Autor: Heiner Barz, Holger Stutzke Soziologische Theoriemodelle im Kontext der Jugendforschung Im Basismodul haben wir als ein Charakteristikum der pädagogischen Jugendforschung die fächerübergreifende Integration unterschiedlichster Perspektiven festgehalten. Sicher sind im Kanon der Bezugswissenschaften der Pädagogik die Psychologie, insbesondere die Entwicklungspsychologie und die Soziologie die wichtigsten. Entsprechend haben wir auch die entwicklungspsychologische Dimension bereits eingehender vorgestellt. Gegenstand des aktuellen Moduls ist nun der Beitrag der Soziologie zum Verständnis des Jugendalters. Während sich psychologische Ansätze mehr mit der individuellen Seite der Soziologie: Die Entwicklung, dem inneren Erleben, dem Erwachen neuer kognitiver Frage nach den Fähigkeiten oder emotionaler Erlebnisräume beschäftigen, fragt die sozialen Jugendsoziologie eher nach der Stellung des Jugendlichen, bzw. der Beziehungen Jugendphase in der gesamten Gesellschaft. Schlägt man ein Lexikon oder ein Lehrbuch der Soziologie auf, dann findet man darin Sätze wie: "Soziologie ist die systematische und kontrollierte Beobachtung und Erklärung von regelmäßig auftretenden sozialen Beziehungen, von ihren Ursachen, Bedingungen und Folgen." Entsprechend thematisieren soziologische Ansätze ganz grundsätzlich die Herausbildung der eigenen Lebensphase, die wir heute so selbstverständlich Jugend nennen und fragen nach den spezifischen Funktionen, die die Altersgruppe der Jugendlichen für die Gesellschaft als Ganzes übernimmt. Mit zwei Beispielen für die spezifisch soziologische Perspektive auf das TOP Schelsky und Jugendalter, mit Schelskys "Skeptischer Generation" und Eisenstadts "From Eisenstadt Generation to Generation" wollen wir uns im Folgenden näher junggebliebene auseinandersetzen. Diese Auswahl hat den Vorteil, dass damit erstens zwei Klassiker Autoren zu Wort kommen, deren Thesen die Jugendforschung der vergangenen Jahrzehnte beeinflusst hat. Zweitens halten wir viele Überlegungen noch immer für fruchtbar. Drittens ist die Kontroverse, die sich aus den gegensätzlichen Positionen beider zu Notwendigkeit und Berechtigung der Jugendphase als solcher ergibt, noch immer aktuell. Und schließlich kann Eisenstadt vielleicht nicht als Entdecker der Peer-Group, aber doch als derjenige gelten, der ihr den umfassendsten theoretischen Rahmen gegeben und die Gleichaltrigengruppe damit zum festen Bestandteil der Jugendforschung gemacht hat. Dass die Peer-Group inzwischen nicht nur Thema jugendsoziologischer Universitätsseminare ist, sondern sich auch pädagogische Konzepte der Jugendarbeit daran orientieren, wollen wir in den abschließenden Abschnitten - am Beispiel Peer-Involvement in der Sexualaufklärung und Peer-Mediation in der Gewaltprävention - unter Beweis stellen. Gliederung Dieses Kapitel gliedert sich in folgende weitere Abschnitte, die Sie - wie TOP gewohnt - der Reihe nach oder auch unabhängig voneinander bearbeiten können: Einleitung 1. Schelsky und die Pädagogik: Ein streitbarer Soziologe attackiert die Jugendpädagogik 2. Die Pädagogik antwortet Schelsky 3. Theorie und Geschichte der Peer-Group (Eisenstadt) 4. Peer Involvement-Ansätze in der Sexualpädagogik 5. Peer-Mediation als Gewaltprävention 6. Literatur 7. Aufgaben Schelsky und die Pädagogik: Ein streitbarer Soziologe attackiert die Jugendpädagogik Schelskys berühmter soziologischer Klassiker über die "Skeptische interner Generation" von 1957 kann auch heute noch unter den Link: verschiedensten Perspektiven mit Gewinn gelesen werden. Man kann Biographie das Hauptaugenmerk auf die Charakterisierung der Jugend der Schelsky Nachkriegszeit legen. Man kann das Werk als Prototyp jenes spezifischen Verständnisses von Soziologie lesen, das Schelsky propagierte, wenn er sich für eine phänomenologische Gegenwartsanalyse als Verbindung von empirischen Einzelergebnissen und philosophischer Interpretation aussprach. Weiter lässt sich die "Skeptische Generation" als Beitrag zur Theorie der Jugend auffassen, dessen Pointe überraschend darin liegt, dass bereits Schelsky deutliche Auflösungserscheinungen des Phänomens Jugend diagnostizierte. Und schließlich lieferte Schelsky nicht weniger als einen Generalangriff auf den pädagogischen Jugendbegriff - einen Generalangriff, der die damalige Pädagogik zum Gegenangriff herausforderte. Die beiden letzten Lesarten vor allem sind es, die wir im folgenden Abschnitt ins Zentrum des Interesses rücken wollen. Gleich zu Anfang seiner Betrachtungen wendet sich Schelsky gegen TOP Soziologie: Die die pädagogische Perspektivenverengung, wie sie nicht zuletzt durch Frage nach den die in der Pädagogik sehr einflussreiche "Psychologie des sozialen Jugendalters" von Eduard Spranger kanonisiert worden war. Wenn in Beziehungen der pädagogischen Fachliteratur von Jugend die Rede war, war damit meist zuallererst und oft sogar ausschließlich der männliche Jugendliche aus gutbürgerlichem Hause gemeint. Schelsky fordert demgegenüber eine bewusste Blickwendung: Nicht die bürgerliche Jugend in Schule und Universität, sondern "der junge Arbeiter und Angestellte" soll für jugendtheoretische Reflexionen als "strukturleitende und verhaltensprägende Figur" (1957, S. 8) dienen. In einer zweiten These sieht Schelsky Entwicklungen in Richtung der Nivellierung "relativen Aufhebung der Jugend als sozial eigenständiger der Verhaltensphase." Er bestreitet die Eigenständigkeit der Jugendwelt Altersrollen und diagnostiziert eine Nivellierung der sozialen Altersrollen. Hatte Schelsky auch schon die Auflösung sozialer Schichtunterschiede durch seine umstrittene These der "nivellierten Mittelstandsgesellschaft" behauptet, so sieht er nun also auch die Unterschiede zwischen den Altersgruppen schwinden: Soziale Rollen würden mehr und mehr unabhängig vom Alter. Die moderne industriell-bürokratische Gesellschaftsordnung ebne durch ihre Eigengesetzmäßigkeit tendenziell sämtliche Unterschiede zwischen den Individuen ein. In der Konsequenz könnten jugendhafte Verhaltensformen prinzipiell auch von Erwachsenen unter Umständen sogar von alten Menschen aufgegriffen werden. Weiter wendet sich Schelsky gegen die Auffassung, dass TOP Kritik der kleingruppenhafte Gemeinschaftsbildung die jugendgemäße Gemeinschafts- Sozialform schlechthin sei. Mit anderen Sozialphilosophen (Helmuth ideologie Plessner, Theodor Geiger) kritisiert er die Gemeinschaftsideologie der gealterten Jugendbewegungs-Generation, die Sentimentalität fördere, wo intellektuelle Disziplin und nüchterner Realitätssinn notwendig seien. Provokativ fordert er geradezu das Gegenteil dessen, was den Anhängern der Jugendbewegung einst heilig war: "Erziehung zur Intellektualität und Gefühlsaskese, zur rationalen, zweckbewussten Kooperation anstatt zur ‚Gemeinschaft', zum Rollen- und Attitüdenwechsel anstatt zur ‚Ganzheit' der Person, zur Bejahung der unanschaulich abstrakten Großorganisation, zur Abdrängung aller sozialen Gefühls- und Vertrautheitsbedürfnisse ins Private " (S. 124). Einleitung Den Grund für das von ihm attackierte Jugendleitbild sieht er in der Ablehnung der Vergangenheitsverklärung der Pädagogen und Jugendtheoretiker, die Jugendsich selbst in der Jugendbewegung engagiert hatten und deren bewegungsideologie Die vorindustrielle Gesellschaft "braucht" keine Jugendphase Jugend in der industriellen Gesellschaft: "Nicht mehr... und noch nicht..." Schelsky prophezeit 1957 die "68er" Idealen noch immer anhingen: "Hier interpretiert sich die alt gewordene Jugendbewegungsgeneration als Norm für die nachkommenden Geschlechter." (S. 101) Im Unterschied zu den Idealen der Jugendbewegung (Wandern, Zelten, Hausmusik), die das Transitorische und Rebellische des Jugendalters hervorhob und als gesellschaftliches Leitbild verankern wollte, sei die Jugend der 50er Jahre - so Schelsky - deutlich angepasster. Das Realverhalten der deutschen Gegenwartsjugend zeige unübersehbare Tendenzen, sich am Erwachsenenstatus zu orientieren. Das Leitbild "junge Erwachsene" habe den Wunsch nach einer "Sonderrolle" der Jugend abgelöst. Seine Diagnose, für die er durchaus zahlreiche Belege auch aus TOP Schriften der von ihm kritisierten Jugendtheoretiker anführen kann, untermauert Schelsky durch sozialhistorische Überlegungen. Als wichtigsten Faktor für die Analyse der Jugend sieht er die epochale Sozialstruktur an, die wirtschaftlich-gesellschaftliche Verfasstheit. Während die Gegenwart als industrielle Gesellschaft zu kennzeichnen sei, seien für die vorangegangene vorindustrielle Gesellschaft andere Bedingungen für das Aufwachsen charakteristisch. Die vorindustrielle Gesellschaft ist durch eine statische Sozialstruktur gekennzeichnet, sie ist überschaubar, Tradition und Gewohnheit haben eine große Bedeutung; auch die größeren gesellschaftlichen Gebilde und Verhältnisse entsprechen dem Modell der Familie (face-to-faceBeziehungen). Familie und Gesamtgesellschaft sind also sehr ähnlich strukturiert, folglich erfordert der Übergang aus der geschützten Familie in die Erwachsenenrolle keine Anpassungsleistungen: Der Übergang aus der Rolle des Kindes in die des Erwachsenen konnte sich hier "im gleichen sozialen Strukturhorizont" vollziehen. Anders in der industriellen Gesellschaft. Hier haben Anonymität, Versachlichung, Rationalität, hohe Veränderungsdynamik und hohe soziale Mobilität die soziale Sicherheit im öffentlichen Leben weitgehend zerstört. Die Sicherheit und Intimität (face-to-faceBeziehungen) bietende Familie besteht daneben weiter. Folglich stehen sich zwei sehr unterschiedlich strukturierte soziale Welten gegenüber: "Der Schritt aus der Rolle des Kindes in die des Erwachsenen in der modernen Gesellschaft ist ein Übergang zwischen zwei sozialen Verhaltenshorizonten, die weitgehend gegensätzlich strukturiert sind" (1957, S. 39f.). Hier sieht Schelsky nun die spezifische Grundlage für die Herausbildung dessen, was wir als Jugendalter kennen. Die Jugendphase übernimmt die Aufgabe eines "Puffers" und Verbindungsgliedes zwischen diesen beiden gegensätzlichen Sphären: "'Jugend' im soziologischen Sinne ist die Verhaltensphase des Menschen, in der er nicht mehr die Rolle des Kindes spielt (dessen Leben sozial wesentlich innerhalb der Familie wurzelt oder von Institutionen gehalten wird, die, wie Heime, Kindergarten, Elementarschule, Spielplatz usw. primär Familienersatz oder institutionell ausgeweiteter Familienraum sind) und in der er noch nicht in die Rolle des Erwachsenen als vollgültigen Trägers der sozialen Institutionen, also z.B. der Familie, der Öffentlichkeit und politischen Ordnung, der Rechts- und Wirtschaftsordnung usw. übernommen hat" (1957, S. 15f.). Es ist geradezu verblüffend, wie oft das an Thesen reiche Werk TOP Schelskys auch aus heutiger Sicht noch zutrifft. Zunächst hatte er mit seiner Erwartung einer "sezessionistischen Jugendgeneration" Recht, die sich an die skeptische anschließen werde. Ein "Aufbegehren gegen das Betreut- und Bevormundetsein", mit "moralischem, ja religiösem Rigorismus" vorgetragen, schien ihm angesichts der saturierten und wohlgeordneten industriellen Gesellschaft unvermeidlich. Einzig - so räumte Schelsky in einem neu geschriebenen Vorwort zur Taschenbuchsonderausgabe von 1975 ein - die Rückkehr zum politisch-ideologischen Heilsglauben aufgrund des geringen Realitätskontakts der neuen Generation hatte er nicht vorausgesehen. Dabei, so Schelsky maliziös, hätte das ja durchaus nahe gelegen, insofern weltfremde Weltverbesserung "aus Büchern" schon immer Kennzeichen der Pubertären und der reichen Erben gewesen sei. Ansonsten aber hat die Entwicklung der seit der "Skeptischen Generation" vergangenen 45 Jahre sich in vielen Punkten strikt an Schelskys Prognosen gehalten. Um nur einige Prognosen anzuführen, die bis heute in allen Umfragen und Expertisen bestätigt werden: Wo Schelsky noch richtig lag Große Bedeutung der "family values": Schelsky schrieb schon 1957, dass "der Familienzusammenhang als letzter Stabilitätsrest und sozialer Halt in einer offenkundig sich auflösenden Welt" (S. 128) eher wichtiger werde. Abschied vom Beruf als Berufung: Der Beruf ist ein Lebensbezirk neben anderen geworden und hat seine universale, sinnerfüllende Bedeutung verloren (S. 265f.). Politische Handlungsbereitschaft nur bei persönlicher Betroffenheit: Politik werde aus der Zuschauerperspektive betrachtet, aber "unter der pseudoerwachsenen Skepsis und Politikfeindlichkeit steckt ein durchaus reges Sachinteresse an den Vorgängen der Welt, insbesondere wenn sie irgendeinen Bezug auf die eigene Lage haben" (S. 457). Religiöse Offenheit: "Diese Jugend ist Religion und Kirche gegenüber fragend offen […] ‚Offenheit gegenüber dem Religiösen' heißt eben keineswegs, dass die Jugend fromm wäre, dass sie ‚offen gegenüber Gott' oder auch nur religiös bewegt und aufgerührt wäre. Es ist mehr das Verständnis einer für diese Generation typischen Vorurteilslosigkeit, die da fragt: Wir wollen doch sehen, was daran ist? Oder: Was können wir davon brauchen?" (S. 480). Realitätsbezogene Anpassung: Die skeptische Generation ist nüchtern, distanziert und "den Strukturen und Anforderungen der modernen Gesellschaft gegenüber in einem Maße angepasst und ihnen gewachsen, wie keine Jugendgeneration vorher, weshalb man vielleicht auch von einer ‚angepassten Jugend' sprechen sollte" (S. 88). Die Pädagogik antwortet Schelsky Gruppenbildung Der massive Angriff Schelskys auf "das Bild als Reaktion auf soziale der Jugend und des Jugendgemäßen in Isolierung unserer Gesellschaft", wie er es durch die Parteigänger der Jugendbewegung geprägt fand, wurde bereits skizziert. Er richtete sich, um es noch einmal zusammenzufassen, erstens gegen die Auffassung einer sozial eigenständigen Jugendwelt als solche und zweitens gegen die Auffassung, dass die "kleingruppenhafte Gemeinschaftsbildung" die den Jugendlichen einzig angemessene Sozialform sei. Schelsky stellte demgegenüber die These, dass die skeptische Generation gerade dadurch gekennzeichnet sei, dass sie das möglichst rasche Erwachsenseinwollen zu ihrem Leitbild erkoren habe. Wenn junge Menschen auch nach dem Durchlaufen der "Vorpubertät" - bei Schelsky auf 12 bis 14 oder 15 Jahre taxiert -, in der die "Neigung zur Gruppen- oder Hordenbildung" auch von Schelsky nicht bestritten wird, noch immer Tendenzen zur Schaffung einer Eigenwelt hätten, dann nur als Reaktion auf "die pädagogisch-künstliche Isolierung der ganzen Altersstufe der Jugend" (S. 123). TOP Kritik der fortschreitenden Pädagogisierung Soziologie gegen Pädagogik Sollte es noch eines Hinweises bedurft TOP haben, dass Schelskys Position im Jugenddiskurs auch ganz praktische pädagogische Konsequenzen umfaßte, so ist an erster Stelle auf seine Kritik der Schutzraum-Pädagogik zu verweisen. Die von ihm geschmähte Pädagogenzunft habe nicht nur ein falsches Jugendleitbild kreiert, sie halte die jungen Menschen auch künstlich in Unselbständigkeit und Abhängigkeit mit dem Resultat, dass "nicht der junge arbeitende Mensch, sondern der in Schutzraum-Institutionen der JugendAutonomie Lernende mit gefiltertem, ja gebremstem Wirklichkeitskontakt […] zum politischen und sozialen Strukturmodell und Anpassungsschema jugendlichen Verhaltens erhoben" wird (Vorwort von 1975, S. XV). Als Gegner dieser Pädagogisierung der Jugend war Schelsky selbstverständlich gegen "die einfache Fortschreibung der ‚Kindheits'-Institution Schule in ein 9. und 10. Volksschuljahr". Er hat sich demgegenüber "für eine allgemeine Vollberufsschule mit Lehrwerkstätten ausgesprochen, also wohl ebenfalls für einen erzieherisch abgeschirmten ‚Jugendraum' der Berufsausbildung, aber eben einen, der schon klar auf die volle Erwachsenentätigkeit gerichtet ist" (Vorwort von 1975, S. XIV). Natürlich ließ die Antwort der Pädagogik nicht lange auf sich warten, die Pädagogen standen "wie ein Mann gegen den Totengräber Schelsky" (Zinnecker) auf. Wir wollen hier stellvertretend Andreas Flitners Argumente aufgreifen, der sich in einem Zeitschriftenaufsatz ("Schelsky und die Pädagogik", 1961) und in einer der soziologischen Jugendforschung gewidmeten Monographie (1963) eingehend um die Zurückweisung von Schelskys Schelsky aus Thesen bemühte. Lassen wir die in Zinneckers Sicht wissenschaftlichen Streitigkeiten üblichen polemischen Spitzen (der andere sei falsch interner Link: oder gar nicht informiert, es mangele ihm Flitner, Andreas an wissenschaftlichem Niveau, er widerspreche sich immer wieder selbst, er TOP ziele in erster Linie auf den Beifall des Publikums etc.) einmal beiseite, so weist Flitner Schelskys Argumentation zurück, weil dieser in seiner ausschließlich soziologischen Betrachtungsweise die spezifisch pädagogischen Bemühungen der Erzieher- und Lehrerschaft jenseits von Klasse und Stand vollkommen ausklammere. Nicht etwa berufsständische Interessenspolitik sei der Grund, einen Schonraum für die jugendliche Eigenwelt zu befürworten, sondern die Überzeugung von der Bildsamkeit des Menschen: "Es ist aber nun einmal nicht pädagogisches Vorurteil, sondern vielfach erwiesener Tatbestand, dass für die geistige Differenzierung und das Hineinwachsen in die geistige Welt eine solche Schonzeit in den Reifejahren notwendig ist, wenn die geistige Entwicklung nicht unverhältnismäßig früh zu Ende gehen soll. […] Schelskys Leugnung der Notwendigkeit eines freien Jugendraums, die in seinem Buch ‚Anpassung oder Widerstand' einigermaßen absurde, der ganzen Schulentwicklung der westlichen Welt widerstreitende schulpolitische Folgerungen gezeitigt hat, setzt sich über entwicklungspsychologisch und pädagogisch erwiesene Tatbestände hinweg, wie es in dieser Form wohl nicht mehr diskutabel ist" (Flitner 1963, S. 88). Aber nicht nur in den Folgerungen und Forderungen widerspricht Flitner Schelsky energisch. Auch das Bild der skeptischen Generation selbst, wie Schelsky es zeichnet, gehe an der Wirklichkeit vorbei. Bereits die Wahl des Titels sei irreführend: "Gemeint ist die wirklichkeitsnahe und Skepsis oder Anpassung unpathetische, lebenspraktische, ja pragmatische Einstellung der Jugend; nicht also ein grundsätzlicher Zweifel an den Werten und Ordnungen des Lebens, nicht das vorsichtige Prüfen und Untersuchen von allem und jedem, die Urteilsenthaltung, das Infragestellen aller Geltungen, wie es das Wort ‚Skepsis' nahelegt. Ganz im Gegenteil: die Jugend, wie Schelsky sie darstellt, ist auf eine bedrückende Weise unskeptisch, vordergründig und angepaßt" (Flitner 1963, S. 69). Was die These Schelskys von der Auflösung TOP und "Entstrukturierung" (Flitner 1963, 72) der Altersstufe Jugend betrifft und das Streben Jugendlicher, möglichst rasch den Erwachsenenstatus zu erreichen, so sieht Flitner hier die Wirklichkeit zwar richtig beschrieben - aber falsch bewertet. Während nämlich Schelsky die Pädagogen kritisiert, die gegen die Evidenzen neuer sozialstruktureller Entwicklungen künstlich an einem retardierenden Schonraum festhielten, formuliert Flitner ein fast trotziges Dennoch: Gerade weil die realen Entwicklungen den in den letzten eineinhalb Jahrhunderten entstandenen Jugendraum aufzulösen drohen, müsse er verteidigt werden. Unüberhörbar ist dabei ein kulturkritischer Unterton, wenn Flitner anmerkt, dass das erstrebte schnelle Erwachsenwerden "heute stark im Zeichen des Autos, des Radios, der Industrieberufe" (1963, S. 79f.) stehe. Ein weiterer zentraler Vorwurf Flitners Der Durchschnittsbetrifft die Verallgemeinerung von jugendliche - ein statis- Befunden, die nur für eine spezifische tisches Artefakt? Gruppe Jugendlicher Geltung hätten und überhaupt die Berechtigung jenseits aller notwendigen Spezifikationen von der Jugend im Singular zu sprechen. Damit würde das künstliche Bild einer nivellierten Jugend entstehen, der gestaltlose Durchschnittsjugendliche als Artefakt (Kunstprodukt) der Forschungsmethode würde als Wirklichkeit ausgegeben. Auflösung des Jugendraums - Chance oder Drama? Wissenschaftstheoretisch spricht man hier von Reifikation - was Flitner meint, kann man sich vielleicht aber auch an einem bewährten Statistik-Kalauer klarmachen: Wenn jemand eine Hand ins Feuer und die andere ins Gefrierfach hält, dann hat er im Durchschnitt ein angenehmes Temperaturempfinden. Alles, was seinem Gesamtbild widerspreche, interner Link: Nivellierung der werde von Schelsky als unwesentlicher Arbeitsaufgabe Geschlechterdifferenzen Restbestand abgewertet, so insbesondere TOP alle Befunde aus Teiluntersuchungen, z.B. zur weiblichen, zur akademischen oder ländlichen Jugend. Da gerade die Streitfrage, ob es spezifisch weibliche Verhaltensweisen und Einstellungen gebe, und ob diese in Auflösung begriffen seien oder als anthropologische Konstante unverrückbar zum gesellschaftlichen Leben gehören, auch heute im Zeitalter von Quotenfrauen und Gender-Mainstream noch nichts an Aktualität eingebüßt hat, möchten wir einen Text-Auszug dazu als Arbeitsaufgabe zur Diskussion stellen (siehe Link rechts). Theorie und Geschichte der Peer-Group (Eisenstadt) From Generation to Generation - ein echter Klassiker Altersstufen eine fundamentale soziologische Kategorie Eisenstadts Buch "From Generation to Generation" Interner Link: mit dem Untertitel "Altersgruppen und Biographie Eisenstadt Sozialstruktur" erschien 1956 im Original und 1966 in deutscher Übersetzung. Es gilt als der "geschlossenste theoretische Entwurf einer Jugendsoziologie" und trotz - oder gerade wegen massiver Kritik aus den Reihen der Jugendforschung kann festgehalten werden, dass Eisenstadt "wie kein anderer Soziologe vor ihm oder nach ihm die jugendtheoretische Diskussion angeregt und vorangebracht hat" (Griese 1977, S. 115). Das Hauptthema Eisenstadts ist die Funktion der Interner Link: "Peer-Groups", d.h. die Erklärung der Funktion, die Übersicht altershomogenen Gruppen für die Stabilität des Handlungsalternativen gesellschaftlichen Ganzen zukommt. Dabei interessiert sich Eisenstadt sowohl für die Rolle der Peers in der Sozialisation des Individuums als auch für deren Funktion im Hinblick auf die gesellschaftliche Kontinuität. Dabei geht er von der grundlegenden Annahme aus, dass das Lebensalter zu den fundamentalsten Aspekten des menschlichen Lebens gehört und dass die Zugehörigkeit zu verschiedenen, gesellschaftlich definierten Altersstufen mit spezifischen Aufgaben, Pflichten und Rechten, kurz: mit unterschiedlichen Rollen einhergeht. Um die Argumentation Eisenstadts nachzuvollziehen, ist ein kurzer Blick auf das Modell der "pattern variables" unerlässlich, das er von Talcott Parsons übernommen hat. Unter der Prämisse, dass jedes Individuum (teilweise gleichzeitig, teilweise nacheinander) eine Vielzahl von Rollen in der Gesellschaft einnimmt - z.B. die einer Tochter, eines Vaters, Arbeiters, Vereinsmitgliedes usw. - kann man sagen, dass in jeder Rolle mehrere Handlungsalternativen enthalten sind. Das Modell der "pattern variables", am besten als "Orientierungsalternativen" übersetzt, besagt nun, dass es fünf grundlegende Handlungsalternativen gibt. "Die erste Alternative ist jene zwischen Affektivität TOP Affektivität vs. und affektiver Neutralität. Es gibt Rollen, in denen affektive der Einzelne eine unmittelbare Befriedigung in der Neutralität aktuellen sozialen Handlung suchen kann, mit der er gerade beschäftigt ist. Hier wählt er Affektivität oder unmittelbare, expressive Befriedigung. Auf der anderen Seite gibt es Rollen, in denen das Individuum mit seinem Handeln ein entferntes Ziel verfolgt. Das sind die mehr instrumentalen Rollen, bei denen affektive Neutralität gewählt wird. Selbst- vs. Die zweite Alternative ist die zwischen Selbst- und Kollektivorientierung Kollektivorientierung. Es gibt Rollen, z.B. die eines Geschäftsmannes, in denen man seine persönlichen Ziele verfolgen darf. Andererseits findet man aber auch Rollen, z.B. die des Arztes, des Priesters usw., in denen das Verhalten an der Gemeinschaft, ihrem Wohl und ihren Zielen orientiert sein soll. Die dritte Alternative ist die zwischen TOP Universalismus vs. Universalismus und Partikularismus. Es gibt Rollen, Partikularismus von deren Träger man erwartet, dass er sich in allgemeinen, unversalistischen Kategorien verhält, die auch für seine Interaktionspartner zutreffen. Ein Arzt muß alle seine Patienten gleich behandeln und ein Beamter alle diejenigen, die in amtlichen Angelegenheiten zu ihm kommen. Bei anderen Rollen, z.B. im Verhältnis zwischen Verwandten, ist es angebracht, sich gegenüber anderen entsprechend deren partikularer Beziehung zu dem Einzelnen zu verhalten. Die vierte Alternative ist die zwischen Leistung vs. Einzelleistung (achievement) und Zuschreibung Zuschreibung (ascription). Wie beurteilt man den Träger einer Rolle? Nach seiner Leistung, nach seiner Tüchtigkeit, nach seinem Erfolg auf irgendeinem Gebiet - oder nach dem, was er ist, nach seinen Qualitäten - seien sie ästhetisch, ererbt oder auch nur aufgrund seiner Mitgliedschaft in einer bestimmten Gruppe oder Kategorie von Menschen, mit anderen Worten: nach seiner zugeschriebenen Position? Die letzte Alternative ist die zwischen Diffusität TOP Diffusität vs. und Spezifität. Manchmal verlangt eine gegebene Spezifität Rolle einen diffusen Pflichtbereich wie etwa in Mutter-Kind-Beziehungen oder allgemein in Beziehungen zwischen Freunden, während in anderen Situationen vor allem ein einzelner, spezialisierter Dienst zu versehen ist, wie etwa als Bankangestellter" (Eisenstadt 1966, S. 15f.). Bruch zwischen Familie und Gesellschaft Es ist für Eisenstadts Theorie des Jugendalters von entscheidender Bedeutung, dass die ersten Sozialisationserfahrungen des Individuums in der Familie durch einen Pol der Alternativen gekennzeichnet sind: Die Familienbeziehungen sind altersheterogen, zugeschrieben, partikularistisch und diffus organisiert. Im Gegensatz dazu verlangen moderne Gesellschaften schon in der Schule aber noch mehr in der späteren Berufsrolle die Orientierung am entgegengesetzten Pol. Es gibt also einen Bruch zwischen den Prinzipien der primären Sozialisation und den allgemein in der Gesellschaft gültigen Orientierungen. Die damit notwendige verbindende Sphäre stellen die Peer-Groups dar: Sie ermöglichen den Mitgliedern Ablösung von der Familie und gleichzeitig Vorbereitung auf die Gesellschaft, weil sie Teile der Familienorientierung übernehmen, aber doch auch erwachsenes Rollenhandeln erfordern. Altershomogenen Gruppen kommt somit große TOP Peers als Bedeutung zu als Verbindungsglied zwischen Verbindungsglied der primären Rolle in der Familie, basierend auf Blutsbanden, persönlichen Beziehungen, Vertrauen, Emotionalität, Gemeinschaftssinn, auf die ganze Person gerichtetes Interesse und den sozialen Rollen der Gesellschaft, die sachliche Beziehungen, affektive Neutralität, Statuserwerb durch Leistung und Gleichbehandlung aller (Universalismus) voraussetzen (nicht mehr: "Mein Junge ist der Beste", sondern "vor dem NC sind alle gleich"). Für diese Vermittlungsfunktion im Übergang der Peers Orientierungsmuster gibt Eisenstadt ein Beispiel, für ImmigrantInnen das auch für die heutige Problematik der besonders wichtig ausländischen Jugendlichen in Deutschland von Interesse ist: "Die Bedeutung der ‚Peer-Gruppe' bei Einwandererkindern ist ein sehr bekanntes Phänomen, das gewöhnlich in der zweiten Einwanderergeneration auftritt. Es ist vor allem dem relativen ‚Zusammenbruch' oder besser der Schrumpfung des Familienlebens von Einwanderern in Wirtschaftsgesellschaften zuzuschreiben. […] Der Erwerb einer vollen IchIdentität in dem neuen Land ist bei Einwandererkindern entschieden mit einer Loslösung aus dem Rahmen der Orientierungsfamilie und mit einer stärkeren Identifikation mit den universalistischen Mustern des neuen Landes verbunden. Aus diesem Grunde entwickeln manche von ihnen eine starke Prädisposition, sich verschiedenen ‚Peer-Gruppen' anzuschließen, die entweder ihren Übergang in die absorbierende Gesellschaft erleichtern, indem sie sowohl in ihrer Zusammensetzung als auch in ihren Aktivitäten die mehr universalistischen Muster - und Leistungsorientierungen - der neuen Gesellschaft nachdrücklich betonen, oder aber ihre Auflehnung gegen diese Gesellschaft ausdrücken. In solchen Gruppen entwickelt sich eine besondere Jugendideologie, die manchmal die Eigenart der ‚amerikanisierten' Jugend […] oder aber auf der anderen Seite ihre Auflehnung gegen die neue Gesellschaft und ihre ziemlich romantische Bindung an ihre Kultur betont" (1966, S. 177f.). Fassen wir die Kernthesen Eisenstadts noch einmal TOP Peers zusammen: Vorübung und Kokon Jugendliche drängen in universalistisch organisierten Gesellschaftssystemen aus der Primärgruppe der Familie hinaus, um generelle Verhaltensmuster zu erlernen. Das gleichzeitig weiter existierende Bedürfnis nach emotionaler Nähe und stabilem Selbstverständnis befriedigen sie über die Gruppe der Gleichaltrigen. Die Beziehungen untereinander basieren hier zwar auf zugeschriebenen Merkmalen (Alter), aber nicht mehr auf Blutsverwandtschaft. Sie dienen zum Teil der Abwehr gegen, zum Teil aber auch der Orientierung an zukünftigen Rollen. Aus der Vielzahl der ethnologischen Materialien, die Eisenstadt in seiner Arbeit auswertet, leitet er weiter ab, dass die Entstehung altershomogener Gruppen dort begünstigt wird, wo: a. die älteren Mitglieder den Zugang zu Erwachsenen-Rechten versperren b. sexuelle Beziehungen innerhalb der Familieneinheit streng verboten sind. Peers Motor der Veränderung? Eisenstadt gehört nicht nur zu den TOP einflussreichsten, er gehört auch zu den umstrittensten Jugendtheoretikern. Die Hauptkritikpunkte (vgl. Griese 1977) lauten: Eisenstadt könne - wie im Übrigen der gesamte Strukturfunktionalismus - wegen der Grundannahme die Gesellschaft als statischstabiles Sozialsystem zu betrachten, sozialen Wandel nicht erklären. Er könne nicht zwischen systemgefährdendem, systemveränderndem und systemstabilisierendem sozialen Wandel trennen. Damit tendiere er zur Legitimation des jeweiligen Status quo und versage angesichts von revoltierenden Jugendbewegungen, wie sie in den späten 60er und den 70er Jahren in allen westlichen Gesellschaften zur Tagesordnung gehörten. Eisenstadt argumentiere ausschließlich biologisch und ahistorisch, wenn er das Lebensalter als wichtigstes Kriterium der Rollendisposition der Gesellschaftsmitglieder annehme. Politische, ökonomische Dimensionen und damit auch soziale Ungleichheiten blieben ausgeklammert. Man merkt derartigen Argumenten den Zeitgeist der Studentenbewegung an. Heutzutage allerdings kann es längst als Normalität angesehen werden, wenn etwa ein ExSponti Joschka Fischer als Außen- oder ein ExRAF-Anwalt Otto Schily als Innenminister hohe Staatsämter bekleiden. So stellt sich die Frage, ob und inwiefern nicht auch Protestbewegungen der jungen Generation eine langfristig systemstabilisierende Wirkung haben? Voraussetzung ist freilich, dass sich die Gesellschaft als offen gegenüber Veränderungen erweist. Peer-Group konkret Was sind PeerGroups? Der Begriff Peer wird häufig mit Gleichaltriger übersetzt und Peer-Group entsprechend als Gleichaltrigen-Gruppe. Neben dem Merkmal der Altershomogenität kommt allerdings ein weiteres wichtiges Kriterium hinzu: Die einzelnen Mitglieder einer Peer-Group sind prinzipiell gleichrangig. Diese prinzipielle Gleichheit im Rang der Gruppenmitglieder darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass in Peer-Groups genauso wie in anderen Gruppen Rollen ausgehandelt und unterschiedlich festgelegt werden. So gibt es oft Group- oder Opinion-Leader, Clowns, AngeberInnen, Schüchterne, MitläuferInnen etc. Peer-Groups haben im Gegensatz zu anderen Gruppen eher informellen Charakter: Ihre Gruppenmitglieder bilden die Gruppe freiwillig und spontan, sie bedürfen keinerlei "vertraglichen" Bestimmungen und ein Ausstieg ist prinzipiell jederzeit möglich. Dennoch entwickeln auch informelle Gruppen bisweilen ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und somit einen enormen Zusammenhalt. Auch existieren zum Teil komplexe Regelsysteme, deren Nicht-Beachtung durch Sanktionen bestraft wird (denken Sie z.B. an die "Kleider- und Frisurvorschriften"). Gerade im Jugendalter gewinnt die Peer-Group an Bedeutung, da sie zwischen der Ablösung vom Elternhaus und der Integration in die Berufswelt das soziale "Vakuum" füllt. Daher wird im Jugendalter die Peer-Group neben der Familie bzw. den Eltern in der Regel zur wichtigsten Sozialisationsinstanz. Erinnerungen an Ihre eigenen PeerGroups Bildungs von Peer-Groups Loslösungshilfe von der Familie TOP Bitte überlegen Sie für sich zur besseren Bearbeitung des Themas Antworten zu den folgenden Fragen: Versuchen Sie sich an Ihre eigene Jugend zu erinnern. Sie waren sicherlich auch in einer oder mehreren Gleichaltrigengruppen eingebunden (z.B. in der Schulklasse, im Sportverein oder in der Nachbarschaft). Wie groß waren diese Gruppen? Waren diese Gruppen reine Mädchen- bzw. Jungen-Gruppen? Welche Veränderungen haben diese Gruppen durchlaufen (z.B. Wechsel von gleichgeschlechtlicher zu gemischtgeschlechtlicher Gruppe)? Gehörten Ihre Gruppen einer bestimmten größeren jugendlichen "Subkultur" an (z.B. Raver, Punks, Rapper, Sprayer etc.)? Haben Sie besonders positive oder negative Erinnerungen an diese Gruppen? Bestanden Ihre Gruppen über die Jugendphase hinaus bis hinein ins Erwachsenenalter? Peer-Groups entstehen in Abgrenzung zur bestehenden TOP Erwachsenenkultur. Diese Eigenschaft der Peer-Groups lässt sich dadurch erklären, dass es für Jugendliche leichter ist, in einer gewohnten Umgebung, in der sie sich relativ sicher fühlen und in der sie eine Rolle (z.B. Kind, Schüler_in etc.) erfüllen, Kontakte zu knüpfen. Daraus ergibt sich auch, "dass die Jugend in Bezug auf soziale Schichtzugehörigkeit streng selektiv ist" (Baacke 1994, S. 12). Jugendliche, die verschiedenen Gesellschaftsschichten angehören, treffen sich selten in einer PeerGroup. Man kann deshalb sagen, dass Peer-Groups in gewisser Weise das gesellschaftliche Schichtsystem reflektieren. Das soziale Umfeld, in dem sich die Peer-Groups formieren, ist auch ausschlaggebend für die Wertvorstellungen der Jugendlichen. So scheinen Jugendlichen, die das Gymnasium besuchen, andere Werte wichtig als Real- und Hauptschüler_innen: Z.B. "Pünktlichkeit, Gepflegtheit, persönliche Attraktivität, Respektierung der Individualität" gegenüber "Männlichkeit, Mut, Stärke" (Baacke 1995, S. 13). Trotzdem haben weder die Schule, noch die Familie direkten Einfluss auf die Gruppen. Auch ist es den Jugendlichen manchmal gar nicht bewusst, dass sie die Wertvorstellungen der Erwachsenen übernommen haben. Die Struktur heutiger Familien unterscheidet sich von den Familienstrukturen vergangener Generationen: Die Familie wird kleiner (aus der Großfamilie mit drei oder mehr Generationen wird eine kleine Kernfamilie mit oft nur drei Personen: Mutter, Vater und Kind), die Generation der Großeltern hat weniger Einfluss auf die Kinder, beide Elternteile sind berufstätig oder eine Mutter bzw. ein Vater ist alleinerziehend. Daraus folgt, dass der Einfluss der Familie heute geringer ist, als noch TOP vor 50 Jahren. Die Funktionen der Familie (Erziehung und Sozialisation) müssen zum Teil von anderen Institutionen mitgetragen werden (Kinderkrippe, Kindergarten, Schule, Jugendclubs). Gleichzeitig wird die kulturelle Kluft durch die rapiden technischen und gesellschaftlichen Veränderungen zwischen Elterngeneration und Kinder- bzw. Jugendlichengeneration größer: Wenn ein/e Jugendliche/r Computerprobleme hat, dann fragt er nicht seine Mutter, sondern seine/ihre FreundInnen. Autonomie und eigenständiges Handeln sind essentiell wichtig für ein Bestehen in der heutigen Gesellschaft. Unabhängigkeit und Selbständigkeit können so als wichtiges Sozialisationsziel definiert werden. Während die Familie - je nach Struktur und "Erziehungsklima" nur bedingt die Autonomie fördern kann, wird diese in der Peer-Group erlernt. Die Peer-Group bietet die Möglichkeit, auf gleicher Ebene zu diskutieren und Meinungen zu vertreten und wird dadurch zur Vermittlerin zwischen Familie und öffentlicher Sphäre. In Familie und Schule gelten "Erwachsenengesetze", während in der TOP Freiraum zur Peer-Group gruppenspezifische Gesetze ausgehandelt werden, die sich Erprobung zum Teil erheblich (besonders drastisch bei delinquenten von Jugendgruppierungen) von den Regeln und Gesetzen der Handlungsweisen Erwachsenenwelt unterscheiden. Dadurch wird die Peer-Group zu einem Freiraum sozialer Interaktion. Es können Verhaltensweisen ausprobiert werden, die außerhalb der Gruppe nicht möglich wären. Die Peer-Group bietet die Möglichkeit, Verhandlungen einzuüben, Argumente auszutauschen, Koalitionen zu bilden, Mehrheiten zu erlangen etc. Dies alles sind wichtige soziale Kompetenzen, die innerhalb der Peer-Group erlernt werden können. Eine Peer-Group bietet auch Identifikationsmöglichkeiten. Sei es durch TOP Aufbau von Ich- einen "coolen" Opinion-Leader oder einen Star bzw. eine Gruppierung Identität außerhalb der eigenen Peer-Group. Der/Die Jugendliche kann in der Peer-Group relativ gefahrlos seine/ihre Identität entwickeln und verschiedene Lebensstile ausprobieren. Gleichzeitig erfährt er/sie Sicherheit in der Gruppe, die den/die Einzelne/n vor dem Pluralismus der Gesellschaft schützt. Die Peer-Group hilft die großen Veränderungen während der Pubertät zu TOP verkraften und die "Einsamkeit" bedingt durch die einsetzende Selbstreflexion und Erkenntnis der Einzigartigkeit durch ein Wir-Gefühl zu überwinden. Die Peer-Group ist nicht nur Vermittlerin zwischen Elternhaus und Aufbau von Gesellschaft im Allgemeinen, sondern bereitet Jugendliche auf die Beziehungen zum Partnerschaft vor. Nicht selten entwickeln sich innerhalb der Peer-Group anderen erste sexuelle Erfahrungen, die in einem sozialen Schutzraum stattfinden Geschlecht können. In der Peer-Group können die Jugendlichen diejenigen ihrer Eigenschaften und Fähigkeiten hervorheben, die ihnen persönlich als wichtig erscheinen. Ohne den Leistungsdruck der Eltern oder Lehrer_innen, wächst dadurch das Selbstbewusstsein der Jugendlichen und gleichzeitig ihr Mut, sich auf erste sexuelle Beziehungen einzulassen. Trotz aller positiven Funktionen und Einflüsse, die die Peer-Group TOP Peer-Pressure übernimmt, gibt es auch negative Aspekte, die durch die Gruppenstruktur entstehen können. Bei aller Freiheit, die die Peer-Group bietet, ist es nicht zu verleugnen, dass sie für ihre Mitglieder manchmal auch schädlich sein kann. Obwohl das vorrangige Interesse der Jugendlichen der gemeinsame Zeitvertreib ist, bilden sich - gerade auch durch die Identitätssuche - Machtstrukturen unter den Peers heraus. Ein solches "Kräftemessen" ist ungefährlich, wenn beide Parteien gleichgestellt sind. Besteht aber eine vertikale Abstufung, dann können die Konsequenzen schwerwiegend sein. Solche Rangunterschiede innerhalb der Gruppe können dadurch entstehen, dass Mitglieder einer Gruppe unterschiedlich lang angehören, dass ein/e Jugendliche/r von Hause aus eine untertänige Rolle gewohnt ist, die er/sie auch in der Peer-Group nicht ablegen kann, oder dass ein/e Jugendliche/r in einer Identitätskrise steckt und versucht, seine/ihre Probleme in der Konfrontation mit anderen zu lösen etc. Wenn die restlichen Gruppenmitglieder für eine Seite Partei ergreifen, wird auf den/die Schwächere/n ein enormer Druck (Peer-Pressure) ausgeübt. PeerPressure kann erschreckende Folgen haben: Angefangen bei Anstiftungen zu kleinen Stehlereien mit "Streich"-Charakter, über Autodiebstahl für "joy rides", bis hin zu Vergewaltigung und Mord. PeerPressure funktioniert aber auch im Kleinen mit weniger drastischen Folgen. So werden in der Gruppe bisweilen mehr Freiheiten eingebüsst als gewonnen. Exkurs zu Peer-Groups und Jugendkulturen Jugendgruppen im Dritten Reich Hitlerjugend (Quelle: http://www.tzl.de) Die neue Freiheit in den 1950er Jahren Die 1960er und 1970er Geschichte, Entdeckung und Erforschung der Peer-Groups sind vergleichsweise jüngeren Datums. Natürlich war die Gruppe der Gleichaltrigen auch schon früher Gegenstand von philosophischen Überlegungen und wissenschaftlichen Betrachtungen (z.B. in der Antike bei Platon oder in der Aufklärung bei Locke). Die eigentliche Entdeckung der Peer-Group jedoch geht mit der Entdeckung des Jugendalters einher. In Deutschland war die Entwicklung von Peer-Groups während der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges kaum möglich. Das Erziehungssystem diente der Indoktrination und freiwillig gebildete Jugendgruppen wurden nicht geduldet. Absolute Kontrolle der Kinder und Jugendlichen war Ziel des "Erziehungs"-Systems des Dritten Reichs. Organisiert und gefügig gemacht wurde die damalige Jugend im Bund Deutscher Mädel (BDM) und in der Hitlerjugend (HJ). Nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus stellten die 50er Jahre mit Petticoats, Coca-Cola und Rock'n'Roll eine große Wende für das Leben junger Menschen dar. In dieser Zeit der "gesellschaftlichen Produktion des 'Teenagers'" (Baacke 1993, S. 11), erhielt Musik eine große Bedeutung für junge Menschen. Rock'n'Roll drückte nicht nur ein völlig neues und unbeschwertes Lebensgefühl aus, sondern brachte im Tanz auch Jugendliche beider Geschlechter zusammen. Als weiterer Katalysator in der Entwicklung der Jugendkultur muss der beginnende Wohlstand der damaligen Bundesrepublik genannt werden (vgl. Baacke 1993, S. 11). Nicht nur schlechte Erinnerungen an organisierte Jugendverbände während des Zweiten Weltkrieges, sondern auch der Einfluss gewandelter, speziell medienorientierter Interessen spielte bei der Entstehung von Peer-Groups eine Rolle. Jugendliche fanden sich in Gruppen außerhalb der autoritären Erziehung der Erwachsenen zusammen, um diese neuen Interessen mit Gleichgesinnten zu teilen. Nicht nur Musik und Kleidung, sondern auch neue liberale und hedonistische Verhaltensweisen untereinander veränderten die Struktur der Gruppen von Jugendlichen. Die Hippies, deren Bewegung ihren Höhepunkt in der zweiten Hälfte der 60er Jahre mit dem Woodstock-Festival hatte, war, wie auch ihr Beiname "Blumenkinder" impliziert, eine friedliebende Gruppe. Sie propagierten Liebe und Frieden und wollten die Welt verändern. Daneben gab es die politisch aktiven Jugendlichen, die in den späten 1960er und in den 70er Jahren die Schüler- und Studentenrevolte trugen. In Bund Deutscher Mädel (Quelle: http://www.skalman.nu) Halbstarker der 50er (Quelle: http://www.daf.unimainz.de) Hippie Punks Die 1980er Die 1990er Trends und PeerGroup Deutschland war diese Bewegung, obwohl Externer Link: sie auf internationaler Ebene zu finden war, Dark-Wave bzw. Gothicbesonders erfolgreich und setzte Szene Veränderungen besonders im Hochschulwesen durch. Ende der 1970er bis Anfang der 80er Jahre war die Zeit der Punks, die wiederum "Geburtshilfe" für die Dark-Wave bzw. Gothic-Szene darstellte und deren Gegenströmung die Popper bildeten. Die neue Freiheit der Jugendlichen, die in den Jahrzehnten zuvor hart erkämpft werden musste, wurde in den 1980er Jahren weitgehend als selbstverständlich angesehen und die zwischenmenschlichen Beziehungen schienen zeitweise uninteressanter als das Konsumbedürfnis zu sein. Auf jeden Fall erhielten in dieser Zeit das "Outfit", das "Styling" erstmals auch außerhalb bestimmter jugendlicher Subkulturen eine herausragende Bedeutung. Entsprechend hat man die Jugend der 80er Jahre auch als "LifestyleGeneration" bezeichnet. Der Jugendliche Mainstream in den 1990er Jahren wurde häufig mit der Spaßgesellschaft gleichgesetzt: Ecstasy, Love Parade, feiern statt engagieren. Dies war das durch Medien geprägte Bild der 1990er Jahre. Aber auch das Internet und der Computer beeinflussten die ausgehenden 90er Jahre: Generation X wurde durch die Generation @ abgelöst. Die oben allerdings sehr verkürzt dargestellten Trends in der Entwicklung der Ziele und Werte der Jugend spiegeln nur äußerst grob das wider, was die Jugendlichen bewegte. Die Trends der großen Jugendsubkulturen (Rocker, Hippies, Punker, Grunge, Raver, Rapper...) wurden von Peer-Groups kreiert, weitergetragen und verändert. Ein Blick auf die Erforschung der Peer-Group Eine kurze Die Peer-Group-Forschung nährt sich aus verschiedenen Ansätzen. Zum einen Geschichte entstand seit Ende des 19. Jahrhunderts ein Interesse für die differenzierte Vielfalt der Peer- von Kleingruppen und die zwischenmenschlichen Beziehungen in ihnen. Dies führte Groupzu spezifischen Fragestellungen der Soziologie (z.B. die Frage nach der Struktur von Forschung Kleingruppen) und der Sozialpsychologie (z.B. die Frage nach sozialen Bezügen des Individuums). Im deutschsprachigen Raum gingen Anregungen vor allem von G. Simmel (1858-1918) aus und im amerikanischen hat H. Cooley (1864-1929) bereits 1909 auf das Problem der Primärgruppen aufmerksam gemacht, zu denen er auch die Peer-Group rechnete (neben der Famile, Nachbarschaft und der Gemeinde). S.N. Eisenstadt fasste 1956 die Untersuchungen unter dem Blickwinkel des funktionellen Zusammenhangs zwischen Peer-Group und Gesellschaft zusammen. Neuere empirische Untersuchungen konnten das Wissen über die Peer-Groups ausdifferenzieren. In den folgenden Abschnitten haben wir einige interessante Ergebnisse der Forschungen über Peer-Groups zusammengestellt. Dabei wird sowohl die soziologische als auch die entwicklungspsychologische Dimension berücksichtigt. Die Peer-Group als soziologische Kleingruppe Aus dem Blickwinkel der Soziologie wird häufig über den Begriff der "soziologischen Gruppe" gesprochen. Was ist darunter zu verstehen? Die Gruppe ist das häufigste soziale Gebilde; viele Menschen gehören mehreren sozialen Gruppen an: Familie, Spielgruppe, Arbeitsgruppe, Freundesgruppe, Sportgruppe usw. Mit jeder der genannten Gruppen ist jeweils eine Reihe von Besonderheiten, aber auch von Gemeinsamkeiten des Gruppenlebens verbunden. Von den Anfängen der modernen Gesellschaftswissenschaft bis in die 20er Jahre wurde der Begriff Gruppe undifferenziert auf die Vielfalt der sozialen Gebilde und sozialen Beziehungen angewandt; er umfasst sowohl die Kleingruppe wie die Gesellschaft oder schließlich die ganze Menschheit als Gruppe. Erst die seit Anfang dieses Jahrhunderts entwickelte Primärgruppen-Theorie und die intensive Erforschung kleiner Gruppen von etwa drei bis 25 Personen setzten in den Sozial- und Humanwissenschaften ein eindeutiges Gruppenverständnis durch: Gruppe ist ein soziales Gebilde bestimmter Größenordnung, das nicht zuletzt wegen dieser Größe andere Handlungsmuster zeigt als Organisationen und Institutionen, als Massen oder gar gesellschaftliche Systeme (Schäfers 1994, S. 11). Die in diesem Teilmodul von uns betrachtete Peer-Group ist eine soziologische Kleingruppe, die drei bis 25 Personen umfassen kann. Denken Sie an Ihre Jugend zurück und überlegen Sie, wie groß Ihre Peer-Group war? War es eine eingeschworene Gruppe von nur drei Personen oder gar eine Clique von 25 Personen? Welche Auswirkungen auf die Beziehungen können diese unterschiedlichen Gruppengrößen haben? Versetzen Sie sich nochmals in Ihre Jugend zurück. Denken Sie an verschiedene Gruppen (nicht nur an Ihre Peer-Group, sondern vielleicht an den Sportverein, Schulklasse, Pfadfinder etc.) und überlegen Sie, wie ausgeprägt das angesprochene Wir-Gefühl dort war. Welche Gruppenziele haben Ihre Gruppen in der Jugend gehabt? Gab es explizite oder implizite Regeln, die eingehalten werden mussten? Welche Rolle haben Sie innerhalb Ihrer Gruppen gespielt? Die soziologische Gruppe wird in Theorie und Praxis von anderen soziologischen Gebilden abgegrenzt. Klicken Sie hier, um eine Übersicht über den Standort der soziologischen Gruppe in der Gesamtheit anderer soziologischer Gebilde zu sehen. Die PeerDie oben genannten Kennzeichen einer soziologischen Gruppe Group als sind allen Gruppen gemein. Interessant dabei ist z.B. das soziologische ausgeprägte Wir-Gefühl der Gruppe, das als wichtiges Kleingruppe Kriterium, besonders auch der Peer-Group im Jugendalter, anzusehen ist. Das Wir-Gefühl, gepaart mit einem großen meist informellen Satz an Normen und Regeln und der Tendenz der "Abspaltung" von der Erwachsenenwelt, führt zur Bildung von so genannten jugendlichen Subkulturen. Diese Subkulturen reichen in ihren Ausprägungen von latenten Tendenzen bis hin zu delinquentem (abweichendem, kriminellem) Verhalten. Dabei ist zu bemerken, dass die Subkultur nicht eigenständig, unabhängig und neben der Kultur der Erwachsenen existiert und sich entwickelt, sondern vielmehr im gegenseitigen Austausch mit dieser steht. Denken Sie an die Entstehung von Trends, die häufig in jugendlichen Subkulturen beginnen, von Medien und Meinungsführer_innen und schließlich von der Erwachsenenwelt adaptiert und dann wiederum von anderen jugendlichen Gruppen aufgenommen und angepasst werden. Der Einfluss der Medien als verbindender Überbau zwischen verschiedenen Gruppen ist eindeutig. Ohne die Medien wäre eine "weltweite" Jugendkultur undenkbar. Denken Sie z.B. an die Love Parade, die ähnlich wie andere "Jugendbewegungen" erst durch die große Medienberichterstattung für viele andere Peer-Groups zum Identifikationsangebot werden konnte. Einige gruppensoziologische Aspekte der Peer-Group fasst interner Link: Machwirth zusammen: Konformitätsdruck Gruppeninteressen dominieren und bestimmen Themen der Gespräche, Ziele der Aktivitäten und das Verhalten (Klicken Sie rechts zum Thema Konformitätsdruck in der Peer-Group). Die jeweilige soziale Umgebung übt modifizierenden Einfluss aus und begrenzt die Verhaltensmöglichkeiten. Die Altersgruppen sind vielfach milieu- und geschlechtsspezifisch und spiegeln die sozialen Zuordnungen der Gesellschaft, was wiederum vielfach zu milieu- und geschlechtsspezifischer Selektivität der Verhaltensstandards führt. Die Erwartungen an die Gruppe sind unterschiedlich, beziehen sich aber generell in gleicher Weise auf Möglichkeiten zur Erprobung der eigenen Persönlichkeit im solidarischen Verhalten ebenso wie im Rivalitätsverhalten. Ein wichtiger Erwartungskomplex ist der Erfahrungsbereich der Sexualität. Das Suchen neuer Erfahrungen mit dem Ziel der Identitätsbildung bedingt einerseits die Ablösung vom Elternhaus, andererseits wirken die Erfahrungen des familialen Sozialisationsraumes nach und setzen der Identitätssuche Grenzen. Die Peer-Beziehungen stabilisieren das Verhalten des Jugendlichen in einer unstabilen Phase durch die Erlebnis- und Erfahrungssolidarität mit Gleichaltrigen. (Machwirth 1994, S. 265-266) Die Peer-Group aus entwicklungspsychologischer Sicht Entwicklungspsychologische Während die Soziologie aus dem Blickwinkel der Gruppe und Sichtweise der gesellschaftlichen Einbettung und Abhängigkeiten auf die Peer-Group schaut, interessiert sich die Entwicklungspsychologie für die Einflüsse der Peer-Group auf das Individuum. Fragen, die gestellt werden, sind: Welche Auswirkungen auf die individuelle Sozialisation und Entwicklung der einzelnen Personen hat die Peer-Group? In diesem Sinne interessiert sich die Entwicklungspsychologie für den Prozess der Sozialisation: Die Ablösung der Jugendlichen vom Elternhaus und der Aufbau von sexuellen Beziehungen. Die Peer-Group wird als Vermittlerin zwischen Elternhaus und Partnerschaft gesehen: Die Peer-Group als Vermittlerin zwischen Eltern und Partnerschaft Peer-Group und Familie rivalisierend oder komplementär? Nach der "Entdeckung" der Peer-Group vertrat man die Hypothese, dass sie die Familie als primäre Sozialisationsinstanz ersetzen würde (Coleman 1960; Tenbruck 1965). Diese Auffassung wich der Situationshypothese von Brittain (1969), die davon ausgeht, dass ein Kind oder ein/e Jugendliche/r je nach Situation unterschiedliche Vorbilder (Eltern bzw. Familie oder PeerGroup) auswählt. Dieses System sollte zu einer ausgewogenen Sozialisation führen und das System Eltern (Familie) und Peer-Group als komplementär darstellen. Weitere Untersuchungen stellten diese komplementäre Wirkung von Peer-Group und Familie in Frage. Larsen (1972) kam in seinen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass der Einfluss der Eltern mit zunehmendem Alter des Kindes bzw. des/der Jugendlichen abnimmt und dass der Einfluss der Eltern um so größer war, desto besser die Qualität der ElternKind-Beziehung beurteilt wurde. Familie und Peer-Group wirken in den meisten Fällen eher harmonisch zusammen, "da sich entweder die beiden Systeme komplementär ergänzen oder direkt wechselseitig unterstützen, z.B. gleiche Werte wie Leistung, Anpassung an die Hauptziele der Hauptkultur, Fortsetzung der elterlichen Tradition aufweisen." (Oerter, Dreher 1998, S. 382) Nach Steinberg (1989) erwiesen sich Kinder aus "unvollständigen" Familien (alleinerziehendes Elternteil) oder mit Stiefeltern wesentlich beeinflussbarer als Kinder aus "vollständigen" Familien. Wie Bronfenbrenner und Ceci (1994) zeigten, scheinen Stiefeltern häufig eine besonders ungünstige Wirkung auf die Kinder und Jugendlichen zu haben. Die Stiefeltern scheinen oft weniger als richtige Bezugspersonen anerkannt zu werden. Dazu kommt die Zurückhaltung, die Stiefeltern ihren Stiefkindern möglicherweise entgegenbringen. Dies führt zu einem Beziehungsvakuum, das den Einfluss der Peer-Group bei Jugendlichen erhöht. Zusammenfassend kann man sagen, dass der Einfluss der Eltern in der Jugendphase sehr stark von der Eltern-KindBeziehung abhängt. Peer-Group und Partnerschaft Dunphy (1963) hat in seinen Untersuchungen dargestellt, wie der Übergang von der gleichgeschlechtlichen Peer-Group zur Partnerschaft verläuft (Klicken Sie rechts für sein Modell). Die gleichgeschlechtliche Peer-Group wird in ihrer Entwicklung schnell durch eine beginnende Durchmischung geprägt, die durch die Gruppenmitglieder mit hohem Status eingeleitet werden. Auf der Stufe 4 entwickeln sich heterosexuelle Cliquen, deren Mitglieder untereinander in Beziehung stehen. Auf Stufe 5 beginnt die Desintegration der Mischgruppe und lose, locker verbundene Paare bilden sich heraus, die miteinander befreundet sind. Peer-Involvement in der Sexualaufklärung FlashAnimation: Modell von Dunphy Sexualität Sexualität ist ein wichtiges Thema im Jugendalter. Vor allem im unter dem Eindruck von AIDS hat damit auch die Jugendalter Sexualaufklärung (Schwangerschaftsverhütung und der Schutz durch Kondome) einen bedeutenden Stellenwert erhalten. Denken Sie an Ihre eigene Jugendzeit zurück. Wer hat Sie "aufgeklärt" und Sie über AIDS oder die Verwendung von Kondomen informiert? Waren das Ihre Eltern, Lehrer_innen, Freundinnen oder Freunde, "professionelle" Aufklärer_innen aus anderen Institutionen oder ganz andere Personen? Einige Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Grafik: Zahlen zur (2001) kommt zu folgenden Ergebnissen: Veränderungen Aufklärung 90% der befragten Mädchen und 81% der Jungen geben an, Jugendlicher eine Bezugsperson zu haben, mit der sie über Sexualität reden seit 1980 Quelle: BZgA 2006 können (Grafik der Veränderungen seit 1980). Die Bezugspersonen sind meist Vater und Mutter. Trotzdem kommt Grafik: bei vielen Mädchen und Jungs den Gleichaltrigen eine wichtige Vertrauensperson Rolle zu. Gerade Jungens scheinen gerne ihre Peers um Rat zu für sexuelle fragen. Mädchen fragen am häufigsten die Mutter (63%), dicht gefolgt Fragen Quelle: BZgA 2006 von der besten Freundin (62%). Jungen kommen mit ihren Fragen zur Sexualität am häufigsten zum besten Freund (54%), am zweithäufigsten zur Mutter (42%). Danach kommt der Peer- PDF (extern) : Group in der Sexualaufklärung neben den Eltern ein bedeutender Gesamte Studie der BZgA 2010 Teil zu. LehrerInnen und ÄrztInnen rangieren auf untersten Plätzen. Sie scheinen nicht sehr attraktiv für Fragen der Jugendlichen zu sein. Peer-Involvement in der Praxis PeerAm Beispiel des Projekts des Österreichischen Roten Kreuzes soll Involvement in hier stellvertretend für andere Projekte ein Peer-Education-Projekt der Praxis in der Sexualaufklärung vorgestellt werden: Allgemeines: Peergroup-Education ist ein modernes pädagogisches Modell, bei dem Jugendliche in speziellen Seminaren ausgebildet werden. Dabei werden sie von Medizinern sowie Referenten der AIDS-Hilfe betreut. Die Jugendlichen erhalten allgemeine Informationen zum Thema AIDS. Sie lernen, wie sich die Krankheit ausbreitet und welche Auswirkungen AIDS auf Jugendliche und Erwachsene haben kann. AIDS-Prävention konzentriert sich nicht nur darauf, Jugendlichen den sicheren Umgang mit Kondomen zu zeigen, sie werden ebenfalls mit einem profunden medizinischen Wissen ausgestattet, das die Grundlage für die Wissensweitergabe bildet. Das in den Seminaren erhaltene Wissen geben die Jugendlichen an Gleichaltrige weiter. Diese Wissensvermittlung kann in allen Bereichen des täglichen Lebens stattfinden, z. B. im Rahmen von Projekten, im Pausenhof, bei speziellen Veranstaltungen, in der Freizeit oder im privaten Bereich. Nach erfolgter Ausbildung starten die Peerleader die Arbeit an der Schule. Gemeinsam setzen sie das Gelernte um und informieren ihre Mitschüler_innen. Es gibt seitens der Landesleitung nur Rahmenvorgaben. Innerhalb dieser Vorgaben können die Peerleader sämtliche Ideen umsetzen. Programmablauf: Der zweitägige Ausbildungslehrgang (kostenlos!) beinhaltet folgende Themenbereiche: Medizinische Aspekte Im Rahmen des ersten Moduls werden den zukünftigen Peerleadern folgende inhaltliche Schwerpunkte durch qualifiziertes medizinisches Personal vermittelt: geschichtliche Aspekte der HIV-Infektion (z. B. erstes Auftreten der Krankheit ...) medizinische Grundlagen über Viruserkrankungen und das Immunsystem Ansteckungsmöglichkeiten - Ausbreitung des HI-Virus im menschlichen Körper Möglichkeit der Feststellung einer Infektion (verschiedene Tests) Behandlungsmöglichkeiten der Krankheit andere Geschlechtskrankheiten Möglichkeit für Diskussion und Fragestellungen der TeilnehmerInnen Methodische Aspekte Grundlagen der Rhetorik (spezielle Probleme der TeilnehmerInnen) Präsentationstechniken (Einsatz div. Medien) Grundlagen der Körpersprache Psychosoziale Aspekte In Gruppenarbeit (ca. 10 Personen/Gruppe) wird zu folgenden Schwerpunkten gearbeitet: Kennenlernen der Teilnehmer_innen Schaffung einer offenen Gesprächsbasis Enttabuisierung der Themen Sex und AIDS Rollenspiele zum Thema AIDS Einbringen persönlicher Erfahrungen in einer fremden Gruppe sensibler Umgang mit den Themen Sexualität und Krankheit Ungefähr ein halbes Jahr nach absolvierter Ausbildung werden die ausgebildeten AIDS-Peers zu einer Supervision und Nachbetreuung eingeladen. Bei diesem Treffen werden Erfahrungen und Ideen untereinander ausgetauscht, über die Arbeit an der Schule berichtet und über Wünsche, Anregungen und Probleme gesprochen. Ansätze des PeerInvolvement Weitere Informationen zum Projekt finden Sie auf der Webseite des Österreichischen Roten Kreuzes (Stichwort: PeergroupEducation). Das Peer-Involvement-Konzept greift Beratungsaspekte auf, dient verschiedenen Formen der Sexualaufklärung und/oder unterstützt Jugendliche in krisenhaften Situationen. In der Praxis des PeerInvolvement findet man Konzepte mit folgenden Bezeichnungen: Peer-Counseling Peer-Education Peer-Projekte Diese einzelnen Ansätze des Peer-Involvement unterscheiden sich vor allem in der Anzahl der beteiligten Personen. Während im Peer-Counseling eine Beratungssituation zwischen zwei Personen herrscht, findet Peer-Education zwischen einem jugendlichen Berater und einer Gruppe statt. In Peer-Projekten arbeiten Gruppen von Peer-Educators mit gesamten Peer-Groups zusammen. Peer-Involvement-Ansätze (nach Bundeszentrale für gesundheitl. Aufklärung 1995, S. 85) Exkurs: Evaluation von PeerInvolvement Exkurs: Funktioniert Peer-Involvement? Oder: Empirische Befunde zur Wirksamkeit von Peer-Involvement. Die jugendlichen PeerCounselors oder Peer-Educators werden wie in dem oben skizzierten Modellprojekt in der Regel nicht bezahlt, sondern arbeiten auf freiwilliger und kostenloser Basis. Es wird häufig versucht, solche Jugendlichen als Berater zu gewinnen, die einen hohen Einfluss auf die Peer-Groups haben, denen sie angehören (Peer-Leader). Interner Link: Evaluation von PeerInvolvement Was halten Sie von Peer-Involvement-Ansätzen? Erinnern Sie sich noch mal zurück an die Zeit, als Sie aufgeklärt wurden. Hätten Sie eine "professionelle" Aufklärung durch Freundinnen/Freunde als angenehm empfunden? Peer-Mediation zur Gewaltprävention Gewalt in Eine Mutter erzählt, dass ihr Sohn Michael (11 Jahre) von zwei der Schule - älteren Mädchen (13 Jahre) aus seiner Klasse massiv schikaniert ein Beispiel wird: Sie zerstören seine Schulmaterialien, schlagen ihn und hetzen andere gegen ihn auf. Das Mobbing hat sich auf die ganze Klasse und sogar auf mehrere Schüler_innen aus der Parallelklasse ausgeweitet. Die Täterinnen sind ehemalige Mitschülerinnen aus der Grundschulzeit, in der Michael bereits Opfer ihres Mobbings war. Die Schikanen haben in der Grundschule nach dem Überspringen einer Klassenstufe angefangen. Michael hat schon öfter mit den Täterinnen über das Mobbing geredet, aber nach einer kurzfristigen Besserung hat sich die Situation drastisch verschlimmert. Die Klassenlehrerin hat bisher nichts gemerkt und glaubt, dass Michael gut in die Klasse integriert ist. Nach ihrer Meinung reagiert Michael auf die "Späße" der Mädchen zu empfindlich. In diesem Moment tritt Pia, eine Klassenkameradin der drei Beteiligten, auf den Plan. Sie kennt die beiden Täterinnen sehr gut und ist auch mit Michael befreundet ... PeerPeer-Involvement-Ansätze gehen davon aus, dass Gleichaltrige ihre Mediation jugendlichen Peers im Bereich der Aufklärung und Beratung besser Externer und erreichen können als erwachsene Berater_innen. Auf dem gleichen Link: Peertheoretischen Hintergrund fußen auch Ansätze der Peer-Mediation, Was ist Mediation? Involvement die vor allem in der Gewaltprävention angewandt werden. Anders als beim Peer-Involvement steht allerdings nicht die Vermittlung von Wissen im Vordergrund, sondern die aktive Unterstützung bei der Lösung von Konflikten. Darüber hinaus sollen Peer-Mediator_innen durch ihre soziale Einbettung schneller und sicherer (gerechter) auf Konflikte reagieren können. Die gleichaltrigen "Streitschlichter_innen" übernehmen dadurch Verantwortung für Teile des sozialen Lebens (vor allem in der Schule, aber auch in Jugendclubs etc.). Kennzeichen eines Mediationsverfahrens sind laut Besemer (1993): Interner Link: die Anwesenheit der vermittelnden Mediator_innen, Geschichtliche die Einbeziehung aller Konfliktparteien, die in der Regel auch Hintergründe anwesend sind, der Mediation die informelle, außergerichtliche Ebene, Interner die Freiwilligkeit der Teilnahme am Mediationsverfahren und Link: die Selbstbestimmung bzgl. der Konfliktlösung: die Argumente Entscheidungsbefugnis wird nicht an Dritte abgegeben. Das Verhandlungsergebnis ist erst bindend, wenn alle Beteiligten für zugestimmt haben. Es muss also ein Konsens erzielt werden PeerMediation (Besemer 1993, S. 14). Praxis und Evaluation Das Das Training des Schlichtungsgespräch Schlichtungsgesprächs ist neben dem Aufbau von sozialer Kompetenz Drehund Angelpunkt bei der PeerMediator_innen-Ausbildung, da es die zentrale Interventionsmöglichkeit bei aufkeimenden Konflikten darstellt. Nach Diez & Krabbe (1996) soll sich ein Schlichtungsgespräch wie folgt gliedern: Einleitung, Vereinbarung der Gesprächs- und Schlichtungsregeln Darstellung des Konflikts aus der Sicht der beteiligten Parteien Bearbeitung des Konflikts im Gespräch Problemlösung Übereinkunft hinsichtlich der späteren Umsetzung Diese Schritte sind von PeerMediator_innen leicht erlernbar und können - mit zunehmender Verhaltenssicherheit der Mediator_innen - ausgeweitet und weiterentwickelt werden. Neben der Ausbildung einzelner Mediator_innen wird versucht, alle Schüler_innen in den Mediationsprozess einzubeziehen. Daher soll es nicht nur Ziel sein, Konflikte durch Mediator_innen zu schlichten, sondern jedem einzelnen Schüler und jeder einzelnen Schülerin Konfliktfähigkeit zu vermitteln. Dies kann z.B. durch Schlichter_innenAusbildungen für ganze Klassen realisiert werden. Jefferys & Noack haben für Schulen in Deutschland ein Trainingsprogramm zur Förderung der sozialen Kompetenz und der Schlichtung im Gespräch entwickelt. Externer Link: Förderung sozialer Kompetenz Wie wird man Peer-MediatorIn? Peer-Mediator_innen sind zwar Laien, erhalten aber eine kurze "Ausbildung", um sich adäquat in den Konfliktsituationen verhalten zu können. Die Schulung zum/r PeerMediator_in erfolgt nach verschiedenen Konzepten. Als Beispiel wird die Ausbildung der Aktion Jugendschutz der Landesarbeitsstelle Bayern vorgestellt: Quelle: DRK-Berlin Inhalte der Ausbildung sind u.a.: Den Verlauf von Konflikten analysieren und Lösungsmöglichkeiten finden Wahrnehmen und Thematisieren von Vorurteilen Gefühle wahrnehmen und IchBotschaften geben Bedeutung von Vertraulichkeit und Neutralität Vorbereitung und Einleitung eines Vermittlungsgespräches Aktives Zuhören Problemlösendes Denken Konstruktive Gesprächsführung Treffen von Abkommen und Formulierung von Übereinkünften Als Methoden stehen im Vordergrund: Rollenspiel, Video-Feedback, Wahrnehmungs- und Interaktionsübungen, Körpersprache, Gruppenarbeit, thematische Inputs. Die Dauer der Ausbildung sollte ca. 30 Stunden nicht unter- und ca. 50 Stunden nicht überschreiten. Die Teilnehmer_innenzahl liegt bei ca. 12 20 Teilnehmer_innen. Bewährt hat sich, wenn die Trainer_innen ein gemischt geschlechtliches, mediationserfahrenes Zweier-Team bilden; die Teilnahme von Lehrkräften an der Ausbildung ist sinnvoll, damit sie später die Coachrolle für die Schüler_innen kompetent übernehmen können. Integration der Einzelne Peer-Mediator_innen, die Peer-Mediation in das vielleicht durch das Engagement von Schulkonzept wenigen Lehrer_innen getragen werden, sind gut, können aber nur begrenzten Nutzen verbuchen. Viel wichtiger ist die Verankerung eines Streit-Schlichtungs-Programms in der Schulgemeinschaft. Lawrence Kohlberg sprach in seinem Ansatz der moralischen Urteilsentwicklung von der "Just Community" (der gerechten Gemeinschaft). Etwas Ähnliches steht hinter der Auffassung der PeerMediation: Die Etablierung eines gewaltfreien Bereichs, der durch soziale Kompetenz und Schlichtungsvermögen der einzelnen Personen gekennzeichnet ist. Das Ziel Quelle: DRK-Berlin Evaluation von Peer-Mediation ist eine soziale Einheit, in der Gewalt durch sozialverträgliche Interaktion abgelöst wird. Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass Streitschlichtung im Schulprogramm fest verankert und von allen Beteiligten (Lehrer_innen, Schüler_innen, Eltern, Hausmeister_in etc.) getragen wird. Es ist notwendig, Regelungen zu finden, die es ermöglichen, Streitschlichtung nicht nur auf dem Pausenhof, sondern auch während des Unterrichts einzusetzen. Auch sind eindeutige Grenzen in Bezug auf folgende Fragestellungen zu ziehen: Wann ist Peer-Mediation notwendig und wichtig und wo hat sie ihre Grenzen? Welches Verhalten kann durch Peer-Mediation gepuffert werden und welches Verhalten muss weitere Konsequenzen nach sich ziehen? Genauso wie das Peer-Involvement sind die verschiedenen Formen der Peer-Mediation aufgrund der geringen Erfahrung noch wenig evaluiert worden. Die Alltagserfahrungen sind ermutigend, ein wissenschaftlicher Beleg steht allerdings noch aus. Folgende vorläufige Ergebnisse können identifiziert werden: Auf Klassenebene wird das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt Schülerinnen und Schüler der unteren Klassen (Sek. 1) lassen sich bereitwillig auf Schlichtungsgespräche ein. Die Streitenden sind tendenziell meist Jungen und die Mädchen meist Schlichterinnen. Streitende, die erfolgreich an Mediationsprozessen teilgenommen haben, scheinen in der Zukunft weniger häufig in ernste Streitereien involviert zu sein. An Schulen, die Projekte der Peer-Mediation tragen, empfinden die Lehrer_innen eine subjektive Verringerung der Gewaltbereitschaft. Die Ergebnisse müssen noch mit Vorsicht aufgenommen werden. Weitere, methodisch aufwendigere Untersuchungen müssen folgen. Links www.schulleitung.de/konflikte (Im Internetarchiv). Auf diesen Seiten finden Sie weitreichende Informationen zum Thema Gewaltprävention und Peer-Mediation. Sowohl theoretische wie praktische Informationen sind dort zusammengestellt. Darüber hinaus können Sie dort Erfahrungsberichte von verschiedenen Schulen einsehen. www.fokus-os.de/mediation/mediationlinks.htm (im Web-Archiv) Eine Sammlung von Links zum Thema Peer-Mediation (spanisch, englisch, deutsch, französisch). Literatur Zum Weiterlesen: Abels, Heinz: Jugend vor der Moderne. Soziologische und psychologische Theorien des 20. Jahrhunderts. Opladen 1993 (besonders Kapitel 14 [Schelsky], 15 [Flitner contra Schelsky], 18 [Eisenstadt]) Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Learn to love. Dokumentation der 1. Europäischen Fachtagung "Sexualaufklärung für Jugendliche" der BZgA. Köln 1995 (kostenlos zu beziehen über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: http://www.bzga.de) Gerdes, R.; Nuij-Brandt, I.; Wronska, L. u.a. (Hrsg.): Peer Education. Viele Wege führen nach Rom. Dokumentation der Fachtagung Peer Education. 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