Projektvorstellungen Kindertagesstätten KITA LOFTSCHLOSS IN BERLIN DER RAUM ALS ERZIEHER Bild 1. Kita Loftschloss in Berlin-Steglitz: fließende Räume auf 250 m2 Lilia Kleemann n Nathalie Dziobek-Bepler Als erste Berliner Kita in einer Shoppingmall wurde die Kita Loftschloss 2012 in Berlin-Steglitz eröffnet. Auf dem Gelände des denkmalgeschützten Telefunkenkomplexes aus dem Jahre 1903 bietet ein ehemaliger Getränkemarkt auf 250 m2 Platz für 30 Kin der zwischen 1 und 6 Jahren. Die ehemalige Gewerbeeinheit verlor ihre Tristesse und verwandelte sich in eine kleine Oase, die jeden vorübergehenden Einkäufer neugierig innehalten lässt. Die Kita Loftschloss orientiert sich an den Lehren der ungarischen Kinderärztin Emmi Pikler, die die Pädagogik im 20. Jahrhundert nachhaltig beeinflusste. Das pädagogische Konzept Emmi Piklers setzt den Schwerpunkt auf Bewegung und die Erziehung zu künstlerischem Denken. Dabei waren ihre Erkenntnisse ebenso revolutionär wie einleuchtend: Jedes Kind hat sein eigenes Zeitmaß der Entwicklung. Seine Autonomie, Individualität und Persönlichkeit können sich entfalten, wenn es sich möglichst selbstständig entwickeln darf. „Wenn wir ihm bei der Lösung aller Aufgaben behilflich sind, berauben wir es gerade dessen, was für seine geistige Entwicklung das Wichtigste ist. Ein Kind, das durch selbstständiges Experimentieren etwas erreicht, erwirbt ein ganz anderes Wissen als eines, dem die Lösung fertig geboten wird“ 54 047-062_PV_Kita.indd 54 Die künstlerische und sportliche Ausrichtung der Kita hat einen besonderen Hintergrund: Der Loftschloss e. V. vertraut auf die Kraft der Kunst und Bewegung, um die Menschen zu bilden, zu unterhalten, zu verwandeln, zu neuen Denkpositionen zu bewegen und mit neuen Erfahrungen zu bereichern. Das Konzept für den Umbau der Gewerberäume zur Kita beschäftigt sich eingehend mit diesen Prinzipien des Loftschloss e. V., um die Erzieher durch die Raumgestaltung direkt in ihrer Arbeit zu unterstützen. Fluss erlauben – Zonen schaffen Für den Umbau zur Kindertagesstätte wurde die ehemals leere und ungeteilte Fläche durch vielwinklige, kristalline Baukörper und flexible Wände in mehrere Teilbereiche gegliedert. Es entstanden unterschiedlich nutzbare Zonen, ohne das offene Raumgefühl zu beeinträchtigen. Der vieleckige Hauptkörper beherbergt alle WC-Einheiten und ermöglicht durch seine mittige Positionierung im Raum ein freies „Drumherumlaufen“. Ein perfekter Rundweg für Spiele mit viel Bewegung. Die Kinder lieben diesen Weg, der nicht in einem Raum endet, sondern einen Ernst & Sohn Special 2014 · Schulen und Kindertagesstätten 02.04.14 09:49 Projektvorstellungen Kindertagesstätten Bild 2. Grundriss unendlichen Spielfluss ermöglicht. Auf der Seite des Gruppenraumes wird der Baukörper zu einer Tribüne. Diese ist vielseitig nutzbar. Hier kann gespielt und geklettert werden, sie kann als Bühne genutzt werden und bietet durch eine runde Öffnung einen direkten Blick auf die Waschrinne im Kinderbad. Höhlen werden zum Versteck, Nischen zu Leseecken, Podeste bieten auf unterschiedlichen Ebenen Platz für individuelles, ungestörtes Spiel und dienen gleichzeitig als Aufbewahrungsort für Spielzeug. All diese Elemente gliedern den Raum, ohne ihn zu zerteilen. Um den unterschiedlichen Bedürfnissen aller 30 Kinder gerecht zu werden, wurden in der gesamten Kita Nischen, Höhlen, Podeste und Hochebenen von Anfang an mitgeplant. Dies ermöglicht es den Kindern, sich nach Belieben im Raum abzugrenzen oder zurückzuziehen – häufig ist dafür ge- schickter Körpereinsatz erforderlich. Ob außen, oben oder innen – die Raumelemente sind von allen Seiten nutzbar. Von allen Raumpunkten aus bestehen Sichtbezüge, die stets das Gefühl von Überblick und Nähe vermitteln. Durchblicke in andere Räume fördern die Kommunikation und regen zur Interaktion an, Verstecke, unterschiedliche Wege und kleine Fenster bieten viele Möglichkeiten zum Entdecken und Spielen. Die Kinder werden zum Eroberer ihrer Umgebung. Sie erkunden und entdecken die Räume Bild 3. Die Garderobe als Spielbereich Bild 4. Nischen zum Toben, Kuscheln und Verstecken Ernst & Sohn Special 2014 · Schulen und Kindertagesstätten 047-062_PV_Kita.indd 55 55 02.04.14 09:49 Projektvorstellungen Kindertagesstätten eigenständig und fühlen sich dadurch schneller in der neuen Umgebung zuhause. Die pädagogischen Ziele des Loftschloss e. V. von Kreativität, Bewegung und Selbstständigkeit werden so durch den Raum voll unterstützt. – die Sitzinsel im Eingangsbereich wird dann wahlweise zur Tobefläche oder zum Kuschelpodest. Ankommen – willkommen sein Gestaltungsprinzipien von baukind sind die Verschmelzung von Raum und Objekt, die Zonierung der Räume mit Hilfe raumbildender Einbauten, das Andersdenken von Lösungen und das Kombinieren mehrerer Funktionen in einem Objekt. So sind Türen gleichzeitig Tafeln, Fußleisten sind Murmelbahnen, Heizkörperverkleidungen sind Klettergerüste und Sitzebenen, Podeste sind Aufbewahrungselemente, Fußleisten und Wandgestaltung aus Teppich verbessern die Raumakustik und dienen als Sinneselemente. Eine derart ganzheitlich gestaltete Umgebung hat einen vielfachen Mehrwert: Eine klare Raumstruktur schafft Orientierung für die Kinder, integrierte Spielmöglichkeiten und organisierter Stauraum bieten maximalen Platz im Raum. Die Garderobe ist die Willkommensgeste einer Kita. Zu diesem Zweck wurden der Eingangsbereich und die Garderobe großzügig und sorgfältig gestaltet. Hier erfolgt der Übergang der Kinder in den Kita-Alltag. Durch eine anregende und freundliche Gestaltung unterstützt der Raum auf sensible Art die Kinder beim Ankommen. Für Eltern und Erzieher hingegen ist die Garderobe der Ort des Austauschs. Auch diesem Bedürfnis muss der Raum Rechnung tragen. Der weiträumige Garderobenbereich der Kita Loftschloss wird von den Kindern während des Kita-Alltags mit Vorliebe als Spielraum vereinnahmt Der Raum und das Detail als Einheit Schnitt C, Kletter- und Kuschelhöhle Grundriss Kletter- und Kuschelhöhle Schnitt J, Kletter- und Kuschelhöhle Bild 5. Entwurfszeichnungen 56 047-062_PV_Kita.indd 56 Ansicht F, Kletter- und Kuschelhöhle Ansicht C, Kletter- und Kuschelhöhle (Bilder 2 und 5: Baukind) Ernst & Sohn Special 2014 · Schulen und Kindertagesstätten 02.04.14 09:49 Projektvorstellungen Kindertagesstätten DUPLEX Vent Dezentrale Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung Bild 6. Im Badezimmer vom Loftschloss wird auch ausgiebig gespielt (Bilder 1, 3, 4, 6: Marcus Ebener) Das Farb- und Materialkonzept der Kita Loftschloss ist zurückhaltend und doch bestimmt und charaktergebend. Holz dominiert den Boden und die Möblierung, sanfte Pastelltöne finden sich an Wänden und in Podesten, ihre Schattierungen erinnern an die Farbnuancen eines Kristalls. Immer wieder findet sich neben den kristallinen Formen das weiche Element des Kreises: Leuchten, Durchstiege, Fenster, Regalröhren und Spiegel sind im gesamten Bereich der Kita wiederzufinden. Sie bilden eine gemeinsame visuelle Verbindung zwischen den Räumen. 75 bis 1.310 m³/h energieeffizient sehr leise einfache Montage JETZT AUCH MOBIL Die ganze Broschüre gibt es online. Einfach diesen QR-Code einscannen. Raum statt Spielzeug Die Gestaltung der Räume eröffnet einen neuen Blickwinkel auf das Thema „Gestaltung für Kinder“ und zeigt, dass in der Grundausstattung eines Raumes viel Potenzial für fantasievolle und außergewöhnliche Nutzung steckt, die Spielzeug überflüssig machen kann. Gerade unter dem Aspekt der „spielzeugfreien Zeit“ in Kindergärten gewinnt dies an Bedeutung. Das Konzept der „spielzeugfreie Zeit“ wird inzwischen in Deutschland und im benachbarten Ausland vielfach erfolgreich durchgeführt. Es entstand ursprünglich im Rahmen der Suchtprävention, da heute die Bedürfnisse der Kinder nach Aufmerksamkeit und Zuwendung immer häufiger mit Spielzeug, dem Fernsehen und Computern kompensiert wird. Ziel ist es, den Kindern die Fähigkeit zu vermittelt, sich mit sich selbst und ihrer Umwelt zu beschäftigen. In den meisten Fällen wird die „Spielzeugfreiheit“ für einen Zeitraum von drei Monaten durchgeführt. Gemeinsam mit den Kindern wird dafür das Spielzeug aus den Räumen genommen und unzugänglich verstaut. Das Konzept hat auffallend positive Effekte auf die Kreativität und Sprachentwicklung der Kinder. Darüber hinaus lässt sich beobachten, dass die Kinder in der spielzeugfreien Zeit einen engeren Kontakt untereinander aufbauen, da sie stärker darauf angewiesen sind, miteinander in Beziehung zu treten. Da sie sich auf diese Weise mehr „ausprobieren“, entwickeln sie ein stärkeres Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Dies führt zu mehr Sicherheit, innerer Stärke und einem größeren Selbstbewusstsein. Airflow Lufttechnik GmbH [email protected] www.airflow.de wahrnehmung geschult und motorische Fähigkeiten gefördert. Ein sinnliches Umfeld wirkt sich positiv auf das kindliche Wohlbefinden aus und trägt zur Lernfähigkeit, Selbstständigkeit und einem positiven Sozialverhalten bei. Kinder brauchen daher weniger genormte und desinfizierbare Räume, sondern vielmehr ein inspirierendes und poetisches Umfeld, in dem sie wachsen können. Bautafel Kita Loftschloss, Berlin n Bauherr: Loftschloss e. V. n Architektur und Design: baukind, Berlin n Entwurf: Dipl.-Ing. Architektur Nathalie Bepler, Dipl.-Des. Lilia Kleemann n Größe: 250 m2, für 30 Kinder n Kosten: KG 300 & 400: 120.000 € n Vorherige Nutzung: Getränkemarkt in Shoppingmall n Fertigstellung: 08/2012 n 2013 wurde baukind für die Gestaltung der Kita Loftschloss mit dem Publikumspreis des Berliner Architekturpreises 2013 ausgezeichnet. da! Wettbewerb/2012, Architektur in und aus Berlin Ein sinnliches Umfeld Weitere Informationen: Kaum etwas fasziniert Kinder so sehr wie das Spiel mit Wasser. Der Sanitärbereich wurde daher als Spielbereich und Wohlfühlort gestaltet. An diesem Ort werden Sinnes- Baukind Dipl.-Ing. Architektur Kathia Ecks, Glogauer Straße 19a, 10999 Berlin, Tel. (030) 95 62 42 94, Fax (030) 61 62 91 88, [email protected], www.baukind.de Ernst & Sohn Special 2014 · Schulen und Kindertagesstätten 047-062_PV_Kita.indd 57 57 02.04.14 09:49
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