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6 | 13. MAI 2015 • NR. 20
RAIFFEISENZEITUNG
WIRTSCHAFT
WENIGER
DOPPELGLEISIGKEITEN
Dickes Ende Digital?
Intensive Debatten beim Management-Forum des Raiffeisen Campus in
Salzburg über Folgen und Bedeutung der Digitalisierung im Bankgeschäft.
VON ULRICH AHAMER
RAIFFEISEN CAMPUS
E
ine gesamthafte Reform
der heimischen Bankenund Finanzaufsicht
fordert ÖVP-Finanzsprecher
Andreas Zakostelsky. Derzeit
gebe es zu viele Schnittstellen
bei Bankprüfungen, von der
EZB über die Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank bis
hin zu Staatskommissären in
den Aufsichtsräten – und das
neben den Aufgaben der
Wirtschaftsprüfer und den
internen Kontrollsystemen.
„Wie die ersten Sitzungen
des Hypo-Untersuchungsausschusses gezeigt haben, kann
das leicht dazu führen, dass
sich eine Prüfinstitution auf die
andere verlässt“, so Zakostelsky. Auch seien Warnhinweise
von Staatskommissären in
diesem Prüfsystem untergegangen oder unbeachtet geblieben.
Der ÖVP-Finanzsprecher
setzt sich daher für eine gesamthafte Reform des heimischen
Finanz- und Bankenaufsichtssystems ein, die Doppelgleisigkeiten beseitigt und klare
Verantwortlichkeiten festschreibt. „Momentan sind in
diesem Bereich zwar viele
Stellen für die Prüfung zuständig, aber es gibt keine klare
Verantwortung für deren
Ergebnis und daraus abzuleitende Konsequenzen. Damit soll
auch sichergestellt werden, dass
überbordende Kosten aus der
Prüfungstätigkeit hintan
gehalten werden.“ Wenig hält
Zakostelsky von einzelnen
Schnellschüssen wie der zuletzt
von der FPÖ geforderten
kurzfristigen Änderung der
Kompetenzen von Staatskommissären in den Aufsichtsgremien von Banken. Es gehe nicht
darum, politisches Kleingeld zu
wechseln, sondern um eine gut
vorbereitete Reform der Finanzaufsicht in Österreich. Diese
müsse sicherstellen, dass
Skandale á la Hypo nicht mehr
passieren können, so der
ÖVP-Finanzsprecher.
red
Hannes Schmid (2.v.l.) und Campus-Geschäftsführer Georg Gruber (4.v.l.) stellten sich der Diskussion über Chancen und Risiken der
zunehmenden Digitalisierung bei Finanzdienstleistungen mit Teilnehmern des Management-Forums in Salzburg.
I
mmer wieder kommen Kunden mit Angeboten aus dem Internet zu uns in die Bankstelle und fordern die gleichen Konditionen ein“,
berichteten zahlreiche Geschäftsleiter von Raiffeisenbanken beim Management-Forum des
Raiffeisen Campus in Salzburg und stellten sich
der Diskussion, ob das Internet nun der größte
Konkurrent der Zukunft ist oder qualifizierte
Beratung nahe zum Wohnort, persönliche Betreuung und individuelle Lösungen als Antwort
auf die Digitalisierung im Bankgeschäft ausreicht.
Sabine Ransböck vom Raiffeisen Campus
zeigte zunächst am Beispiel iTunes auf, wie
Technik einen Wirtschaftsbereich vollkommen
auf den Kopf stellen kann. „Der Umstieg von
der Langspielplatte auf CD war nur ein anderes
Format. Die Revolution geschah durch iTunes.
– Erstmals konnten einzelne Musikstücke statt
einem gesamten Album gekauft werden. Seither
ist das Musikgeschäft ein anderes geworden.“
„Das Kundenverhalten hat sich viel stärker
geändert, als wir bislang geglaubt haben“, sagt
Hannes Schmid, Vorstandssprecher der RLB Tirol im Gespräch mit der Raiffeisenzeitung.
„Nicht nur die Jungen, sondern auch die Älteren
haben den Zugang zum Internet für sich sehr
umfassend entdeckt. Auch der Abschluss von
Produkten ist für diese Gruppe vorstellbar. Die
Primärbanken empfinden das zuerst als Bedrohung. Wenn es aber gut gemanagt ist, kann es
eine sinnvolle Ergänzung zum stationären Vertrieb sein. Der wird künftig weniger durch die
Administration am Schalter geprägt sein, sondern durch die klassische Beratung auf Termin.“
Dass Kunden im Zuge der Automation viel
an Arbeit aufgebürdet wird, ist für Schmid die
falsche Sicht. Der generelle Trend heiße Convenience. „Kunden wollen rund um die Uhr Zugang zu den Daten haben und Transaktionen
durchführen. Dazu will man nicht anrufen oder
in die Bankstelle gehen.“ Die Kunden erledigen
ihr Bankgeschäft schon jetzt immer stärker am
Arbeitsplatz oder irgendwo in der Freizeit. „Internetdienstleistungen sind da erfolgreicher als
das Warten auf den Kunden in der Bankstelle.“ Nachsatz von Vorstandssprecher Hannes
Schmid: „Wir werden uns auch nicht aus der
Fläche zurückziehen, wir bleiben dort. Dennoch
wird sich die eine oder andere Bankstelle nicht
mehr betriebswirtschaftlich argumentieren lassen.“
Innovationswerkstatt
„Das Internet ändert das Fundament des Unternehmens“, sprach Meike Boj, Teamleiterin
der Innovationswerkstatt der genossenschaftlichen Volksbank Bühl in Baden Württemberg
aus eigener Erfahrung. Die Volksbank Bühl
setzt seit 2008 auf Social Media als Kommunikationsmittel. „Wir haben aus Information Partizipation geschaffen. Erst so ist die Kernkompetenz Kundenbeziehung im Internet machbar“, weiß Boj. Mehr als 10.000 Menschen
erreiche man direkt über die unterschiedlichen
Netzwerke, insgesamt umspanne das virtuelle
Netz gut 60.000 Personen. Auch die Mitarbeiter
haben freien Zugang zu den Sozialen Medien
– nach Schulungen, Guidelines und einer Betriebsvereinbarung, jeder ist als Privatperson
aktiv. Dem spürbaren Unbehagen zahlreicher
Geschäftsleiter hielt Boj eine klare Botschaft
entgegen. „Haben Sie das Vertrauen! Es funktioniert.“
Die Fragen nach der Rentabilität des Engagements beantwortet Boj vorsichtig: „Eine klare Korrelation zwischen Engagement in sozialen Medien und unternehmerischen Erfolg gibt
es nicht. Man hat eine Abwärtsentwicklung
gestoppt, junge Kunden bleiben da.“ Das Wall
Street Journal ist da schon euphorischer: „Meike Boj von der Volksbank Bühl lebt in ihrer
Bank das, wovon Großbanken träumen. Sie ist
Kulturwandel pur.“
Einer, der den knallharten Online-Preisvergleich in den Sparten Strom und Gas, Versicherungen, Finanzen sowie Telefon und Internet
perfektioniert hat, ist Reinhold Baudisch, Geschäftsführer der Vergleichsplattform www.
durchblicker.at. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben die größte heimische Fixkostenvergleichsplattform mit mehr als vier Millionen Berechnungen pro Jahr. „Beim Kauf von
Finanzprodukten recherchieren 80 Prozent aller Kunden, bevor sie in die Bank gehen, sofern
sie überhaupt den Weg dorthin finden“, sagte
Baudisch. Versicherungen bilden mit 60 Prozent den größten Anteil des Geschäfts. „86 Prozent unserer Versicherungskunden haben mit
dem persönlichen Berater nicht einmal über
ihre Kaufabsicht geredet, gerade am Land
scheuen sich viele davor, weil sie sich unter
Druck gesetzt fühlen.“ Bei den klassischen Banken vermisse er klare Angebote, Übersicht und
Transparenz.