier einiges: Mit 16 Engagierten konnte eine neue Vertrauensleutestruktur aufgebaut werden, Mitgliederzuwächse sind zu verzeichnen. „Bei der letzten Tarifrunde des öffentlichen Dienstes haben die SMG- Mitarbeiter erstmals gemeinsam mit den FMG-Beschäftigten gestreikt“, so Feder stolz. Das Charmante daran: Aufgrund ihrer hoheitlichen Sicherheitsaufgaben lasse sich die Arbeit der SMG nicht einfach kompensieren. Die Streikwirkung sei entsprechend hoch gewesen. Die LSG ist als Caterer für die Lufthansa tätig. „Mein zweitbestorganisierter Betrieb“, freut sich Feder. Nach wirtschaft lichen Schwierigkeiten und eigenständigen Sanierungen sei dieser 2015 erstmals wieder in der Tarifrunde dabei. „Gut so, die LSG ist auch eine Macht für uns.“ Größte Airline am Flughafen München ist die Lufthansa. Weil es ver.di dort mit fünf spezialisierten Konkurrenzgewerkschaften zu tun hat, ist dort für Feder viel Basisarbeit zu leisten. „Wir versuchen dort gerade, uns neu aufzustellen, die laufenden bundesweiten Tarifverhandlungen können uns helfen“. Sehr viel besser sehe es bei der airberlin aus, die Technik und die Kabine seien gut bei ver.di organisiert, Konkurrenzgewerkschaften spielten kaum eine Rolle. Zurzeit werde dort die neue Tarifkommission gewählt. Für ihn biete der Flughafen ein interessantes, mit hohem logistischem Aufwand betriebenes Aufgabenfeld, so Feder. Die Beschäftigten müssten allerdings teilweise bei immenser Arbeitsverdichtung echte Knochenarbeit leisten, für die sie im Verhältnis nur einen Hungerlohn erhalten. In Mitarbeiterzeitungen und Hochglanzbroschüren brüsteten sich die Unternehmen mit Erfolgsmeldungen – mehr Starts, mehr Landungen, mehr Gepäck usw. All das wird aber mit der immer gleichen Personaldecke gefahren. FOTO: UTE C. BAUER Terminalstraße Mitte 28, 85356 München Öffnungszeiten: Montag – Freitag 8.00 bis 12.00 Uhr Ansprechpartner: Tanja Rhein, Ulrich Feder Telefon: 0 89/9 75-9 34 80 E-Mail: [email protected]; [email protected] FOTO: UTE C. BAUER CHRISTINE FISCHER, SEPP WINDERL & ULRICH FEDER | FOTO: UTE C. BAUER FOTO: ver.di Wertschätzung = Mangelware Mit Sicherheit immer gut im Einsatz: Die Mitarbeiter der SGM Erfahrung ist Trumpf im Job von Christine Fischer und Sepp Winderl. Beide arbeiten bei der Sicherheitsgesellschaft am Flughafen München (SGM), nach 20-jähriger Betriebszugehörigkeit sind sie alte Hasen im Geschäft. Beide sind ver.di-Vertrauensleute und auch Betriebsräte im Unternehmen. Die SMG-Beschäftigten übernehmen ausschließliche Hoheitsaufgaben der Polizei, sie sind daher echte Luftsicherheitsbeauftragte. Weil die SMG jedoch ein staatliches Unternehmen ist, unterliegen die Mitarbeiter/-innen in München dem TVÖD, bei ver.di organisierte Beschäftigten gehören also dem Fachbereich Verkehr an. In ihrer Arbeit sind Christine Fischer und Sepp Winderl für die Passagier-, Handgepäck- und Kofferkontrollen zuständig. „Wir sind die Fummler“, scherzt Winderl augenzwinkernd. Körperlich sei die Arbeit in den letzten 20 Jahren etwas leichter geworden – früher gab es beispielsweise keine Torsonden. In psychischer Hinsicht sei sie hingegen stressiger geworden: Die Sicherheits leute sind die ersten Ansprechpartner am Flughafen. Und da fangen oft die Probleme an. „Wenn ein Fluggast in Eile ist oder wenn bei ihm zu Hause etwas schieflief, lädt er seinen Frust bei uns ab. Wir versuchen dann, zu beruhigen und zu deeskalieren“, so Winderl. „Die meisten Passagiere sind ganz normal, aber manche können echt anstrengend sein – für genervte Leute sind wir oft der Blitzableiter“, ergänzt Fischer. Auch der hohe Lärmpegel und die Hitze im Sommer seien belastend. Und damit umzugehen, dass man permanent auf dem Repräsentierteller steht, müsse auch erst gelernt werden. Allerdings werde das Personal für den Umgang mit den Passagieren so gut wie gar nicht geschult, alles sei „Learning by Doing“, so Fischer. Im Laufe der Jahrzehnte habe sie gelernt, Menschen anhand der Körpersprache und ihres Verhaltens recht gut einzuschätzen. Und weil ausländische Passagiere oft weder Englisch noch Deutsch sprechen, gelte sie in ihrem Bekanntenkreis als hervorragende Pantomimin. Die Arbeit an den Schleusen hat sich verdichtet: „Wir sind heute weniger Leute für mehr Passagiere“, erzählt Fischer. „Als wir anfingen, gab es nur das Terminal 1, da wurden die Flieger nacheinander abgearbeitet und zwischendurch hatte man etwas Luft. Jetzt mit dem Terminal 2 geht es eigentlich ohne Pause durch.“ Wie viele Frauen im Betrieb arbeitet Christine Fischer Teilzeit, auch insgesamt sind bei SGM etwas mehr Frauen als Männer beschäftigt. „Die Firma sucht – weil die Passagiere mehrheitlich männlich sind – händeringend nach Männern, aber in der teuren Münchner Region sind die aufgrund der geringen Bezahlung kaum zu kriegen“, erklärt Winderl. Ein oft an die Gewerkschafter herangetragenes Problem war bis vor Kurzem die zweijährige Befristung für die neu Eingestellten. Inzwischen stellt der Arbeitgeber unbefristet ein, um auf dem fast leergefegten Arbeitsmarkt Leute zu bekommen. „Vor allem mit Gehalts fragen kommen die Beschäftigten jetzt zu uns“, so Winderl. Man verhandele über eine generelle Höhergrupppierung, die ja auch dem Arbeitgeber helfen würde, neue Kollegen zu gewinnen. Derzeit würden Neue in den TVÖD 5 eingruppiert, langjährige Mitarbeiter in die Gruppe 6. Eigentlich halte man aber eine generelle freiwillige Eingruppierung in Gruppe 8 für angemessen, „schließlich sind wir das Gesicht und das Rückgrat der Firma.“ 2016 steht die nächste Tarifrunde an. Und dann wird es um die Wertschätzung gehen – finanzielle und ideelle. „Wir haben 2014 nach 25 Jahren zum ersten Mal gestreikt, wir sind bereit, das wieder zu tun“, sagt Fischer. Dass der Arbeitgeber die Arbeit an der Basis geringschätzt, zeigten Bemerkungen á la „Geld macht nicht glücklich“. „So etwas müssen wir uns von einem anhören, der das Fünffache von uns verdient“, empört sich Winderl. „Bin ich für meine Geschäftsführung nur ein lästiges Übel?“, fragt sich auch Christine Fischer. „So etwas haben wir nicht verdient, wir leisten gute, europaweit geschätzte Arbeit.“ Tatsächlich wurde die SGM mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Und so ist Winderls Fazit ein klein wenig bitter: „Die Geschäftsführung nimmt Auszeichnungen gern entgegen. Aber eigentlich hätten die Mitarbeiter sie verdient.“ TEXTE: UTE C. BAUER Verleihbetriebsrat mit Veränderungsanspruch Demnächst Tarifvertrag bei Swissport Losch? MICHAEL BATOG | FOTO: UTE C. BAUER „Ich arbeite für das schwarze Schaf am Flughafen München“, stellt Michael Batog, seit knapp einem Jahr freigestellter Betriebsrat bei der Swissport Losch (SPL), gleich zu Beginn klar. Der Hauptteil der Beschäftigten sei in einer Leiharbeitsfirma, der Swissport Losch Services, angestellt. Von dieser werden sie an den Entleiher Swissport Losch München oder an die PrivatPort, ein ebenfalls zum Konzern gehörendes Unternehmen, weitergereicht. 520 Beschäftigte in Arbeitnehmerüberlassung vertritt Batog als Verleihbetriebsrat. „Die rechtlichen Grundlagen unserer Arbeit sind kaum durchschaubar, als das BetrVG geboren wurde, hat man an solche Konstruktionen wohl kaum gedacht“, mutmaßt Batog. Der Deutsch-Rumäne ist fasziniert vom Gedanken einer Gewerkschaft als gesellschaftliche Bewegung. Er interessiert sich für Organizing-Projekte, wünscht sich, dass mehr Mitglieder ihre Gewerkschaft nicht nur als Serviceleister ansehen. Bisher gelte für die SPL-Mitarbeiter der BAP-Tarif zwischen dem Bundesarbeit geberverband für Personaldienstleister (BAP) und dem DGB. Dabei wende SPL ein System an, dass sich Gruppenleistungslohn nennt – je weniger Leute beispielsweise ein Flugzeug in einer bestimmten Zeiteinheit be- bzw. entladen, desto mehr ver dienen sie. Das Modell funktioniere nach dem Prinzip „Dumping durch Arbeitsverdichtung“. Dass die Leute dabei unter einem enormen Druck stehen, falle ihnen zunächst nicht so sehr auf, weil sie etwas mehr verdienen. „Dafür arbeiten sie aber auch 190 Stunden im Monat.“ Anscheinend durchschauen die überwiegend gering qualifizierten Kräfte das ausbeuterische Prinzip aber doch recht bald, bei SPL herrsche eine „immense Fluktuation“. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal, sagt der Betriebsrat, der vor seiner Freistellung im Außendienst als Ramp Agent arbeitete. „Vor zwei Jahren ist ein Mitarbeiter im Laderaum an einem Herzinfarkt gestorben, der hätte diesen Job gar nicht machen dürfen. Er hätte stattdessen im Innendienst eingesetzt werden müssen.“ Der Arbeitgeber brüste sich mit übertariflicher Bezahlung. Über dem Tarif zu liegen sei allerdings nicht schwer angesichts eines Stundenlohns von 8,80 in der Entgeltgruppe 1. Immerhin habe man die Geschäftsleitung jetzt „mit etwas Druck“ bewegt, mit ver.di Tarifverhandlungen zu führen. Derzeit befinde man sich in der S ondierung. „Wir hoffen, dass wir jetzt mehr erreichen“ sagt Batog. „Ich habe den Eindruck, die SPL will das Schmuddel-Image loswerden. Schließlich muss sie sich nächstes Jahr neu um die Konzession für die BVD bewerben.“ 6 HÄFEN FACHBEREICH VERKEHR 01 | 2015 Laschen ist Hafenarbeit Hafenarbeiter verlangen ihre Arbeit zurück – ver.di-Kampagne startet im April TORBEN SEEBOLD, VER.DI-BUNDESFACHGRUPPENLEITER FOTO: DIE HOFFOTOGRAFEN Verkehrsreport im Gespräch mit Torben Seebold, Bundesfachgruppenleiter Häfen FOTO: ISTOCKPHOTO.COM Das Thema „Laschen ist Hafenarbeit“ ist ja nicht ganz neu auf der politischen Agenda der Fachgruppe Häfen. Welche Themen bewegen euch dabei besonders? Torben Seebold | Es geht uns im Wesentlichen um drei Themen: Das Laschen und Entlaschen von Containern, Autos etc. gehört zu den traditionell von Hafenarbeitern ausgeübten Tätigkeiten. Denn nur gut qualifizierte und speziell ausgebildete Hafenarbeiter/-innen können diesen hoch anspruchsvollen und risikogeneigten Job professionell ausüben. Zum Zweiten stellt diese Tätigkeit für Seeleute ein hohes Gesundheitsrisiko dar, weil sie dafür nicht vernünftig ausgebildet sind und im Übrigen nicht selten ohne entsprechende Vergütung zur Ausübung von Laschtätigkeiten gezwungen werden. Und schließlich bestimmt die sogenannte Docker-Klausel, die in den internationalen Tarifverträgen zwischen ver.di/ITF und den Reedern und Crew Managern vereinbart ist, dass sowohl Ladungsumschlagstätigkeiten als auch Laschtätigkeiten nur von den Hafenarbeitern ausgeübt werden dürfen. Es kommt also zu einem dauerhaften Vertragsbruch, den wir im Sinne unserer Mitglieder so nicht akzeptieren können und nicht akzeptieren werden. Der Auftrag kommt also direkt von den Beschäftigten in den Seehäfen? Was treibt sie denn neben den von dir genannten Punkten genau an? Torben Seebold | Unsere ver.di-Mitglieder – und das sind im Hafen fast alle dort Beschäftigten – verlangen schlicht und ergreifend ihre Arbeit zurück. Und dabei geht es auch um existenzielle Fragen, weil die Beschäftigung in den Seehäfen durch fortschreitende Automatisierungsprozesse zurückgehen wird und dieser Prozess nicht aufzuhalten ist. Daher müssen nicht nur neue Arbeitsplätze geschaffen werden, sondern Tätigkeiten wie das „ Laschen“ zurückgeholt werden. Das hört sich nach einer großen Aufgabe an. Wie wollt ihr den Auftrag eurer Mitglieder denn umsetzen? Torben Seebold | Wir haben bereits im vergangenen Dezember erste Gespräche mit dem Verband der Reeder (VDR) dazu geführt. Mit dem haben wir konkret vereinbart, dass bis Ende März 2015 die Praxis abgestellt sein muss und die in dem Zusammenhang notwendigen Gespräche mit ihren Mitgliedsunternehmen erfolgreich abgeschlossen sein sollen. Und was habt ihr für den Fall geplant, dass die vertragswidrige Praxis auch nach Auslaufen der Frist weiter wie bisher besteht? Torben Seebold | Dann wird das eintreten, was wir Woche um Woche im Rahmen der ITF-Billigflaggenkampagne gemeinsam mit unseren starken Hafenarbeitern beweisen. Wir werden unsere industrielle und politische Stärke nutzen, um uns das zurückzuholen, was uns zusteht! Im übrigen wird das keine rein nationale Kampagne werden. Wir haben uns bereits mit unseren Partnern der ETF/ITF über eine gemein same Strategie verständigt. Es wird also kein Entkommen geben, weder in Deutschland noch anderswo in Europa! North Sea Terminal in Bremerhaven Warnstreik der Angestellten Eindrucksvolle Beteiligung: Am 23. Februar 2015 folgten ca. 100 der 120 kaufmännischen Beschäftigten dem Aufruf von ver.di zum ganztägigen Warnstreik beim North Sea Terminal in Bremerhaven (NTB). Dies war ein notwendiger Schritt, um der Forderung nach dem Abschluss eines Tarifvertrags Nachdruck zu verleihen. ver.di fordert in dieser Tarifauseinandersetzung unter anderem die Einführung der 35-Stunden-Woche, die für die Beschäftigten in den übrigen Hafeneinzelbetrieben und auch für die gewerblichen Kollegen bei NTB bereits gilt. Im Vorfeld hatte die Arbeitgeberseite über lange Zeit Verhandlungen verweigert und zuletzt die 35-Stunden-Woche kategorisch für nicht verhandelbar erklärt. ver.di strebt nach dem Abschluss eines Mantel tarifvertrags auch die Einführung eines Eingruppierungstarifvertrags an. Der ver.di-Verhandlungsführer Dirk Reimers zog am Ende des Tages folgendes Fazit: „Heute haben die Kollegen von NTB deutlich gezeigt, dass sie nicht mehr bereit sind, in den bremischen Häfen Beschäftigte VV zweiter Klasse zu sein.“ FOTO: ZDS Auftakt der Tarifrunde ver.di konkretisiert Forderungen an den ZDS Die Tarifrunde 2015 zwischen ver.di und dem Zentralverband Deutscher Seehäfen (ZDS) begann am 24. und 25. Februar mit Auftaktveranstaltungen in den Landesbezirken Hamburg und Niedersachsen-Bremen. Bei den Auftaktveranstaltungen konnten sich die anwesenden Kolleginnen und Kollegen über Daten und Fakten zur diesjährigen Tarifrunde informieren. Außerdem wurden konkrete Vereinbarungen über die Forderungsfindung vor Ort getroffen sowie Er wartungen für die Verhandlungen formuliert. Im nächsten Schritt finden nun betriebliche Mitgliederdiskussionen statt. Die betrieblichen Ergebnisse werden dann in der Bundestarifkom- FOTOS (4): NTB mission zusammengefasst und nach Mitgliederstärke geclustert. Am 24. März 2015 beschließt die Bundestarifkommission die aktuelle Tarifforderung für den Flächentarifvertrag. „Auch wenn die Forderungsfindung gerade erst begonnen hat, ist eines klar: Unsere Kolleginnen und Kollegen gehören zu den produktivsten Hafenarbeitern Europas. Das muss sich auch in diesem Tarifabschluss deutlich zeigen, damit sich weiterhin die gute Arbeit für die Beschäftigten im Hafen auszahlt“, so Torben Seebold, ver.diVerhandlungsführer. Der letzte Tarifabschluss erfolgte 2013 mit einer Lohnerhöhung von 3,2 Prozent zum 1. Juni 2013 und weiteren 2,8 Prozent zum 1. Juni 2014 bei einer Laufzeit von 24 Monaten. VV FACHBEREICH VERKEHR 01 | 2015 JUGEND 7 FOTOS (3): ver.di Wir sind dran Novellierung Berufsbildungsgesetz Nur alle fünf bis zehn Jahre bietet sich die Gelegenheit für ein neues Berufsbildungsgesetz (BBiG) und in 2015 ist es wieder soweit. Das ist unsere Chance: Wir möchten als ver.di Jugend aktiv an der Erneue rung des BBiG mitwirken, Fehler aus der letzten Novellierung korrigieren und fehlende Aspekte neu aufneh men. Unsere konkreten Positionen haben wir hier für Euch zusammen getragen. Das Berufsbildungsrecht wurde 1969 zum ersten Mal bundesein heitlich und umfassend durch das Berufsbildungsgesetz (BBiG) gere gelt. In der Zeit von 2002 bis 2005 wurde das BBiG zuletzt grundle gend novelliert, sozusagen neu auf gesetzt, es blieb aber dennoch in seinem Grundkonzept unverändert. Bis 2016 soll es nun eine weitere Überarbeitung geben. CDU/CSU und SPD sprechen in diesem Zusammenhang von einer „Stärkung und Modernisierung der dualen Ausbildung“ – unter ande rem eben durch die geplante An passung des BBiG, wobei vor allem folgende Aspekte im Fokus stehen: höhere Durchlässigkeit bessere Ausbildungsqualität strukturierter gestufte Ausbildungen Bildung von Berufsfamilien Sicherung des Ehrenamtes in den Prüfungsgremien Für die Erneuerung ist das Bun desministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zuständig, das selbst keine umfangreiche Novellie rung im Sinn hat. Der Gesetzge bungsprozess soll bis 2016 abge schlossen sein. Um als ver.di Jugend unsere For derungen zum neuen BBiG mög lichst präzise zu formulieren, haben wir alle relevanten Jugendgremien informiert und mit ihnen diskutiert. 5 1 0 2 n e d n u r f i r Ta tlich streiken? Dürfen Azubis eigen In Tarifrunden geht es auch um wichtige Verbesserungen für Auszubildende. Doch wie sieht es aus, wenn Arbeitgeber keine Kompromisse eingehen wollen? Dürft ihr als Auszubildende überhaupt streiken? Und deswegen in der Berufsschule fehlen? Ganz klar: JA! Hier für Euch die wichtigsten Fakten zum Streikrecht für Auszubildende. Verhandeln ist gut, handeln ist besser: Wenn Tarifverhandlungen und Schlich tungsrunde gescheitert sind, bleibt nur der gemeinsame Arbeitskampf! Der Streik ist unsere schärfste Waffe im Kampf für bessere Arbeits- und damit auch Lebensbedingungen. Denn indem wir unsere Arbeitskraft zurückhalten, schwächen wir Umsätze und Gewinne der Arbeitgeber – und treffen sie damit an ihrer empfindlichsten Stelle. Dem Management passt das freilich überhaupt nicht, also verdrehen Unter nehmen gerne die Realität und verbrei ten Falschaussagen zum angeblichen Streikverbot für Auszubildende. Wir räumen auf, hier sind fünf Richtigstel lungen zum Streikrecht: Auszubildende dürfen generell nicht streiken! FALSCH! In Deutschland ist das Streik recht im Grundgesetz verankert. Es ist also ein Grundrecht und steht damit auch Auszubildenden zu. In der Praxis heißt das: Wenn es in der Tarifauseinan dersetzung auch um Ausbildungsbedin gungen wie zum Beispiel Ausbildungs zeiten, Ausbildungsvergütungen oder um die Übernahme geht, dürfen Auszu bildende auf jeden Fall streiken! Auszubildende sind keine Arbeitnehmer und dürfen deshalb auch nicht streiken! FALSCH! Alle Arbeiter/-innen und An gestellte sind nach dem Gesetz Arbeitnehmer/-innen, einschließlich der für ihre Berufsausbildung Beschäftig Frisch gewählt: ITF Jugend Lenkungsausschuss nimmt Arbeit auf Im Dezember 2014 fand in Danzig die erste Sitzung des beim ITF-Kongress ge wählten ITF Jugendlenkungsausschus ses statt. Die Mitglieder berieten über die inhaltliche Aufstellung für die nächsten Jahre. Zu den Schwerpunkt themen gehören unter anderem Maß nahmen gegen den Klimawandel, Stär kung der Vernetzung von jungen Gewerkschaftsaktiven im Verkehrssek tor weltweit und Gleichstellungspolitik. Aus aktuellem Anlass erklärten sich die Anwesenden solidarisch mit den Beschäftigten von Delta Airlines und den Streikenden bei Amazon in Deutsch land. Abgerundet wurde die Sitzung mit dem Besuch des erst 2014 eröffneten Europäischen Zentrums für Solidarität (ECS), in dem die Geschichte der Soli darnosc und die Wichtigkeit gewerk schaftlichen Engagements eindrücklich verdeutlicht wurde. ten. Das grundgesetzlich verankerte Streikrecht gilt auch für Auszubildende. Auszubildende dürfen an Berufsschultagen nicht streiken! FALSCH! Streik geht vor Berufsschule, denn das Streikrecht wurde vom Ge setzgeber höher eingestuft als die Berufsschulpflicht. Diese ist für die Dau er der Streikteilnahme somit ausge setzt. Das Fehlen von Auszubildenden aufgrund ihrer Streikteilnahme gilt als entschuldigt und auch das Ausbildungs ziel ist dadurch keinesfalls gefährdet. Um unnötigen Ärger zu vermeiden: Sagt Eurer Berufsschule vorher Bescheid, dass ihr wegen eurer Teilnahme am Streik im entsprechenden Zeitraum nicht am Unterricht teilnehmen werdet. Für die Beteiligung an (Warn-) Streiks können Auszubildende abgemahnt werden! FALSCH! Dazu ist kein Arbeitgeber be rechtigt. Sollte ein Arbeitgeber dennoch eine Abmahnung, eine Rüge oder eine Eintragung in die Personalakte vorneh men, wird jedes Arbeitsgericht eine solche Maßnahme umgehend für nich tig erklären. stärke ab. Und warum solltet ihr Mit glieder bei ver.di werden? Weil es sich immer für euch lohnt: Als Mitglieder bestimmt ihr von Anfang an mit, was in den Tarifrun den verhandelt wird und ob gegebe nenfalls gestreikt wird. Nur Mitglieder haben einen Rechts anspruch auf tarifvertragliche Leis tungen wie zum Beispiel höhere Aus bildungsvergütungen, mehr Urlaub, Sonderzahlungen oder Übernahme regelungen. Alle Nicht-Mitglieder sind vom Wohlwollen des Arbeitge bers abhängig. Im Streikfall bekommt ihr als Mit glieder eine finanzielle Streikunter stützung. Sollte der Arbeitgeber wegen des Streiks Disziplinarmaßnahmen ge gen euch ergreifen, genießt ihr als Mitglied den kostenlosen Rechts schutz von ver.di. Und was noch? Jede Menge weitere Vorteile: ein umfangreiches kosten loses Fortbildungsprogramm, ein vielfältiges Beratungsangebot, zahl reiche Vergünstigungen, jede Menge coole Events und vieles mehr. FAZIT: Ihr habt nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen! Tarifauseinanderset zungen sind immer ein Kräftemessen zwischen Arbeitgebern und Beschäftig ten. Doch warum sollten die Arbeitge ber nachgeben, wenn wir nicht deutlich sichtbar hinter unseren Forderungen stehen? Eben – je stärker und geschlossener wir als Beschäftigte auftreten, je mehr Druck wir durch unsere Aktionen bis hin zu Streiks aufbauen, desto besser wird es uns gelingen, unsere Forderun gen gegenüber den Arbeitgebern durch zusetzen. Dasselbe gilt natürlich auch für euch als Auszubildende: Wenn eure Interes sen in der Tarifrunde berücksichtigt werden sollen, müsst ihr euch aktiv am Streik beteiligen! Keine Gewerkschaft der Welt kann Verbesserungen für Leute erreichen, die sich nicht dafür einset zen. Also Leute: Mischt euch ein, macht bei uns mit und nutzt eure Rechte. Für bessere Ausbildungsbedingungen – es geht um eure Zukunft! Wenn die Beschäftigten streiken, müssen die Auszubildenden dafür sorgen, dass die Arbeit weiter verrichtet wird! FALSCH! Auszubildende dürfen nicht als Streikbrecher/-innen missbraucht werden. Ein derart unsolidarisches Ver halten gegenüber den Beschäftigten kann niemand von den Auszubildenden verlangen. Außerdem ist in diesem Fall auch die notwendige sorgfältige Anlei tung durch den Ausbilder oder die Ausbilderin nicht mehr gewährleistet. Wozu gleich Mitglied werden? Wie erfolgreich eine Gewerkschaft in Tarifauseinandersetzungen ist, hängt ganz wesentlich von ihrer Mitglieder FOTO: PRIVAT An dieser Stelle befragen wir Aktive der Fachbereichsjugend zu aktuellen Themen. Diesmal spricht der Verkehrsreport mit Lisa Gneiße (Aktive der ver.diFachbereichsjugend und Betriebsrätin bei der Bremer Straßenbahn AG) über Organisationswahlen in ver.di. Derzeit finden in ver.di die Organisationswahlen statt. Was verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff? Lisa Gneiße | Im Rahmen der Orga nisationswahlen werden von den Mitgliedern inhaltliche Schwerpunkte und Arbeitsfelder für die nächsten vier Jahre diskutiert und beschlossen. Außerdem werden die Delegierten für die vielen verschiedenen ver.di-Gre mien und Ämter gewählt. Über Mona te finden dafür in den Fachbereichen und auf den unterschiedlichen Ebe nen Konferenzen und Versammlun gen statt. Ein Highlight dabei ist natürlich der Bundeskongress. Konferenzen, Kongresse… Ist das nicht langweilig? Lisa Gneiße | Ich finde, es ist ein höchst demokratischer Prozess. In einer so vielfältigen Institution wie ver.di über die Schwerpunkte und p olitischen Positionen zu diskutieren, erlebe ich als spannend. Dabei wird besonders deutlich, wie die oft be schriebene ver.di-Matrix praktisch funktioniert. Denn die Anträge wer den nicht „von oben“ vorgegeben, sondern in den Bezirken, Personen gruppen und Fachbereichen erstellt und über die entsprechenden Konfe renzen durch die ehrenamtlichen Mitglieder beschlossen. Und eins ist klar: Die Diskussionen und Antrags beratungen sind nicht selten intensiv und bewegend. Du hast gerade die Personengruppen erwähnt. Gibt es etwas, das bei den Jugendkonferenzen und -delegationen Deiner Meinung nach bemerkenswert ist? Lisa Gneiße | Zuerst einmal ist es bemerkenswert, dass sich junge Men schen in dieser Institution und auch an den Organisationswahlen beteili gen. Besonders toll sind aus meiner Sicht aber die starke inhaltliche Posi tionierung der ver.di Jugend, die auch nächtelange Antragsberatung nicht ausschließt, und der frische Wind, den die junge Generation in diese Institu tion bringt. Da sind die Aktionen vor, nach oder während Konferenzen ge nauso wie die ver.di Jugend selbst: stark, bunt, laut! 8 PA N O R A M A FACHBEREICH VERKEHR 01 | 2015 Equal Pay Day 2015 Mehr Gehaltstransparenz in den Betrieben! Über Geld spricht man nicht … und wer es tut, stört den Betriebsfrieden? Um dieses große Tabu dreht sich der Equal Pay Day 2015. Transparente Bewertungsverfahren und Vergütungsstrukturen in Unternehmen sind eine zentrale Voraussetzung, um die Lohnlücke von aktuell immer noch 22 Prozent zwischen den Geschlechtern zu schließen. Nur wenn Frauen und Männer gleichermaßen wissen, was innerhalb ihres Unternehmens oder ihrer Branche in vergleichbarer Position verdient wird, können sie die eigenen Gehaltsforderungen überzeugend vertreten. Zudem müssen Arbeitgeber dann die Gehaltsunterschiede begründen. „Spiel mit offenen Karten: Was verdienen Frauen und Männer?“, lautet deshalb das Motto der Kampagne zum Equal Pay Day 2015. Der Tag fällt dieses Jahr auf den 20. März, das ist jeweils der Tag, bis zu dem Frauen im Vergleich zu den Männern umsonst arbeiten. Am 5. November 2014 hatte Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig gemeinsam mit dem Forum Equal Pay Day, das von den Business and Professional Women (BPW) Germany getragen wird, die Kampagne 2015 eingeläutet. „Über Geld spricht man doch, denn das sorgt beim Gehaltspoker für eine gewisse Fairness“, so Henrike von Platen, Präsidentin BPW Germany. „Unser Ziel muss es FOTOS (2): INGA HAAR sein, die geltenden Regeln so zu verändern, dass Frauen gewinnen können. Eine undurchsichtige Spielanordnung verfestige nicht nur Rollenmuster, sondern führe auch dazu, dass Frauen in Verhandlungen den Wert ihrer Leistung meist niedriger einordnen als Männer. Gehaltstransparenz ist Augenhöhe! Für die Bundesregierung sei die Schließung der Lohnlücke ein besonderes An liegen, betonte Manuela Schwesig. „Im Betrieb müssen Gehaltsstrukturen und Bewertungskriterien offen gelegt werden. Mir liegt daran, dass es bei der Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit fair und offen zugeht. Zu einem Spiel mit offenen Karten in den Unternehmen will ich durch Transparenzregelungen im Rahmen eines Entgeltgleichheitsgesetzes beitragen“, erklärte Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig. In Österreich müssen Unternehmen seit 2011 Einkommensberichte vorlegen und bei Stellenausschreibungen Gehaltsangaben machen. Die Widerstände der Wirtschaft gegen Transparenz bei der Bezahlung waren hartnäckig. Die gesetzlichen Verpflichtungen haben aber das Bewusstsein und die Verantwortung der Betriebe für geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Bezahlung gestärkt. „Das Tabu, über das Gehalt zu reden, wurde zumin- dest aufgebrochen“, so Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen und Familie in der Arbeiterkammer Wien. ver.di und die Frauenvertreterinnen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) rufen dazu auf, an der Kundgebung zum Equal Pay Day teilzunehmen: Am 20. März von 12.00 bis 13.00 Uhr auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor sprechen unter anderem Mona Küppers, stv. Vorsitzende des Deutschen Frauenrates sowie Manuela Schwesig, Bundesministerin Familien, SoziUCB ales, Frauen und Jugend. Informationen: www.equalpayday.de Zukunft der ÖPNV-Finanzierung Betriebsrätekonferenz in Halle/Saale auf der Suche nach Lösungen FOTOS (5): ver.di Die Frage ist brisant: Wie wird sichergestellt, dass in Flächenländern wie Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen weiterhin Mittel für einen leistungsfähigen, an den Bedürfnissen der Fahrgäste und der Beschäftigten orientierten ÖPNV zur Verfügung stehen werden? So brisant, dass der Fachbereich Verkehr des ver.di-Landesbezirks SAT unter der Ägide von Landesfachbereichs leiter Gerd Doepelheuer am 11./12. Februar eine Konferenz dazu organisiert hatte. Rund 70 Betriebsräte aus Verkehrsbetrieben der drei Bundesländer waren gekommen, um das Thema zu diskutieren. Mit dabei waren Vertreter der großen Stadtverkehrsbetriebe – Dresden, Halle, Leipzig, Dessau, Magdeburg, Gera, Jena – und aus den Regionalverkehrs betrieben der Landkreise. Erörtert wurde die Finanzierung des ÖPNV auf Bundesebene, aber auch auf Ebene der drei Länder und der Kommunen. Steffen Lehmann, Geschäftsführer beim Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) (Leipzig, Halle und umliegende Landkreise), stellte eine Studie zur finanziellen Misere des ÖPNV vor. In den letzten Jahren konnten zwar mehr Fahrgäste gewonnen werden, dennoch sei das System ohne zusätzliche Finanzierungen nicht mehr haltbar. „Wir leben von der Substanz“, so Lehmann. Er stellte einige mögliche Finanzierungsquellen zur Diskussion, die in anderen Ländern – beispielsweise in Frankreich – erhoben werden: Finanzierungen des ÖPNV durch ortsansässige Firmen, die vom ÖPNV profitieren; Bürger-Tickets bzw. ÖPNV-Abgaben bei der Erschließung von Wohngebieten. Auch eine Citymaut, höhere kommunale Mittel oder eine Angebotsoffensive brachte er ins Spiel. Da sich die Situation des MDV auf alle ÖPNV-Verkehrsgebiete in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen übertragen lässt, entbrannte über Lehmanns Vorschläge eine intensive Debatte. „Wir präferieren keinen dieser Vorschläge“, so Doepelheuer. Aber man sehe das Gutachten als Chance, in einen verstärkten gesellschaftlichen Dialog einzusteigen: Wie viel und welchen ÖPNV brauchen wir, wie und von wem kann er bezahlt werden? Naturgemäß lagen den Betriebsräten vor allem die Beschäftigten am Herzen, da die Restrukturierungen seit 1995 vorwiegend auf den Rücken der Kollegen ausgetragen worden waren: Über Lohnverzichte, Arbeitsplatzabbau und Arbeitsverdichtung bei den Kolleg/-innen konnten Dienstplanwirkungsgrade von 97 Prozent erzielt werden. Nun sei die Politik in der Pflicht, den ÖPNV ausreichend zu finanzieren. Auf Bund, Länder und Kommunen müsse man starken Einfluss nehmen, damit der ÖPNV nicht gegen die Wand fährt! Doepelheuer freute sich, dass Stefan Brangs (SPD), neuer sächsischer Wirtschafts- und Verkehrsstaatssekretär und ehemaliger ver.di-Funktionär sowie Ver treter der Verkehrsministerien in Sachsen- Anhalt und Thüringen der Einladung gefolgt waren: „Wir wollen den Bund, die drei Landesregierungen und die Öffent lichkeit dafür sensibilisieren, dass bei Regionalisierungsmitteln, beim Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und den Entflechtungsmitteln rasch gehandelt werden muss. Dasselbe gilt in Sachen Infrastruktur.“ Im Bundesfinanzministerium wird derweil eine Streichung der Entflechtungsmittel nach 2019 erwogen. „Das beunruhigt uns sehr“, so Doepelheuer. Sollte das tatsächlich eintreffen, müssten die Kommunen sämtliche Investitionen in den ÖPNV allein tragen – und das bei einem stetig anwachsenden Investitionsrückstand! Das hätte nicht nur negative Auswirkungen auf Trassen, Fahrzeuge und Haltestellen, sondern auch auf die ohnehin belastenden Arbeitsbedingungen der Be- schäftigten. Ihre Arbeitsplätze gerieten in akute Gefahr! Staatssekretär Brangs habe in Halle gesagt, dass er sich auf die Regionalisierungsmittel-Verhandlungen konzentrieren will. Er meinte, es bringe nichts, immer wieder in das Thema Entflechtungsmittel einzusteigen. „Ich hoffe, dass er nicht Recht behält“, so der Landesbezirksfachbereichsleiter weiter. „Wir wollen über das Jahr mit Aktionen auf die prekäre Situation des ÖPNV hinweisen“, sagt Doepelheuer. Für den Juni plane man erste Aktionen in den drei Landeshauptstädten, um gemeinsam mit den Unternehmen die Kommunalpolitik, aber auch die Bundestagsabgeordneten der Länder und die Oberbürgermeister für das UCB Problem sensibilisieren. DIE MITGLIEDER-WERBEAKTION 2015 SEI EINFACH EIN GUTER GEWINNER! Im Aktionszeitraum vom 1. April bis 31. Juli 2015 Mitglieder werben und gewinnen! Aktionsmaterial bestellen und mehr erfahren unter www.starkmitdir.verdi.de
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