Ausgabe April 2015 Aus dem Inhalt Endlich eine Kita für alle Pariser Zeit Mittendrin statt nur dabei Nicht nur geträumt Inhalt Vorwort 4 5 Verzinstes Vertrauen Als Diplom Bankbetriebswirt begleitet Harald Imig die GiB im Verwaltungsrat 6 Wirkliche Lebenshilfe Jeder Cent hilft, anderen Menschen zu helfen 7 „Unsere Türen öffnen wir gerne“ 8 Hubbes Cartoon Aktuelles Das Thema: Herzenswünsche - erfüllte und unerfüllte Nicht nur geträumt Selbstgemachter Krach Eine Herausforderung für den guten Zweck 9 10 11 Impressum Herausgeber: GiB gemeinnützige Gesellschaft für integrative Behindertenarbeit mbH V.i.S.d.P.: Dipl.-Kfm. Markus Kriegel, Geschäftsführer Redaktionelle Mitarbeit: Markus Kriegel (mk), Christine Voigt (cv), Anja Reuper (reu), Nadine König (nk) Fotos: Anja Reuper, Volker Bremmer (S. 12f), Janet Buhts (S. 16), Willi Sawatzki (S. 10) Die namentlich gekennzeichneten Beiträge geben nicht in jedem Falle die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen und Manuskripte redaktionell zu bearbeiten. Anschrift: GiB gemeinnützige Gesellschaft für integrative Behindertenarbeit mbH, Prinz-Albrecht-Ring 63, 30657 Hannover Tel. 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Ausgabe 1/2015 • Seite 3 Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, das neue Jahr 2015 wird uns wieder neue große Aufgaben stellen: der Startschuss für unsere „Kita für Alle“ ist gefallen! Die Planungen dafür sowie die Verhandlungen haben begonnen. Daneben wird das Werben um Unterstützung und um Spenden nun richtig losgehen. Bereits jetzt haben viele, die wir bislang angesprochen haben, große Bereitschaft signalisiert, sich zu engagieren. Darüber freuen wir uns sehr! Seien Sie also nicht überrascht, wenn wir bald mit einer konkreten Anfrage auf Sie zukommen! Unser Ziel ist, den Betrag von 300.000,- EURO zusammenzubekommen! Das Thema „Kita für Alle“ zieht sich auch durch die gesamte Ausgabe dieser GiB Zeit mit dem Motto „Herzenswünsche“. Aus verschiedenen Blickwinkeln wird das Vorhaben beschrieben und dabei wird klar: diese neue Kita ist die Antwort auf viele Fragen! Aber es gibt noch viele andere schöne Geschichten. Lesen Sie, wie sich Thorsten Föllner und Willi Sawatzki auf die Erfüllung eines gemeinsamen Traums vorbereiten: die Teilnahme am Hannover Marathon! Dieses Vorhaben wird von GiB-Mitarbeitenden tatkräftig unterstützt. Auf einem Aktionsstand, zusammen mit dem Vitalcentrum Brandes & Diesing wird am Tag des HAJ Hannover Marathons, dem 19. April ab 9 Uhr, an der Hildesheimer Straße/Ecke Geibelstraße richtig Lärm gemacht, um die Läuferinnen und Läufer lautstark zu unterstützen und um für unsere Vorhaben in der GiB zu werben. Kommen Sie da hin, feiern Sie mit uns! Ein anderer Herzenswunsch ist schon in Erfüllung gegangen. Unsere langjährige Bewohnerin Ute Kling feierte ihren 70. Geburtstag auf dem Eiffelturm. Lesen Sie diese wirklich schöne Geschichte und lassen Sie sie wirken. Nach den dunklen Monaten wünsche ich Ihnen allen einen wunderbaren Frühling! Viel Freude bei der Lektüre dieser neuen GiB Zeit! Bitte bleiben Sie uns gewogen! Herzlichst, Ihr Markus Kriegel Seite 4 • Ausgabe 1/2015 Hubbes Cartoon Phil Hubbe traut sich etwas und er weiß, worüber er zeichnet. Seit 1999/2000 zeichnet der Karikaturist mit spitzer Feder „Behinderten Cartoons“. Menschen mit Behinderung oder Behinderte, die Bezeichnung ist ihm letztlich egal – der Umgang mit den Menschen nicht – und das ist das Thema des 45-Jährigen, der selbst behindert ist. Seit 1988 lebt er mit der Diagnose Multiple Sklerose. Mit seinen Cartoons, Pressekarikaturen, Illustrationen und Zeichnungen zum Thema Behinderte und Behinderung hat er einen eigenen scharfen Blick auf Krankheit, Handicap und den Umgang der Umwelt mit diesem Thema. Damit verarbeitet er auch das eigene Handicap. Ausgabe 1/2015 • Seite 5 Aktuelles Verzinstes Vertrauen Als Diplom Bankbetriebswirt begleitet Harald Imig die GiB im Verwaltungsrat Er kennt die GiB schon sehr lange, lange bevor er das Amt als Verwaltungsrats- und Kuratoriumsmitglied vor zwei Jahren annahm. Auf privater Ebene lernte Harald Imig die gemeinnützige Gesellschaft vor vielen Jahren kennen, weil er als Betreuer für den autistischen Sohn seines besten Freundes immer wieder den Kontakt zum Therapiezentrum für autistische Kinder und Jugendliche (THZ) sowie zur GiB suchte. Auf beruflicher Ebene lernte er sie intensiv kennen, weil er die GiB als Kunde der Evangelischen Kreditgenossenschaft über viele Jahre betreute. „Ich erinnere mich noch genau an das erste Treffen mit Herrn Kriegel, als wir uns bei der Verabschiedung meines Vorgängers kennenlernten. Es folgten viele gute Gespräche“, sagt der Diplom Bankbetriebswirt, der heute als zertifizierter Fachberater für nachhaltiges Investment institutionelle Kunden der Pax-Bank berät. Über diese langjährige Verbindung entstand bei ihm der Wunsch, bei der GiB mitzuwirken, wenn diese sei- Diplom Bankbetriebswirt Harald Imig. Foto: Privat Seite 6 • Ausgabe 1/2015 nen betriebswirtschaftlichen Rat wünscht. Der Wunsch wurde Wirklichkeit in dem Moment, als er vor zwei Jahren seinen Arbeitgeber wechselte und nach Berlin ging. Dieser Wechsel machte es ihm leichter, die ehrenamtliche Arbeit in dem GiB-Gremium „als ganz unbefangener Fachkundiger“ anzutreten. Seitdem beleuchtet und berät er die Arbeit der GiB unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, immer, wenn dieses gewünscht ist. Einmal im Jahr beurteilt er den Jahresabschluss innerhalb der Gesellschafterversammlung, und erstellt dafür eine Ausarbeitung des Prüfungsberichtes. „Das Interessante: Das wird immer aktiv aufgenommen, es wird nachgefragt und der Geschäftsführer wird um das Wort gebeten. Das ist eine sehr agile Truppe, die sich sehr für das interessiert, was in ihrem Unternehmen passiert“, beschreibt er die Zusammenarbeit zwischen Gesellschaftern und Verwaltungsrat und Geschäftsführung. Als ein Mann der Zahlen weiß Harald Imig die wirtschaftliche Entwicklung und die Rahmenbedingungen, unter denen die GiB arbeitet, genau einzuordnen. Umso mehr teilt er die Enttäuschung bezüglich des auf Eis gelegten Tafö-Neubaus. „Die Arbeit der GiB auf diesem Gebiet ist hochanerkannt, der Bedarf an neuen Plätzen ist gegeben und dann kommt man nicht dazu, diesen zu decken, das ist für alle Beteiligten deprimierend“, beschreibt er das Gefühl, was er aktuell mit vielen Menschen in der GiB und ihrem Umfeld teilt. Auch im Kuratorium der Stiftung für integrative Behindertenarbeit steht Harald Imig mit seinen Kuratoriumskollegen vor großen Herausforderungen angesichts des niedrigen Zinsniveaus. Wie kann man die Stiftung stärken, damit das Kapital wächst? Gute Ideen sind jetzt gefragt. Die Lösung dieser Fragen macht viel Arbeit, Arbeit, die Harald Imig ehrenamtlich auf sich nimmt. Kein Cent fließt in die Tasche des Bankers. Sein Engagement hat einen Grund: „Ich unterstütze gerne Menschen mit Behinderung, und ich bin gern und uneigennützig mit dabei, eine Einrichtung wie die GiB, die Menschen mit Behinderung fördert und begleitet, zu unterstützen, damit sie diesen Menschen mit Behinderung ein klein bisschen mehr geben kann.“ reu Stiftung Wirkliche Lebenshilfe Jeder Cent hilft, anderen Menschen zu helfen „Sie sind drin und alles ist gut!“ Lydia Pruß, Gruppenleiterin der Wohngruppe für Menschen mit Autismus, ist die Erleichterung anzumerken, nachdem Britta Wagners (Name geändert) Zähne im Oberkiefer bombenfest sitzen. Wer nun in ihr Gesicht sieht, blickt nicht mehr als erstes auf das große schwarze Loch in ihrem Gebiss. Für den fehlenden Zahn gab es die entsprechende Brücke. Doch bevor Britta auf dem Zahnarztstuhl Platz nehmen konnte, mussten ihre Angehörigen eine Odyssee durch die hannoversche Zahnarztlandschaft hinter sich bringen – schwierig und langwierig war bereits die Suche nach einem Zahnarzt, der sich die Behandlung einer Patientin mit Autismus zutraut und der es auch wagt, nach Lösungen für die komplexen Probleme in ihrem Gebiss zu suchen. diese sofort aus dem Mund reißen? Diese große Sorge hat sich im Nachhinein als unbegründet erwiesen. „Britta akzeptierte den Zahnersatz noch am selben Tag“, erklärt Lydia Pruß, die die Behandlung komplett begleitete. Offen war aber auch die ebenso wichtige Frage nach der Finanzierung. Britta Wagner lebt in der Wohngruppe für Menschen mit Autismus und ist in der Tagesförderstätte beschäftigt. Monatlich stehen ihr rund 100 Euro Taschengeld zur Verfügung - davon bezahlt sie den Kaffee beim Ausflug ebenso wie das Deo oder den Friseur. Es ist für Menschen wie Britta nahezu ausgeschlossen, ihren Eigenanteil in Höhe von 650 Euro auf einen Schlag aufzubringen. Sparen wäre eine Möglichkeit gewesen, doch das hätte für Britta bedeutet, dass sie über fast sieben Monate keinen einzigen Cent Taschengeld gehabt hätte. Kein Deo, kein Kaffee, kein Friseur… Der Zahnersatz war in zweierlei Hinsicht eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Zum einen war die Frage offen, wird sie die neuen Zähne in ihrem Mund akzeptieren? Oder wird sie sich Möglich wurde diese Aktion für mehr Lebensqualität und Gesundheit, weil die Stiftung für integrative Behindertenarbeit den kompletten Eigenanteil übernahm. Für Dr. Annette von Stieglitz, Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung für integrative Behindertenarbeit, hat diese Fördermaßnahme Beispielcharakter und sie ist gleichzeitig Appell an alle, die Stiftung mit Zuwendungen zu unterstützen. „Diese Aktion symbolisiert den Grundgedanken der Stiftung für integrative Behindertenarbeit: schnell und unbürokratisch Hilfe zu leisten, wenn jemand zwischen die Ritzen gefallen ist und kein Geldgeber im Hintergrund steht, der die Kosten für Behandlungen und Anschaffungen übernehmen kann. Hier geht es um einen spürbaren Gewinn an Lebensqualität, der mit Würde und nicht mit Luxus zu tun hat“, sagt die Vorsitzende der Stiftung. „Damit wir in Zukunft derartige Projekte wie die von Brittas Zähnen unterstützen können, benötigt die Stiftung Zuwendungen. Das müssen keine Millionen sein; jeder kann etwas dazu beitragen, um ganz konkrete Projekte zu unterstützen, die da helfen, wo andere Strukturen nicht mehr greifen. Die Stiftung hat eine herausragende Bedeutung für die Arbeit der GiB. Sie kann das, was die GiB in ihrem Alltagsgeschäft an Segensreichem vollbringt, hervorragend ergänzen“, erklärt Dr. Annette von Stieglitz. reu Ausgabe 1/2015 • Seite 7 Aktuelles Tagesförderstätte „Unsere Türen öffnen wir gerne“ Regelmäßig sah Michael Achnitz die Gruppe von Beschäftigten der Tagesförderstätte Vahrenwald an dem Gelände des SV Borussia von 1895 e.V. Hannover vorbeifahren - manche im Rollstuhl, manche ohne. Sie waren unterwegs, um ein bisschen Bewegung zu haben und frische Luft zu schnappen. Michael Achnitz ist als Greenkeeper des SV Borussia täglich auf dem Gelände, er kümmert sich um die 56 000 Quadratmeter große Anlage des hannoverschen Traditionsvereins. Das brachte ihn auf den Gedanken: „Ich sah sie immer wieder vorbeigehen und dachte, das darf doch nicht wahr sein. Warum laufen die Menschen an der lauten, tristen Straße, wenn sie es hier auf dem Gelände viel besser haben könnten?“ Eine Bouleanlage, ein Aschenplatz, drei Rasenplätze, vier Tennisplätze, eine Sauna, ein Sportclubheim mit Jugendraum und Gaststättenraum – der SV Borussia hat viel zu bieten, und warum sollen diese Menschen es nicht nutzen? Die Bundestagsabgeordnete Kerstin Tack (SPD) stellte den Kontakt zur GiB her. Der Idee folgten die ersten Gespräche zwischen dem SV Borussia-Präsidenten Dieter Schwulera, Christine Voigt, Pädagogische Leitung der GiB sowie der Einrichtungsleiterin der Tagesförderstätte, Andrea Sewing. Das Ergebnis: der Beginn einer Kooperation zwischen dem SV Borussia und der GiB-Tafö im Stadtteil. Start war im Dezember mit dem ersten Fußballtraining der Tafö-Beschäftigten. Seitdem trainieren sie jeden Mittwoch gemeinsam mit den Therapeuten Benjamin Varwig, Kai Westerburg und Heike Wömpner, trotzen dabei Regen, Wolken und Kälte. Für die Pädagogische Leitung Christine Voigt ist dies ein wichtiger Schritt in Richtung gelebter Inklusion: „Wir sind unterwegs im Stadtteil, wie gehen raus und zeigen uns. Gleichzeitig haben unsere Beschäftigten die Möglichkeit, sich auf dem Gelände des SV Borussia sportlich zu betätigen. Für diese neuen Chancen sind wir dem Verein sehr dankbar und freuen uns auf das, was sich aus dieser Kooperation noch ergeben kann.“ Dieter Schwulera, Andrea Sewing und Michael Achnitz stehen für die neue Kooperation. Auch für den SV Borussia-Präsidenten Dieter Schwulera ist das regelmäßige Fußballspiel auf dem Vereinsgelände erst der Anfang. „Unsere Türen machen wir gerne auf“, erklärt der ehemalige Integrationsreferent des Landes Niedersach- Seite 8 • Ausgabe 1/2015 sen, und freut sich, dass das kleine Paradies mitten im Stadtgebiet von den Nachbarn gern und regelmäßig genutzt wird. „Wir wollen versuchen, aus der Nachbarschaft heraus von den ausgetretenen Pfaden abzuweichen.“ Damit war der Verein schon in der Vergangenheit erfolgreich. Der 400 Mitglieder starke Verein hat sich auf dem Gebiet der Integration bundesweit einen Namen gemacht. Sein vom DFB ausgezeichnetes Modellprojekt „Soziale Integration von Mädchen durch Fußball“ fand bereits über hundert Mal landauf, landab Nachahmer und wurde regional und überregional mit Preisen ausgezeichnet. In der Begegnung mit der GiB sieht er zahlreiche, weitere Möglichkeiten. Gegenseitige Partnerschaft, Austausch, ein Miteinander auf Augenhöhe ist das, was sich der Verein von seinem Gegenüber wünscht, eben ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Nächstes gemeinsames Ziel ist ein Sommerfest der GiB auf dem Borussia-Gelände am 12. September – mit Spielmobil, Bouleturnier und Fußballabzeichen und vielem mehr. Der traditionsreiche Sportverein im Norden Hannovers möchte helfen, wo er kann, aber er hat auch schon selbst seinen neuen Partner um Hilfe bitten müssen, damals als die Gymnastikhalle mit Flüchtlingen besetzt werden musste und kurzfristig Ersatz gesucht wurde. „Sofort und problemlos hat die GiB ihre Bewegungsräume angeboten. Nutzen brauchten wir diese nicht, weil sich andernorts eine Halle auftat, aber wir sind sofort ins Gespräch gekommen, und das war gut“, sagt Dieter Schwulera. reu Herzenswünsche Tagesförderstätte Nicht nur geträumt Zuerst haben Willi Sawatzki und Thorsten Föllner nur geträumt, erst jeder für sich und dann gemeinsam. Doch nun wird ihr Traum Wirklichkeit. Gemeinsam nehmen die beiden am 19. April an dem HAJ Hannover Marathon teil. 21 Kilometer haben sich die beiden vorgenommen, 21 Kilometer quer durch das Stadtgebiet Hannovers, vorbei an hunderttausenden, sportbegeisterten und jubelnden Zuschauern. Für beide wird es ein Vollbad in der Menschenmenge, in der sie sofort auffallen, denn Willi schiebt Thorsten in seinem Sportrollstuhl im Marathontempo über die Distanz. Das maßgefertigte Gefährt ist allein schon ein wahrer Blickfang, beide zusammen eine kleine Demo für die Botschaft: „Zusammen schaffen wir das und deshalb gehören wir dazu!“ Ihren Anfang nahm die Geschichte des außergewöhnlichen Laufduos beim letzten TUI-Marathon. Der sportbegeisterte Thorsten beobachtete das Geschehen am Fernsehschirm, Willi lief aktiv mit. Das sah Thorsten, und Willi sah Anna. Anna ist eine Beschäftigte aus der Tagesförderstätte, die mit ihrer Mutter am Streckenrand stand. Willi hat als Heilerziehungspfleger und Mitarbei- ter der GiB-Tagesförderstätte Anna sechs Jahre lang begleitet und hielt sofort an, um die beiden zu begrüßen. Die kurze Begrüßung ging dahin über, dass Mutter und Willi danach des Öfteren telefonierten und sich über Möglichkeiten austauschten, um Anna in einem Buggy mitzunehmen. Da es ein langjähriger Traum der Mutter war, selbst mit ihrer Tochter Anna am Marathon teilzunehmen, war für Willi das Thema Marathon zu zweit zunächst erledigt, solange bis sie die Frage stellte: „Willi, kannst du Anna nicht im Buggy mitnehmen, Willi, das ist mein Traum.“ Willi wollte und konnte. Jedoch scheiterte der Laufversuch mit Anna, die wenig Spaß am Sitzen im Sportrolli hatte. Damit war für Willi erneut das Thema Marathon zu zweit erst einmal erledigt, solange bis Thorsten ins Spiel kam, erklärt Willi Sawatzki, der Thorsten in der GalaxisGruppe der Tagesförderstätte Vahrenwald begleitet. Thorsten, bislang nur Zuschauer, signalisierte Willi Interesse, tauschte sich mit ihm aus und liebäugelte erst mit einem Platz an der Strecke, bis Willi ihm einen Platz auf der Strecke in Aussicht stellte. Man könnte doch, wenn man wollte? Ob er sich dies und das vorstellen könnte? Ein Halbmarathon zu zweit – das wäre es doch, Ausgabe 1/2015 • Seite 9 Tagesförderstätte Herzenswünsche träumen ist schließlich erlaubt. Es war ein langes Herantasten für beide, denn bislang hatte Thorsten Sport nur als Zuschauer am Fernsehen verfolgt, oder hatte Hannover 96 im Stadion angefeuert. „Für Thorsten ist das ein riesiger Sprung, denn jetzt ist Thorsten selbst aktiv dabei, ist mittendrin in dem Läufer- und Zuschauerpulk. „Wie wird das sein, was für ein Gefühl werden wir dabei haben, jeder erlebt sie so aus einer anderen Perspektive. Diese Fragen haben wir uns sehr bewusst gestellt, haben lange Zeit alles genau überlegt, diskutiert und reflektiert“, erklärt der GiB-Mitarbeiter den Entstehungsprozess. Das Ergebnis dieses Prozesses: Wir wollen unseren Traum leben. Und damit stand die nächste Frage im Raum: Was brauchen wir, damit unser Traum Wirklichkeit wird? Offene Türen und Unterstützung – und die gab es von allen Seiten. Kollegen, Leitung, Freunde – wer es hörte, war begeistert und machte, was er konnte, damit die beiden auf die Strecke kommen. Jetzt musste alles organisiert werden. Mit Ole Oest von Brandes & Diesing fanden sie einen begeisterten Tüftler, der in monatelanger Maßarbeit den Spezialrollstuhl konzipierte und baute. „Träumen ist erlaubt, aber wir haben hoch gepokert und schon jetzt gewonnen“, sagt Willi Sawatzki, denn in wenigen Tagen geht es für die beiden auf die Strecke, und dafür trainieren sie schon seit Monaten – jeder auf seine Weise und beide zusammen. Die Distanz ist für den laufbegeisterten Willi Sawatzki kein Problem, bereits im vergangenen Jahr ging er für den Selbstgemachter Krach Über Monate haben die beiden trainiert, um fit und aufeinander abgestimmt für die Halbmarathon-Distanz zu werden. Halbmarathon an den Start. Jetzt ist aber alles anders. Zu den Kilometern hat er nun auch noch einige zusätzliche Kilos zu bewältigen, die er vor sich herschieben muss. Auch Thorsten musste trainieren, denn die Sprache ist für den 44-Jährigen eine gewisse Hürde. Mit seiner Logopädin trainiert er die Kommandos, um sich mit Willi Sawatzki verständigen zu können, der hinter ihm läuft und ihn schiebt. Ja, Nein, Halt....u.a., die Kommandos sollen sitzen und die Verständigung soll stimmen, schließlich wollen sie gemeinsam ins Ziel kommen und ihre Botschaft transportieren: „Zusammen schaffen wir das, und deshalb gehören wir dazu! Wir wollen dabei sein, wir gehören mit dazu und haben Spaß am Sport, wir machen das zusammen, und gemeinsam können wir das schaffen.“ reu Wir machen richtig Lärm. Wir, das sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GiB-Tagesförderstätten, der Kitas Regenbogen und „Elfriede Westphal“, gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Brandes & Diesing Vitalcentrum. Bunte Schellen, Trommeln, Rasseln, Trillerpfeifen - dabei ist alles, was ordentlich Krach macht und die Läuferinnen und Läufer des HAJ Hannover Marathons anfeuern soll. In Bewegung und in eine andere Perspektive kommen Besucher auf unserem Rollstuhlparcours. Mitmachen kann jeder, und kreativ werden darf auch Seite 10 • Ausgabe 1/2015 jeder. Mitarbeitende der GiBKitas stellen Null-Cent-Materialien an dem Aktionspunkt zur Verfügung, mit denen sich Besucher im Handumdrehen das individuelle Lärminstrument basteln können. Selbstgebackene Kekse aus der Tagesförderstätte und Gummibärchen von Brandes & Diesing sorgen für die kleine Stärkung zwischendurch; und ganz nebenbei erfahren unsere Besucher viel Spannendes aus der Einrichtung und von Brandes & Diesing Vitalcentrum. Sie sind herzlich eingeladen, uns ab 9 Uhr an der Hildesheimer Straße/Ecke Geibelstraße zu besuchen, sich zu informieren und mitzumachen. reu Herzenswünsche Tagesförderstätte Eine Herausforderung für den guten Zweck In monatelanger Zusammenarbeit hat Ole Oest, Orthopädietechnikermeister von Brandes & Diesing Vitalcentrum den Rollstuhl, mit dem Thorsten Föllner und Willi Sawatzki unterwegs sind, konzipiert, hat immer wieder nachjustiert, solange bis alles für die beiden passte. Wir haben nachgefragt, warum sich das Unternehmen in so besonderem Maße engagierte. Warum unterstützen Sie die Tafö-Läufer? Weil wir uns gern regional engagieren, wir sind als Familienunternehmen seit fast 100 Jahren durch Werte geprägt, die uns dazu veranlassen. Wie entstand der Kontakt? Der Kontakt zur GiB besteht seit längerer Zeit schon durch einige Patienten, die durch Brandes & Diesing mit Hilfsmitteln versorgt wurden. Der erste Gedanke tauchte letzten Herbst auf, als ich (Ole Oest) gefragt wurde, ob es möglich wäre,ein Hilfsmittel zu erstellen, mit dem ein Marathonlauf inklusive eines behinderten Menschen möglich sei. Eine Herausforderung für einen guten Zweck!! Nach mehreren Überlegungen und Besprechungen innerhalb des Teams wurde Herrn Sawatzki eine positive Antwort übermittelt. Wie war ihre Vorgehensweise bezüglich Konstruktion und Anpassung? Die Konstruktion richtet sich in erster Linie nach dem Bedarf. Durch gezielte Planung mittels eines Anforderungskatalogs wurden Materialien und die Technik zu- sammengestellt. Im Folgenden wurden die einzelnen Komponenten zusammengefügt und durch Anproben und Testläufe an die beiden Teilnehmer immer weiter angepasst. Die Erprobungsphasen selbst stellen hierbei einen sehr wichtigen Aspekt der Akzeptanz vor allem bei Thorsten dar, spricht man nämlich bei einem Marathon von einer Fahrzeit, die gerne mal über Stunden reichen kann. Was ist das Besondere an dem Gefährt? Stichwort: Technische Raffinessen? Besonders ist es eigentlich nicht. Die Konstruktion basiert auf bekannten physikalischen Werten und der Erfahrung eines gewachsenen Teams der letzten Jahre. Schwierig war, eine steife aber doch so flexible Beschaffenheit des Hilfsmittels herzustellen, dass maximaler Komfort bei geringem Gewicht erzielt wurde. Nicht zuletzt eine für die Anwender sichere Lösung zu finden. Was geschieht mit dem Rolli nach dem Marathon? Das Hilfsmittel selber bleibt Eigentum von Brandes und Diesing, wird aber den beiden so lange zur Verfügung gestellt, wie es benötigt wird. Warum engagiert sich Brandes & Diesing in diesem Kontext? Was ist Ihre Motivation, die GiB an dieser Stelle zu unterstützen? Es geht vorrangig nicht um die GiB, sondern um Menschen mit Handicap, die Unterstützung benötigen. Wenn es uns möglich ist, Unterstützung zu leisten, dann tun wir es! Ziel ist, einen hilfreichen Nutzen zu bieten Bereitschaft dürfen Sie in diesem Kontext voraussetzen! Ausgabe 1/2015 • Seite 11 Wohngruppen für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Pariser Zeit Wenn man zu seinem 70. Geburtstag Schampus auf dem Eiffelturm trinken möchte, im Rollstuhl sitzt und auf die Unterstützung anderer angewiesen ist, dann muss man kämpfen, dann muss man dranbleiben, dann darf man nicht aufgeben und sein Ziel aus den Augen verlieren. Ute Kling, Bewohnerin der Wohngruppen für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung, ist drangeblieben und hat zu ihrem 70. Geburtstag bei strahlendem Sonnenschein auf dem Pariser Wahrzeichen mit Volker Bremmer angestoßen. Paris sehen war ihr Traum. Ute Klings verstorbener Ehemann hatte Paris besucht und davon geschwärmt. Weshalb er ins Schwärmen geriet, das wollte sie selbst herausfinden. Und damit war ihr Wunsch nach einer Parisreise geboren. Vor drei Jahren erzählte sie dem Gruppenleiter der Wohngruppe für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung, Volker Bremmer, das erste Mal davon. Zu diesem Zeitpunkt war das für ihn ein unvorstellbares Abenteuer. Hindernisse über Hindernisse bauten sich vor seinem geistigen Auge auf, schließlich sitzt Ute Kling im Elektrorollstuhl und braucht für Reisen eine Eins-zu-Eins-Begleitung. Wie sollen wir uns in der Stadt bewegen, wenn die Metro aus dem 19. Jahrhundert stammt und alles andere als rollstuhlgerecht ist? Wie sollen wir nach Paris kommen, bei neun Stunden Fahrt? Fragen über Fragen, und keine guten Antworten. Der Heilpädagoge war voller Zweifel. Doch Ute Kling ließ nicht locker, Jahr um Jahr fragte sie im- mer wieder, wie es um eine Parisreise bestellt sei. Und jedes Jahr bauten sich neue Hindernisse vor Volker Bremmers geistigem Auge auf und seine Zweifel blieben. Doch Ute Kling blieb dran, im vergangenen Jahr kam sie wieder, dieses Mal mit der Aussage: „Ich habe gehört, dass da auch Rollstuhlfahrer hin können.“ Und: Ihr runder Geburtstag rückte immer näher, Ute Kling wollte ihn nicht mit vielen Gästen feiern, sondern an diesem Tag etwas für sich tun. Volker Bremmer wurde hellhörig, griff zum Telefon und recherchierte beim Französischen Fremdenverkehrsamt in Frankfurt, hörte dort, dass es ein barrierefreies Busnetz parallel zur Pariser Metro gibt. Busse mit ausfahrbaren Rampen ermöglichen es dort Menschen im Rollstuhl, die Stadt zu erkunden. Damit war Paris so gut wie gebucht. Seite 12 • Ausgabe 1/2015 Herzenswünsche Doch neue Hindernisse taten sich auf. Die erste Idee, nach Paris zu fliegen, mussten die beiden wieder verwerfen. 1200 Euro Flugund Hotelkosten überstiegen deutlich ihr Budget. Kriegen wir irgendwoher Geld? Plötzlich war auch die Bundesbahn eine Alternative – und eine gute, wie sich schnell herausstellte. Die beiden bekamen ein Ticket für zusammen 198 Euro - hin und zurück plus Mobilitätsser vice. „Eine sympathische Mitarbeiterin der Bahn organisierte uns den Mobilitätsservice, fand auch heraus, dass nicht nur in Deutschland sondern auch in Frankreich die Begleitperson kostenlos mitfahren darf, dort sogar Erster Klasse“, erinnert sich Volker Bremmer. Und schließlich öffnete auch noch Ute Klings Schwester Herz und Portemonnaie und gab einen Reisekostenzuschuss. So waren sämtliche Hindernisse beseitigt und Paris gebucht, erzählt Volker Bremmer. Sein alter Tramperrucksack kam zu neuen Ehren, denn das Gepäck beider transportierte er damit, um die Hände frei zu haben für den Schieberollstuhl von Ute Kling. Schiebe- statt Elektrorollstuhl, die Wahl stellte sich schnell als die goldrichtige heraus. Am 21. August 2014 konnte es dann losgehen – Paris von Montag bis Freitag. In sechseinhalb Stunden Herzenswünsche Wohngruppen für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung und mit 320 Stundenkilometern im TGV kamen die beiden pünktlich um 17 Uhr im Hotel am Place de Bastille an. Auch das Hotel erwies sich als ein totaler Glücksfall, denn vor ihrer Haustür befand sich ein zentraler Busknotenpunkt – perfekt für die Stadterkundungen der kommenden Tage. Mit denen begannen sie sofort. Kaum angekommen und frisch gemacht, ging es los mit einem Stadtspaziergang, dem Besuch von Notre Dame. Stufen waren keine Hindernisse mehr, freundliche Franzosen packten mit an, wenn Volker Bremmer sie um Hilfe bat. Immer wieder halfen in diesen Tagen freundliche Menschen und hoben das Geburtstagskind in ihrem Rollstuhl über lästige Stufen. Nur einmal in fünf Tagen musste Ute Kling draußen bleiben. Sacre Coeur mit ihren zahlreichen Stufen erwies sich als nicht zu überwindende Hürde. waren in 20 Minuten oben“, erklärt der Heilpädagoge. „Das war phantastisch“, sagt Ute Kling und ihre Augen glänzen dabei. Ein Spaziergang über den Champs-Élysées, der Triumphbogen, Louvre, Place de la Concorde und viele andere Sehenswürdigkeiten der französischen Hauptstadt machten diesen Tag rund für die beiden Reisenden. Am zweiten Tag ging es gleich zum Eiffelturm. „Der Eiffelturm ist ein Muss, sonst war man nicht in Paris“, erinnern sich die beiden. Hin und rauf, war das erste Ziel der beiden. „Ohne Voranmeldung muss man dort gut drei Stunden warten, wir konnten den Aufgang für Rollstühle nutzen, bekamen auch gleich eine Hostess zur Seite gestellt und Der vierte Tag war auch gleichzeitig Ute Klings großer Tag. Erstes und wichtigstes Ziel an diesem Tag: Der Eiffelturm. Hin- und rauffahren, um dort mit einem Gläschen anzustoßen. Für Ute Kling ist das unvergesslich. Eine Armbanduhr mit dem Wahrzeichen nahm sie sich als Souvenir mit. Das erinnert sie jetzt mehrmals täglich an die Pariser Unzählige Freundlichkeiten und freundliche Menschen fallen den beiden für ihren dritten Pariser Tag ein. „Wir haben nur nette Menschen getroffen, die Busfahrer waren ausgesprochen serviceorientiert, sind auch mal näher an den Bordstein herangefahren, damit die Rampe besser aufliegen kann. Das Hotelpersonal hat uns geholfen, die Seine-Fahrt zu organisieren.“ Perfekt, denn so konnte Ute Kling den Eiffelturm aus der Flussperspektive genießen. Zeit. Ihren letzten Abend genossen die beiden mit einem Restaurantbesuch – etwas, was in den Tagen aufgrund der Preise Seltenheitswert hatte. Volker Bremmer und Ute Kling haben nicht nur Paris entdeckt, sie haben auch neue Erfahrungen für sich machen können. Ute weiß: Hartnäckigkeit wird belohnt. „Ute musste uns erst weichklopfen, damit wir es ausprobieren“, erinnert sich Volker Bremmer. Er weiß jetzt: „Hindernisse müssen beseitigt werden. Man muss alles erst anpacken, und dranbleiben lohnt sich.“ Und beide wissen: „Es war eine Mutprobe für uns beide, es macht Mut, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und den Sprung ins kalte Wasser zu wagen. Wir mussten immer wieder Wege finden, wir mussten uns das richtig erarbeiten, von der Planung über die Umsetzung bis zur Finanzierung, mussten wir immer einen eigenen Weg finden, mussten uns bemühen, aber das Bemühen hat sich gelohnt“, erklären die beiden. Mit Paris ist Ute Klings Traum in Erfüllung gegangen, den zweiten hat sie begonnen zu träumen: In fünf Jahren, wenn sie Fünfundsiebzig wird, möchte sie in die USA reisen. reu Mit dem Bus mobil in der französischen Metropole: Ute Kling auf Entdeckungstour, nur vor der Sacre Coeur blieb sie außen vor. Ausgabe 1/2015 • Seite 13 Seit mehreren Jahren versucht die GiB, zukunftsfähige Lösungen für unsere beiden Kindertagesstätten in Hannover-Misburg und Hannover-Anderten zu entwickeln. Zukunftsfähige Lösungen heißt: ein für Kinder und Eltern attraktives Angebot für alle Kinder mit und ohne Behinderungen unter sechs Jahren zu schaffen! Das umfasst das Thema Inklusion genauso, wie Krippenplätze und räumliche Lösungen vor allem für die heilpädagogischen Plätze in Anderten. Per Zufall fiel uns eine Zeitschrift der Kreissiedlungsgesellschaft (KSG) in die Hände, in der über Kindergärten in Reihenhausbauweise berichtet wurde. Dieses Modell fanden wir sehr interessant und sprachen die KSG an, ob es vorstellbar wäre, für die GiB eine Kita zu bauen, in der Krippen-, integrative und heilpädagogische Plätze Platz finden sollten. Die KSG war dafür gleich sehr aufgeschlossen. Gemeinsam gingen wir zum Jugendamt der Stadt Hannover und zum Stadtplanungsamt, um geeignete Grundstücke im Stadtbezirk Misburg/Anderten zu suchen. Die Stadt bot das Grundstück „Am Forstkamp“ an, wo wir gerade das o.a. Foto gemacht haben. Neben der neuen Kita ist auf dem Grundstück auch Platz für den Bau von neuen Wohnungen, die in Hannover auch Mangelware sind. Mit diesem Ansatz würden benötigte Krippenplätze, Kitaplätze und bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden können. Erste Pläne wurden erstellt, ein Architekt machte Entwürfe, Kalkulationen wurden angestellt, was eine solche Kita kosten würde und wie hoch die Miete ungefähr sein müs- Seite 14 • Ausgabe 1/2015 Herzenswünsche ste. Als dieses Ergebnis vorlag, war die Ernüchterung groß: die Miete wäre so hoch, dass die GiB sie mit den laufenden Zuschüssen der Stadt nicht bezahlen könnte. Dann baten wir die KSG, einmal zu rechnen, wie hoch ein einmaliger Zuschuss zu den Baukosten ausfallen müsste, damit hinterher eine kostendeckende und finanzierbare Miete herauskommt. Das Ergebnis war: wenn einmalig ein Betrag von 300.000 Euro eingebracht wird, dann würde die Miete mit den Zuschüssen der Stadt zu leisten sein! Deshalb werben wir jetzt um Unterstützung, weil die GiB diese Summe allein nicht aufbringen kann. Sprechen Sie uns an, wenn Sie sich einbringen und uns unterstützen wollen! Gerne stehen wir für weitere Auskünfte zur Verfügung! Über den Fortgang der Dinge werden wir in der GiB Zeit nun regelmäßig weiterberichten. Markus Kriegel Herzenswünsche Endlich eine Kita für Alle! Ein Wunschtraum vieler Pädagogen in der GiB könnte bald in Erfüllung gehen: Die Arbeit der beiden Kindertagesstätten – integrative Kindertagesstätte „Elfriede Westphal“ und heilpädagogische Kindertagesstätte Regenbogen – unter „einem Dach“ zu vereinen! Seit über 20 Jahren arbeiten wir in der Kita „Elfriede Westphal“ nach einem integrativen und seit über 30 Jahren in der Kita Regenbogen mit einem heilpädagogischen Konzept. Auf diese Weise haben wir eine geballte Kompetenz auf diesen Arbeitsgebieten entwickelt. Diese wollen wir im Zeitalter der Inklusion dringend zu einer Kita für ALLE weiterentwickeln. Bis 2011 haben wir in unserer Kindertagesstätte Regenbogen 36 Kinder mit komplexen Behinderungen aus Stadt und Region Hannover gefördert und betreut. Seitdem bekommen wir immer weniger Anmeldungen. In diesem Sommer werden wir voraussichtlich noch für zwölf Kinder ein Angebot machen können. Wir gehen davon aus, dass viele Kinder mit Körperbehinderungen inzwischen in Hannover ein integratives Angebot bekommen und dieses der heilpädagogischen Arbeit in Kleingruppen vorziehen. fach überfordert. Andere Kinder mit komplexen Behinderungen brauchten eine enge Begleitung unserer Mitarbeiterinnen, wenn sie mit anderen Kindern in Kontakt treten, kommunizieren oder lernen wollten. Diese enge Begleitung können wir in einer heilpädagogischen Kleingruppe anbieten, da der Personalschlüssel mit einer Fachkraft für drei Kinder die individuelle Begleitung öfter zulässt. Momentan kommen 18 Kinder mit komplexen Behinderungen zu uns in die Kita Regenbogen. Im Sinne der Integration legen wir auch in der heilpädagogischen Kita großen Wert darauf, dass Kinder von und mit Kindern lernen. Deshalb stehen die Türen unserer Gruppenräume offen. Kinder können sich selbstständig oder mit Begleitung der Mitarbeiter in der gesamten Kita ihre Spielpartner suchen. Wer heute in die Kita kommt, erlebt ein buntes Treiben auf unserem großen Flur. Kinder üben sich auf verschiedenen Fahrzeugen, andere treiben jauchzend einen Ball durch die Luft, wie- der andere sitzen vergnügt mit einer Mitarbeiterin auf einer Drehscheibe und genießen die menschliche Nähe sowie die vorbeiziehende Umwelt. Dazwischen arbeiten die Therapeuten im Spiel integriert mit den Kindern. Aus der Küche zieht der wunderbare Duft von frisch gekochtem Möhreneintopf. In einer Kita für ALLE können wir die übersichtlichen und individuellen Fördersituationen für Kinder mit komplexen Behinderungen anbieten und darüber hinaus eine für alle Kinder förderliche Lernsituation in der Kita herstellen. Zum Beispiel stellen wir für ein Kind mit Asperger-Syndrom mittels Zeichen und Symbolen eine sichtbare Tagesstrukturierung her, um ihm Orientierung und Sicherheit für seinen Tagesablauf anzubieten. Andere Kinder lernen diese Zeichen zu erkennen und erhalten damit eine sehr gute Vorbereitung für den Erwerb der späteren Schriftsprache. Unser professionelles Ziel bleibt es natürlich, dass Extralösungen nicht mehr nötig sind, sondern dass wir Das verstehen wir sehr gut, da wir in der Kita „Elfriede Westphal“ beobachten, wie förderlich das integrative Angebot für die Kinder ist. Trotzdem haben wir auch immer wieder Kinder kennengelernt, für die das pädagogische Angebot in einer Kleingruppe sehr förderlich war. Manche Kinder waren in einer Gruppe mit 18 Kindern ein- Ausgabe 1/2015 Seite 15 Herzenswünsche für jedes Kind die notwendigen Rahmenbedingungen in inklusiven Zusammenhängen herstellen können. Solange jedoch diese Rahmenbedingungen noch nicht hergestellt sind, brauchen manche Kinder mit komplexen Behinderungen noch heilpädagogische Kindergartengruppen. Gudrun Wansing sagt dazu: „Inklusion führt nicht automatisch zu voller wirksamer Teilhabe; im Vollzug von Inklusion kann Teilhabe, aber auch Behinderung und Ausgrenzung, erzeugt werden. In welche Richtung Inklusion wirkt, hängt von der Qualität realer gesellschaftlicher Bedingungen ab.“ (Inklusion in einer exklusiven Gesellschaft 2012). In unserer integrativen Kindertagesstätte „Elfriede Westphal“ haben wir über die vielen Jahre unser pädagogisches Konzept soweit entwickelt, dass wir heute sagen können, dass unsere Kita inklusiv arbeitet. Es gibt zwei Kindergartengruppen mit jeweils 15 Plätzen, maximal vier davon stehen für Kinder mit Behinderungen offen. „Wo sind denn hier die behinderten Kinder?“ Diese Frage wird oft von Besuchern unserer Einrichtung gestellt. Für unsere Mitarbeiterinnen und vor allem für unsere Kinder ist das ein Kompliment. Genauso wollen wir sein! Eine Gruppe von Menschen, in der jeder einzelne mit seinen individuellen Begabungen und Kompetenzen dazu beiträgt, dass ALLE Freude haben und lernen können. Hier kann der Beobachter erleben, wie aus einer vermeintlichen Schwäche eine Stärke wird und umgekehrt. Wenn ein Kind, welches mit nur einem Arm zur Welt gekommen ist, damit höchst geschickt auf einen Baum klettert und ein anderes Kind seinen Arm in den Ärmel stopft und versucht, es seinem Spielpartner gleich zu tun – wer ist dann stark? Und da es in diesem Heft um Wünsche geht, möchten wir aus dem Erfahrungsschatz mit der Kita „Elfriede Westphal“ unsere Wünsche formulieren. Wir wünschen uns, dass es irgendwann möglich sein wird, die Gruppenzusammenstellung am Bedarf der Kinder zu orientieren und Gruppen mit unterschiedlicher Platzzahl zu führen. Die Anteile der Kinder mit und ohne Behinderung sollten keine Rolle spielen. Es ist auch unser Wunsch, dass der Personaleinsatz flexibel, nämlich abhängig vom Bedarf der Kinder in der Gruppe, er- Die Kitas beim gemeinsamen Ausflug im Tiergarten. Wo sind hier die Kinder mit Behinderung? Seite 16 • Ausgabe 1/2015 folgen kann. Im Vordergrund sollte immer die pädagogische Frage stehen: Wie stellen wir eine Kindergruppe zusammen, in der Kinder sich mit anderen Kindern möglichst optimal entwickeln können? Natürlich gehört heutzutage zu einer Kita für ALLE auch ein Bildungs- und Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren. Der Bedarf an Krippenplätzen in Deutschland ist stetig steigend. Immer mehr Familien wollen Berufs- und Erziehungstätigkeit miteinander verbinden. Bundesweit befinden sich 32,2 Prozent der unter Dreijährigen in Kindertagesbetreuung (2014). In Hannover beträgt die Betreuungsquote 55,7 Prozent (2015) und Hannover plant, mit dem Ausbauprogramm „Hannover bleibt am Ball“ bis 2017 weitere 900 Betreuungsplätze für unter Dreijährige zu schaffen. Wir wollen als GiB an dieser Entwicklung teilhaben und planen deshalb auch Krippenplätze in einer Kita für ALLE ein. Um die Grundsätze des Leitbildes der GiB zu erfüllen, wird das Krippenangebot natürlich Kindern mit Behinderung offen stehen. Vorausschauend nimmt heute schon eine erste Mitarbeiterin an einer Fortbildung zur Krippenfachkraft teil. Eine Teamfortbildung mit den Mitarbeiterinnen beider Kitas, um die Konzeption für eine Kita für ALLE zu entwickeln, ist für dieses Jahr geplant. Integration besagt, dass Menschen mit Behinderung einbezogen werden. Bei der Inklusion gehören Menschen mit Behinderung ganz automatisch dazu. Der Pädagoge Tony Booth, Professor für inklusive und internationale Bildung an der Universität Canterbury in Großbritannien sagt: „Bei der Inklusion geht es darum, alle Barrieren für Spiel, Lernen und Partizipation Herzenswünsche für alle Kinder auf ein Minimum zu reduzieren. Jedes Kind soll um seiner selbst Willen wahrgenommen, akzeptiert und wertgeschätzt werden. Es soll mitsprechen können, an dem, was es tut.“ Die inklusive Pädagogik nimmt sowohl die Unterschiede, als auch die Gemeinsamkeiten der Kinder in den Blick. Sie ist die konsequente Weiterentwicklung der Integration. Der von Tony Booth entwickelte „Index für Inklusion“ wird der Fahrplan für die Konzeption unserer Kita für ALLE sein. Gleichzeitig werden wir die UN-Behindertenrechtskonvention in den Blick nehmen. Eine kindgerechte Bildung, Erziehung und Betreuung hat dabei oberste Priorität. Die Kinder sollen sich nicht nur wohlfühlen, sondern in ihrer individuellen Entwicklung gefördert werden. Inklusive Lebensverhältnisse von Anfang an. Das Kindertagesstättengesetz wird in Niedersachsen voraussichtlich 2016 reformiert. Wir sind sehr gespannt darauf, welche Für jedes Kind eine Lösung - hier ein Zeichenbild, was die Orientierung und Sicherheit eines Kindes mit Asperger-Syndrom fördert. Möglichkeiten für Bildung und Betreuung sich darin für Kinder mit komplexen Behinderungen ergeben. Die Entwicklung und der Bedarf an inklusiven Kindertagesstättenplätzen gehen stetig weiter. Deshalb beabsichtigen wir in unserer Kita für ALLE die Strukturen entsprechend der Nachfrage anzupassen. Die Zukunft sollte sein, dass wir ausschließlich inklusive Gruppen „Jeder Mensch von uns hat seine Stärken und Schwächen und es gilt, diese Stärken bei allen herauszuarbeiten und zu fördern. Schwächere Kinder wachsen in der Gruppe einer integrativen Einrichtung, in dem sie sich an den Starken orientieren. Dr. med. Thomas Buck, Vorstand der Kinder- und Jugendärzte im Bezirk Hannover und Vorstand der Ärztekammer Niedersachsen. Foto: Privat Doch es geht nicht allein darum, dass die Schwächeren ihre Defizite ausgleichen, sondern es geht auch darum, bei den Starken etwas herauszuarbeiten, ihnen die Möglichkeit zu geben, Toleranz zu entwickeln, die Selbstverständlichkeit Menschen beizustehen, sich solidarisch zu erklären und Hilfs- anbieten, vor allem auch, um dem Anspruch der niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt gerecht zu werden: Inklusion … nicht eine Lösung für alle, sondern für jeden Menschen die richtige Lösung (SozMinRundt 2013, WfbM-Fachtag Hannover). Wir können nicht versprechen, dass wir für jedes Kind eine Lösung finden, aber wir werden es in jedem Fall mit aller Kraft versuchen. Christine Voigt bereitschaft zu zeigen. Der Starke lernt in der integrativen Gruppe ganz klar, dass es Menschen gibt, die ihre Defizite haben. Eine integrative Einrichtung bietet allen Kindern die Chance davon zu profitieren, weil sie pädagogisch wertvoll begleitet werden und es kann einer Gesellschaft nichts Besseres passieren, wenn Kinder diese Kompetenzen so früh wie möglich erlernen, deshalb kann ich als Vorstand der Kinder- und Jugendärzte im Bezirk Hannover und als Vorstand der Ärztekammer Niedersachsen eine Einrichtung wie die von der GiB geplante Kita für alle nur begrüßen.“ Ausgabe 1/2015 • Seite 17 Herzenswünsche Es ist normal, dabei zu sein Vor mehr als 25 Jahren startete die GiB-Vorgängergesellschaft im Rathaus mit der integrativen Kita - damals ein revolutionäres Modell. Ein Vierteljahrhundert später geht die GiB mit ihrem vollen Erfahrungsschatz den nächsten Schritt von der Integration zur Inklusion und plant wieder etwas Neues im Stadtgebiet Misburg-Anderten. Wir haben Bezirksbürgermeister Klaus Dickneite (SPD) gebeten, den Bedarf aus Sicht des Stadtgebiets Misburg-Anderten zu beschreiben. Die gemeinnützige Gesellschaft möchte eine „Kita für Alle“ mit 78 Plätzen schaffen. Im Zuge dessen entstehen bis zu 30 neue Krippenplätze. Wie beschreiben Sie den langfristigen Bedarf an Kita- und Krippenplätzen für Ihren Stadtbezirk? Klaus Dickneite: Der Stadtbezirk Misburg-Anderten ist einer der wenigen Stadtbezirke, die ein Bevölkerungswachstum zu erwarten haben, weil wir die entsprechenden Grundstücke besitzen. Daraus resultiert ein zunehmendes Bevölkerungswachstum, das auch Familien mit Kindern einschließt. Schon jetzt haben wir nicht ausreichend KitaPlätze, besonders im Bereich der Null- bis Dreijährigen. Aus dem Grunde wollten wir eine zusätzliche Gruppe für Null- bis Dreijährige in der St. Martinsgemeinde bei anderen Trägern aufmachen. Der Bedarf ist hier bei weitem noch nicht gedeckt. Von daher würden wir es sehr begrüßen, wenn sich ein Träger findet, der diese Versorgung anbietet. Die neue „Kita für Alle“ plant mit einem neuen, inklusiven Konzept zu arbeiten. Welche Vorteile sehen Sie für den Stadtbezirk durch die Schaffung einer „Kita für Alle“? Klaus Dickneite: Sie sind dabei, sie fallen auf, sie sind Mitglieder des Gemeinwesens. Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn diese Bevölkerungsgruppe stärker als bisher in der Öffentlichkeit zu sehen ist. Nur so erreichen wir ein Stück Normalität. Die Bevölkerung muss wissen, dass ist ein Personenkreis, der ist unter uns und er nimmt an unserem kulturellen Leben teil. Ein Vorteil wäre, dass dadurch ein Stück Normalität zwischen Menschen mit und ohne Behinderung im alltäglichen Leben entstehen könnte. Dies kann durch vielfältige Aktivitäten, wie zum Beispiel Patenschaften oder die gemeinsame Nutzung von Räumen, geschehen, so könnte beispielsweise eine Gruppe Menschen mit besonders schweren Behinderungen im Geschehen begleiten, gemeinsame Räume nutzen usw. Wichtig ist es, nicht nur in den eigenen Räumen etwas zu unternehmen, sondern raus zu gehen, Sport- und Kulturveranstaltungen im Stadtbezirk zu besuchen, einfach dabei zu sein. Hier geht es nicht darum, aktiv sportliche Höchstleistungen im Verein zu erbringen, sondern es kommt darauf an, sich zu beteiligen im Rahmen der Mög- Seite 18 • Ausgabe 1/2015 lichkeiten, das kann auch sein, als willkommener Zuschauer, als gerne gesehenes und gewünschtes Publikum. Aus solchen Begegnungen ergeben sich möglicherweise individuelle Kontakte. Viele Einrichtungen empfinden sich als Belastung, nicht als Bereicherung für das Gemeinwesen. Doch sie sind die Gebenden, denn sie erweitern den Erfahrungsschatz innerhalb der Bevölkerung durch die Lebenssituationen der Menschen mit Behinderung unterschiedlichster Art. Durch ihre Präsenz können sie zu einem besseren Inklusionsverständnis beitragen, Erfahrungsmöglichkeiten für sich und andere schaffen sowie Aktionsmöglichkeiten entwickeln. Es gilt ein Bewusstsein zu entwickeln, „Ich habe etwas zu geben, gleich welcher Behinderung“. Wenn wir Inklusion realisieren wollen, dann haben die Einrichtungen den größeren Part der Verantwortung, denn sie sind diejenigen, die die Ängste nehmen können und beweisen können, was Normalität ist. Die geplante „Kita für Alle“ soll auch ein flexibles, bedarfsorientiertes, heilpädagogisches Angebot umfassen. Kinder mit Schwerstmehrfachbehinderung werden hier gefördert. Wie steht es hier um die Umsetzung der Teilhabe zum Beispiel an Sport- und Kulturveranstaltungen? Klaus Dickneite: Inklusion ist nicht abhängig von der Schwere der Behinderung, Inklusion ist für jeden möglich, wenn wir bereit sind, die dafür nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Dann ist Inklusion möglich. Sie muss nicht außerhalb des Stadtbezirks stattfinden, Inklusion beginnt im Stadtteil. reu Herzenswünsche Mittendrin statt nur dabei Es war ihr erster Tag als richtige Vertretungskraft in der Kita „Elfriede Westphal“. Im September vergangenen Jahres beobachtete Sara Weichelt, Sozialassistentin aus der Kita Regenbogen, die Misburger Kinder beim Spielen. Das machten sie eine ganze Zeit lang, und plötzlich war die Schminke im Spiel, ruckzuck hatten die Kinder den Tisch in einen Schminktisch verwandelt und malten sich gegenseitig an. Auch Sara Weichelt und ihre Kollegin bekamen viel Farbe und ein neues Make up ab. „Ich dachte, ach ist das schön, jedes Kind spielt mit jedem, es gib keinen Neid und ich bin mittendrin, obwohl die Kinder mich gar nicht kennen“, erinnert sich die junge GiB-Mitarbeiterin. „Zum Feierabend kam der fünfjährige Ilja auf mich zu und sagte: Sara, du bist ja noch ganz bunt, so willst du doch nicht nach Hause gehen, ich würde mich noch mal sauber machen.“ Das hat sie berührt. „Ich war mittendrin statt nur dabei.“ Dabei war sich die Mitarbeiterin aus An- derten zunächst unsicher, ob die Kinder in der Misburger Kita sie auch im Arbeitsalltag akzeptieren. Heute ist es für sie selbstverständlich, zwischen Misburg und Anderten hin und her zu pendeln und in Misburg einzuspringen, wenn eine Vertretungskraft benötigt wird. „Switchen“ nennen sie und ihre Kolleginnen das, und sie freuen sich darauf, wenn sie switchen dürfen. Die beiden Kitas aus dem Stadtgebiet haben sich konsequent aufeinanderzubewegt, damit das „Switchen“ und die erhoffte spätere gemeinsame Arbeit unter einem Dach funktioniert und die Kinder und Kollegen davon profitieren können. Der Startschuss fiel nach einer großen Dienstbesprechung, in der Heike Plinke die „Kita für alle“ als neues großes Ziel ankündigte. „Wir waren Anderten und das war Misburg. Heike Plinke als Einrichtungsleitung war der gemeinsame Nenner. In den Gruppen besprachen wir die neue Entwicklung und dachten uns, es wäre doch toll, wenn wir - die Kollegen und Kinder – uns gegenseitig kennenlernen“, erinnert sich die Sozialassistentin und angehende Krippenfachkraft. Erste Idee und Auftrag für alle: Eine Hospitation in der jeweils anderen Einrichtung. Seitdem war jeder schon mal „drüben“. An ihren ersten Hospitationstag in der Kita „Elfriede Westphal“ kann sich Sara Weichelt noch detailliert erinnern. „Es war alles aufregend und neu, und es war furchtbar komisch. Ich hatte viel zu beobachten, und musste mich bemühen, mich sehr zurückzuhalten, nicht gleich aufzuspringen, wenn ich glaubte, ein Kind braucht Unterstützung. Misburg, das ist eine andere Welt, das ist Big Bamboo, das sind 15 quietschfröhliche Kinder, die toben, spielen, das ist beschleunigt, hier in Anderten wirkt alles sehr entschleunigt. Eben angepasst an die Bedürfnisse der Kinder mit schwersten Behinderungen.“ Doch das bunte Misburger Treiben hat abgefärbt. Heute gibt es in der Kita Regenbogen zwei Eulen- und eine Fische-Gruppe, die Gruppentüren sind offen, und der große Flur wird von den Gruppen genutzt, um Bobby Car oder Fahrrad zu fahren. „Den Flur nutzen, um Kind zu sein“, so nennt Sara Weichelt das. Selbst die einzelnen Therapien finden auf dem Flur oder in der Gruppe statt. Dennoch ist Misburg immer noch eine andere Welt für sie, aber eine interessante, in die sie gerne immer wieder „switcht“. Auch die Kinder haben mitgespielt, haben das neue Gesicht aus Anderten sofort akzeptiert ohne Wenn und Aber. „Switchen macht Spaß. Spaß, auch was anderes zu sehen und mit anderen Kindern zu arbeiten.“ Sara Weichelt genießt das. Und das zeigen ihr auch die Kinder in Misburg: Die freuen sich lautstark, wenn sie Sara am Tor sehen. reu Ausgabe 1/2015 • Seite 19 Herzenswünsche Die Krippe kann kommen Sara Weichelt macht eine Ausbildung zur Krippenfachkraft Sie geht wieder zur Schule, zwar nur zwischendurch, aber sie hat eine richtige Klasse, eine richtige Lehrerin, einen richtigen Lehrplan und ein richtiges Ziel: Krippenfachkraft. Die entsprechende Ausbildung dazu macht Sara Weichelt zurzeit an der Volkshochschule Hannover, wo sie parallel zu ihrer Tätigkeit als Sozialassistentin in der Kita Regenbogen die Volkshochschulbank drückt. Sprachentwicklung, Bewegungsentwicklung, sensorische Integration, Störungsbilder, und, und, und – in ihrem Kopf herrscht Gewühl, aber auch Begeisterung für Krippen, für die Arbeit mit den Kleinsten. Seit Anfang Dezember saugt sie alles Wissen rund um die Krippe auf, setzt sich auch mit scheinbar trockenem Stoff wie den gesetzlichen Rahmenbedingungen auseinander. Als spätere Fachfrau für Krippen- fragen in der „Kita für Alle“ möchte sie profundes Wissen parat haben, um Antworten geben zu können auf Fragen wie: Welche Kriterien muss eine Krippe bezüglich ihrer Einrichtung und ihres Außengeländes erfüllen? Welche Geräte dürfen auf einem Spielplatz stehen? Wie hoch müssen Toiletten und Waschbecken sein? Welche Größe muss das Badezimmer haben? Vom Thema Krippe und Krippenkindern ist die junge Frau infiziert. Es fasziniere sie, wie Kinder in so kurzer Zeit so viel lernen können, es fasziniere sie auch, zu beobachten, wann in der Entwicklung eines Kindes etwas passiert, wann welches Kind wie zu fördern ist. Sara Weichelt saugt das neue Wissen wie einen Schwamm in sich auf, obwohl sie nicht mit Krippenkindern arbeiten kann, weil es in ihrer Einrichtung noch keine gibt. In ihrer Volkshochschulklasse ist sie die Einzige, die im Moment noch nicht mit den Null- bis Dreijährigen arbeiten kann. Doch das wird sich ändern, davon ist die 25-Jährige felsenfest überzeugt: „Die „Kita für Alle“ wird kommen und die Krippe wird kommen, daran glaube ich ganz fest.“ Trotzdem sei es ein komisches Gefühl, etwas zu lernen, ohne es sofort anwenden zu können, komisch, weil sie noch nichts in der Hand habe. Dennoch ist die Ausbildung für sie ein Must-have, ohne dieses Wissen sei sie aufgeschmissen, denn in den kleinen Menschen stecke so viel Potenzial, doch dazu müsse man genau wissen, wie ihnen dieses Potenzial entlockt werden könne. Von Saras Weichelts Weiterbildung profitieren ihre Kolleginnen und Kollegen schon heute, frisch erworbenes Wissen, neue Erkenntnisse und Denkanstöße gibt sie in den Dienstbesprechungen der Kita weiter. „Ich habe das Bedürfnis, alle Mitarbeiter an dem teilhaben zu lassen, was ich einmal gelernt habe.“reu Die Türen sind jetzt offen Kita-Mitarbeiterinnen erzählen vom Zusammenwachsen ihrer Einrichtungen Die „Kita für Alle“ soll Wirklichkeit werden, was bedeutet das für Sie als Mitarbeiterinnen der Kita Regenbogen und Kita „Elfriede Westphal“? Mareike Abel: Es ist klasse, weil es genau das ist, worauf wir hingearbeitet haben und es freut uns riesig, dass der Wunsch jetzt in Erfüllung geht. Das macht uns einzigartig in Hannover, es wird eine Einrichtung, in der der gemeinschaftliche Gedanke gelebt wird. Katharina Franz: Es war unser Ziel und wir freuen uns, dass wir es erreichen. Endlich ist die Ungewissheit weg, was passiert mit den Kollegen, was passiert mit den Kindern? Wir haben Lösungen, und ich persönlich freue mich besonders auf das Krippenangebot. Ich kenne bislang keine Krippe, die jedes Kind aufnimmt. Seite 20 • Ausgabe 1/2015 In unserer Krippe soll jedes Kind seinen Platz finden. Das Kind mit oder ohne Beeinträchtigung muss sich hier nicht an seine Umgebung anpassen, sondern die Umgebung wird an das Kind angepasst. Leonie Sube: In der „Kita für Alle“ wird der optimale pädagogische Gedanke in Politik und Gesellschaft ausgelebt und umgesetzt. Das macht mich glücklich. Herzenswünsche Wie haben Sie den Prozess des Zusammenwachsens der beiden Einrichtungen erlebt – welche guten und welche weniger guten Erfahrungen haben Sie dabei sammeln können? Mareike Abel: Ich konnte schon zum Ende meines Praktikums nach Anderten blicken und konnte sowohl in Misburg als auch in Anderten arbeiten. Das Wechseln stellt für mich auch kein Problem dar, wenn Not am Mann ist, im Gegenteil: es ist für mich ein Zugewinn, die Kinder in Misburg kennen mich und fühlen sich gleich wohl. Zudem ist der Wechsel zwischen Misburg und Anderten auch eine Abwechslung für mich, es ist kein eingefahrenes Arbeiten. an die Arbeit gehen, geht das alles. Leonie Sube: Ich habe das Zusammenwachsen als spannend empfunden. Das Schöne ist: Ich muss mich nicht in ein bestehendes Konzept einfügen, sondern habe Mitsprachemöglichkeiten und kann mich bei Entscheidungen mit einbringen. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Inklusion war Teil unserer Ausbildung, deshalb sind wir auch offen Mareike Abel: Nichts findet hinter verschlossenen Türen statt, alles ist lebendig mit viel Aktivität, es ist offen und fröhlich bei uns. Katharina Franz: Das Ganze war ein Prozess, in dem es ganz wichtig war, dass man miteinander redet. Man darf dabei nicht vergessen, dass innerhalb von zwei Jahren ganz viel passiert ist. Es ist hier ein anderes Leben entstanden. Früher hatten wir in Anderten sechs Gruppen und einen Tag, an dem die Kinder auf dem Flur spielen konnten. Früher war alles sehr strukturiert, es war einfach so und keiner hat es hinterfragt. Es war eine andere gute Arbeit, bei der die Kinder von der heilpädagogischen Kita in eine Förderschule übergeKatharina Franz: Ich habe leitet wurden. Man muss schon alles durch, habe in jetzt bedenken, dass heute Anderten als FSJ angefandie Kinder die Möglichkeit gen, war zwischendurch in haben, inklusiv beschult Misburg und im vergangezu werden. Heute sind die nen Jahr habe ich im Januar Gruppentüren offen und und Februar in der anderen der Flur wird täglich von Einrichtung ausgeholfen allen genutzt. Es ist jetzt in und im Sommer ebenfalls der Kita wesentlich mehr für eine Woche. Seit Januar los, was aber auch gut ist 2015 bin ich ganz in Misfür die Kinder als eine Vorburg. Der stetige Wechsel Sie freuen sich auf die Kita für Alle: Leonie Sube, Katha- bereitung auf die Schule, in ist für mich kein Problem. Je rina Franz, Sara Weichelt und Mareike Abel - Mitarbeite- der ein reges Leben herrscht. besser ich die Kollegen kenne, rinnen beider Kitas. Da hilft es nicht, die Kinder desto besser kann ich aushelhier abzuschotten. fen. Morgens telefonieren wir mit für alles, haben Spaß mitzuwirken den Kollegen in Anderten, wollen und mitzuschaffen. Für mich sind Leonie Sube: Spaß und Freude bei wissen, wie die Lage dort ist, wo beide Kitas ein Team, man denkt im der Arbeit stehen ganz weit oben. krankheitsbedingt die Not am größ- Gesamten, fragt sich, brauchen die Inklusion hat uns in unserer geten ist, wir schieben das so, dass es Hilfe oder brauchen wir Hilfe? Das samten Ausbildung begleitet, es ist für alle passt. Wenn wir mal etwas Ganze ist jetzt ein System und wir für uns eine Einstellung, eine innefür die Kollegen aus Anderten nicht versuchen, das im Blick zu behalten. re Haltung. Wir haben es genauso leisten können, weil es einfach nicht gelernt, wie wir es jetzt entwickeln passt, ist keiner sofort beleidigt, wir Hat das Zusammenwachsen werden. Mit dieser Grundhaltung helfen uns, ohne es gegenseitig auf- einen Einfluss auf die Atmo- bin ich in den Beruf gegangen. Für zurechnen. sphäre in den Einrichtungen dienstältere Kollegen ist das eine anMareike Abel: Dadurch, dass gehabt und wie hat sich das kol- dere Situation, sie müssen sich diewir alle mit positiven Gedanken legiale Miteinander entwickelt? ses Wissen neu aneignen. reu Ausgabe 1/2015 • Seite 21 Herzenswünsche Und was denken die Eltern? Eine neue „Kita für Alle“ in Misburg? Wie bewerten Eltern von Kindern mit und ohne Behinderung die Entscheidung, das ambitionierte Projekt im Stadtteil Misburg umzusetzen? Welche Vorteile versprechen sie sich für die Entwicklung ihrer und der anderen Kinder aus den beiden Einrichtungen? Warum muss es aus ihrer Sicht eine Einrichtung im Stadtgebiet mit einem inklusiven Konzept geben? Wir haben dazu die Vertreter des Elternbeirates der Kita „Elfriede Westphal“ um ihre Gedanken zu diesem Thema gebeten. Martin Berger, Vater von Justus, 5 Jahre „Es ist gut, dass es jetzt losgehen kann, obwohl im Geldsäckel noch ein großer Betrag fehlt. Die beiden Einrichtungen gehören schon jetzt zusammen, nicht nur, weil sie eine gemeinsame Einrichtungsleitung haben, sondern weil sie inhaltlich zusammenarbeiten. Inklusion ist einfach wichtig und sie haben hier im Stadtteil eine Vorreiterrolle. Ich würde mir wünschen, dass sie aktiv in den Stadtteil gehen und dort sichtbar sind, damit das Bewusstsein entsteht: Das ist normal, und nicht: Die inklusiven Kinder sind etwas Besonderes. Es war eine gute Entscheidung, unsere beiden Kinder in eine integrative Einrichtung zu geben, denn es hat ihnen gut getan. Für meine Kinder ist es heute ganz normal, ein Kind im Rollstuhl zu sehen, das ist für sie nichts Besonderes. Umso besser ist es, dass es mit der neuen Kita mehr Plätze geben wird, wo Kinder diese Erfahrung machen können.“ Konrad Baselt, Vater von Yenelle, 4 Jahre „Die neue Kita wird eine unheimliche Bereicherung für den Stadtteil sein. Wir haben zuvor zehn Jahre in Spanien gelebt, meine Tochter ist in der Kita Misburg im Umgang mit anderen Kindern richtig aufgeblüht und sie geht mit behinderten Kindern toll um, sie fragt uns zu Hause, was das eine oder andere zu bedeuten hat, wenn sie etwas nicht versteht, und sie beschäftigt sich mit den Beeinträchtigungen der Kinder.“ Karsten Heddenhausen, Vater von Niklas, 4 Jahre „Ich hätte mich gefreut, wenn es früher solche Einrichtungen gegeben hätte. Zu meiner Kinderzeit konnte keiner damit umgehen, dass ich keine Haare habe. Ich wurde ganz schnell in die völlig verkehrte Schublade gesteckt und das geschieht manchmal auch heute noch. Da bin ich jetzt froh, dass Kinder gleich lernen, wie man mit Kindern mit Behinderung umgeht, nämlich ganz normal. Sie sollen von Anfang an Kinder mit Behinderung einfach akzeptieren. Ich finde es gut, die Kinder mit schweren Behinderungen zu konfrontieren, ihnen die Möglichkeit zu geben, nicht nur Kinder mit leichten Behinderungen kennenzulernen.“ Seite 22 • Ausgabe 1/2015 Herzenswünsche Felix Kuzminski, Vater von Philipp, 4 Jahre „Es stimmt mich traurig zu hören, dass dies im Stadtgebiet die erste Einrichtung dieser Art sein wird. Wir schreiben 2015 und stecken immer noch in den Anfängen der Inklusion, obwohl die UN-Konvention 2009 beschlossen wurde. Es ist wichtig, dass die Kinder sich so früh wie möglich mit dem Thema Behinderung auseinandersetzen, vor allem mit Blick auf die Schule und das Mobbingproblem. Dazu kommt: Kinder lernen von den anderen, Eltern, die ihre Kinder in eine integrative Kita geben, wissen, worauf sie sich einlassen.“ Sie will immer mittendrin sein Ida in einer heilpädagogischen Einrichtung anmelden? Das kam für Antje Wedemeier zunächst überhaupt nicht in Frage. Ihre Tochter umgeben von ausschließlich behinderten Kindern, die still vor sich hinsitzen? Das schien Idas Mutter vollkommen undenkbar. Doch seit August vergangenen Jahres besucht die jetzt vierjährige Ida die Kita Regenbogen, und sie ist dort sehr zufrieden. „Ich würde das merken, wenn das anders wäre“, sagt sie. Täglich fährt Ida ohne zu weinen mit dem Bus zur Kita, und auch die Eingewöhnung in der Kita scheint abgeschlossen. Von geflossenen Tränen hört Idas Mutter nichts mehr. Idas Kita-Karriere begann in einer integrativen Krabbelgruppe in ihrem Stadtteil. Gerne hätte ihre Mutter Ida in der angeschlossenen integrativen Kita angemeldet, doch die dort tätige Heilpädagogin sah sich mit der Situation überfordert, denn Ida braucht viel Aufmerksamkeit. Etwas, das sie auch von zu Hause gewohnt ist. Ansprache und Teilhabe sind ihr wichtig. „Ida ist am liebsten mittendrin, möchte alles mitmachen, was alle anderen auch machen. Sie möchte bloß nicht allein zurück bleiben“, beschreibt sie die Bedürfnisse ihrer Tochter. Viel Aufmerksamkeit erfordert auch ihre Neugier. Alles, was neu ist, weckt ihr Interesse. Bewegung und Geschwindigkeit begeistern das Mädchen, das von sich aus so gut wie nichts machen kann, und auf Menschen angewiesen ist, die sich mit ihr beschäftigen oder die sie beobachten kann. Ida braucht Ansprache. Weil es im Stadtteil mit einem Kita-Platz für Ida nicht klappte, mussten sich die Eltern nach einer Alternative umsehen. Durch Mundzu-Mund–Propaganda kamen sie auf die Kita Regenbogen. Eltern, deren Kinder die Anderter Kita besuchen, erzählten Antje Wedemeier viel Gutes von der heilpädagogischen Einrichtung. Das machte sie so neugierig, dass sie sich zu einem Besuch entschloss und der gab den Ausschlag für ihre Entscheidung, ihr Kind hier anzumelden. „Die Köchin mit ihrem Haarnetz spielte mit den Kindern auf dem großen Flur Verstecken, draußen gab es ein großes Außengelände und die Menschen machten einen fröhlichen Eindruck. Es war meine Sorge, dass dort nur Kinder in Rollis sitzen und keinen Pieps sagen. Doch das war anders und das war ganz schön“, erinnert sich Antje Wedemeier an ihren ersten Besuch in Anderten. Seitdem hat sich viel getan. Ida fährt Bus ohne zu weinen – früher war das undenkbar. Selbst Autofahrten, die über 30 oder 40 Kilometer gehen, sind heute möglich, ohne dass das Kind schreit und weint. Und auch Antje Wedemeier profitiert selbst von der Entscheidung, denn das heilpädagogische Konzept der Einrichtung sieht vor, Therapien in den Kitaalltag einzubauen. Für Antje Wedemeier hat das alltagspraktische Vorteile. Früher musste sie den Kinderspielplatz verlassen, um mit Ida zu den Therapeuten zu gehen. Heute finden diese während der Betreuungszeit statt. Das spart Zeit und Nerven, „denn Ida ist kein Freund von Therapien und weint, wenn die anstehen“, erzählt Antje Wedemeier. Die rein heilpädagogische Ausrichtung ermöglicht Ida eine weitere wichtige Erfahrung: „Sie weiß jetzt, dass es ganz viele Kinder mit schweren Beeinträchtigungen gibt.“ Und auch ihre Eltern sind nicht allein - sie können sich mit ebenfalls Betroffenen austauschen. „Wir hätten Ida nicht in eine Einrichtung gegeben, wo sie das einzige Kind mit Beeinträchtigung gewesen wäre.“ Ausgabe 1/2015 • Seite 23 Herzenswünsche Die Mutter schätzt den herzlichen und fröhlichen Umgang der Mitarbeiter in der Eulen-Gruppe mit ihrer Tochter. „Es ist nicht unser vorderstes Ziel, das Kind den ganzen Tag zu fördern. Wir möchten zunächst, dass sie in der Familie glücklich ist, und „wir leben jeden Tag unser Leben. Und: Antje Wedemeier mag es nicht, wenn die Menschen beim Anblick ihrer Tochter traurig sind. „Ida ist fröhlich, wir sind fröhlich und die Mitarbeiter in der Kita gehen fröhlich mit Ida um. Wir müssen nicht traurig sein.“ Trotz aller Herzlichkeit im Umgang mit Ida und der Fortschritte, die ihre kleine Tochter macht, fehlt Antje Wedemeier etwas ganz Entscheidendes in der Kita: Der Umgang mit nichtbehinderten Kindern. „Wenn ich auf dem Flur stehe, dann denke ich, jetzt müsste hier eine Gruppe von zehn Kindern ohne Beeinträchtigung sein, dann wäre Ida glücklich, denn das kennt sie von zu Hause und aus der Krab- belgruppe. Kinder ohne Behinderung, die Ida schon lange kennen, nehmen sie auf den Schoß, spielen mit ihr. Kinder ohne Beeinträchtigung, die keine Erfahrung mit Ida oder anderen Kindern mit Beeinträchtigung haben, reagieren oft mit Befremden. Je mehr Kinder Erfahrungen im Umgang mit beeinträchtigten Kindern sammeln können, desto mehr Kinder wird es geben, die keine Berührungsängste haben. Eine Kita für alle ist eine Idee, die total super ist!“ reu Spender sehen Fortschritte Felix* läuft über den Flur, Jonas* geht inzwischen in die Schule und Jan* besucht heute Mittag die Kita in Misburg. Ein Jahr ist es her, dass die beiden Schützendamen Brigitte Hübner und Angelika Pluskota zuletzt in der Kita Regenbogen zu Gast waren, und die drei Jungs sind ihnen gut bekannt. Seit ihrem letzten Besuch hat sich viel getan. Damals saß Felix noch im Rollstuhl, heute geht er selbstständig zu den Besucherinnen an den Kaffeetisch, um Kekse zu naschen. „Wenn man die Erfolge sieht, dann ist das einfach toll“, freut sich Brigitte Hübner, Vorsitzende Geld für einen guten Zweck. Brigitte Hübner und Angelika Pluskota übergaben Einrichtungsleitung Heike Plinke die Spende der Schützengesellschaft Anderten. Seite 24 • Ausgabe 1/2015 der Schützengesellschaft Anderten, bei der Übergabe des Spendenschecks in der Halle der Kita Regenbogen in Anderten. Seit 2010 besuchen die beiden Schützendamen die Kindertagesstätte einmal im Jahr, um ihre Weihnachtsspende persönlich zu überreichen. 2009 trat Brigitte Hübner ihr Amt als Vorsitzende der Damenabteilung an. Was machen wir mit der Weihnachtsspende? Das war eine der Fragen, auf die sie eine neue Antwort suchte und unter dem Regenbogen in Anderten fand. „Wir haben uns gefragt, ob es bei uns im Dorf eine Einrichtung gibt, die wir unterstützen und wo wir unsere Spende auch direkt abgeben können, ohne dass Geld in die Verwaltung fließt. Und schließlich möchten wir Menschen unterstützen, die am Anfang ihres Lebens stehen“, erklärt Brigitte Hübner. Mit der Kita im Eisteichweg war schnell der passende Partner gefunden. „Im Laufe der Jahre haben wir die Erfolge ihrer Arbeit gesehen, sahen zum Beispiel, dass Kinder, die verschlossen waren, einem offener entgegenkamen. Wir haben auch gesehen, wie wertvoll ihre Arbeit ist, mit welcher Aufmerksamkeit sie sich den einzelnen Kindern widmen, und wir sehen die Fortschritte, die diese Kinder machen.“ Inzwischen spenden nicht nur die Damen der Schützengesellschaft Anderten. Zu dem Anlass öffnen auch der Schießklub Niedersachsen und einige Privatpersonen ihre Geldbörsen, weil sie wissen, dass ihr Geld einem sinnvollen Zweck zugeführt wird. „Die Einrichtung einer Kita kostet viel Geld“, stellte Brigitte Hübner fest. (* Name geändert) reu Herzenswünsche Helfen macht Spaß Inzwischen ist es Tradition für Daniela Wilke-Döpke und ihren Mann, die GiB zu unterstützen. Neu ist, dass die beiden ihr Engagement auf die großen und kleinen Menschen in der GiB verteilen. Statt Weihnachtspräsente für die Kunden spendet die Firma Döpke Gebäudereinigung für einen guten Zweck. In diesem Jahr erstmalig für die Tagesförderstätte Vahrenwald, die sich über eine neue Kaffeemüh- le freuen durfte. Eine Wassersäule für den Snoezelraum und eine pentagonische Trommel konnten die Kita „Elfriede Westphal“ und Kita Regenbogen Dank der Spende anschaffen. Als Mutter einer neunjährigen Tochter begrüßt Daniela Wilke-Döpke den Plan, eine „Kita für Alle“ zu bauen. „Zum einen, weil es gut ist, wenn Kinder ohne Behinderung mit Kindern mit Behinderung aufwachsen. Sie lernen früh, nor- Yvonne Racek, Psychologischer Dienst der GiB und des Autismus Zentrum Hannover (AZH) „Ich habe die Entwicklungen der vergangenen Jahre mit beobachten und sehen können, wie die Zusammenführung im Kleinen von der heutigen Einrichtungsleitung Heike Plinke forciert wurde, wie die Kinder und Teams beider Einrichtungen schrittweise zusammengebracht wurden. Kinder mit schweren Behinderungen können in jedem Fall davon partizipieren, sie lernen am Modell von Bandura, weil sie sehen, beobachten und Möglichkeiten haben, sich weiterzuentwickeln. Gleichzeitig sehen Kinder ohne Behinderung, dass es Kinder mit schweren Behinderungen gibt. In der Interaktion, im Miteinander lernen alle Kinder voneinander, erleben kindliche Freude, Neugierde, wenn das Spiel stattfindet. Im Idealfall sieht man die behinderten Kinder gar nicht. Dennoch sollte man sich nicht von dem Inklusionsfieber anstecken lassen, es gibt auch Kinder, mal mit dem Thema umzugehen. Zum anderen entlastet eine Einrichtung, die bis 17 Uhr Betreuung bietet, Mütter und Väter ungemein. Ich kann normal arbeiten gehen, und weiß, dass mein Kind optimal versorgt ist, und ich muss mir keine Gedanken machen, wer wann wie mein Kind von der Kita abholt“, erklärt die Geschäftsführerin von Döpke Gebäudereinigung in Hannover. reu die zum Beispiel schwerwiegende Wahrnehmungsund Informationsstörungen haben und die ihre Kontinuität im Alltag brauchen. Inklusion heißt für mich, es muss individuell bei jedem Kind geprüft werden, welche Bedürfnisse es hat, und dort wird es abgeholt. Das kann auch bedeuten, dass es Kinder gibt, die in einem Extraraum ein ruhigeres Angebot bekommen.“ Ausgabe 1/2015 • Seite 25 Herzenswünsche Es war ein langer Weg aufeinander zu Es war ein langer und manchmal auch steiniger Weg, den die beiden GiB-Einrichtungen gegangen sind. Das Ergebnis: Zwei, die zusammengehören, aber noch kein gemeinsames Dach über dem Kopf haben. Doch das soll sich jetzt ändern. August 2011: Drastischer Belegungsrückgang von 36 auf 24 Kinder in der Kita Regenbogen in Anderten Bewerbung um die Trägerschaft einer Kita im Ausschreibungsverfahren der Stadt – erfolglos. • Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab dem ersten Lebensjahr. Die Inklusion wird zum gemeinsamen Hauptthema. Erste Fortbildung beider Teams mit Ilka Lemke im November 2012 zum Thema Inklusion. Ab März 2013 leitet Heike Plinke beide Kitas und entwickelt Konzepte, wie die Zusammenarbeit auch mit dem räumlichen Abstand gefördert werden kann. • Jeder Mitarbeitende hospitiert in der anderen Einrichtung. • Einmal im Monat gemeinsame Dienstbesprechung, gemeinsame Feste, Fallbesprechungen, Austausch, Kennenlernen. • Gegenseitige Krankheitsund Urlaubsvertretung. • Kinder aus den Kitas besuchen sich gegenseitig. • Ein Kind aus Anderten ist regelmäßig einen ganzen Tag in Misburg (zur Schulvorbereitung). • Eltern kennen beide Einrichtungen. • • • • Gemeinsamer Ausflug in den Tiergarten. Projektarbeit Kita Misburg „Feuerwehr“, Kindergruppe aus Anderten nimmt teil und besucht auch mit den Misburger Kindern die Feuerwehr. 25 Jahre Kita Misburg – Hilfe und Unterstützung durch das Anderter Kita-Team. Erstes gemeinsames Laternenfest im November in Anderten. 2014: Gemeinsame Faschingsfeier • Projektierung einer Kita für ALLE am Forstkamp in Misburg mit der Kreissiedlungsgesellschaft (KSG) Hannover. • Erstes gemeinsames Sommerfest im Juli 2014 „Am blauen See“ in Misburg, Thema: viele verschiedene Nationen feiern gemeinsam. • Gemeinsame Fortbildung „Erste Hilfe am Kind“, Sondenernährung. Gemeinsame Teilnahme an der Kita-Kultur-Woche. • Gemeinsamer Stand beim GiB-Jubiläum. • Zweites gemeinsames Laternenfest im November 2014 in Misburg. 2015: Gemeinsame Faschingsfeier in Anderten • ab August 2015 besuchen voraussichtlich nur noch zwölf Kinder die heilpädagogische Kita in Anderten. • Zum August 2015 gibt es eine lange Warteliste für Integrationsplätze in der Kita „Elfriede Westphal“. Christine Voigt Und hier wollten wir überall hin... Ab 2011 Bewerbung um ein Gelände der Johannisgemeinde in Misburg zur Errichtung von Krippenplätzen – erfolglos. • • Objekt in der Schierholzstraße – wird vom Kultusministerium als nicht geeignet empfunden. Objekt Alte Post – anderweitig verkauft. Seite 26 • Ausgabe 1/2015 • • Objekt Leinhausen - erfolglos. Wir bewerben uns für die Räumlichkeiten der Außenstelle der Herschelschule – erfolglos. Seit vielen Jahren gab es immer wieder neue Bemühungen unsererseits, um eine Erweiterung der Räumlichkeiten im Rathaus Misburg – immer wieder waren diese erfolglos. Christine Voigt Herzenswünsche Alle haben ihren Platz bei uns I have a dream …sagte einst Martin Luther King. Auch die GiB hat einen Traum: Eine Kindertagesstätte für alle Kinder. Nun scheint sich dieser Traum zu erfüllen…alle Menschen sind gleich erschaffen… Es macht mich unendlich glücklich, an diesem Traum mitzuarbeiten! Zwei Jahre voller Höhen und Tiefen liegen hinter mir. Seit zwei Jahren leite ich die integrative und die heilpädagogische Kita. Seit zwei Jahren wünsche ich mir ein Haus für alle Kinder. Und alles schien perfekt; es gab ein Grundstück und einen Bauträger, und die Stadt Hannover braucht dringend weitere Krippenplätze. Doch nun kommt das Geld ins Spiel. Eine neue Kita kostet weitaus mehr Geld, als die GiB ursprünglich investieren konnte und wollte, und das sie jetzt im Vorfeld aufbringen muss. Rund 300 000 Euro müssen wir durch Spenden und Zuwendungen im Nachhinein wieder einwerben. Trotzdem: Nach allen Höhen und vor allem Tiefen geht es nun voran und ich kann Sie einladen, mit mir zu träumen. Ich möchte Ihnen eine Vorstellung davon geben, wofür wir kämpfen. Träumen Sie mit mir von einem Haus voller Leben und Fröhlichkeit, in dem jeder mit seiner Individualität ein Teil des Ganzen ist und jeder - mit und ohne Behinderung - etwas dazu beitragen kann. Es ist der 27. April 2017, zwei Minuten nach sieben, als ich unser neues Haus „Am Forstkamp“ betrete. Einige Kinder und Mitarbeiter sind bereits da, wir öffnen um sieben Uhr. Für berufstätige Mütter und Väter ist das ein Segen! Die kleine Anna verabschiedet sich gerade von ihrer Mutter und winkt vom Arm ihrer Betreuerin. Ich muss lächeln. Es war ein langer Weg, bis Anna ohne Tränen in der Kita bleiben konnte. Sara Weichelt, Krippenfachkraft, hat dabei eine unendliche Geduld und sehr viel Einfühlungsvermögen bewiesen. Anna ist zwei Jahre alt und stark entwicklungsverzögert. Heute ist sie auf dem Stand eines neun Monate alten Kindes. Mit neun Monaten ist ein Kind in der Fremdelphase und möchte nur bei Mama und Papa sein. Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. Annas Mutter blieb in den ersten Wochen einfach mit in der Gruppe. Anfangs blieben beide nur einige wenige Stunden. In dieser Zeit begann die Kontaktaufnahme; Stück für Stück mit kleinen Fortschritten. Wie oft dachten wir, jetzt, jetzt ist es geschafft, dann kam wieder ein Rückschritt. Annas Mutter, die bereits für zwei Stunden die Gruppe verlassen konnte, musste Ausgabe 1/2015 • Seite 27 wieder im Gruppenraum bleiben. Mittlerweile ist das Vergangenheit. Durch die einfühlsame Begleitung und offene Haltung aller Mitarbeiter gelingt es allen Familien, sich gut einzugewöhnen. Auch Anna kommt jetzt täglich fröhlich in die KäferGruppe. Noch bevor ich meinen morgendlichen Rundgang starte und alle Mitarbeiter begrüßen kann, läuft Paul auf mich zu. Paul kommt im Sommer zur Schule und er hat ein Faible für Naturwissenschaften. Er nimmt meine Hand und zieht mich in die Fo r s c h e r w e r k statt. Hier bietet Katharina Franz, Fachkraft für Inklusion, seit einigen Tagen immer wieder kleine Einheiten zum Thema Experimente mit Pflanzen an. Alle Kinder, ob groß, ob klein, ob beeinträchtigt oder nicht, können in Kleingruppen daran teilnehmen. Doch zurück zu Paul. Stolz zeigt er mir eine Narzisse, die er mit blauem Wasser gefärbt hat. Paul gehört zur Katzengruppe, eine der beiden Integrationsgruppen mit 18 Kindern, und hat den Umzug in das neue Gebäude mitgemacht. Gerne zeigt er Gästen seine neue Kita. Schön ist sie geworden, unsere neue Kita. Bodentiefe Fenster überall ermöglichen es den Kindern, auch den Krabbelkindern, immer nach draußen zu schauen. Alle fünf Gruppen haben einen großen Raum und einen kleineren Nebenraum. Die Kleinen nutzen den Neben- Herzenswünsche raum zum Schlafen; kleine, weiche Körbchen stehen dort, mit Kuscheldecken und Stofftieren. tet ein Angebot für unsere großen Jungs vor. Die Jungen, die im Sommer eingeschult werden, messen momentan ständig ihre Kräfte und suchen Herausforderungen. Hier hat es sich bewährt, den Kindern Ton anzubieten, den sie zunächst weichklopfen und kneten müssen, es erfordert eine Menge Kraft und Energie. Auch dieses Angebot findet gruppenüberg reifend statt. Nun bin ich endlich angekommen in der Küche, wie überall das Herz der Kita. Ute Schiemann, unsere Köchin, bereitet das Frühstücksbuffet vor. Das Frühstück für die Kinder wird von uns angeboten. Bis etwa zehn Uhr kommen die Mitarbeiter mit einer Kleingruppe in die Cafeteria und frühstücken gemeinsam mit den Kindern. Gesund und lecker muss es sein. Alle Kinder essen in der Kita am Morgen und auch zu Mittag. Für Kinder mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten, für Kinder, die nur püriert essen können, wird individuell gekocht. Die Nebenräume laden zum Entspannen ein. Es gibt hier Rückzugsmöglichkeiten für die Kinder, um ein wenig Ruhe zu haben. Ent- spannungsmusik, weiche warme Decken, gedämpftes Licht und poetische Bilderbücher sorgen für einen Ausgleich zum manchmal doch lauten und bewegten Kita-Alltag. Warme, bunte Farben sorgen für eine Stimmung, in der sich jeder willkommen fühlt. Und das soll auch jeder. Unsere Tür steht offen für Besucher und interessierte Fachkollegen, wir wollen Konsultationskita werden und unser Wissen und unser einzigartiges Konzept an Fachkollegen weitergeben. Wir wollen keine Insel sein, jedes Kind soll an seinem Wohnort ein optimales Betreuungsangebot bekommen. Auf dem Weg zur Küche komme ich an der Kreativwerkstatt vorbei. Hans Gruschka, ausgebildete Fachkraft für ästhetische Bildung, berei- Seite 28 • Ausgabe 1/2015 Ich hole mir meinen Kaffee und mache mich auf den Weg in den großen Bewegungsraum. Mittlerweile sind alle Kinder da und wir alle, Kinder, Mitarbeiter, Praktikanten, Gäste, Therapeuten, beginnen den Tag gemeinsam mit einem großen Singkreis, Antje Habich begleitet ihn mit der Gitarre. Für mich einer der schönsten Augenblicke: alle sind Herzenswünsche da, alle haben ihren Platz bei uns. Anschließend treffe ich mich mit einigen Kollegen. Heute steht die Organisationsbesprechung auf dem Programm. Wir planen das erste Laternenfest der Kita für Alle. Ein Laternenfest für 78 Kinder mit ihren Familien. Danach lerne ich eine neue Familie kennen. Nico, ein Junge mit einer schweren körperlichen Behinderung, soll ab nächster Woche die Eulengruppe besuchen. In der Eulengruppe liegt der Schwerpunkt auf der heilpädagogischen Förderung. Erfahrene Fachkräfte begleiten die Kinder und ihre Eltern durch die Kindergartenzeit. Und gestalten einen guten Übergang in die Schule mit allen Beteiligten. Ich zeige den Eltern die Kita und mache sie mit Janet Buths und Natascha Günther, Mitarbeiterinnen der Eulengruppe, bekannt. Auf dem Flur treffe ich unsere Psychologin Yvonne Racek. Sie ist auf dem Weg in die Igelgruppe, um dort gemeinsam mit der Mitarbeiterin Leonie Sube Strukturen für ein Kind mit Autismus, das in der Gruppe betreut wird, zu entwickeln. In der Igelgruppe gibt es momentan einen großen Baubereich. Ein großer Teil der IntegrationsGruppe, die 18 Kinder umfasst, zeigt außerordentlich viel Interesse am Konstruieren und Bauen. Mannshohe Türme werden dort aus unterschiedlichen Materialien gebaut. Alle Kunstwerke werden fotografisch festgehalten, und später, wie die Kinder es bei einer Kinderkonferenz beschlossen haben, in einer kleinen Ausstellung präsentiert. Ich sehe den dreijährigen Jan. Er steht auf einem Stuhl und legt weitere Bausteine auf den mittlerweile 1,50 Meter hohen Turm. Dabei ist er hochkonzentriert und lässt sich durch nichts ablenken. Nebenan im kleinen Gruppenraum bietet Silke Jerofke, Fachkraft für alltagsintegrierte Sprachförderung, den Kindern verschiedene Pustespiele an. Drei Kleine aus der Mäusegruppe (Krippengruppe) sehen interessiert zu und dürfen mitmachen. Die anderen Kinder der Mäusegruppe ziehen sich an, bzw. werden angezogen, um einen Spaziergang zu machen. Die Kleinen, die noch nicht oder nur wenig laufen können, bekommen ihren Platz im Krippenwagen, eine überdimensional große Karre, in der sechs Kinder bequem sitzen können. Auf geht’s in Richtung Misburger Wald, Herbstblätter sammeln. Auch das Außengelände wird mittlerweile von einigen Kindern genutzt. Wunderschön gestaltet mit einem gepflasterten Weg zum Fahren mit Bobby-Cars oder Fahrrädern, einem Wasserlauf zum Matschen, einem kleinen Kräutergarten, einigen Spielgeräten und zwei Tipis aus Weide gefertigt. Ich sehe Heike Sawade, die mit einigen Kindern neue Pflanzen aussät. Nach dem Mittagessen wird es ein wenig ruhiger. Ein großer Teil der Krippenkinder schläft und alle anderen nutzen ruhigere Angebote. kleidungskiste und Schminktisch. Im Besprechungsraum sitzt Melanie Wolter mit ihrer Praktikantin. Beide besprechen die morgige praktische Prüfung der jungen Frau. Langsam neigt sich unser Kitatag dem Ende zu. Erste Eltern kommen, um ihre Kinder zu holen. Ihr Blick fällt dabei auf die Tafel im Eingangsbereich. Hier stellen alle Kollegen täglich ihre Arbeit mit Fotos, Bildern und kurzen Texten vor. Der eine oder andere Elternteil geht noch kurz in den Elternbereich der Cafeteria und tauscht sich mit anderen Vätern und Müttern aus. Gespräche gibt es auch zwischen Tür und Angel - die Mitarbeiter geben den Eltern eine kurze Rückmeldung zu ihrem Kind. Dann ist es 17 Uhr und wir schließen. Auf einmal ist es um mich herum ganz ruhig, viel zu ruhig! Ich freue mich in diesem Moment auf morgen in unserer neuen „Kita für Alle!“ Heike Plinke, Einrichtungsleitung der Kita Regenbogen und Kita „Elfriede Westphal“ In der Kinderbibliothek hat es sich die Erzieherin Mareike Abel mit acht Kindern gemütlich gemacht und liest die Geschichte von Findus vor. Im Mitarbeiterraum planen zwei Mitarbeiter die Gestaltung des Flures, damit dieser auch von den Kindern genutzt werden kann. Momentan gibt es dort einen Rollenspielbereich mit Ver- Ausgabe 1/2015 • Seite 29 Herzenswünsche Leben wir unseren Traum... Ein Song auf einer meiner alten CD‘s heißt: „I believe, I can fly.“ Vielleicht kennen Sie den Song noch. Ja, fliegen können, den Himmel berühren... Eine schöne Metapher für: Träume wahr werden zu lassen, unbelastet, ungebunden, mutig zu sein. Sich nicht von Ängsten und Zweifeln bremsen lassen, sich etwas trauen. Den Boden des Normalen für einen Moment verlassen und sich frei fühlen. Kurz: einmal das Unmögliche wagen, um das Mögliche zu erreichen! Der Traum einer „Kita für Alle“ ist ein solcher Traum. Nüchtern gerechnet, müssten wir uns eigentlich davon verabschieden. Die Kosten und die Einnahmen durch spätere Pflegesätze kommen nicht zur Deckung: 300.000 Euro fehlen! Also die Idee und das Projekt begraben? All den Eltern, die sich Hoffnung auf einen dieser Plätze machen, sagen, dass leider nichts daraus wird? Den Kindern klarmachen, dass sie nicht da hin können, wo sie hin möchten. Den Mitarbeitern, die sich auf die neue Aufgabe freuen, mitteilen, dass diese Aufgabe nicht auf sie zukommen wird und dass wir eventuell, weil wir das Projekt nicht realisieren können, sogar Personal abbauen müssen? Nein, wir haben den Herzenswunsch unserer kleinen Kunden verstanden! Wir haben ihre Bitten, doch alles zu versuchen, ob es nicht doch klappen könnte, gehört. Und nun fragen wir uns, ob es nicht auch selbst nüchtern und sorgsam kalkulierenden Kaufleuten gelingen könnte zu fliegen...? Warum nicht? Wenn sie Mut haben und Vertrauen fassen in die Hilfsbereitschaft von Freunden, Partnern, Angehörigen und Spendern. Und wenn es gelingen sollte, mit einer entsprechenden Anschubhilfe die Kaufleute vom Fehlbetrag, der heute wie Blei an ihren Füßen hängt, zu befreien und ihnen Mut zu machen, den Plan, den so viele gern realisiert sehen möchten, auch zu realisieren. Deshalb bitten wir Sie, liebe Leser der GiB-Zeit, liebe Angehörige, Geschäftspartner, Freunde: Helfen Sie mit, gemeinsam mit uns etwas eigentlich Unmögliches zu schaffen. Etwas wirklich Nachhaltiges, etwas absolut Notwendiges. Etwas, was vielen Kindern und deren Familien ein großer Herzenswunsch ist. Helfen Sie mit, diese „Kita für Alle“ auf die Beine zu stellen. Noch steht sie auf wackeligen Füssen. Aber mit jeder Spende von Ihnen – mag sie auch noch so klein sein – wird sie ein Fundament bekommen und fester stehen! „Wir wollen dahin“ rufen unsere Kinder. Wenn die Großen jetzt den Kleinen helfen, dann könnte es klappen. Wir hoffen auf Sie! Und viele Kinderherzen mit uns. Vielleicht können wir ja alle einmal gemeinsam mit den Kindern singen: „We believe, we can fly…” Wie sagte doch schon Ben Gurion: „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.“ Also seien wir Realisten und glauben wir daran! Hans Georg Schneider Gesellschafter Seite 30 • Ausgabe 1/2015 Kontakt Geschäftsstelle und Verwaltung Geschäftsführer: Markus Kriegel Pädagogische Leitung: Christine Voigt Prinz-Albrecht-Ring 63, 30657 Hannover, Tel. (0511) 67 67 59 0 , Fax: (0511) 67 67 59 59 E-Mail: [email protected] Web: www.gib-hannover.de Kindertagesstätte „Elfriede Westphal“ Ansprechpartnerin: Heike Plinke Waldstraße 9, 30629 Hannover Tel. (0511) 58 40 12, Fax: (0511) 5 86 69 21 E-Mail: [email protected] Kindertagesstätte Spunk Ansprechpartnerin: Saskia de Kock Kleine Redder 8, 29227 Celle Tel. (05141) 88 16 52, Fax (05141) 88 03 08 E-Mail: [email protected] Kindertagesstätte Regenbogen Ansprechpartnerin: Heike Plinke Eisteichweg 7, 30559 Hannover Tel. (0511) 51 31 66, Fax: (0511) 5 17 90 76 E-Mail: [email protected] Heilpädagogische Frühförderung Ansprechpartnerin: Barbara Fox Alte Döhrener Straße 51, 30173 Hannover Tel. (0511) 3 37 77 02, Fax: (0511) 2 03 08 54 E-Mail: [email protected] Wohngruppen für Menschen mit Autismus Ansprechpartnerin: Christine Schaaf Prinz-Albrecht-Ring 63, 30657 Hannover Tel. 0163 67 67 59 5 Fax: (0511) 67 67 59 59 E-Mail: [email protected] Ansprechpartnerin: Jutta Blume Wohngruppen für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Prinz-Albrecht-Ring 63, 30657 Hannover Tel. (0511) 67 67 59 38, Fax: (0511) 67 67 59 59 E-Mail: [email protected] Tagesförderstätte Vahrenwald und Bothfeld Ansprechpartnerin: Andrea Sewing Vahrenwald Vahrenwalder Straße 190-192, 30165 Hannover Tel. (0511) 20 30 897 0, Fax: (0511) 20 30 89 749 E-Mail: [email protected] Bothfeld Prinz-Albrecht-Ring 63, 30657 Hannover Tel. (0511) 90 88 06 10, Fax: (0511) 90 88 06 23 E-Mail: [email protected] Ausgabe 1/2015• Seite 31 ..• " .,' , ~. " ,'
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