Sonntagsmord - 6. Ludwigsburger Kurzkrimipreis 2015

Sonntagsmord
Lisa Schäuffele
Es geschah an einem Sonntag. Ich hatte mich tatsächlich überreden lassen, in die
Kirche zu gehen. Statt also meinem bequem geplanten Sonntag, also um zwölf Uhr
aufstehen, im Pyjama Mittagessen und die volle Konzentration auf meine
Fingernägel, musste ich tatsächlich in die Kirche. Aber ich hatte es versprochen, oder
eher verursacht. Schließlich hatte ich bei meiner unerlaubten Hausparty die
Kristallschale meiner Mutter herunterfallen lassen. Also Augen zu und durch. Um
neun Uhr bin ich schließlich aufgestanden, aß schnell ein „Weckle“ vom gestrigen
Samstagmorgen. Richtete mich Kirchengemäß, also keine zerrissenen Jeans,
schlichtes Makeup. Ach ja, nach einem Morgen ohne Worte stiegen wir schließlich
ins Auto. Auf SWR 1 lief mal wieder: Atemlos durch die Nacht! Währenddessen
träumte ich mich wieder in mein Bett zurück, bis mein Vater murmelte: „Jetzt lernst
du mal ein bisschen Anstand.“ Sofort musste ich an die nächsten zwei Stunden
denken, das bereitete mir mehr als nur Bauchschmerzen. Nicht etwa wegen dem
langweiligen Gottesdienst, nein, sondern wegen dem unnötigen Spektakel davor und
danach. Tausendmal Hände schütteln, mein gekonnt künstliches Lächeln aufsetzen
und brav neben meinen ach so anständigen Eltern stehen. Weiß ja keiner, dass sie
an einem Samstag 3 Flaschen Wein alleine lehren. Natürlich muss man sich auch
jedes Mal von dem lieben Pfarrer verabschieden, der dann alte
Konfirmationsgeschichten auspackt. Und statt fast zwölf Uhr kommen wir dann um
dreizehn Uhr nach Hause. Ich konnte nichts anderes als laut zu seufzen.
Natürlich waren wir wieder einmal eine der ersten, die die Kirche betraten. Also hieß
es für mich selig lächeln. Nach zweimal Hände schütteln gelangten wir doch
tatsächlich in den Mittelgang der Kirche. Wir waren mitten im Gespräch mit einem
älteren Ehepaar, da läuteten nicht die Glocken sondern ein absurdes Geschrei von
der Empore. Alle Gesichter richteten sich in Richtung Geschrei. Nur ein älterer Mann
mit Hörgerät lächelte vor sich hin. In Blitzgeschwindigkeit leerte sich der Mittelgang.
Alle rannten hinauf auf die Empore. Ich sah nichts als lauter neugierige Menschen.
Ich hörte ein Frau reden: „Was für ein Trauerspiel, so etwas sollte man niemals zu
Gesicht bekommen.“ Nun wurde ich auch neugierig. Unsanft drängelte ich mich vor.
Und da lag sie. Meine so verhasste Englischlehrerin. Sie hatte mir doch tatsächlich in
einem meiner wichtigsten Zeugnisse eine Fünf reingedrückt. Naja, ihr hatte man wohl
ein Messer reingedrückt. Und nicht nur einmal. Unzählige von Stiche in ihrer Brust.
Sie war über und über mit Blut verschmiert. Die Frau hatte Recht, so etwas sollte
man niemals zu Gesicht bekommen. In ihrer Hand eine Bibel. Ich konnte gar nicht
hinschauen. Ich setzte mich ins hinterste Eck und träumte mich den Zeiten zurück, in
denen wir jeden Sonntag ins BlüBa gingen. Der tolle Märchengarten. Vor dem
riesigen Goliath hatte ich immer ein wenig Angst, aber das war nichts im Vergleich zu
dieser Situation in der Walheimer Kirche. Und da sagte man immer so ein Dorf im
Kreis Ludwigsburg sei absolut ungefährlich und friedfertig. Von wegen hier lag
tatsächlich eine Leiche. In der gleichen Kirche in der ich getauft wurde, in der ich
meine Konfirmation hatte, in der jeden Sonntag gepredigt wurde: Friede sei mit euch
und lasset alle eure Dinge in der Liebe geschehen. Ich fragte mich ob der Mörder
diese Tat in der Liebe geschehen ließ. Plötzlich riss mich eine adrette Frau aus
meinen Gedanken. „Kennen sie das Opfer?“ Ich nickte nur kurz, mir war klar dass
diese Frau für den Mordfall ermittelte. „Dann müssten sie mal kurz mit mir kommen.“
Wortlos folgte ich dieser Frau, nach hinten in die Räume des Pfarrers. „So Frau ..?“
„Wagner, Lara Wagner“, antwortete ich ihr schnell. Sie musterte mich gründlich. Ich
kam mir vor wie ein Schwerverbrecher. „Gut Frau Wagner, woher kennen sie das
Opfer?“ Ich machte ihr in wenigen Worten klar dass sie meine ehemalige
Englischlehrerin war. „Und war ihr Verhältnis gut, oder gab es ein paar
Ungereimtheiten?“ Ich musste ihr gestehen, dass ich diese Frau, gehasst hatte. Sie
quälte mich in jeder Englischstunde. Stellte mich ständig an der Tafel bloß. Ich
musste ihr außerdem erzählen, dass es ein paar wirklich unpädagogische
Diskussionen zwischen uns gab, was mich zu der Annahme brachte, dass sie
genauso von mir abgeneigt war, wie ich von ihr. Daraufhin bekam ich nur ein
Augenbrauenzucken. „Wo waren sie zwischen sieben und acht Uhr?“ Ich konnte es
nicht fassen, sie verdächtigten tatsächlich mich. Klar ich hatte keine Skrupel eine
Spinne zu töten und als die Katze meiner Schwester starb verdrückte ich keine
einzige Träne. Aber soweit würde ich nun wirklich nicht gehen. „Frau Wagner? Wo
waren sie während der Tatzeit?“ Etwas ängstlich antwortete ich: „In meinem Bett, ich
habe geschlafen.“ „Gibt es dafür Zeugen?“ Wollte sie wissen ob ich einen Freund
hatte, oder ob meine Eltern früh morgens heimlich uns Kinder beim Schlafen
beobachten? Plump sagte ich nur: „Nein!“ Ich hätte so gern um mich geschrien und
ihnen klar gemacht dass ich es nicht war. Aber klar ich hatte ein Motiv: Hass. Und
kein Alibi, außer es zählte mein Kuschelkissen. „Bitte bleiben sie zu unserer
Verfügung in dieser Kirche!“ Ich nickte nur kurz und senkte schließlich den Kopf. Mit
einem schlappenden Gang schlürfte ich in den Mittelgang zurück. Dort standen
meine Eltern. Sie hatten wohl schon mir der Polizei gesprochen. Ich verklickerte
ihnen leise, dass ich wohl als tatverdächtig galt und deshalb in der Kirche bleiben
sollte. Die nächste Stunde verlief immer gleich. Alle zwei Minuten folgte ein
Kirchenbesucher der Frau ins Pfarrzimmer. Doch sie kamen alle lächelnd oder
zufrieden wieder hinaus. Nur ich saß wie ein Häufchen Elend da. Schließlich kamen
ein paar Männer vom Bestattungsinstitut und nahmen die Leiche mit. Da weckte mich
die Wut. Nicht nur in der Schule machte mir diese Frau Schwierigkeiten. Klar ich
sollte ein wenig Respekt vor dem Tod haben, aber das viel mir unglaublich schwer.
Mir fiel nur eins ein, wenn die Polizei nicht dahinter kam, wer es war, musste ich auf
eigener Faust ermitteln. Ich überlegte, wer kannte sie noch in dieser Kirche, wie war
sie wohl Privat, was für ein Motiv hatte der Täter, abgesehen davon dass sie „a blede
Kuah“ war. Sie trug keinen Ehering, es gab auch das Gerücht dass sie gerne eine
Affäre anfing. Ich schaute mich um, irgendein Mann der einigermaßen zu ihr passte.
Da war einer. An dem Kirchentor. Neugierig schlich ich zu dem besagten Mann.
„Kennen sie die arme Frau die hier sterben musste?“ fragte ich ihn heuchlerisch.
Auch er nickte bloß. Aha da hatte ich schon mal einen Tatverdächtigen gefunden.
„Sie war meine geliebte Englischlehrerin. Ein wahres Trauerspiel, nicht wahr?“
Wieder nickte er und brachte nur schwer heraus: „Sie war meine Schwester. Meine
große Schwester.“ Ein paar Tränen kullerten ihm die Wange hinunter. Uups, der
trauerte wohl wirklich. Also konnte ich ihn vergessen, denn so gut konnte nun wirklich
kein Mensch Schauspielen. Ich schlich weiter, hungrig nach Antworten. Ich suchte
die Wahrheit. Niemand konnte mich irritieren, für mich zählten nur die Fakten. Die
Bibel. Sie hatte eine Bibel in der Hand, doch die Bibel bekam man doch nur wenn
man die Kirche zum Gottesdienst betrat. Sonst waren sie, soviel ich weiß immer
verschlossen im Pfarrzimmer. Wer hatte alles Zutritt zu diesem Pfarrzimmer, vor
allem vor der üblichen Gottesdienstzeit. Schließlich sagte die Kommissarin die
Tatzeit war zwischen sieben und acht Uhr. Ich nahm an, dass um diese Uhrzeit wohl
noch kein Gottesdienst vorbereitet wurde. Ich suchte weiter nach der Klarheit. In
Sekundenschnelle verwandelte ich mich zu einer Version von Sherlock Holmes oder
einer dieser Kommissarinnen aus Soko Stuttgart. Mein Verstand wurde
unbestechlich, ich sah in die Tiefe, da wurde mir klar, dass die Bibel wohl ein Zeichen
der Vernunft war, ein Zeichen für Anstand und Ehre. Da bestrafte wohl jemand diese
Frau für ihre unchristlichen Taten. Vielleicht war wirklich was an den Gerüchten dran.
Ich nahm mal an, dass sie wohl wirklich eine Affäre nach der anderen hatte. Vielleicht
auch mit einem Ehemann, und die Ehefrau wollte sich rächen. Mir kamen lauter
Gedanken in meinen Kopf, ich spürte ein gewisses Kribbeln in meinen Beinen. Ich
war richtig aufgeregt. Ich wollte sofort der Kommissarin meinen Verdacht
unterbreiten, doch ich wusste ein Verdacht ohne Beweise genügte noch lange nicht
um meine Unschuld zu beweisen. Ich wurde gegenüber den anderen in der Kirche
nahezu aufdringlich. Ich ließ kein Geheimnis zu und ich hörte nicht auf zu fragen.
„Kennen sie das Opfer, in welchem Verhältnis standen sie zu dem Opfer, was
glauben sie was hier geschah, haben sie ein Verdacht?“ Es kamen nur leider kaum
Antworten hervor die wirklich nützlich waren. Es waren ein paar Angehörige da, doch
ich sah bei keinem ein wirkliches Motiv, abgesehen davon dass sie alle ein
wasserdichtes Alibi hatten. Ich musste meine Gedanken umstellen und noch einmal
in Richtung Bibel gehen. Wie und was und wo und wer und wann? Ich ging mit
gespielter Trauer zu unserem ach so lieben Pfarrer und fragte ihn durch die Blume,
wer denn alles Zugang zu den Bibeln hatte. Er teilte mir mit, dass nur er, ein paar
vom Kirchengemeinderat und die Mesnerin Zutritt hatten. Ich seufzte leise. Das
brachte mich absolut nicht weiter. Langsam schlürfte ich zurück zu einen der Bänke
und wartete auf die Kommissarin. Und tatsächlich sie kam mir schon entgegen.
„Kommen sie noch einmal mit, Frau Wagner?“ Ich folgte ihr wieder einmal in den
Pfarrraum. Darin saß eine weinende Frau. Ich kannte sie irgendwo her. Na klar, es
war die Mesnerin. Sie wimmelte nur kurz: „Es tut mir leid, ich bin schon draußen.“ Sie
schaute mich beim vorbei gehen seltsam an. Doch mich interessierte nur was die
Kommissarin herausgefunden hatte und was sie nun zu meinem Urteil sagte. Sie
stellte mir keine Fragen. Sie erzählte nur: „Sie gehören nicht mehr zu den
Hauptverdächtigen, wir folgen einer anderen Spur. Sie können nach Hause gehen,
aber bleiben sie vorerst im Kreis Ludwigsburg. Auf wiedersehen.“ Schon stolzierte sie
heraus. Ich saß wie vom Blitz getroffen da. Ich konnte nach Hause gehen. Auf
welche Spur kamen sie denn, was hatte ich übersehen. Ich musste unbedingt noch
einmal auf die Empore, vielleicht kapierte ich es dann. Doch die Empore war
abgesperrt. Mittlerweile waren kaum noch Menschen in der Kirche. Nur ein paar
Polizisten, die Mesnerin, ein paar vom Kirchengemeinderat und der Pfarrer. Wenn
sie eine neue Spur hatten, musste es jemand sein, der sich noch in der Kirche
befand. Mir wurde klar dass genau die jenigen noch da waren, die der Pfarrer
nannte. Genau die jenigen, die Zutritt zu den Bibeln hatten. Also war meine Spur mit
der Bibel gar nicht mal so falsch. Nur wer war es wohl? Der Pfarrer, nein, ich kannte
keinen so herzensguten Menschen wie ihn. Jemand vom Kirchengemeinderat, aber
welchen Bezug hatten sie denn zu meiner ehemaligen Englischlehrerin. Die
Mesnerin, sie kannte sie genauso wenig. Auch wenn sie sich sehr komisch verhielt.
Auf einmal fiel mir etwas auf, ihr Mann war nicht da. Man sah die beiden eigentlich
immer nur im Doppelpack. Jedes Mal wenn ich zur Kirche verdonnert wurde, war er
da. Warum heute nicht, gerade heute als dieser Mord stattfand, war er nicht da. Das
war mehr als seltsam. Ich beobachtete die Mesnerin. Sie saß da und schaute auf ihre
Hände, die sie in den Schoß gelegt hatte. Irgendetwas war anders an ihr als sonst.
Was war es bloß? Ich kam einfach nicht dahinter. Ihre Haare? Eigentlich so wie
immer, unmodern geschnitten, grauer Ansatz. Ihr Gesicht? Es war granatapfelrot.
Aber ihr Gesicht sah immer aus, als ob sie einen Sonnenbrand hätte. Ihre Kleidung?
Wie immer, komplett hochgeschlossen, und absolut kein einziger Farbklecks. Ihre
Körperhaltung? Naja, sie stand niemals richtig aufrecht. Sie gehörte eindeutig zu den
unattraktivsten Menschen die ich kannte und ihre Körperhaltung war nun wirklich
schwer heraus zu sehen, schließlich saß sie ja nur da und schaut geknickt auf ihre
Hände. Diese Hände. Auf einmal fiel es mir auf. Es fehlte etwas. Etwas
Entscheidendes. Es fehlte etwas an ihren Händen. Ob sie deshalb ihre Hände
anschaute. Es fehlte ihr Ehering. Natürlich, sie trug immer diesen unmodernen
goldenen Ehering mit einem Tropfdiamanten. Doch jetzt war er nicht mehr da. Was
wohl mit diesem Ring passiert ist. Hatte sie ihn verloren? Hatte sie sich von ihrem
Mann getrennt? Oder fand sie ihn urplötzlich auch nicht mehr so schön? Ich
überlegte und überlegte. Was hatte der nicht vorhandene Ehering mit meiner
ehemaligen, mittlerweile toten Lehrerin zu tun? Ich spürte schon wie mein Gehirn
anfing zu rauchen. Ich sah es als Puzzle. Ich suchte nach dem richtigen Puzzleteil
um es fertig zu stellen. Ich wusste es brauchte nicht mehr viel dazu. Mittlerweile
standen die Polizisten und die Kommissarin in einer Ecke und tuschelten. Nun waren
außer den Ermittlern nur noch fünf Menschen in der Kirche. Der Pfarrer, die schicke
Dame des Kirchengemeinderats, sowie ein stämmiger Mann, die Mesnerin und ich,
die grübelnd da saß und alle Beteiligten beobachtete. Wie passte das alles
zusammen? Ich versuchte mich zu erinnern, ganz am Anfang meiner fast schon
lächerlichen Ermittlung, spürte ich schon einiges auf. Ich puzzelte alle Teile in
meinem Kopf zusammen. Meine verhasste Englischlehrerin in ihrem eigenen
Blutbad. Unzählige Stiche in ihrer Brust. Eine Bibel in ihrer Hand. Diese Bibel, ein
Zeichen von Anstand, Glaube und Ehre. Nicht zu vergessen kamen in der Bibel
einige Plagen und Sünder vor. Sünde, das war für mich ein sehr starkes Wort und ich
sah es als sehr wichtig für den Fall an. Ich puzzelte weiter und erinnerte mich. Das
alles passierte in einem friedlichen Dorf. Lasset alle eure Dinge in der Liebe
geschehen, so viel ich wusste war das der erste Korinther. Auch diesen Satz verband
ich mit dem Fall. Liebe, ebenfalls ein sehr starkes und wichtiges Wort. Pfarrraum.
Zutritt zu den Bibeln. Schlechtes Verhältnis zum Opfer. Tatzeit zwischen sieben und
acht Uhr. Motiv? Alibi? Zeugen? Hass! Kirche! Skrupel! Angst! Lauter starke Worte
und alle hatten sie etwas mit dem Mord von ihr zu tun. Wer kannte sie? Wie war sie
privat? Sie war nicht verheiratet und Gerüchten zu Folge hatte sie einige Affären. Ein
Mann der zu ihr passte? Mir fiel das Wort Gottesdienstvorbereitungen ein. Ehemann,
Ehefrau, Verdacht. Mesnerin, sie war anders und schaute mich seltsam an. Ihr Mann
war ungewöhnlicher Weise nicht da. Neue Spur? Der fehlende Ehering. Trennung?
Plötzlich wurde alles ganz einfach und logisch. Ich wusste was geschah.
Meine unsympathische Lehrerin hatte einige Affären, darunter auch Ehemänner und
einer dieser Ehemänner, war zufällig der Mann der Mesnerin. Er passte sogar
ziemlich gut zu meiner Englischlehrerin. Doch die Mesnerin kam dahinter und wurde
wütend. Ihr Mann hatte eine Sünde begangen. Das war für sie klar. Sie konnte nicht
mehr mit ihm zusammen leben, also trennten sich die beiden und sie nahm
schließlich ihren Ring ab. Doch statt ihr nachzutrauern vergnügte er sich weiterhin
mit meiner Lehrerin. Das war zu viel für die Mesnerin. An diesem frühen
Sonntagmorgen lockte sie die Englischlehrerin in die Kirche. Vielleicht gab sie sich
als ihr Mann aus und brachte sie mit dem Versprechen etwas Spaß auf der Empore
zu haben in die Kirche. Doch als meine Schreckenslehrerin auf die Empore stieg und
sich umschaute, sah sie keinen Menschen. Plötzlich schubste jemand sie um, so
dass sie fiel. Sie öffnete ihre Augen über ihr stand die Mesnerin mit einem Messer
und einem wütenden Blick. Jedes Flehen war nutzlos. Die Mesnerin konnte nichts
mehr aufhalten. Sie stach einige Male auf sie ein. Bis sie schließlich starb. Danach
lag die eiskalte Mesnerin eine Bibel in die Armen der Toten und verwischte ihre
Spuren, entsorgte das Messer und war zufrieden. Sie dachte nicht einmal daran,
dass sie in diesem Moment ebenfalls eine Sünde beging. Sie ging nach draußen und
wartete einige Zeit ab, bis schließlich Zeit war die Kirche zu öffnen. Sie tat ihre
Mesner Dienste, nur die Empore richtete sie nicht, dem lieben Pfarrer sagte sie, es
wäre alles in Ordnung und der Gottesdienst könnte beginnen. Nach und nach füllte
sich die Kirche. Zwei Frauen gingen auf die Empore und sahen die Leiche. Logischer
Weise schrien sie fürchterlich vor Schreck. Vor allen spielte die Mesnerin, die liebe
Frau, die keiner Menschenseele etwas antun konnte. Doch in ihr drin sah es ganz
anders aus. In ihr wuchs der Hass, die Lust auf Rache, die Verachtung des Lebens
Anderer.
Mir wurde kalt und heiß gleichzeitig. Ein richtiger Schauer lief mir den Rücken hinab.
Zitternd lief ich zu der Gruppe der Ermittler. Immer im Augenwinkel die Mesnerin. Ob
sie es wohl bereute? Ich unterbreitete ihnen meinen Verdacht. Sie nickten nur und
schließlich sagte die Kommissarin: „Genau das dachten wir auch. Unsere Kollegen
ermitteln gerade bei ihr zuhause, wir bekommen jeden Augenblick eine Nachricht.“ In
mir drin staute sich eine Mischung aus Stolz und Anspannung an. Da klingelte ein
Handy. Die Antwort war da. Kurzer Hand, nahmen die Polizisten die Mesnerin fest.
Sie schaute nur kurz eiskalt zu dem Pfarrer und zu mir und murmelte: „Ihr könnt mir
gar nichts beweisen.“
Ich konnte endlich nach Hause gehen. Statt kurz vor zwölf Uhr war es nun fünfzehn
Uhr. Erschöpft legte ich mich in mein ersehntes Bett. Mir war klar so schnell brachte
mich nichts mehr in die Kirche.