Dokumentation Aeschlimann Corti

Material für Lehrkräfte zur Ausstellung
Inhalt
Übersicht zur Ausstellung Legende - Christian Andersson
Veranstaltungsprogramm
Unser Angebot für Schulen, Kindergärten und Gruppen
Ausstellungsinformation
Bildauswahl
Infoblatt zum Museumsbesuch
Seh-Kiste
Anregungen für den Ausstellungsbesuch
Impressum
Thun, Juni 2015
Texte zur Ausstellung: Anja Seiler
Anregungen und Angebote Kunstvermittlung: Sara Smidt
Kontakt
Sara Smidt, Kunstvermittlung
[email protected], Tel.: 033 225 86 10
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Übersicht zur Ausstellung
Legende – Christian Andersson
Kunstmuseum Thun, 13. Juni – 16. August 2015
Das Kunstmuseum Thun zeigt die erste institutionelle Einzelausstellung des schwedischen Künstlers Christian Andersson in der Schweiz. In der Ausstellung Legende dreht
sich alles um alternative Interpretationen der Geschichte und Wahrheit. Ausgehend von
der westlichen Kulturgeschichte zeigt Andersson in der Wechselbeziehung zwischen
Kunst und Wissenschaft, dass es immer auch eine andere Sichtweise auf die Welt gibt.
Welche Auswirkungen hat der Fund des dreieinhalb Millionen Jahre alten Schädels in 1974 in
Äthiopien für die Menschengeschichte? Hat der Rorschach-Test noch Bedeutung für die moderne Medizin und warum faszinieren die Tintenklecksbilder Künstler noch immer? Wo befinden
sich noch die ältesten "lebenden Fossilen“ auf unserem Planeten?
Die Ausstellung Legende im Kunstmuseum Thun fokussiert sich auf Christian Anderssons alternative Ansichten von Geschichte und Wahrheiten in seinem künstlerischen Schaffen. Für den
Künstler ist die Ansammlung von Geheimnissen aus der Kulturgeschichte und ihre Hinterfragung
der Motor für seine komplexen medienübergreifenden Installationen.
Der Künstler positioniert seine raumgreifenden Arbeiten in einer akribischen Reihenfolge und
kombiniert Objekte der Moderne mit Elementen des Surrealismus und der Psychologie zu einem
dichten Ensemble. Das Gesamtwerk vereinigt in seiner Zusammenstellung ebenso Fragmente,
Details und Repliken des modernen Designs oder Architekturikonen, wie auch historische Dokumente und Artefakte. Anderssons Werk ist eine Gegenüberstellung historischer und gattungsübergreifender Themen aus Architektur, Design, Literatur und Populärkultur der westlichen Zivilisation. Damit hinterfragt der Künstler die gängigen Vorstellungen von Geschichte und Universalwissen. Die Bedeutungen, versteckten Sinneszusammenhänge und Referenzen, die Andersson in seinen einzelnen Werken auf unterschiedliche Weise behandelt, sind beinahe unendlich.
So greift er in seiner mehrteiligen Installation From Lucy with love (2011) die Hinterfragung für
unser gängiges Bild der Evolution auf, indem Andersson uns mit einem Meilenstein der Menschheitsgeschichte konfrontiert: dem Schädel des ersten gefundenen Hominiden. Vom amerikanischen Anthropologen Donald Johanson 1974 in der äthiopischen Hadar-Region entdeckt, gehört
er heute zu einem der wichtigsten Fundstücke der paläoanthropologischen Forschung. Das Skelett scheint nach dem Beatles-Song Lucy in the Sky with Diamonds benannt zu sein, welcher am
Tag der Entdeckung immer wieder im Kassettenrecorder lief.
Seiner Faszination für den wohl bekanntesten Test der Psychoanalytik – dem „Rorschach-Test“
– geht der Künstler in verschiedenen Werken nach. So auch in der fünfteiligen skulpturalen Arbeit Scanner (Plate I, IV, V, VI, VII) (2012). Er greift dafür die Rorschach-Muster auf: Aus Titan
gefräste, feine, kleinformatige Platten werden wie Schmetterlinge auf ein Drehgestell aufgesetzt
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und von einem Elektromotor angetrieben. So entstehen in der Wahrnehmung der Betrachtenden
bewegte Figuren, die Insekten gleich oszillieren, aber nicht wegfliegen können.
Im Selbstporträt Self Portrait / Living Fossil (2013) maskiert sich der Künstler mit dem Panzer
eines Pfeilschwanzkrebses. Das lebende Fossil gehört zu den Artengruppen, deren Körperbauplan sich über lange Zeiträume kaum verändert hat und die als rätselhafte Lebenswesen im
Meer angesiedelt, uns einen Blick zurück in die Entwicklungsgeschichte ermöglichen, und zwar
erheblich weiter als fast alle anderen lebenden Tierarten.
Christian Andersson ist 1973 in Stockholm geboren, er lebt und arbeitet heute in Malmö. Er
schloss sein Studium 2001 an der Malmö Art Academy ab und stellte in Europa und den USA
aus. Nach Einzelausstellungen im Moderna Museet in Malmö, im Palais de Tokyo in Paris und
der Teilnahme an der Biennale in Lyon, konzipiert das Kunstmuseum Thun in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler seine erste institutionelle Einzelausstellung in der Schweiz
Katalog
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (D/E). Herausgegeben vom
Kunstmuseum Thun und Verlag für moderne Kunst.
Autoren: Helen Hirsch, Filipa Ramos, Annabel Rioux
Gebunden, 112 Seiten, ca. 40 Abbildungen
ISBN: 978-3-903004-19-1
Preis: CHF 37.00.–
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Veranstaltungen
Vernissage: Freitag, 12. Juni, ab 18.30 Uhr
Begrüssung und Einführung: 19.00 Uhr: Roman Gimmel, Vorsteher Bildung Sport und Kultur;
Helen Hirsch, Direktorin Kunstmuseum Thun
Ab 19.15 Uhr Apéro und Grilladen
Kindervernissage für Kinder ab 5 Jahren: 18.45 – 19.45 Uhr, mit Prisca Beuchat, Kunstvermittlerin
Öffentliche Führungen
Mittwoch, 17. Juni, 18.15 Uhr, mit Anja Seiler, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Mittwoch, 22. Juli, 18.15 Uhr, mit Katrin Sperry, wissenschaftliche Assistentin
Mittwoch, 5. August, 18.15 Uhr, mit Helen Hirsch, Direktorin
Unmögliche Wahrheiten. Ein Vortrag von Erich von Däniken
Sonntag, 21. Juni, 11.15 Uhr
Bei Erich von Däniken treten jahrtausendealte Felszeichnungen Theorien über fantastische Lebensformen im Universum gegenüber. Der Autor, Querdenker und Visionär vertritt die These,
dass vor Tausenden von Jahren Bewohner fremder Planeten auf der Erde landeten und die
Geschicke der Menschheit bestimmten. In seinem Vortrag hinterfragt er historische Artefakte,
Lehren und Ansichten, bringt sie mit den grossen Rätseln der Geschichte in Verbindung und
erschafft so alternative Weltansichten.
CHF 14.– / 12.–
Auf Anmeldung: [email protected] / T +41 (0)33 225 84 20
Lucys Köder
Ihre Gedanken zu Anderssons Werken
Jeden Sonntag ab 21. Juni, 12.00 – 17.00 Uhr
Ein Projekt der Kunstvermittlung von Anna Spring und Srimauli Manurung, Studentinnen der
Hochschule der Künste Bern, Master Art Education
Kinderworkshop und Führung mit Gebärdendolmetscherin
Sonntag, 28. Juni
10.30 – 12.00 Uhr Workshop für Kinder, mit Prisca Beuchat, Kunstvermittlerin
10.45 – 11.45 Uhr Führung für Erwachsene, mit Anja Seiler, wissenschaftliche Mitarbeiterin und
Janet Fiebelkorn, Gebärdendolmetscherin
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Ferienpass: Ich male mir eine Geschichte aus
14. – 16. Juli, jeweils 9.00 – 12.00 Uhr
Kreative Werkstatt rund um die Ausstellung, mit Franziska Keusen, Kunstvermittlerin
Anmeldung bis 31. Mai 2015: www.thunerferienpass.ch/anmeldung
Klecksereien zwischen Kunst und Wissenschaft
Mittwoch, 15. Juli, 18.15 Uhr
Wie zahlreiche andere Künstler hat sich Christian Andersson vom wohl bekanntesten psychologischen Persönlichkeitstest, dem „Rorschach-Test“, inspirieren lassen. Der Vortrag von Urs
Germann, Historiker und Leiter des Rorschach-Archivs an der Universitätsbibliothek Bern, gibt
einen spannenden Einblick in dieses Wechselspiel von Kunst und Psychologie.
CHF 12.– / 10.–
Schulen
Einführung für Lehrkräfte
Mittwoch, 17. Juni, 17.30 – 18.30 Uhr, mit Sara Smidt, Kunstvermittlerin
Schulführungen
Kreative Ausstellungsbesuche für jede Stufe nach Vereinbarung, Dauer: 2 Lektionen.
Workshops in der Kunstküche zur Vertiefung von ausgewählten Themen der Ausstellung, Dauer:
nach Vereinbarung
Information / Anmeldung:
[email protected], T +41 (0)33 225 84 20
Dokumentation: www.kunstmuseumthun.ch
ALLGEMEINE INFORMATIONEN
Kunstmuseum Thun, Hofstettenstrasse 14, CH-3602 Thun
T +41 (0)33 225 84 20, F +41 (0)33 225 89 06, www.kunstmuseumthun.ch, [email protected]
Di – So 10 –17 Uhr, Mi 10 – 19 Uhr, Mo geschlossen.
Feiertage siehe www.kunstmuseumthun.ch
Eintritt:
CHF 10. –/8.–. Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre gratis, für Gruppen ist vorab eine Anmeldung
erforderlich.
Sonderführungen auf Anfrage unter: Tel. +41 (0)33 225 84 20 oder [email protected]
Essen und Trinken: Café Thunerhof, www.fruitpower.ch, [email protected]
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Angebot für Schulen, Kindergärten und Gruppen
Legende – Christian Andersson
Kunstmuseum Thun, 13. Juni – 16. August 2015
Der schwedische Künstler Christian Andersson nennt seine Ausstellung Legende. Die ausgewählten Werke
enthalten eine Erzählung, die einen historisch verbürgten Kern haben. Doch gleichzeitig formuliert er mit
seinen Installationen Behauptungen. Er schlägt wenig eindeutige Deutungen vor, die von der Wissenschaft
genährt werden, sie aber ebenso hinterfragen. Der Begriff „Legende“ leitet sich von dem mittelalterlichlateinischen Ausdruck legenda ab, was so viel bedeutet wie „das, was zu lesen ist“, „das Vorzulesende“ bzw.
„die zu lesenden Stücke“. Sein Vorgehen provoziert also rege Auseinandersetzungen vor seinen Werken.
Spannend sind auch in unterschiedlichen Arbeiten wiederkehrende Motive wie der Rorschachtest (bekannt
als Klatschbild), Objekte der Archäologie oder der Bezug auf Mies van der Rohe. So ergeben sich Geschichten,
die sich durch die ganze Ausstellung verstricken – unter anderem durch die Schüler_innen erzählt.
Einführung für Lehrkräfte
Mittwoch, 17. Juni, 17.30 – 18.30 Uhr, mit Sara Smidt, Kunstvermittlerin
Einführung in die Ausstellung und Vorstellung der Möglichkeiten eines Besuchs mit der Seh-Kiste. Gratis,
Anmeldung erwünscht.
Ausstellungsrundgänge mit Kunstvermittlung
Stufengerecht – kreativ – hintergründig
Anmeldung: Sara Smidt, Kunstvermittlung Kunstmuseum Thun
[email protected] oder T +41 (0)33 225 86 10
Kosten: CHF 100.- für 2 Lektionen
Seh-Kiste
Die Seh-Kiste enthält einfache oder überraschende Materialien und Aufträge, um die Ausstellung kreativ zu
entdecken. Sie kann von allen Schulstufen von Kindergarten bis Gymnasium oder Berufsschule verwendet
werden. Gruppen sind gebeten sich anzumelden. Wir reservieren die Seh-Kiste gerne. Benutzung und Eintritt
für Schulen sind gratis.
Die vorgeschlagenen Aufträge finden Sie auch hier auf der Homepage zur Vorbereitung.
Reservation: +41 (0)33 225 84 20 / [email protected]
Lucys Köder: Ihre Gedanken zu Anderssons Werken
Ab 21. Juni sind Sie und ihre Schüler_innen eingeladen, Gedanken zur Ausstellung aufzuschreiben. Es entsteht eine wachsende Installation im öffentlichen Raum, die jeden Sonntag zwischen 12 und 17 Uhr verändert wird.
Ein Projekt der Kunstvermittlung von Anna Spirig und Srimauli Manurung,
Studentinnen der Hochschule der Künste Bern, Master Art Education.
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Ausstellungsinformationen
Einleitung
Die Ausstellung Legende im Kunstmuseum Thun fokussiert sich auf Christian Anderssons alternative Ansichten von Geschichtsschreibung und Wahrheiten in seinem künstlerischen Schaffen. Für den Künstler ist die
Ansammlung von Geheimnissen aus der Kulturgeschichte und ihre Hinterfragung der Motor für seine komplexen, medienübergreifenden Installationen.
Der Künstler positioniert seine raumgreifenden Arbeiten in einer akribischen Reihenfolge und fügt Objekte
der Moderne mit Elementen des Surrealismus und der Psychologie zu einem dichten Ensemble zusammen.
Das Gesamtwerk vereinigt in seiner Zusammenstellung ebenso Fragmente, Details und Repliken des modernen Designs oder Architekturikonen, wie auch historische Dokumente und Artefakte. Anderssons Werk ist
eine Gegenüberstellung historischer und gattungsübergreifender Themen aus Architektur, Design, Literatur
und Populärkultur der westlichen Zivilisation. Damit hinterfragt der Künstler die gängigen Vorstellungen von
Geschichte und Universalwissen. Die Bedeutungen, versteckten Sinnzusammenhänge und Referenzen, die
Andersson in seinen einzelnen Werken auf unterschiedliche Weise behandelt, sind beinahe unendlich.
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1 Endloser Morgen (2010)
In der Fotografie eines gerahmten Bildes mit zerbrochenem Glas ist eine weitere Fotografie von 1986 zu
sehen. Darauf wird die Statue Morgen (1925) des deutschen Bildhauers George Kolbe wieder im Nachbau
des Deutschen Pavillons installiert. Ursprünglich wurde der Pavillon für die Weltausstellung 1929 in
Barcelona gebaut, doch um 1930 zerstört. Die Plastik symbolisierte damals den Wechsel der Klassik zu Moderne. Für Andersson stellt die Figur, heute verhüllt in der Luft schwebend, einen Moment des Dazwischen
dar und steht für den symbolischen Akt des Aufbruchs, für die Reinkarnation des Kultortes von 1929. Die
Figur von Kolbe nimmt Andersson auch in weiteren Arbeiten wieder auf, so etwa bei Endless Morning I
(2015).
2 From Lucy with love (2011)
Mit dem Werk From Lucy with love konzentriert sich Andersson auf die Darstellbarkeit der Evolution in Zeit
und Raum. Archäologische Funde werden immer wieder mit neuen Entdeckungen oder Erkenntnissen in ihrer
Eingliederung in die Geschichte konfrontiert. Resultate müssen korrigiert werden und gefestigte Ansichten
werden so in Frage gestellt. Vor diesem Hintergrund präsentiert Andersson in seiner Installation einen Meilenstein der Menschheitsgeschichte: den dreieinhalb Millionen Jahre alten Schädel des ersten gefundenen
Hominiden. Vom amerikanischen Anthropologen Donald Johanson 1974 in der äthiopischen Hadar-Region
entdeckt, gehört er heute zu den wichtigsten Fundstücken der paläoanthropologischen Forschung. Benannt
scheint das Skelett nach dem Beatles-Song Lucy in the Sky with Diamonds zu sein, welcher am Tag der Entdeckung immer wieder im Kassettenrecorder lief.
Der von Andersson gekaufte nachempfundene Lucy-Schädel wird mit naturhistorischen Objekten und Bildmaterial subtil und realistisch in einer Vitrine inszeniert. Zu sehen ist eine Zeitachse, die mit dem Lucy-Schädel
beginnt und erst auf den zweiten Blick als eine eigenartige und persönliche Interpretation unserer historischen Sichtweise gedeutet werden muss. Dem Betrachtenden bleibt die Ungewissheit, ob es sich um das
Original oder um eine realistische Nachbildung des Schädels handelt.
3 F for Fake (2002)
Andersson konfrontiert uns in F for Fake mit einer sehr subtilen Täuschung oder einer Fälschung. Die Installation besteht aus einer einzigen Lichtquelle und zwei Schatten an der Wand. Durch die Frage nach dem
Ursprung der Schatten wird die Täuschung erkannt. Als Schatten wird eine dunkle Fläche definiert, die durch
einen vor einer Lichtquelle befindlichen Gegenstand verursacht wird. Diese Schatten erweisen sich nun als
Wandmalereien, welche mit UV-Farbe aufgetragen wurden. Durch die Lampe werden nun die bewusst ausgelassenen Teile der Wand als Silhouetten wahrgenommen. Namensgeber für die Installation ist Orson Welles’ gleichnamiger Film von 1973 über Kunst, Kunstmarkt, Kunstfälscher, Hochstapler und Scharlatane.
4 Everything looked the same (2014)
„Jedes Ding hat zwei Seiten“, sagt ein Sprichwort, welches Andersson in Everything looked the same aufgreift. Von Hand eingraviert, steht auf der Vorderseite des silbernen Medaillons „Everything looked the same“
(Alles sah gleich aus) und auf der Rückseite „it wasn't“ (war es nicht). Das Werk zeigt Anderssons Sichtweise
auf die Welt: Nicht immer ist es so, wie es auf den ersten Blick erscheint. Oft bewirkt ein Blick auf die Kehrseite neue Erkenntnisse.
Die Idee für dieses Werk entsprang dem Science-Fiction-Film The Body Snatcher (1956). Darin ersetzten
Ausserirdische nach und nach die Bewohnerinnen und Bewohner einer kalifornischen Stadt durch äusserlich
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identische, aber gefühllose Doppelgänger. Mit der Zeit versucht der ortsansässige Arzt, die Invasion der Duplikate aufzuhalten, die wie richtige Menschen aussehen, es aber nicht sind.
5 Scanner (Plate I, IV, V, VI, VII) (2012)
Anderssons fünfteilige, skulpturale Arbeit Scanner (Plate I, IV, V, VI, VII) greift die vom Schweizer Psychologen Rorschach entwickelten Tintenklecks-Tests auf, die heute vor allem unter dem Namen Rorschach-Test
bekannt sind. Diese Tests, bestehend aus Karten mit gespiegelten Flecken, werden in der Psychodiagnostik
angewendet, um die gesamte Persönlichkeit der Versuchspersonen zu erfassen.
In Anderssons Werk werden aus Titan gefräste, feine, kleinformatige Platten erstellt, die nach einer Kopie der
Rorschach-Tests wie Schmetterlinge auf ein Drehgestell aufgesetzt und von einem Elektromotor angetrieben
werden. So entstehen in der Wahrnehmung der Betrachtenden bewegte Figuren, die Insekten gleich oszillieren, aber nicht wegfliegen können. Anderssons Werk verfremdet den Rorschach-Test noch weiter. Wegen
der schnellen Rotation der Formen werden sie nicht mehr als medizinische Tests rezipiert, wodurch sich ein
weites Empfindungsfeld eröffnet: Die schnell drehenden Objekte aus dem Grenzbereich zwischen organisch
und anorganisch stellen die Wahrnehmung der Betrachtenden auf den Prüfstand.
6 Selfportrait / Living Fossile (2013)
Andersson zwängt sich in Selfportrait / Living Fossile buchstäblich in die Geschichte und verschmelzt sich mit
einer der ältesten und widerstandsfähigsten Kreaturen der Welt: dem Pfeilschwanzkrebs. Das lebende Fossil
gehört zu den Artengruppen, deren Körperbauplan sich über lange Zeiträume kaum verändert hat. Als uns
rätselhaftes im Meer angesiedeltes Lebewesen ermöglicht es uns einen Blick zurück in die Entwicklungsgeschichte, und zwar erheblich weiter als fast alle anderen lebenden Tierarten. Andersson hält den Panzer des
Krebses vor seinem Kopf, als ob er den Panzer als Schutzschild zwischen sich und der Evolution verwenden
wollte.
7 XYZ (2015)
Im 18. Jahrhundert wurden verschiedene Modelle geschaffen, um die Welt auf logische Weise zu vermessen,
zu erklären und zu verstehen. Das Werk XYZ erscheint wie ein solches Modell. Auf einem hölzernen Stativ
befindet sich eine wächserne Hand, deren drei Finger – der Daumen, Zeige- und Mittelfinger – in unterschiedliche Richtungen gespreizt sind. Mit dieser Hand, die sowohl als Alltagsinstrument als auch in der
Kommunikation mit ihren Gesten eine bedeutende Rolle spielt, erschafft Andersson eine Art Werkzeugmodell. Die Finger kreieren ein kartesianisches Koordinatensystem mit den drei Achsen x (Länge), y (Breite) und
z (Höhe), welche die Vermessungen im Raum aufzeigen.
8 Lake Shore Eclipse (2013)
Die Bilder im Buch zeigen Mies van der Rohes berühmtes „Lake Shore Drive“-Gebäude: zwei Hochhäuser
aus den 50er-Jahren am Michigansee in Chicago. Am oberen rechten Rand lässt sich neben den fast baugleichen Gebäuden ein Brandfleck erkennen, der an ein Zigarettenbrandloch erinnert. Der Fleck kommt in
Kombination dem Abbild einer schwarzen Sonne oder gar einer Sonnenfinsternis gleich. Das Loch im Buch
scheint in eine unendliche Leere zu führen.
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9 The Rorschach in Practise (2013)
In The Rorschach in Practise greift Andersson ein besonderes Fundstück auf. Ganz klein und beinahe unscheinbar erscheint auf der Mitte zwischen den Seiten 92 und 93 ein kleiner, sich spiegelnder Klecks. Dieser
gleicht stark den „Tintenklecks-Bildern“ aus dem Rorschach-Test. Das Spezielle daran: Den Klecks fand Andersson im Buch „The Rorschach Practise“, einer Abhandlung der britischen Kinderpsychologin Theodora
Alcock über das Rorschach-Testverfahren in der Praxis aus den 60er-Jahren. Für Andersson ist dieser Fund
ein Zeichen von Zufall und Willkür, so taucht ausgerechnet in diesem Buch das bekannte Muster auf.
10 Angel of the Hearth (2011)
Wie eine antike Skulptur wird Mies van der Rohes Barcelona-Sessel von 1929 ausgestellt. Der Sessel wurde
ursprünglich für die Weltausstellung von 1929 in Barcelona für den deutschen Pavillon konzipiert. Heute ist
der Sessel eine bekannte Designikone und wurde bei Andersson einer Verwandlung unterzogen: Scheinbar
als archäologisches Fundstück steht er nun in der Ausstellung. In seiner neuen Form aus Gips anstelle des
Leders trägt das Werk den Titel Angel of the Hearth. Dieser Titel ist auch eine Referenz auf Max Ernsts
gleichnamiges Gemälde von 1937, das einen gespenstigen Engel zeigt, der schwebend durch die Landschaft
tanzt und warnend an den Horror des Streikes in Europa erinnert.
11 Reanimator (2012)
Das Feuer war und ist von elementarer Bedeutung für den Menschen. In vielen Geschichten und Sagen ist
von der „Entdeckung des Feuers“ die Rede: In einer griechischen Sage bringt Prometheus, ein Bruder des
Göttervaters Zeus, den Menschen das Feuer. Mit einem leicht entflammbaren Stängel, den er am vorbeifahrenden Wagen des Sonnengottes Helios entzündete, entfachte er für die Menschen auf der Erde ein Feuer.
Damit hatte Prometheus für die Menschen den Grundstein der gesamten Kultur und insbesondere einer
technischen Kultur gelegt. In Reanimator spielt Andersson mit der Übergabe des Feuers: Die Hand des
Künstlers und sein Wachshandmodell werden durch ein Feuer verbunden, jede Hand hält ein brennendes
Zündholz. Wer allerdings wem das Feuer gibt, ist unklar. Dennoch ist das Feuer als Zeichen des Lebens, der
Erleuchtung, aber auch der Zerstörung präsent.
12 are we not drawn onward, we few, drawn onward to new era (2009)
Auch bei dieser Installation benutzt Andersson Elemente aus dem „Mies van der Rohe“-Pavillon der Weltausstellung von 1929 in Barcelona. Die Arbeit zeigt eine Detailaufnahme der Onyxwand des Pavillons. An den
Wänden und Böden des Gebäudes fanden verschiedenfarbige Steinarten Verwendung: Travertin, ein leicht
poröses Gestein, und Onyx, der an seiner Bänderung erkennbar ist. Beim Betrachten der marmorierten Fotowand erkennt man auf der Oberfläche Spuren von Zeichnungen mit einer ähnlichen Formensprache wie
Rorschachs Tintenklecks-Zeichnungen. Andersson hellt sie durch Stroboskop-Lichter von hinten punktuell
auf. Die auf der Fassade nicht erkennbaren Zeichnungen im echten Pavillon werden durch die Lichtfelder und
den gewählten Ausschnitt lesbar und mutieren zu versteinerten „Rorschach-Mustern“.
Column Shred (2015)
Wie eine Ruinenlandschaft erscheint die Installation Column Shred. Die bedruckten Bahnen behandeln auf
unterschiedliche Weise das Thema Vergänglichkeit: Einerseits erinnern sie an die Säulen der antiken Bauten, welche heute nur noch in ihren Bruchteilen wahrnehmbar sind. Auf der anderen Seite spielt das gedruckte Bild auf dem Papier eine wichtige Rolle als Dokument, das Vergangenes für die Zukunft festhält und auf-
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zeigt. Wie einfach solche Dokumente verloren gehen oder zerstört werden, darauf deutet Andersson mit dem
zerschredderten unteren Teil der Säule hin, welche sich in die auszubreiten scheint.
14 Dreamcatcher (2015)
In seinem neusten Video Dreamcatcher geht Andersson dem Phänomen der Träume nach. Der Traum ist
wohl eines der wenigen Dinge, das sich unserer Kontrolle (noch) entzieht. Andersson stellt ein Zukunftsszenario dar, indem man die Aufnahme eines Traumes beobachten kann, und zwar der einer künstlichen Intelligenz. Inspiriert von Giorgio de Chiricos Malerei Le cerveau de l’enfant (1914) möchte der Künstler eine ähnlich metaphysische Stimmung klaren Träumens erschaffen, wobei sich die Geschichte hinter all dem Sichtbaren, hinter den Augen des Träumenden abspielt.
Projektraum enter
Lucys Köder – Ihre Gedanken zu Anderssons Werken
Ab 21. Juni werden Besucherinnen und Besucher eingeladen, ihre Gedanken zur Ausstellung oder zu einzelnen Werken aufzuschreiben. Anna Spirig und Srimauli Manurung, Masterstudentinnen des Studiengangs
«Art Education» der Hochschule der Künste Bern entwickeln mit den Gedanken eine Installation im Aussenraum. Schreiben Sie ihre Gedanken zum Gesehenen auf das Stoffstück. Dieses wird von den Studentinnen
als «Köder» am Gelände beim Kunstmuseum befestigt. Sie sind jeweils sonntags zwischen 12 und 17 Uhr
vor Ort präsent.
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Bildauswahl
Legende. Christian Andersson
Kunstmuseum Thun, 13. Juni – 16. August 2015
Christian Andersson
Angel of the Hearth, 2011
Rostfreier Stahl, Gips
125 x 110 x 75 cm
Courtesy der Künstler und von
Bartha, Basel; Cristina Guerra
Contemporary Art, Lisbon;
Galerie Nordenhake, Berlin /
Stockholm
Ausstellungsansicht von
Bartha, S-Chanf, 2014
Foto: Andreas Zimmermann/
von Bartha
Christian Andersson
Everything looked the same,
2014
Von Hand eingraviertes Silbermedaillon, Silberkette
Durchmesser Medaillon 2.5
cm, Kette 30 cm
Courtesy der Künstler und von
Bartha, Basel; Cristina Guerra
Contemporary Art, Lisbon;
Galerie Nordenhake, Berlin /
Stockholm
Ausstellungsansicht von
Bartha, S-Chanf, 2014
Foto: Andreas Zimmermann/
von Bartha
Christian Andersson
F for Fake, 2002
Christian Andersson
From Lucy with Love, 2011
Schwarzlichtlampe, UVLeuchtfarbe
Courtesy der Künstler und von
Bartha, Basel; Cristina Guerra
Contemporary Art, Lisbon;
Galerie Nordenhake, Berlin /
Stockholm
Installation aus verschiedenen
Medien
196 x 70 x 600 cm
Collection Mudam Luxembourg
– Musée d’Art Moderne GrandDuc Jean
Ausstellungsansicht The
Suitable Gallery, Chicago,
2002
Foto: Christian Andersson
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Ausstellungsansicht Moderna
Museet, Malmö, 2011
Foto: Terje Östling / Moderna
Museet
Christian Andersson
Reanimator, 2012
C-Print, gerahmt
43.9 x 29.3 cm
Courtesy der Künstler und von
Bartha, Basel; Cristina Guerra
Contemporary Art, Lisbon;
Galerie Nordenhake, Berlin /
Stockholm
Christian Andersson
Scanner (Plate I, IV, V VI, VII),
2012
(Detailansicht Plate VI)
MDF, Strom, Motor, rostfreier
Stahl, Acrylglas
180 x 30 x 30 cm
Sammlung von Bartha, Basel
Ausstellungsansicht von
Bartha, Basel, 2012
Foto: Andreas Zimmermann /
von Bartha
Christian Andersson
Self Portrait / Living Fossil,
2013
C-Print, gerahmt
69.5 x 96.5 cm
Courtesy der Künstler und von
Bartha, Basel; Cristina Guerra
Contemporary Art, Lisbon;
Galerie Nordenhake, Berlin /
Stockholm
Das Bildmaterial darf nur mit angegebenden Bildunterschriften und -nachweisen verwendet werden.
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Infoblatt zum Museumsbesuch
Liebe Lehrkräfte
Herzlich willkommen im Kunstmuseum Thun!
Vor Ihrem Besuch möchten wir Sie mit den üblichen Verhaltensregeln vertraut machen.
Die Bildende Kunst hat im letzten Jahrzehnt einen Wandel durchgemacht. Die Techniken der Künstler_innen
haben sich geändert, beziehungsweise sie wurden ergänzt: Künstler_innen bedienen sich heutzutage vermehrt neuer Medien wie beispielsweise Videotechnik oder Rauminstallationen. So hat sich auch der Betrieb
eines Museums den neuen Arbeitsweisen angepasst. Der Zugang zu den Werken ist zum Teil viel direkter
geworden. Wo man früher vor einem an der Wand hängenden Bild stand, ist man heute oft Teil eines Werkes.
Auch die Unterrichtsmethoden haben sich verändert. Die Schüler_innen nehmen heutzutage aktiv und sogar
interaktiv teil, sie bewegen sich, sie experimentieren, sie sollen die Inhalte „begreifen“ und umfassend erfahren.
Wir legen Wert darauf, dass die Schüler_innen das ganze Museum erfahren und erkunden dürfen. Deshalb
ist es wichtig, dass sich die Kinder frei bewegen können. Dabei gilt es, den nötigen Respekt gegenüber dem
Museum, den ausgestellten Werken und den Besuchern zu wahren.
Bitte beachten Sie, dass ab einer Gruppengrösse von 20 Personen eine zusätzliche Begleitperson erforderlich ist.
Wir bitten Sie also, Ihre Klassen auf folgende Grundregeln aufmerksam zu machen und während Ihrem Museumsbesuch auf Ihre Einhaltung zu achten:
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Objekte nur mit den Augen abtasten (die ausgestellten Werke sind nicht immer geschützt. Ausnah
men werden vermerkt).
Sich in den Museumsräumen bedächtig bewegen statt rennen (die alten Böden schwingen)
Merci für die Rücksicht auf andere Museumsbesucher
Die Wände, Türen, Fussböden und Sitzgelegenheiten nicht mit Kaugummi, Fussspuren oder
anderem „verzieren“.
Essen und Trinken nur auf der Terrasse oder im Park.
Herzlichen Dank für Ihren Beitrag, dass die Kunst im Kunstmuseum Thun möglichst direkt erfahrbar bleibt.
Wir danken für Ihr Verständnis und wünschen einen erlebnisreichen und interessanten Museumsbesuch.
Das Team Kunstvermittlung
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Die Seh-Kiste im Kunstmuseum
Während der Ausstellung zu Christian Andersson ist die Seh-Kiste im Projektraum enter platziert.
Die Seh-Kiste macht das Kunstmuseum zum Lieblingsort für grosse und kleine Kinder. Sie kann von Schulen,
Kindergärten, Eltern, Götti, Grosi oder Hans und Käthi benutzt werden. Gruppen ab 5 Personen sind gebeten
sich anzumelden. Wir reservieren die Seh-Kiste gerne.
Die Seh-Kiste lässt sich spontan benutzen. Einfach Kreiden, Farbquadrate, Formen oder andere Überraschungen herausnehmen und los geht’s!
Sie finden darin alle Materialien, die für die Aufgaben in den Entdeckungen im Quadrat oder für das Schulangebot (wenn nichts anderes vermerkt) gebraucht werden. Die Sehkiste wird für jede Ausstellung mit passenden Materialien ausgestattet.
Neugierige und Forscher können sich aber auch von Vorschlägen zur Entdeckung der Ausstellung inspirieren
lassen, die im Karteikasten der Seh-Kiste zu finden sind.
Gruppenleiter_innen können sich auf www.kunstmuseumthun.ch über die Aufgaben in der Dokumentation für
Lehrkräfte informieren und ihren Besuch vorbereiten. Vorschläge zur Verwendung gibt es bei der Einführung
für Lehrkräfte am ersten Mittwoch nach der Eröffnung einer neuen Ausstellung.
Reservation: +41 (0)33 225 84 20 / [email protected]
Öffnungszeiten: Di – So 10 – 17 Uhr
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Anregungen für den Ausstellungsbesuch mit Vor- oder Nachbereitung
„Jedes Ding hat zwei Seiten“
Everything looked the same (2014)
Material: Schreibmaterial
Das Werk Everything looked the same verkörpert exemplarisch die Denkweise
Anderssons, wenn er mit künstlerischen Mitteln die Wissenschaft befragt. Denn:
„Jedes Ding hat zwei Seiten,“ womit niemals der erste Blick auf eine Seite genügend ist. Immer wieder werden Erkenntnisse hinterfragt und ergänzt oder neu bewertet.
Diese Denkweise und Methode kann zur Werkbetrachtung in der Ausstellung angewendet werden (für Ältere):
Jeweils zwei Personen wählen zwei Werke aus, die nahe beieinander liegen. Jeder
fängt an, seine Gedanken zu je einem Werk aufzuschreiben. Das Blatt wird umgedreht, ausgetauscht und die andere Person schreibt zum gleichen Werk eigene
Gedanken auf.
Mit der grossen Gruppe werden einige Beispiele vorgelesen und diskutiert inwiefern „jedes Ding zwei Seiten“ hat. Was sind ähnliche Beobachtungen („objektiv“?),
worin unterscheiden sich die Gedanken („subjektiv“‘)?
Legende
From Lucy with love (2011)
Material: Zeichen- oder Schreibmaterial
Als das weibliche Skelett „Lucy“ in Äthiopien 1975 gefunden
wurde, brachten mehrjährige Grabungen rund 240 Überreste
von Knochen zu Tage, die 17 Individuen zugeordnet werden
konnten: neun Erwachsene, drei Heranwachsende und fünf
Kinder. Der Grabungsleiter Donald Johanson nannte den
Fund die „First Familiy“. Die besondere Bedeutung des Fundes besteht darin, dass die Mitglieder der Gruppe ein
schiedliches Lebensalter hatten, aber zum gleichen Zeitpunkt
starben. Wahrscheinlich wurden die Leichen von einem Fluss
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angeschwemmt, da in der Nachbarschaft Fossilien von Fischen gefunden wurden. Lucy wurde wohl rund 25
Jahre alt.
Die Art wurde nach der Afar-Region Australopithecus afarensis genannt. Sie lebte vor 3.2 Millionen Jahren
und wird als Urmensch bezeichnet, von dem wir abstammen. Vor allem der Bau des Beckens und des Oberschenkels zeigen eindeutige Anpassungen an den aufrechten Gang. Allerdings war Lucy mit ca. 105 cm Körpergrösse relativ klein.
Von Lucy gibt es in der Ausstellung eine Nachbildung ihres Schädels. Die hellen Teile entsprechen den
Fundstücken, die dunklen Teile sind rekonstruiert. So ist spürbar, dass wir es mit einem uralten Individuum
zu tun haben. Auch Lucy verbrachte die Tage mit essen, Familie und schlafen wie wir. Und doch lebte sie
sicher ganz anders. Die Forscher können einiges aufgrund der Spuren sicher festlegen. Johanson vermutet:
"Wir nehmen an, dass Lucy in wäldlichen Gebieten lebte und Vegetarierin war", sagt Johanson. Vermutlich
habe sie jedoch Krokodil- und Vogeleier verspeist. "Auch lebte sie ein eher nomadisches Leben und schlief in
Nestern auf Bäumen, um sich vor Raubtieren zu schützen." Anderes bleibt Erfindung. Die Legende kann
entstehen….
Die Schüler_innen versetzen sich in Lucys Zeit und beschreiben einen Tagesablauf, der die 17 Individuen
des Fundorts einbezieht. Sie setzen dies zeichnerisch, malerisch oder als Erzählung um.
Variante: Jedes Kind versetzt sich in eines der 17 Individuen und erzählt die Tagesgeschichte aus diesem
Blickwinkel.
Variante: Lucys ganzes Leben wird erzählt, und zwar als Gemeinschaftsgeschichte, die zusammen erfunden
wird. Ein leichter ungefährlicher Gegenstand (z.B.Papierball) wird jeweils an die Person weitergeworfen, die
fortsetzt.
Für Ältere:
Als Nachbereitung recherchieren die Schüler zu Lucy und reichern ihre während des Ausstellungsbesuchs
entstandene Legenden an. Neben dem Wikipedia-Beitrag, z.B. hier:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/fossil-lucy-kehrt-nach-aethiopien-zurueck-a-897607.html
Forschung = Beobachtung
From Lucy with love (2011)
Material: Zeichen- oder Schreibmaterial
Die gesamte Vitrine zeigt Forschungen von der Urgeschichte bis hin zum Science Fiction Film. Die Buchrücken zu Library of Sketches (Bibliothek der Skizzen) oder Histoires des voyages (Reisegeschichten) tragen
keine Bücher hinter sich. Die Schüler_innen füllen den Leerraum mit ihren Beobachtungen:
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Schreibe oder zeichne die Gedanken zu deinen Entdeckungen in der Vitrine so auf, dass sie in eines der
beiden Bücher passen.
Science Fiction Gedankenblasen
From Lucy with love (2011)
Material: Zeichen- oder Schreibmaterial
Andersson wählt einen Ausschnitt aus dem Science Fiction
Film On the Beach (1957), um uns aus der Vitrinen-Timeline
hinaus in eine mögliche Zukunft zu schicken. Die Szene zeigt
den Moment nach einer atomaren Katastrophe. Weltweit ist
alles zerstört, nur Australien noch nicht. Dort wird ein Morsezeichen aus San Diego, USA empfangen. Im Schutzanzug
überprüft der Filmheld, ob es dort doch noch Leben gibt. Aber
es war der Zufall, der schreibt: Eine Colaflasche fiel auf der
Morsegerät, das Band vom Rollo verhakt sich und der Wind
schafft den Rhythmus. Keine Hoffnung mehr.
Die Schüler_innen schreiben in Gedankenblasen auf, was der Mann im Schutzanzug denkt (am besten, ohne
dass die oben geschriebene Filmgeschichte erzählt wurde.) Zentral ist, dass jede Person etwas anderes
wahrnehmen kann und die Objektivität der Wissenschaft jederzeit mit dem Fortschreiten der Zeit und der
Entwicklungen widerlegt werden kann.
Fledermäuse, Tierfelle und andere Fantasien
Scanner (Plate I, IV, V, VI, VII ( 2012)
The Rorschach in Practise (2013)
are we not drawn onward, we few, drawn onward to new era (2009)
Material: Rorschach-Bilder 1, 4 bis 7
In mehreren Werken bezieht sich Andersson auf den 1921 veröffentlichten Rorschachtest, der auch als Tintenkleckstest bekannt ist. Faltbilder gab es auch schon im 19. Jahrhundert in der Psychologie. Doch erst der
Schweizer Hermann Rorschach (1884–1922) machte daraus ein Diagnoseverfahren, das mit der Rolle des
Unbewussten verbunden wurde. Basis dafür war Sigmund Freuds Lehre.
Die Methodik wird folgendermassen beschrieben:
„Der Test besteht aus zehn Tafeln mit speziell aufbereiteten Tintenklecksmustern. Es gibt weltweit fast ein
Dutzend Parallelserien, von denen die meisten nicht frei im Handel erhältlich sind. Die sie anwendenden
Psychologen legen Wert darauf, dass die Bilder nicht öffentlich gezeigt werden, damit eine Beeinflussung des
Tests durch Vorwegnahmen (zudem oft Falschinformationen, die etwa im Internet oder in „Testknackerbüchern“ kursieren) vermieden wird. Die Tafeln werden in einer festgelegten Reihenfolge gezeigt, mit dem Hinweis, dass die Tafeln beliebig gedreht werden können, und die Testperson wird gefragt: „Was könnte das
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sein?“ Dabei weist der Psychologe darauf hin, dass es keine „richtigen“ oder „falschen“ Antworten gebe.
Während die Testperson die Tafeln betrachtet, notiert er Äußerungen, die Handhabung (Drehungen) der
Karte sowie Reaktionszeiten.“ (Wikipedia)
Folgende Bilder bringt Andersson zum Drehen, so dass eine Gestalt im Raum statt ein Klecks sichtbar wird.
Die Schüler_innen erhalten die Rorschach-Bilder und ordnen sie zu. Dann fantasieren sie sowohl zum Bild
als auch zur Skulptur: wonach sieht das Bild aus? Erinnert es an etwas? Gibt es neue Assoziationen sobald
das Bild in Bewegung gerät?
Die Schüler_innen fertigen ein Mind Map an. Es gibt keine weiteren psychologisierenden Auswertungen. Die
Angaben in Klammern sind die häufigsten Antworten, aber es gibt keine richtigen oder falschen Antworten!
Tafel 1 (Fledermaus, Schmetterling, Motte)
Tafel 4 (Tierhaut oder -fell, großes Tier)
Tafel 5 (Fledermaus, Schmetterling, Motte)
Tafel 6 (Tierhaut oder –fell, Teppich)
Tafel 7 (oben: Menschliche Köpfe oder Gesichter)
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Als Vorbereitung ist es hilfreich, wenn die Schüler_innen bereits Klecksbilder angefertigt haben. Das Verfahren ist breit bekannt: es wird Farbe auf ein Papier gekleckst, das in der Mitte zusammengefaltet wird. Der
Klecks breitete sich aus und bildet ein symmetrisches Bild.
Die Schüler_innen bringen sie mit und wählen in der Ausstellung einen Ort, wo sie eine Verbindung zwischen
ihrem Bild und dem Ausgestellten herstellen können. Das muss nicht nur bei den Werken sein, die mit dem
Rorschachtest zu tun haben!
Selbstportrait
Selfportrait / Living Fossile (2013)
Material: Objekte, Fotoapparat
Das Selbstportrait Anderssons mit dem fossilen Pfeilschwanzkrebs passt zu ihm, da er sich mit langen Entwicklungszeiträumen beschäftigt. Der Pfeilschwanzkrebs hat sich in jahrtausendlanger Evolution kaum verändert und verkörpert für uns heute die Möglichkeit in eine sehr ferne Vergangenheit zu blicken.
In der Ausstellung wird diskutiert, was dieses Selbstportrait über den Künstler aussagt. Man stelle sich vor:
man sitzt am Esstisch und jemand fragt, was Christian Andersson für ein Mensch ist. Was antworten die
Schüler_innen?
Nachbereitung: Welches Objekt passt zu den Schüler_innen? Jeder sucht sich ein echtes Objekt zu Hause,
in der Schule, … Paarweise werden Selbstportraits inszeniert und fotografiert. Ist das Gesicht sichtbar oder
nicht? Welchen Stellenwert hat das Objekt im Bild? Ist es klein oder gross? Wieviel ist von der Person sichtbar? Nur der Kopf, der ganze Körper?
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Stille Post
Angel of the Hearth (2011)
Material: Bild des Mies van der Rohe-Pavillon an der Weltausstellung Barcelona 1929 und Foto von Anderssons Werk
Wir bitten um erhöhte Vorsicht mit zwei Meter Abstand und keinen Erschütterungen
aufgrund des brüchigen Materials Gips. Danke!
Übrigens eine Probe des Material Gips ist in der Seh-Kiste zum Anfassen vorhanden:
Die Arbeit Angel of Hearth geht auf die Beschäftigung Anderssons mit dem Barcelona-Pavillon von Mies van
der Rohe zurück.
Barcelona-Pavillon
Christian Andersson: Angel of Hearth
„Als Barcelona-Pavillon (auf Katalanisch Pavelló alemany ‚Deutscher Pavillon‘ bzw. Pavelló Mies van der
Rohe) wird der Ausstellungspavillon des Deutschen Reichs auf der Weltausstellung 1929 in Barcelona
(Exposició Internacional de Barcelona) bezeichnet, den der deutsche Architekt Ludwig Mies van der Rohe
(1886–1969) entwarf. Der Deutsche Pavillon diente der Selbstdarstellung der Weimarer Republik und sollte
durch seine Neuartigkeit und Präzision die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie und des Handwerks
symbolisieren. Nicht zuletzt durch seinen Wiederaufbau wird der Pavillon als eine der Architekturikonen des
20. Jahrhunderts bestätigt. … Wiederaufbau: Nach dem Ende der Weltausstellung wurde der Pavillon 1929
abgerissen, und die verwendbaren Baustoffe wurden verkauft. Einige Teile davon befinden sich heute im
Altbau des Sächsischen Landtages in Dresden. Zwischen 1983 und 1986 rekonstruierte die Stadt Barcelona
unter der Leitung der Architekten Cristian Cirici, Fernando Ramos und Ignasi de Solà-Morales den Pavillon
nach den Originalplänen an der ursprünglichen Stelle.
Viele Bauten wollen sich als Interpretation des Barcelona-Pavillons verstehen, darunter der auf das Dach des
historischen Reichsbahnbunkers in Berlin aufgesetzte Pavillon-Bau.“ (Wikipedia)
Der berühmte Barcelona-Sessel aus diesem Pavillon wurde seither zu einer Designnorm und oftmals kopiert,
ein paar Zentimeter schmäler oder sonstwie leicht verändert. Wenn diese Veränderungen eine Million Jahre
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fortgesetzt werden, was wird bei dieser Art von „Stiller Post“ herauskommen? Die Norm bleibt bestehen, aber
der Bezug zum ursprünglichen Original geht mit der Zeit verloren. Kommt es am Ende so heraus wie wir es
heute in der Ausstellung sehen?
Dieses Experiment müsste ausprobiert werden, bevor das Werk für die Schüler_innen sichtbar wird:
Die Schüler_innen probieren die „Stille Post“ von zwei Seiten aus. Eine Gruppe fängt beim Abbild des Originalen Mies van der Rohe Sessels aus, die andere beim Werk Anderssons. Eine Person fängt an den Sessel
flüsternd ins Ohr des nächsten zu beschreiben (nur diese Person sieht das Bild). Die letzte Person zeichnet
das Gehörte auf (am besten jemand, der / die gerne zeichnet).
Mit den beiden Zeichnungen werden das Werk Anderssons sowie die Fotografie des Barcelona-Pavillons
verglichen.
Was träumen Roboter?
Dreamcatcher (2015)
Material: Schreibmaterial
Andersson unternimmt Zeitreisen. Oftmals greift er auf Erkenntnisse und Dinge der Vergangenheit zurück. In
der Arbeit Dreamcatcher entwirft er eine mögliche erträumte Zukunft. Die Reisen führen also nicht nur der
Zeitachse entlang, sondern schwanken auch zwischen Realität und Fiktion. Ein Traum entzieht sich der bewussten Beeinflussung. Man ist der Stimmung und den Bildfetzen ausgeliefert, wie hier im Video, in dem eine
künstliche Intelligenz träumt.
Die Schüler_innen schreiben während des Schauens stichwortartig Worte zur Stimmung mit, zur Stimmung
im Film sowie zur eigenen, d.h. zur Wirkung.
Aus diesen Wortfetzen entsteht zur Nachbereitung in der Schule ein Bild aus der Traumwelt. Damit ist nicht
gemeint, ein Bild einer erträumten Zukunft, die angestrebt wird („ein Haus, ein Auto, Liebe,…“), sondern einer
anderen Welt als die Realität. Der Fokus: ein Roboter träumt.
Die Stimmung des Films geht auf dieses Bild zurück, das Andersson im Moderna Museet in Stockholm sah.
Giorgio de Chirico
Le cerveau de l’enfant
1914
Huile sur toile – 80 x 63 cm
Moderna Museet, Stockholm
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Deine Gedanken
Lucys Köder im Projektraum enter
Material: Stoff und Stifte
Lucys Köder: Ihre Gedanken zu Anderssons Werken
Ab 21. Juni sind Sie und ihre Schüler_innen eingeladen, Gedanken zur Ausstellung im Projektraum enter
aufzuschreiben. Es entsteht eine wachsende Installation im öffentlichen Raum, die jeden Sonntag zwischen
12 und 17 Uhr verändert wird.
Ein Projekt der Kunstvermittlung von Anna Spirig und Srimauli Manurung,
Studentinnen der Hochschule der Künste Bern, Master Art Education.
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