Vortrag im Rahmen des Symposiums der Edmund Rehwinkel-Stiftung Wie wirken Bilder aus der modernen Tierhaltung der Landwirtschaft auf Verbraucher? - Neue Ansätze aus dem Bereich des Neuromarketings Gesa Busch, Sarah Gauly und Achim Spiller Lehrstuhl Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte Georg-August-Universität Göttingen Berlin, 6. Mai 2015 Gliederung Einleitung: Bezug der Öffentlichkeit zur Landwirtschaft Methodik – Eye-Tracking und Studiendesign Ergebnisse Diskussion Fazit Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 2 Bezug der Öffentlichkeit zur Landwirtschaft Geringer Bezug zu Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion durch Urbanisierung (CIA, 2013) etwa 9% der Bürger waren schon einmal in einem modernen Stall (Busch et al., 2015) Massenmedien werden zur Hauptinformationsquelle (TNS Emnid, 2012) Kommunikation in den Massenmedien ist bildgestützt (Kroeber-Riel und Esch, 2011) Bilder sind schneller erfassbar und werden auch besser erinnert (Spiller, 2010 Wie werden Bilder aus der Schweinehaltung betrachtet und bewertet? Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 3 Methodik – Eye-Tracking Quelle: http://www.tobii.com Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 4 Methodik – Eye-Tracking Blickverlauf eines Betrachters wird registriert und aufgezeichnet (Nufer und Ambacher, 2012) Eine der wichtigsten Methoden der Werbewirkungsforschung (Hofer und Mayerhofer, 2010), liefert Einblicke in die Informationsaufnahme (Nufer und Ambacher, 2012) 90% aller vom Menschen verarbeiteten Informationen werden über das visuelle System aufgenommen (Schub von Bossiazky, 1992) Studie: Eye-Tracking kombiniert mit Befragung Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 5 Methodik – Studiendesign Studierendensample an der Georg-August-Universität Göttingen (n=231) 134 Studierende der Agrarwissenschaften und 97 Studierende anderer Fakultäten (im folgenden Landwirte und Verbraucher) Drei Eye-Tracking-Teile mit unterschiedlichen Forschungsfragen Teil 1: Drei Perspektiven eines Schweinestalls Teil 2: Erkennen von Spielzeug im Stall Teil 3: Vergleich von vier Haltungssystemen Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 6 Methodik – Studiendesign Teil 1: Werden Bilder eines Schweinemaststalls, die aus unterschiedlichen Perspektiven aufgenommen werden, unterschiedlich betrachtet und bewertet? Welche Empfehlungen lassen sich für die Bildgestaltung ableiten? Quelle: Landpixel (2014) a. Perspektive Mensch Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte b. Vogelperspektive c. Perspektive Schwein 7 Methodik – Studiendesign Teil 2: Wird Beschäftigungsmaterial/Spielzeug im Schweinestall auf Bildern als Spielzeug erkannt? Quelle: Martin (2013) Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 8 Methodik – Studiendesign Teil 3: Welches Haltungssystem zieht im direkten Vergleich den Blick der Betrachter auf sich? Was kann man daraus ableiten? Quelle: Martin (2013); Landpixel (2014) Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 9 Methodik – Auswertung der Daten Quelle: Eigene Darstellung Einteilung des Bildes in „Areas of Interest“ (AOI) und AOI-Gruppen Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 10 Ergebnisse: Teil 1 Teil 1: Werden Bilder eines Schweinemaststalls, die aus unterschiedlichen Perspektiven aufgenommen werden, anders betrachtet und bewertet? Welche Empfehlungen lassen sich für die Bildgestaltung ableiten? Quelle: Landpixel (2014) a. Perspektive Mensch Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte b. Vogelperspektive c. Perspektive Schwein 11 Ergebnisse Teil 1: Offene Assoziationen zu den Bildern Bild Positive Assoziationen Negative Assoziationen Verbraucher A (Mensch) Max. 3% pro Kategorie B (Vogel) „Platz“: 6,5% „Sauberkeit und 12,9% C (Schwein) Max. 3% pro Kategorie Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte „Zustand der Tiere“: 27,3 % „Art der Tierhaltung/Natürlichkeit“: 27,3% „Übergeordnete Begriffe zum Bild: 27,3% „Platz“: 41,9% Hygiene“: „Art der Tierhaltung/Natürlichkeit“: 22,6% „Übergeordnete Begriffe zum Bild: 19,4% „Platz“: 42,4% „Zustand der Tiere“: 21,2% „Fütterung und Tränken“: 15,2% 12 Ergebnisse Teil 1: Statements zu den Bildern Das Bild hat mich erschreckt. In den Gesichtern der Schweine habe ich Traurigkeit gesehen. Wenn so viele Schweine zusammen gehalten werden, breiten sich Krankheiten bestimmt schnell aus. Das Bild hat mein Vertrauen in die Landwirtschaft gestärkt. Verbraucher In dem Stall war die Helligkeit angenehm für die Schweine. Landwirte In dem Stall fühlen sich die Schweine wohl. Die Schweine auf dem Bild haben viele Möglichkeiten sich zu beschäftigen. Die Schweine auf dem Bild waren gesund. Ich finde, die Tiere auf dem Bild sehen glücklich aus. 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Zustimmung in % Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 13 Ergebnisse Teil 1: Was war auf dem Bild zu sehen? Landwirte Ja Stroh (nicht vorhanden) Kranke Tiere (nicht vorhanden) Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte Nein Verbraucher Unsicher Ja Nein Unsicher A 2,5% 95,0% 2,5% 21,6% 63,6% 15,2% B - 100% - 20,0% 73,3% 6,7% C - 96,4% 3,6% 12,1% 81,8% 6,1% A 7,3% 73,2% 19,5% 37,5% 15,6% 46,9% B 7,9% 57,9% 34,2% 9,7% 41,9% 48,4% C 7,3% 80,0% 12,7% 9,1% 51,5% 39,4% Bild A Bild B Bild C 14 Ergebnisse Teil 1: Auswertung der Eye-Tracking-Variablen Zeit bis zur ersten Betrachtung (Time to First Fixation): Kaum Unterschiede zwischen Landwirten und Verbrauchern Bei Bild A und B (und C bei Landwirten) werden als erstes die Schweinekörper, dann die Gesichter und dann der Spaltenboden angeschaut Bei Bild C werden im Verbrauchersample erst die Gesichter, dann die Körper und dann der Spaltenboden angeschaut Wie häufig angeschaut (Fixation Count)? Am häufigsten werden Schweinekörper und dann die Gesichter angeschaut Wie lange angeschaut (Fixation Duration)? Bild A (und B, C Landwirte): Am längsten Körper, dann Gesichter angeschaut Bild B und C Verbraucher: Am längsten Gesichter angeschaut Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte Bild A Bild B Bild C 15 Ergebnisse Teil 1: Bewertung der Bilder Verbraucher: Bild B – Vogelperspektive am besten bewertet (trotz neg. Bewertung Platz) Bild A am schlechtesten bewertet (Vorteil bei Platz, aber neg. Bewertung des Zustands der Tiere) Bild B Positiv Bild C Bild A Negativ Landwirte: Bewerten alle Bilder relativ gleich (keine sign. Unterschiede) Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 16 Ergebnisse: Teil 2 Teil 2: Wird Beschäftigungsmaterial im Schweinestall auf Bildern als Spielzeug erkannt? Quelle: Martin (2013) Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 17 Ergebnisse Teil 2: Wird das Spielzeug erkannt? Offene Antworten: 79% der Landwirte und 29% der Verbraucher sagen, dass die Tiere „spielen“ Landwirte Verbraucher Quelle: Eigene Darstellung Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte Quelle: Eigene Darstellung 18 Ergebnisse: Teil 3 Teil 3: Welches Haltungssystem zieht im Vergleich den Blick der Betrachter auf sich? Was kann man daraus für die Bildgestaltung ableiten? Quelle: Martin (2013); Landpixel (2014) Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 19 Ergebnisse Teil 3: Betrachtungsmuster Betrachtungsreihenfolge folgt dem Leseverhalten Welches Bild hat Sie am meisten interessiert? Landwirte Auf welchem Bild geht es den Schweinen Ihrer Meinung nach am besten? Verbraucher Landwirte Verbraucher Teilspalten 18,1% 10,5% 19,6% 5,1% Vollspalten 9,8% 11,3% 9,5% 8,4% Stroh 30,5% 28,1% 37,7% 27,6% Auslauf 41,6% 50,1% 32,6% 58,9% Quelle: eigene Berechnungen Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 20 Ergebnisse Teil 3: Wie oft angeschaut? Anzahl Fixationen (FC) Landwirte Verbraucher Teilspalten 27,2% 25,5% Auslauf 26,4% 26,7% Vollspalten 23,7% 24,4% Stroh 22,8% 23,3% 100 100 Gesamt Quelle: eigene Berechnungen; alle Unterschiede nicht signifikant Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 21 Diskussion Blickverlauf von Landwirten und Verbrauchern ist grundsätzlich ähnlich Innerhalb der ersten zwei Sekunden werden von den Verbrauchern hauptsächlich Gesichter und Körper der Tiere betrachtet → zentral Bei der Perspektive für Stallbilder lassen sich nur vorsichtige Empfehlungen aussprechen → Vogelperspektive vorteilhaft Reizarme Bilder (z.B. Stall-Webcams) werden weniger lange betrachtet und regen somit nicht zur Evaluation des Gesehenen an Ställe und Bilder „reizvoller“ gestalten Bilder sollten „neugierig“ machen Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 22 Diskussion Unterschiedliche Bewertung von Fachleuten und Verbrauchern: Liegende Tiere werden entspannt (Landwirte) oder krank (Verbraucher) wahrgenommen Bilder unterliegen Deutungsmustern Stroh wird erinnert, obwohl nicht vorhanden („Framing“) Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 23 Fazit Darstellung der Tiere/Gesichter auf Bildern zentral Produktionstechnische Details, die in der Landwirtschaft einen großen Unterschied ausmachen (hier: Teil- statt Vollspaltenboden) werden von den Verbrauchern kaum wahrgenommen/nicht verstanden → verbessern Bewertung nicht Modernisierungen „hinter dem Stalltor“ reichen nicht aus, sie müssen kommunizierbar und verständlich dargestellt werden, um längerfristig die Akzeptanz der modernen Landwirtschaft zu verbessern Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 24 Fazit: „Agrarromantik“ versus „ungeschminkte Wahrheit“ Wie viel Wahrheit „verträgt“ der Verbraucher auf Bildern der Landwirtschaft? Quelle: Facebook, Bauernverband SchleswigHolstein, 24.04.2015 Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte Quelle: Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern, „Aus dem Stalltagebuch der Familie Kühling“, 24.04.2015 25 Wir danken der Edmund Rehwinkel-Stiftung für die Förderung dieser Studie! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Sarah Gauly, M. Sc. Georg-August-Universität Göttingen Lehrstuhl Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen Tel: 0551/39-4825; [email protected] Literatur (1) Busch, G., Schwetje, C., Spiller, A.: Bewertung der Tiergerechtheit in der intensiven Hähnchenmast durch Bürger anhand von Bildern: ein Survey Experiment. Veröffentlichung in Vorbereitung (2015) CIA: The World Factbook. Urbanization, in: https://www.cia.gov/library/publications/ the-world-factbook/fields/2212.html#209 (2013) Hofer, N., Mayerhofer, W. (2010): Die Blickregistrierung in der Werbewirkungsforschung: Grundlagen und Ergebnisse. markt – Journal für Marketing (49): 143-169. Kayser, M., Böhm, J., Spiller, A.: Zwischen Markt und Moral – Wie wird die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft in der Gesellschaft wahrgenommen, in: Schriften der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues e.V. 47 (2011), S. 329 – 341 Kroeber-Riel, W., Esch, F.: Strategie und Technik der Werbung, in: Diller, H., Köhler, R. (eds.): Edition Marketing. Stuttgart 2011 Martin, E.: Wirkung von Bildern konventioneller Schweinemastsysteme auf Verbraucher – eine Analyse anhand von Fokusgruppen. Bachelorarbeit, Göttingen 2013 Nufer, G., Ambacher, V.: Eye Tracking als Instrument der Werbeerfolgskontrolle, in: Rennhak, C., Nufer, G. (eds.): Reutlinger Diskussionsbeiträge zu Marketing und Management, Nr. 5 (2012) Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 27 Literatur (2) Schub von Bossiazky, G.: Psychologische Marketingforschung, München 1992 Spiller, A.: Marketing-Basics: Ein Online-Lehrbuch, Göttingen 2010 TNS Emnid: Das Image der deutschen Landwirtschaft: Ergebnisse einer Repräsentativbefragung, März 2012, in: http://www.imaagrar.de/fileadmin/redaktion/download/image-studie/2012/ima-imagestudie-landwirtschaft_charts-2012.pdf (2012) Tuyttens, F., Heyndrickx, M., De Boeck, M., Moreels, A., Van Nuffel, A., Van Poucke, E., Van Coillie, E., Van Dongen, S., Lens, L.: Broiler chicken health, welfare and fluctuating asymmetry in organic versus conventional production systems, in: Livestock Science, Vol. 113, No. 2–3 (2008), S. 123–132 Verbeke, W., Viaene, J.: Ethical challenges for livestock production: meeting consumer concerns about meat safety and animal welfare, in: Journal of Agricultural and Environmental Ethics, Vol. 12 (2000), S. 141-151 Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 28 Bildverzeichnis http://www.tobii.com/en/eye-tracking-research/global/products/hardware/tobii-x2-60-eye-tracker/ http://www.bauernverband-mv.de/index.php?id=172, 24.04.2015 https://www.facebook.com/BauernverbandSchleswigHolstein/photos/pb.329684410456183.2207520000.1429889101./577978118960143/?type=3&theater, 24.04.2015 Christian Mühlhausen, Landpixel (2014) Martin, E.: Wirkung von Bildern konventioneller Schweinemastsysteme auf Verbraucher – eine Analyse anhand von Fokusgruppen. Bachelorarbeit, Göttingen 2013 Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte 29 Ergebnisse: Wissen der Befragten Tab. 1: Interesse und subjektives Wissen Tierhaltung Statement Landwirte (n=134) Interesse an Landwirtschaft Ich interessiere mich für landwirtschaftliche Themen. Ich habe Interesse an der Tierhaltung in der Landwirtschaft. Verbraucher (n=97) µ ơ µ ơ 1,57 0,74 -0,28 1,03 15,94*** 1,12 0,89 0,22 1,18 6,64*** Subjektives Wissen Ich kenne mich gut damit aus, wie 0,81 0,92 -0,59 0,90 Schweine heute in der Landwirtschaft gehalten werden. Skala von +2=„Trifft voll und ganz zu“ bis -2=„Trifft ganz und gar nicht zu“ Mittelwertvergleich mittels T-Test bei unabhängigen Stichproben ***= p≤0,001 Quelle: eigene Berechnungen Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte t-Wert 11,59*** 30 Ergebnisse: Einstellungen zur Schweinehaltung Statement Landwirte (n=134) µ Schweinehaltung Ich finde, dass es Schweinen in der modernen Tierhaltung gut geht. 0,32 Verbraucher (n=97) ơ µ 1,07 -0,85 ơ 0,92 Fleischkonsum Ich finde man sollte sich 1,44 1,44 1,38 1,38 damit auseinander setzen wie das Fleisch, das man isst, produziert wurde. Skala von +2=Stimme voll und ganz zu bis -2=Stimme ganz und gar nicht zu Mittelwertvergleich mittels T-Test bei unabhängigen Stichproben ***= p≤0,001; n.s.=nicht signifikant Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte t-Wert 8,88*** 0,52n.s. 31
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