Bevölkerungsvorausschätzung für Hessen und seine Regionen

Bevölkerungsvorausschätzung für Hessen und seine Regionen
als Grundlage der Landesentwicklungsplanung
Wichtige Ergebnisse im Überblick
Uwe van den Busch
Wiesbaden, im März 2015
Eine Veröffentlichung der
HA Hessen Agentur GmbH
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Erstellt für das Hessische Ministerium für
Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
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65185 Wiesbaden
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Die Untersuchung steht im Internet zum Download zur Verfügung.
Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Belegexemplar erbeten.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Bevölkerungsvorausschätzung für Hessen und seine Regionen
als Grundlage der Landesentwicklungsplanung
Wichtige Ergebnisse im Überblick
Inhalt
Perspektiven der Bevölkerungsentwicklung bis 2030/2050
1 1 1 Ausgangsbasis
1.1 Einwohnerzahl in Hessen nach dem Zensus fast 100.000 niedriger 1 1.2 Zuzüge aus Süd- und Osteuropa sowie Zunahme bei Asylbewerbern
2 2 Ergebnisse der Bevölkerungsvorausschätzung
3 2.1
Bevölkerungsentwicklung in Hessen insgesamt
3 2.2
Überblick über zu erwartende altersstrukturelle Veränderungen
4
2.3
Entwicklung von Geburten und Sterbefällen
6 2.4
Regionale Bevölkerungsentwicklung
7 Methodik und Annahmen
13 Modellaufbau
13 Annahmen zu Geburten, Sterbefällen und zum Wanderungsverhalten
13 HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Perspektiven der Bevölkerungsentwicklung bis 2030/2050
1
Ausgangsbasis
Die bisher in Hessen für die Landesentwicklungsplanung verwendete
Bevölkerungsvorausschätzung wurde im Jahr 2010 erstellt und basierte auf den amtlichen Einwohnerzahlen bis zum Jahr 2009. Sowohl
die Zensuserhebung im Mai 2011, wonach in Hessen knapp 100.000
Personen weniger ihren Wohnsitz hatten, als auch die seitdem deutlich angestiegenen Wanderungsgewinne unterstreichen die Notwendigkeit einer Aktualisierung dieser Datengrundlage.
1.1
Einwohnerzahl in Hessen nach dem Zensus fast 100.000
niedriger
Primäres Ziel des im Mai 2011 durchgeführten Zensus ist die Ermittlung einer amtlichen Einwohnerzahl für Deutschland und seine Regionen. Der Zensus ersetzt die Fortschreibungsergebnisse der Volkszählung aus dem Jahr 1987 und bildet die neue Basis z. B. für den
Länderfinanzausgleich, die Einteilung der Bundestagswahlkreise, die
Stimmenverteilung der Bundesländer im Bundesrat oder die Sitze
Deutschlands im Europaparlament. Darüber hinaus stellt der Zensus
auch für die zahlreichen Aufgaben der Kommunalpolitik wieder aktuelle Zahlen zur Bevölkerung, zum Erwerbsleben und zur Wohnsituation bereit, um z. B. planen zu können, wie viele Kindergärten, Schulen oder Seniorenwohnheime zukünftig benötigt werden.
Ausgehend von den Ergebnissen des Zensus lebten in Hessen am
Jahresende 2011 knapp 6 Mio. Menschen (5.993.777) und damit fast
100.000 weniger als nach der Fortschreibung der Volkzählungsergebnisse von 1987. Dies entspricht einer relativen Korrektur von
-1,6 %. In Deutschland insgesamt wurde die Einwohnerzahl noch etwas stärker um -1,9 % angepasst, statt bisher 81,8 Mio. lautet die
Einwohnerzahl der Bundesrepublik zum Jahresende 2011 nun offiziell 80,3 Mio. Einwohner.
In den hessischen Städten und Gemeinden fielen die Zensus bedingten Änderungen der Einwohnerzahlen höchst unterschiedlich aus.
Am stärksten ist der Einwohnerschwund in allen kreisfreien Städten
sowie in den beiden Universitätsstädten Marburg und Gießen. Die mit
Abstand größte relative Korrektur entfällt dabei mit -11 % auf die
1
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Stadt Marburg, deren Einwohnerzahl am Jahresende 2011 von
81.000 auf 72.000 korrigiert wird. Durch den Zensus werden aber
nicht nur Anpassungen nach unten vorgenommen, sondern in rund
40 % aller 426 hessischen Kommunen erfolgt eine Anhebung der Einwohnerzahl. Den absolut größten Zuwachs hatte die Stadt Haiger, in
der zum Jahresende 2011 nach dem Zensus 19.600 statt vorher
19.000 Einwohner gezählt wurden.
1.2
Zuzüge aus Süd- und Osteuropa sowie Zunahme bei
Asylbewerbern
Hessen verzeichnet seit dem Jahr 2011 hohe Wanderungsgewinne
von jährlich über 30.000 Personen. Wie eine detaillierte Analyse der
Wanderungsbewegungen in Hessen zeigt, sind hierfür vor allem Zuzüge aus den süd- und osteuropäischen Ländern ursächlich. So wandern infolge der anhaltenden Wirtschaftsflaute wieder deutlich mehr
Menschen aus Italien, Spanien und Griechenland nach Hessen. Zahlenmäßig noch bedeutsamer sind allerdings die Zuzüge aus Polen,
Rumänien und Bulgarien.1 Insgesamt kommen fast drei Viertel der
aus dem Ausland per Saldo nach Hessen zugewanderten Personen
aus Europa.
Im Vergleich zu diesen überwiegend Arbeitsplatz motivierten innereuropäischen Wanderungsbewegungen fallen die Asylbewerberzahlen relativ gering aus. So lebten in Hessen am Ende des Jahres
2013 insgesamt knapp 15.000 Empfänger von Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz. Das waren etwa 3.500 Empfänger
mehr als Ende 2012. Zum Vergleich dazu war die Zahl der Empfänger
z. B. im Jahr 1997 mit über 53.000 um ein Vielfaches höher. Nach
den bisher vorliegenden Daten wanderten im 1. Quartal 2014 per
Saldo insgesamt gut 1.700 Personen aus den Kriegs- und Krisengebieten Asiens und Afrikas – Syrien, Pakistan und Afghanistan sowie
Eritrea und Somalia – nach Hessen. Im Vergleich dazu betrug das
Plus mit den europäischen Staaten im gleichen Zeitraum knapp 8.000
Menschen, fast fünfmal so viel.
1 Uwe van den Busch: „Beitrag von Wanderungen zur Abmilderung der Fachkräfteknappheit – Analyse der Wanderungsbewegungen in Hessen und seinen Regionen von 2000 bis 2012“, HA-Report Nr. 866, Wiesbaden 2014.
2
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
2
Ergebnisse der Bevölkerungsvorausschätzung
2.1
Bevölkerungsentwicklung in Hessen insgesamt
Am Ende des Jahres 2013 lebten in Hessen insgesamt 6.045.500
Einwohner. Bis zum Jahr 2019 wird ein leichter Zuwachs in Höhe von
knapp 70.000 bzw. 1,1 % auf den Maximalwert von dann 6.114.000
Einwohnern erwartet. Danach dürfte die Einwohnerzahl kontinuierlich
sinken, auf 6.038.000 bis zum Jahresende 2030 und auf 5.689.000
am Ende des Jahres 2050. Dabei entspricht das Verlaufsmuster der
aktuellen Bevölkerungsentwicklung ab dem Jahr 2020 weitgehend
dem der vorangegangenen Bevölkerungsvorausschätzung, die zum
Vergleich leicht gestichelt ebenfalls in der Abbildung wiedergegeben
wird.2
Bevölkerungsentwicklung in Hessen von 1970 bis 2050
Quelle: HSL (Bevölkerung: Amtliches Ist); Hessen Agentur (Vorausschätzung: Projektion und Trend).
2 Das Niveau der neuen Vorausschätzung übersteigt allerdings das der alten z.B. im Jahr 2020 um knapp 100.000
Personen und dieser Vorsprung erhöht sich aufgrund der nun angenommenen höheren Wanderungsgewinne
dann bis zum Jahr 2050 auf knapp 160.000 Personen. Von diesem Plus gegenüber der alten Vorausschätzung
profitieren alle drei Regierungsbezirke, wenn auch in unterschiedlichem Maße: Regierungsbezirk Darmstadt
(Plus von rund 100.000); Regierungsbezirk Gießen (Plus von knapp 30.000); Regierungsbezirk Kassel (Plus
von rund 30.000).
3
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
2.2
Überblick über zu erwartende altersstrukturelle Veränderungen
Weit dynamischer als bei der Bevölkerung insgesamt wird die zukünftige Entwicklung in den einzelnen Altersgruppen verlaufen. So werden sich bei einer insgesamt rückläufigen Bevölkerungszahl langfristig die Anteile der Bevölkerungsgruppen unter 60 Jahren deutlich verringern, wohingegen die relative Bedeutung als auch die absolute
Zahl der über 60-Jährigen und dabei insbesondere der über 80-Jährigen stark ansteigen wird.
Die altersstrukturelle Zusammensetzung der Bevölkerung im Zeitverlauf
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt; Bevölkerungsvorausschätzung der Hessen Agentur (Werte ab 2014).
Im Einzelnen wird der Anteil der Jugendlichen unter 20 Jahren von
19 % im Basisjahr 2013 auf 16 % im Jahr 2050 sinken. Ähnlich stark
dürfte sich der Anteil der Altersgruppe der 20- bis unter 40-Jährigen
verringern, von 24 % im Jahr 2013 auf 21 % im Jahr 2050. Am relativ
stärksten wird sich der Rückgang bei den 40- bis unter 60-Jährigen
auswirken. Zu dieser Altersgruppe zählen gegenwärtig die geburtenstarken Jahrgänge der Mitte der 1950er bis etwa Mitte der 1960er
Geborenen. Im Basisjahr 2013 lag der Anteil dieser Gruppe an der
Gesamtbevölkerung noch bei 31 %, bis 2050 ist ein kontinuierlicher
Bedeutungsrückgang auf 25 % zu erwarten.
4
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Der Anteil der Gruppe der 60- bis unter 80-Jährigen, der gegenwärtig
bei 21 % liegt, wird 2030 den relativ höchsten Wert von 27 % erreichen und danach wieder sinken. Noch deutlich stärker wächst die
Zahl hoch betagter Menschen ab 80 Jahren. Zu dieser Bevölkerungsgruppe zählen gegenwärtig 320.000 Menschen bzw. 5 % der hessischen Bevölkerung. Bereits 2030 werden es etwa 460.000 Menschen
bzw. 8 % und im Jahr 2050 sogar fast 800.000 Menschen bzw. über
14 % sein. Die skizzierte Dynamik zwischen den Altersgruppen ist
primär auf den Geburtenanstieg von Mitte der 1950er bis Mitte der
1960er Jahre und den anschließenden Geburtenrückgang, der im
Jahr 1978 seinen bisherigen Tiefpunkt erreicht hat, zurückzuführen.
Die folgende Abbildung zeigt den Aufbau der hessischen Bevölkerung im Jahr 1990 (schwarze Linie), im Basisjahr 2013 (grüne Balken
für Männer und lila Balken für Frauen) und für die zukünftigen Jahre
2030 (blaue Linie) und 2050 (rote Linie).
Alters- und geschlechtsspezifische Zusammensetzung der hessischen Bevölkerung
1990
2013
2030
2050
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt; Bevölkerungsvorausschätzung der Hessen Agentur (Werte ab 2014).
5
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Deutlich wird dabei, wie der „Geburtenberg“ über die Zeit hinweg mit
einem ausgeprägten wellenförmigen Bewegungsablauf altert. Er
wandert im Zeitablauf durch die einzelnen Altersgruppen: So lag die
Spitze dieses Berges Anfang der 1970er beispielsweise bei der Altersgruppe der 6- bis unter 10-Jährigen. Anfang der 1990er bildete
die Gruppe der jungen Erwachsenen die mit Abstand am stärksten
besetzten Altersjahrgänge. Im Basisjahr 2013 waren die Babyboomer
um die 50 Jahre alt und um das Jahr 2030 wird die Spitze dann die
Altersgruppe der 65-Jährigen erreichen. Am Ende des Betrachtungszeitraums werden alle „Babyboomer“ zu den Hochbetagten zählen.
2.3
Entwicklung von Geburten und Sterbefällen
Der in den 1990er Jahren zu beobachtende signifikante Anstieg der
Geburten ist ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre nun selbst wieder Kinder bekamen. Dies wird auch als sekundärer Geburtenberg bezeichnet. So
wurden z. B. im Jahr 1990 in Hessen rund 62.000 Kinder geboren, im
Jahr 2013 waren es im Vergleich dazu rund 52.000.3
Das zumindest vorübergehende Ansteigen der Geburtenzahlen von
Mitte der 1980er Jahre bis Mitte der 1990er Jahre lässt etwa um das
Jahr 2020 abermals eine vorübergehende Stabilisierung der Geburtenzahlen erwarten, was als 3. Welle der Babyboomer bezeichnet
werden könnte. Eine Trendumkehr mit wieder ansteigender Geburtenhäufigkeit ist jedoch aus der Entwicklung der letzten Jahre und
Jahrzehnte nicht erkennbar.
Da sich in den kommenden Jahrzehnten wie gezeigt die Altersstruktur der Bevölkerung zunehmend zugunsten der älteren Jahrgänge
verändert, wird trotz einer weiter steigenden Lebenserwartung die
Zahl der Sterbefälle stetig zunehmen. Weil gleichzeitig mit einem weiteren Geburtenrückgang zu rechnen ist, wird sich das Geburtendefizit
(Geburten minus Sterbefälle) von rund 11.700 im Jahr 2013 auf
23.500 im Jahr 2030 und auf 33.600 Personen im Jahr 2050 erhöhen.
3 Die damals hohe Zahl der Geburten war allerdings nicht auf einen Anstieg der Geburtenrate zurückzuführen.
Damals bekamen 100 Frauen im Durchschnitt 140 Kinder, genauso viele wie dies heute der Fall ist. Im Jahr
1990 lebten in Hessen allerdings rund 970.000. Frauen im gebärfähigen Alter zwischen 18 und 40 Jahren. Die
entsprechende Zahl für das Jahr 2013 lautet knapp 800.000 bzw. fast ein Fünftel weniger.
6
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Langfristige Entwicklung der Geburten und Sterbefälle
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt; Bevölkerungsvorausschätzung der Hessen Agentur (Werte ab 2014).
2.4
Regionale Bevölkerungsentwicklung
Bei regionaler Betrachtung wird sich die Bevölkerung in den hessischen Regierungsbezirken in den kommenden Jahren sehr unterschiedlich entwickeln: So ist im Regierungsbezirk Darmstadt mit einer
weiteren deutlichen Zunahme der Bevölkerung zu rechnen. Im Jahr
2030 werden in Südhessen über 3,9 Mio. Einwohnern und damit
100.000 Menschen mehr leben als heute. Danach setzt auch in Südhessen ein Schrumpfungsprozess ein, der bis zum Jahr 2050 anhält.
Aber auch dann werden im Vergleich zu heute noch etwas mehr Menschen im Regierungsbezirk Darmstadt leben. Insgesamt konzentriert
sich der Bevölkerungszuwachs innerhalb des Regierungsbezirks
Darmstadt – wie noch detaillierter gezeigt wird – vor allem auf die
großen Städte. In den Modellrechnungen wurde dabei die Verfügbarkeit von Wohnflächen mit berücksichtigt.
7
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Bevölkerungsentwicklung in Hessen und den Regierungsbezirken von 2013 bis 2030 bzw. bis 2050
Hessen
Amtliches Ist:
31.12.2013
RB Darmstadt
RB Gießen
RB Kassel
6.045
- alle Angaben in 1.000 3.822
1.023
1.200
Projektion:
31.12.2020
31.12.2030
Trend:
6.114
6.038
3.913
3.923
1.021
993
1.179
1.121
31.12.2040
31.12.2050
5.888
5.689
3.890
3.832
949
892
1.049
965
-8
-349
-356
101
-91
10
-30
-101
-131
-78
-156
-235
Veränderung (absolut)
2013-2030
2030-2050
2013-2050
- alle folgenden Angaben in % -
Veränderung (relativ)
2013-2030
2030-2050
2013-2050
-0,1%
-5,8%
-5,9%
2,6%
-2,3%
0,3%
-2,9%
-10,2%
-12,9%
Quelle: HSL (Amtliches Ist); Bevölkerungsvorausschätzung der Hessen Agentur (Projektion und Trend).
Wenn sich die regionalen Entwicklungsmuster der vergangenen
Jahre so weiter fortsetzen, wie dies auch in den Status-quo-Modellrechnungen zugrundgelegt wurde, nimmt die Einwohnerzahl in Mittelund insbesondere in Nordhessen zukünftig weiter ab. So ist langfristig bis zum Jahr 2050 für den Regierungsbezirk Kassel ein Bevölkerungsrückgang von absolut 235.000 bzw. fast 20 % und für den Regierungsbezirk Gießen von absolut 131.000 bzw. 13 % zu erwarten.
8
-6,5%
-13,9%
-19,6%
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Bevölkerungsentwicklung in Hessen und seinen Regierungsbezirken von 2013 bis 2050
(Basisjahr 2013)
Quelle: Bevölkerungsvorausschätzung der Hessen Agentur.
Mit Blick auf die Landkreise und kreisfreien Städte steigt bis zum Jahr
2030 die Einwohnerzahl in allen kreisfreien Städten so auch in Kassel
weiter an. Den höchsten Bevölkerungszuwachs wird in dieser Zeit die
Stadt Darmstadt mit +6 % haben, aber auch für Frankfurt am Main,
Wiesbaden und Offenbach ist ein Zuwachs von rund 5 % in den kommenden 15 Jahren zu erwarten. Der Zuwachs der Stadt Kassel beziffert sich auf etwa +3 %, so dass im Jahr 2030 rund 200.000 Menschen in der nordhessischen Großstadt leben dürften.
Außer den großen hessischen Städten weisen auch deren unmittelbare Umlandkreise relativ hohe Bevölkerungszuwächse auf. Mit Ausnahme der Landkreise Gießen und Marburg-Biedenkopf ist in allen
anderen mittel- und insbesondere nordhessischen Landkreisen mit
zum Teil erheblichen Bevölkerungsrückgängen zu rechnen. Am relativ stärksten betroffen ist der Werra-Meißner-Kreis, für den bis zum
Jahr 2030 ein Bevölkerungsverlust in Höhe von fast 13.000 bzw.
-12,6 % geschätzt wird, gefolgt vom Vogelsbergkreis mit einem Rückgang von 11.000 Einwohnern, dies entspricht -10,2 % der heutigen
Wohnbevölkerung. Einen Überblick zu den absoluten und relativen
Veränderungen gibt die folgende Tabelle. Anschließend sind die zu
9
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
erwartenden Änderungen im Bevölkerungsbestand für die Zeiträume
2013 bis 2030 und 2013 bis 2050 kartografisch aufbereitet.
Bevölkerungsentwicklung in den hessischen Landkreisen und kreisfreien Städten
Bevölkerungsbestand
zum 31.12. …
Veränderung im Zeitraum …
2000-
2013
2030
Darmstadt, St.
Frankfurt am Main, St.
Offenbach am Main, St.
Wiesbaden, St.
LK Bergstraße
LK Darmstadt-Dieburg
LK Groß-Gerau
Hochtaunuskreis
Main-Kinzig-Kreis
Main-Taunus-Kreis
Odenwaldkreis
LK Offenbach
Rheingau-Taunus-Kreis
Wetteraukreis
Reg.-Bez. Darmstadt
149,7
701,4
119,2
273,9
262,3
285,4
257,3
229,2
405,0
228,0
96,2
338,3
181,2
295,4
3.822,5
158,9
738,9
124,8
288,4
261,5
286,1
268,3
234,1
407,5
236,1
94,0
346,6
179,2
298,8
3.923,2
165,1
750,7
130,7
288,1
250,0
269,9
263,9
229,4
383,9
233,6
85,9
332,7
165,3
283,4
3.832,4
6,2
33,1
2,9
5,9
-1,1
2,4
5,6
1,8
1,3
7,1
-2,6
3,0
-1,5
3,8
LK Gießen
Lahn-Dill-Kreis
LK Limburg-Weilburg
LK Marburg-Biedenkopf
Vogelsbergkreis
Reg.-Bez. Gießen
253,8
251,3
170,0
241,7
106,4
1.023,2
255,7
236,9
162,8
242,2
95,5
993,1
236,8
206,4
144,7
224,9
78,9
891,7
2,9
-9,3
-4,6
-2,2
-9,0
Kassel, St.
LK Fulda
LK Hersfeld-Rotenburg
LK Kassel
Schwalm-Eder-Kreis
LK Waldeck-Frankenberg
Werra-Meißner-Kreis
Reg.-Bez. Kassel
194,1
216,3
119,7
233,4
179,4
199,5
209,0
108,4
211,5
162,5
156,6
100,4
1.199,8
Land Hessen
6.045,4
10
2050 2010
in 1.000
20132030
6,2
11,8
5,9
-0,4
-11,4
-16,2
-4,4
-4,7
-23,7
-2,6
-8,1
-13,9
-13,9
-15,4
-90,8
20132050
20002010
15,3
49,3
11,5
14,2
-12,3
-15,5
6,6
0,2
-21,1
5,5
-10,3
-5,6
-15,9
-12,0
9,9
4,5
5,1
2,5
2,2
-0,4
0,8
2,3
0,8
0,3
3,2
-2,6
0,9
-0,8
1,3
1,1
-3,5
-2,6
-0,9
-7,6
-22,3
1,9 -18,9 -17,0
-14,5 -30,5 -45,0
-7,1 -18,2 -25,3
0,6 -17,3 -16,7
-10,9 -16,6 -27,5
-30,0 -101,5 -131,5
193,3
185,5
89,8
174,1
133,6
0,8
-0,5
-8,4
-9,0
-10,7
5,5
-7,3
-11,2
-21,8
-17,0
142,8
87,7
1.121,4
118,9
70,0
965,2
-8,7
-10,2
6.037,7
5.689,2
2013- 20302030 2050
in %
20132050
6,1
5,4
4,7
5,3
-0,3
0,2
4,3
2,2
0,6
3,6
-2,3
2,4
-1,1
1,2
2,6
3,9
1,6
4,7
-0,1
-4,4
-5,7
-1,6
-2,0
-5,8
-1,1
-8,7
-4,0
-7,7
-5,2
-2,3
10,2
7,0
9,7
5,2
-4,7
-5,4
2,5
0,1
-5,2
2,4
-10,8
-1,7
-8,8
-4,1
0,3
-2,1
0,8
-5,8
-4,2
0,2
-10,2
-2,9
-7,4
-12,9
-11,2
-7,1
-17,4
-10,2
-6,7
-17,9
-14,9
-6,9
-25,8
-12,9
-0,8
-30,8
-29,9
-59,3
-45,9
0,4
-0,2
-6,4
-3,7
-5,5
2,8
-3,4
-9,4
-9,3
-9,5
-3,1
-11,2
-17,2
-17,7
-17,8
-0,4
-14,2
-25,0
-25,4
-25,6
-5,1
-9,0
-46,8
-13,8 -23,9 -37,7
-12,7 -17,7 -30,3
-78,4 -156,2 -234,6
-3,7
-8,8
-12,6
-6,5
-16,7
-20,2
-13,9
-24,1
-30,2
-19,6
-1,1
-7,7 -348,5 -356,2
0,0
-0,1
-5,8
-5,9
67,9
9,1
37,6
5,6
14,5
-0,9
0,7
11,0
4,9
2,5
8,1
-2,2
8,3
-2,0
3,4
100,7
20302050
-6,2
-23,4
-18,6
-37,5
-28,9
1,8
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Kartografische Darstellung der regionalen Bevölkerungsveränderungen von 2013 bis 2030
Quelle: Bevölkerungsvorausschätzung der Hessen Agentur.
11
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Kartografische Darstellung der regionalen Bevölkerungsveränderungen von 2013 bis 2050
Quelle: Bevölkerungsvorausschätzung der Hessen Agentur.
12
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Methodik und Annahmen
Modellaufbau
Die Modellrechnungen zur langfristigen Bevölkerungsentwicklung in
Hessen basieren sowohl auf jahrgangsweisen und geschlechtsspezifischen Bevölkerungsbestandszahlen als auch detaillierten Angaben
zu Geburten, Sterbefällen sowie Zu- und Fortzügen für den Zehnjahreszeitraum von 2004 bis 2013. Die drei Jahre 2011, 2012 und 2013
basieren auf den neuen Zensusergebnissen.
Den Modellrechnungen der Hessen Agentur zur Bevölkerungsvorausschätzung liegt die sogenannte Komponentenmethode zugrunde. Dazu wird ein Bevölkerungsausgangsbestand mit den beiden natürlichen Bewegungskomponenten Geburten (positiv) und
Sterbefällen (negativ) sowie den beiden Wanderungskomponenten
Zuzügen (positiv) und Fortzügen (negativ) fortgeschrieben. Für das
Jahr 2030 lautet die entsprechende Gleichung:
Bevölkerungsbestand (am Jahresende_2029)
+ Geburten (im Jahr 2030)
– Sterbefälle (im Jahr 2030)
+ Zuzüge (im Jahr 2030)
– Fortzüge (im Jahr 2030)
= Bevölkerungsbestand (am Jahresende_2030)
Die Geburten und Sterbefälle werden mit Hilfe von geschlechts- und
altersspezifischen Anteilswerten bzw. Wahrscheinlichkeiten aus dem
jeweiligen Bevölkerungsbestand abgeleitet. Dagegen wird die Höhe
des jährlichen Wanderungsgewinns exogen vorgegeben, für die alters- und geschlechtsspezifische Verteilung des Wanderungsvolumens wird das im Zeitraum von 2004 bis 2013 beobachtete Wanderungsverhalten zugrunde gelegt.
Annahmen zu Geburten, Sterbefällen und zum Wanderungsverhalten
Bei der Neuberechnung der Bevölkerungsvorausschätzung konnten
die Annahmen zur Geburtenentwicklung und zur Lebenserwartung –
da hierzu kein notwendiger Anpassungsbedarf erkennbar war – unverändert aus den letztmaligen Modellrechnungen übernommen werden. Im Gegensatz dazu besteht bei den Annahmen zu den Wanderungen ein Anpassungsbedarf, da sich die Wanderungsgewinne des
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Landes Hessen seit dem Jahr 2011 deutlich erhöht haben und mit
Werten von jeweils über 30.000 Personen deutlich über den Werten
von jährlich 10.000 Personen liegen, die in der vorangegangenen
Modellrechnung zugrunde gelegt wurden.
Geburtenrate
Geburten und Sterbefälle sind die beiden natürlichen Fortschreibungskomponenten der Bevölkerungsentwicklung. Während die Entwicklung der Sterbefälle in enger Abhängigkeit zum bereits vorhandenen alters- und geschlechtsspezifischen Bevölkerungsaufbau
steht, stellt die Geburtenentwicklung eine auf die Zukunft gerichtete
dynamische Komponente der Bevölkerungsentwicklung dar. Mit dem
rasanten Rückgang der Geburtenzahlen Anfang der 1970er Jahre –
dem sogenannten „Pillenknick“ – sank die Geburtenrate innerhalb
weniger Jahre von 2,1 auf etwa 1,4 Kinder je Frau und bewegt sich
abgesehen von geringen Schwankungen seitdem stabil um dieses
Niveau. Angesicht dieser mittlerweile über 40-jährigen Stabilität dieses Wertes wird auch zukünftig eine Geburtenrate in Höhe von 1,4
Kindern je Frau für den gesamten Prognosezeitraum angenommen.
Dies bedeutet allerdings, dass alleine aufgrund des regenerativen
Verhaltens die Kinderzahl jeder Generation um ein Drittel niedriger ist
als in der jeweils vorhergehenden.
Lebenserwartung
Die Lebenserwartung der Bevölkerung hat sich in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich erhöht. Die Fortsetzung dieser Entwicklung
liegt den Modellrechnungen weiter zugrunde. Die Lebenserwartung
eines heute geborenen Jungen beträgt rund 78 Jahre, im Jahr 2050
werden es annähernd 84 Jahre sein. Ein heute geborenes Mädchen
hat eine durchschnittliche Lebenserwartung von etwa 82,5 Jahren,
ein im Jahr 2050 geborenes Mädchen von rund 88 Jahren.
Wanderungssalden
Anders als bei der Entwicklung von Geburtenrate und Lebenserwartung zeichnet sich das Wanderungsverhalten im Zeitverlauf durch
ausgeprägte Schwankungen aus. Wirtschaftskonjunkturen und -krisen, politische Ereignisse und Entscheidungen aber auch Kriege und
Naturkatastrophen können dabei selbst kurzfristig zu erheblichen Änderungen führen, die zudem in der Regel kaum vorhersehbar sind.
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Annahmen zum mittel- und langfristigen Wanderungsverhalten sind
daher immer mit hohen Unsicherheiten behaftet.
Wanderungssalden Hessens von 1970 bis 2013 und Annahmen für die Jahre 2014 bis 2050
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt; Bevölkerungsvorausschätzung der Hessen Agentur (Werte ab 2014).
Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass sich die Zuwanderung von
Gastarbeitern Anfang der 1970er Jahre und die Deutsche Wiedervereinigung in den Jahren um 1990 in extrem hohen Wanderungsgewinnen niederschlugen. Ohne diese Ausreißerjahre errechnet sich im
Zeitraum von 1970 bis 2013 ein durchschnittlicher jährlicher Wanderungssaldo in Höhe von rund 12.000 Personen. Genau dieser Durchschnittswert ergibt sich ebenfalls, wenn nur die Wanderungssalden
im Zeitraum von 2000 bis 2013 betrachtet werden. Für die zukünftige
Entwicklung wird angenommen, dass sich die durchschnittlichen jährlichen Wanderungsgewinne Hessens langfristig auf diesem Niveau
bewegen werden. Daher wird in den Modellrechnungen ab dem Jahr
2021 mit dem Wert 12.000 gerechnet.
Die gegenwärtig deutlich höheren Wanderungsgewinne sind vor
allem auf Zuwanderungen aus Süd- und Osteuropa zurückzuführen.
Wegen der dortigen schwachen wirtschaftlichen Entwicklung suchen
viele Menschen aus diesen europäischen Ländern einen Arbeitsplatz
in Hessen, wobei sich die Zuwanderungen aus dem Ausland – wie in
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der bereits genannten Untersuchung der Hessen Agentur zum Wanderungsverhalten in Hessen gezeigt werden konnte – bei regionaler
Differenzierung vor allem auf den südhessischen Verdichtungsraum
konzentrieren. Bei einer Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Süd- und Osteuropa dürften die Zuwanderungen aus
diesen Ländern nach Hessen wieder spürbar zurückgehen.
Als eine weitere Ursache für den aktuell starken Anstieg der Zuwanderungen nach Hessen ist die Zunahme von Asylbewerbern in
Deutschland zu nennen. Im Jahr 2012 lag die Zahl der Zugänge in
Hessen bei rund 5.000 Personen, im Jahr 2013 bei rund 8.700 Personen und im Jahr 2014 bei fast 17.500 Personen. Die meisten Asylbewerber stammen dabei gegenwärtig aus Syrien, den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens sowie Albanien, aus Eritrea,
Afghanistan, Somalia und dem Irak. Wie die zukünftige Entwicklung
der Zahl der Asylbewerber sein wird, ist mit großen Unsicherheiten
verbunden.
Für die Modellrechnungen wurden zu den Wanderungsgewinnen insgesamt folgende Annahmen getroffen: Für die Jahre 2014 und 2015
werden nochmals hohe Wanderungssalden in Höhe von 30.000 Personen zugrunde gelegt, für die Jahre danach wird eine jährliche Abnahme dieses Saldos um 3.000 Personen angenommen, bis im Jahr
2021 ein Saldo in Höhe von 12.000 Personen erreicht werden wird.
Wie beschrieben entsprach bisher ein jährlicher Saldo von 12.000 in
„normalen“ Zeiten in etwa dem langfristigen durchschnittlichen Wanderungsgewinn des Landes Hessen und es wird davon ausgegangen, dass dies auch bis zum Ende des Vorausschätzungszeitraums
im Jahr 2050 zutreffen wird.
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