Holz schützen! Die Frage ist nur: wie? - Die neue Quadriga

Im Blickpunkt: Holzschutz
1/2010
– 12 –
Holz schützen! Die Frage ist nur: wie?
Holzschutz! Wer immer dieses Wort hört und nicht gerade
zum inneren Zirkel des Holzbaus gehört, wird was assoziieren? Richtig: Chemie! Schade eigentlich, denn der Schutz des
Holzes hat immer und an allererster Stelle etwas mit Holz gerechter Konstruktion zu tun. Man kann noch so viel Tauchen,
Streichen, Spritzen, Kesseldruckimprägnieren oder sonstige
Mittelchen anwenden – wenn die Konstruktion nicht stimmt,
dann führt all dies allenfalls zu einer Verzögerung des natürlichen Rückumwandlungsprozesses von Holz.
Aber um es gleich klar zu stellen: Dies ist KEIN Artikel zur Verteufelung von chemischem Holzschutz – vielmehr soll er zum
sorgfältigen Abwägen anregen und neben einer kurzen Darstellung der Holzschutzsituation in Deutschland mit Blick auf
Normung und Beteiligte einige allgemeine Hinweise geben,
was man denn in den jeweiligen Fällen wie tun sollte. Die
Feinheiten werden in den spezifischen Artikeln der Kollegen
dargestellt – hier geht es daher eher um strategische (um nicht
zu sagen philosophische) und zukünftige Fragestellungen.
Und zwei Abgrenzungen seien vorangestellt: In diesem Beitrag geht es NICHT um bekämpfenden Holzschutz, sondern
darum, das Kind vor dem Fall in den Brunnen zu bewahren,
und es geht NICHT um die Behandlung von Holz mit Flammschutzmitteln!
Autor:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Stefan Winter
Holz schützen!
Holz ist ein natürlicher
Werkstoff und damit natürlichen Zersetzungsprozessen
gegenüber anfällig, das ist
selbstverständlich. Dass daher
Insekten und Pilze zu den
„natürlichen Feinden“ des
Holzes gehören ergibt sich aus
dem unabänderlichen Kreislauf der Natur. Holz stellt für
einen Teil der Nutzer des Planeten Erde schlichtweg eine
Futterquelle dar, die stoffliche
Nutzung durch die Spezies
Mensch war möglicherweise
im ursprünglichen Plan gar
nicht vorgesehen. Folglich
muss der Mensch, will er den
Werkstoff Holz stofflich für
einen möglichst langen Zeitraum nutzen, ein paar Kniffe
anwenden, damit den nach
Nahrung trachtenden Spezies
der Zugriff verwehrt bleibt!
Dies ist sicher eine Besonderheit des Werkstoffs Holz. Allerdings bedürfen auch die
anderen, in den meisten Fällen künstlich geschaffenen
Baustoffe des Menschen, im
Regelfall besonderer Schutzmaßnahmen: Stahl benötigt
Korrosionsschutz, sonst zerfällt er den chemischen Oxidationsregeln entsprechend
wieder in seine Grundbestandteile. Der Werkstoff Beton muss hinreichend gegen
Umwelteinflüsse geschützt
werden, sonst setzt ihm bspw.
fortschreitende Carbonatisie-
rung oder Ettringitbildung zu.
Ersteres führt zu einem Verlust des Korrosionsschutzes
des im Beton verbauten Stahls
(siehe oben), letzteres zu unschönen Abplatzungen und
damit Querschnittsreduzierungen. Kunststoffe muss man
durch allerlei Tricks gegen
frühzeitige Versprödung oder
gar Zersetzung durch ultraviolettes Licht schützen und
so weiter und so weiter ... Mit
anderen Worten: Der Holzschutz reiht sich ein in den
„Baustoff-Schutz“ und sollte
daher gar nicht als „etwas Besonderes“ empfunden werden!
Womit, wodurch
und wofür?
Allerdings – und damit
kommen wir zurück zum Ausgangspunkt – muss man eingestehen, dass Holz auf mangelnden Schutz in vielen Fällen empfindlicher reagiert als
andere Baustoffe, was nun
wiederum seinem natürlichen
Ursprung geschuldet ist. Andererseits ist Holzschutz in
vielen Fällen verhältnismäßig
einfach, reduziert sich ein
wirklich wirksamer Holzschutz
doch vor allen Dingen auf das
Fernhalten von Feuchte und
die wirksame Verteidigung gegen Insekten. Letztgenannte
übernehmen einige Hölzer
aufgrund ihrer Inhaltsstoffe
erfreulicherweise selbst, für
ersteres sorgt vor allen Dingen
eine holzgerechte Konstruktion.
Nun gibt es aber Fälle, in
denen man Holz auch unter
Umgebungsbedingungen einsetzen möchte, die eine erhöhte Feuchtebeanspruchung
nach sich ziehen. In diesen
Fällen besteht die besondere
Gefährdung des Holzes im Befall durch holzzerstörende
Pilze. Die Holzverwendung
trotz besonderer Gefährdung
kann durch verschiedene Ansätze begründet sein: Holz ist
in manchen Anwendungen
ein besonders preiswertes
Massenprodukt (z. B. Zaunpfähle). In einigen Fällen ist
es zwar zersetzungsgefährdet,
aber immer noch resistenter
als Stahl oder Beton (z. B.
Rottehallen) oder es soll auf-
Abb. 1:
Holz(schutz) gerechte Konstruktion –
traditionelle norwegische Blockbauweise – Jahrhunderte alt, ohne
Chemie, aber mit Vorhangfassade
Quelle: [Hans Schmidt]
grund seiner Kohlenstoff speichernden Eigenschaften trotz
ungünstiger Umstände zunächst einer längerfristigen
stofflichen Verwendung zugeführt werden statt es gleich zu
verbrennen.
Ebenso kann bezogen auf
die erwartete technische Lebensdauer eines Bauwerks mit
entsprechender Risikoabwägung (bezüglich evtl. erforderlicher Wartung/Instandsetzung) eine temporäre Befeuchtung oder das meist unwahrscheinliche Risiko eines relevanten Insektenbefalls hingenommen werden (Brücken,
Balkonstützen etc.).
In diesen Fällen tritt zu dem
baulich konstruktiven Holzschutz entweder eine ausreichend resistente Holzart, vorbeugend chemischer Holzschutz oder eine andere besondere Holzschutzhandlung,
wie z. B. die Acetylierung oder
verschiedene Verfahren zur
Herstellung von Thermoholz,
hinzu.
Im Falle vorbeugend chemischen Holzschutzes werden
chemische Stoffe (z.B. Boroder Chromverbindungen,
Steinkohleteeröle) zugeführt,
welche die Entwicklung holzzerstörender Pilze oder Insekten aufgrund ihrer Giftwirkung verhindern. Dazu müssen die Mittel organisch aufnehmbar sein, wodurch sie
sich im Laufe der Zeit „verbrauchen“. Die Verfahren der
Holzmodifizierung zielen dagegen darauf ab, die im Holz
vorhandenen Nährstoffe umzuwandeln oder diese zu entfernen, damit das Holz für
Insekten und/oder Pilze
„unattraktiv“ wird.
Fazit:
Der bauliche Holzschutz ist
IMMER auszuschöpfen.
Dort wo er nicht genügt
oder nicht realisierbar ist,
kann die Verwendung vorbeugend chemischen Holzschutzes durchaus sinnvoll
sein.
Im Blickpunkt: Holzschutz
– 13 –
1/2010
Die Akteure und die
DIN 68800
Infokasten:
Struktur der Nomenausschüsse zur DIN 68800
Bei näherer Betrachtung beschäftigt sich eine sehr heterogen zusammengesetzte Gruppe
der Menschheit mit dem Holzschutz! Deshalb wird nachfolgend versucht, eine kurze Beschreibung der Beteiligen zu
geben, um die manchmal sehr
unterschiedlichen Interessenslagen zu verdeutlichen.
Am Anfang der Kette steht
die Forstwirtschaft, die noch
am stehenden Holz Holzschutz
betreiben kann, z. B. indem
beim Einschlag Verletzungen
vermieden werden oder durch
schnelle Entrindung nach dem
Einschlag. Allerdings schwindet mit Blick auf moderne
Holzverarbeitungsketten die
Bedeutung des Holzschutzes
im Forst, da inzwischen zunehmend Systeme etabliert
werden, die eine gezielte Holzentnahme erst bei Bedarf ermöglichen und es so zu einer
sofortigen Weiterverarbeitung
des frisch eingeschlagenen
Holzes in der Sägeindustrie
kommt. Eine direkte Relevanz
für DIN 68800 besteht nicht.
Damit sind wir bei den
nächsten Akteuren – die Sägeindustrie. Trotz dem sicher
auch vorhandenen Interesse
an einem möglichst naturbelassenen Produkt Holz, waren
und sind es gerade die kleineren und mittleren Sägewerke,
die in der vorbeugend chemischen Behandlung von Holz
eine zusätzliche Einnahmequelle hatten und haben. Allerdings unterliegt die Branche
einem rasanten Strukturwandel. Die größeren und mittleren Sägewerke sind heute eher
darauf ausgerichtet, ihre Holztrocknungskapazitäten sinnvoll zu nutzen, anstatt mit Gefahrstoffen zu hantieren.
Bei den reinen Imprägnierwerken ist deren Interesse klar
und verständlich. Sie sind auf
die vorbeugend chemische Behandlung von Holz eingerichtet, meist mit Kesseldruckimprägnieranlagen, teilweise sogar mit Nachtrocknung. Die
zum Teil hoch spezialisierten
Werke werden auch in Zukunft ihre Berechtigung und
ihre Geschäftsfelder haben.
DIN 68800 -1
Holzschutz – Teil 1: Allgemeines
Vors.: Prof. H. Willeitner
stellv. Vors.: Prof. S. Winter
Grundlagen
DIN 68800 -2
Holzschutz – Teil 2: Vorbeugende
bauliche Maßnahmen im Hochbau
Vors.: B. Radovic
stellv. Vors.: H. Schmidt
Durchführung
DIN 68800 -3
Holzschutz – Teil 3: Vorbeugender
Schutz von Holz mit Holzschutzmitteln
Vors.: Dr. H. Hertel
stellv. Vors.: Dr. E. Melcher
DIN 68800 -4
Holzschutz – Teil 4: Bekämpfungsund Sanierungsmaßnahmen gegen Holz
zerstörende Pilze und Insekten
Vors.: Dr. D. Grosser
stellv. Vors.: E. Flohr
Anzeige
Qualität
Komplettmanagement
rund um das Aluminiumprofil !
Kontinuität
Zuverlässigkeit
Nürnberg, Germany
24. - 27.03.2010
Haben Sie schon den perfekten
Fensterbankabschluss
?
neu!
RAG²
Die 2. Generation Jetzt noch besser !
R B B Aluminium-Profiltechnik AG
TUV
CERT
DIN EN
ISO 900
ISO
1:2
ZertifikaTS 16949:200000
t 01 100
2
111 633
1
Gewerbegebiet 2
D-54531 Wallscheid
Telefon: +49 (0) 6572/ 774 - 0 Telefax: +49 (0) 6572/ 774 - 177 e-mail: [email protected]
rbb-aluminium.de
www.
Im Blickpunkt: Holzschutz
Die Produktpalette umfasst
Hölzer für den Garten-, Landschafts- und Spielplatzbau,
Wein- und Obstbaumpfähle
und (wieder vermehrt) Holzschwellen. Natürlich gibt es
auch Unternehmen, die auf
Anfrage Hölzer für Baukonstruktionen imprägnieren.
Die Hauptkontrahenten
Kommen wir zu den beiden
großen Hauptakteuren, die
sich bei der Novellierung der
DIN 68 800 Reihe wieder einmal mit sehr unterschiedlichen Auffassungen gegenüberstanden: Der Holzbau
und die chemische Industrie.
Was will der Holzbau? Nach
unzähligen Diskussionen und
einem manchmal harten Ringen ist sich der Holzbau inzwischen, sagen wir zu 90 %,
einig: Holzschutz bedeutet zunächst das Ausschöpfen konstruktiven Holzschutzes! Vorbeugend chemischer Holzschutz ist nur dann einzusetzen, wenn es unbedingt erforderlich ist! Dazu ist trockenes
Holz zu verbauen, vorzugsweise technisch getrocknete
Holzprodukte (siehe dazu den
Artikel von Hans Schmidt).
Eine kleine Hilfe zur Einsicht
des Holzbaus war sicherlich
das Konsumentenverhalten,
denn gerade eher umweltbewusste Häuslebauer wählten
und wählen Holz als Hauptwerkstoff, bei gleichzeitiger
Abneigung gegen vorbeugend
chemischen „Holzschutz mit
Gift“.
– 14 –
Dagegen steht nun die chemische Industrie, die natürlich
versucht einen möglichst großen Anteil ihrer Produkte
(Holzschutzmittel) auch weiterhin im Bereich der Holzwirtschaft abzusetzen. Das ist
zunächst nicht ehrenrührig,
Allerdings treffen schwierige
Beweislagen beider Seiten
aufeinander. Im Labor mag es
noch verhältnismäßig einfach
nachzuweisen sein, dass eine
richtig ausgeführte Ausrüstung mit chemischen Schutzmitteln zum rasanten Tod der
Organismen führt, die das
Holz als Futterquelle betrachten. Es fällt aber eher schwer
zu beweisen, dass etwas in der
Praxis nicht stattfindet oder
nicht stattgefunden hat. Zusätzlich steht die Frage im
Raum, warum trotz tausendfach mangelnder Holzschutzmittelausrüstung in der Vergangenheit (Stichwort: Praxis
der Trogtränkung) keine oder
nur vereinzelt Schäden aufgetreten sind.
Und schließlich bleibt die
Frage, ob denn nun ein einzelner Fall beweiskräftig genug wäre, oder nur eine tolerierbare Ausnahme darstellt.
Bei hunderten von Hallenprüfungen seit Anfang 2006 wurden durchaus einige konstruktive Mängel festgestellt, ein
Befall von Brettschichtholzbauteilen mit holzzerstörenden Insekten wurde hingegen
nicht berichtet. Selbst wenn es
einen Einzelfall gäbe – wäre
er nicht die berühmte Ausnahme? Immer dann jeden-
Anzeige
Typ TL/FG
Innovation
im Standard
DACH+HOLZ
International
24.02.–27.02.
Messe Köln
Stand FG 13
Wir freuen uns
auf Ihren Besuch!
Tele-Anhänger als Wechselsystem
Teleskop-Chassis, um 3 m ausziehbar
Teleskop-Wechselpritsche
Ladehöhe durchgängig 780 mm
Ladelängen bis 13 m
Zul. Ges. Gew. 16.000 kg - 24.000 kg
Informationen unter +49 9234 9914-0 oder www.auwaerter.com.
falls, wenn Schäden als „Beweis“ für notwendige Schutzausrüstung angeführt werden
sollten, kamen sie nicht konkret auf den Tisch.
In der Normenreihe der DIN
68800 wird weiterhin die Beschichtung von maßhaltigen
und nicht maßhaltigen Hölzern behandelt. Auch auf diesem Gebiet ist die chemische
Industrie ein wesentlicher Akteur, oft aber aus unterschiedlichen Unternehmungen stammend und manchmal gegeneinander antretend.
Die Planer und noch ein
paar Beteiligte
Die planenden Architekten
und Ingenieure sind in den
Grundsatzfragen neutral,
wenngleich die Holzbau affinen Planer dem Einsatz von
möglichst naturbelassenen
Hölzern und Holzwerkstoffen
bei vollständiger Ausschöpfung des konstruktiven Holzschutzes den Vorzug geben.
Letztendlich sind diese Berufsgruppen vor allen Dingen
an eindeutigen, nachvollziehbaren und bei der Bauausführung kontrollierbaren Regelungen interessiert.
Das gilt auch für die Vertreter der Bauaufsicht, die allerdings gleichzeitig an die möglichst weitgehende Vermeidung
von Gefahrstoffen denken.
Die Wissenschaftler stehen
manchmal ein wenig zwischen den Fronten, der Wissenschaftlichkeit und nachvollziehbaren Ergebnissen und
Beweisen verpflichtet.
Und was will der Endkunde? Der Bewohner von
Holz im Bauwesen erwartet
bei angemessener Wartung
und Pflege eine möglichst unbegrenzte Lebensdauer der
von ihm genutzten Gebäude.
Dass dabei Verschleißteile von
Zeit zu Zeit ausgetauscht werden müssen, entspricht seiner
üblichen Erwartungshaltung.
Umfangreiche Sanierungsmaßnahmen an Haupttragkonstruktionen während der
technischen Lebensdauer erwartet er aber eher nicht. Mit
Blick auf Jahrhunderte alte
Fachwerkbauten in Deutschland, Blockhäuser in der
1/2010
Schweiz, gedeckte Brücken in
Europa und Amerika, Bauernhäuser in Skandinavien oder
selbst inzwischen hundert
Jahre alte Holzfenster in
Gründerzeitgebäuden, sicher
keine ganz unberechtigte Erwartung.
Dabei will er – und das haben verschiedene Vertreter der
Verbraucher immer wieder
deutlich gemacht – keinesfalls
eine Behandlung von Holz mit
vorbeugend chemischem
Holzschutz in Innenräumen.
Diese Forderungen gilt es zu
erfüllen – und zwar gemeinsam.
Fazit:
So vielschichtig wie die Akteure, so vielschichtig sind
die Anwendungsmöglichkeiten von Holz. Es ist unsinnig
ein Lagerdenken zu eröffnen.
Vielmehr geht es im Grundsatz allen Beteiligten darum
den Werkstoff Holz möglichst vielfältig und umfangreich einzusetzen. Weil alle
vom Werkstoff Holz überzeugt sind – und damit ihr
Geld verdienen!
Strategien, Risikobetrachtungen und Normen
Erfreulicherweise konnten
sich alle Beteiligten auf eine
klare Strategievorgabe einigen:
• In allen Fällen ist zunächst
der konstruktive Holzschutz
in vollem Umfang auszuschöpfen, dauerhafte Holzfeuchten oberhalb von 20
M.-% sind, wo immer möglich, zu vermeiden.
Holz trocken zu verbauen
und trocken zu halten ist das
wichtigste Gebot. Der Schutz
gegen holzzerstörende Insekten ist – außerhalb von Termitenregionen – in Mitteleuropa
und Nordeuropa durch eine
ausreichende technische
Trocknung, das Verbauen von
Holz in Innenräumen und das
Vermeiden von außen liegenden, insektenzugänglichen
aber unkontrollierbaren Hohlräumen in Konstruktionen sicher erreichbar. In all diesen
Fällen ist auf vorbeugend chemischen Holzschutz zu verzichten, auch dann wenn ein
Insektenbefall theoretisch
1/2010
Die praktischen Erfahrungen mit diesen diffusionsoffenen Konstruktionen aus den
letzten beiden Jahrzehnten
zeigen aufgrund ihrer sehr geringen Schadensanfälligkeit,
dass diese Lösungen die nötige Robustheit für die Praxis
besitzen.
Ausnahmen aus der Regel
In den Fällen, die nicht unter die zuvor beschriebenen
Einbausituationen fallen, müssen dann zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, wenn
man beim Baustoff Holz bleiben und gleichzeitig die vom
Kunden erwartete Dauerhaftigkeit herstellen will. Das bedeutet beispielsweise, dass bei
der Verwendung nur natürlich
getrockneten Holzes für kaum
kontrollierbare landwirtschaftliche Konstruktionen eben
durchaus ein vorbeugend chemischer Holzschutz gegen
Insektenbefall sinnvoll sein
kann. Sinnvoller zumindest,
als das Dach zu betonieren
oder aus Stahl oder Aluminium herzustellen.
Ebenso ist es sinnvoll, maßhaltige und nicht maßhaltige
Bauteile, bei denen eine zeitweise Bewitterung konstrukti-
onsbedingt nicht vermieden
werden kann, mit entsprechenden vorbeugenden chemischen Holzschutzmitteln
auszurüsten oder mit Beschichtungen zu versehen, die
wiederum eine dauerhafte Erhöhung der Holzfeuchte über
20 % Holzfeuchte vermeiden
können.
In höheren Gebrauchsklassen bietet es sich zudem an,
resistentere Hölzer einzusetzen, wie z. B. Douglasie, Lärche, Kiefern-Kernholz oder
heimische Laubhölzer wie Eiche oder Robinie.
Wo diese Holzarten entweder nicht zur Verfügung stehen oder ihre natürliche Resistenz nicht ausreicht, ist auf
Modifizierungsverfahren oder
vorbeugend chemischen Holzschutz zurückzugreifen und
das bitte ohne Dogma!
Es gilt aber immer: Die chemische Schutzbehandlung
vornehmen, aber dennoch alle
konstruktiven Möglichkeiten
ausschöpfen.
6ORSPRUNGóAUFóGANZERó,INIEó
HejecWY^j[ileh$
Diskutieren, einsprechen
und anmerken
:[i_]deÅZ_[d[k[Heje=[d[hWj_ed$IjWha
Die neue DIN 68800 versucht diesen Prinzipien weitgehend zu folgen und der
Praxis nachvollziehbare und
einfach anzuwendende Regeln
zur Verfügung zu stellen. Die
Normenreihe liegt derzeit zur
Stellungnahme der Fachöffentlichkeit vor – und damit
auch Ihnen als Leser oder als
Teilnehmer am AKÖH-Kongress an der TU München. Im
Laufe des Jahres 2010 wird die
Arbeit daran hoffentlich abgeschlossen werden. Mit Blick
auf die oben beschriebenen
Akteure kein einfaches Unterfangen – aber mit ein bisschen gegenseitiger Toleranz
und Zuhören wird es schon
klappen.
DIN 68800 wird als Anwendungs- und möglicherweise
Ergänzungsnorm zusammen
mit den europäischen Produktnormen [DIN EN 14081,
DIN EN 14080, DIN EN 15228]
für viele Jahre die Standards
im Holzschutz definieren. Es
wird sich also lohnen, sich intensiv mit den neuen Regeln
zu beschäftigen.
FOLGERóDERóBEWÉHRTENó2OTOó"AUREIHENóóUNDóóISTóDAó
_c:[i_]d$KdZX[_c;d[h]_[ifWh[d$ó$ERó.ACH
2OTOó$ESIGNOó6ORBILDLICHEó%NERGIEEFlZIENZóRUNDUMó
BESSERóDURCHDACHTEó2OTOó4ECHNIKóEINóFACHSTEóó
-ONTAGEónó&ORTSCHRITTóuMADEóINó'ERMANYh
ó
óÂBERóóUNSERERó0RODUKTE
möglich ist, die Bauteile aber
kontrolliert werden können.
Zur Beurteilung der Feuchteverhältnisse innerhalb der
Konstruktionen stehen uns
heute wesentlich verbesserte
bauphysikalische Bemessungsmethoden und Simulationsinstrumente zur Verfügung. Zudem wurden in den
letzten Jahren zu den kritischen Bauteilen viele Forschungsvorhaben durchgeführt, über deren Ergebnisse
im Rahmen dieses Heftes und
des Kongresses „Holzbau und
Bauphysik“ berichtet wird. Erfreulicherweise haben alle
diese Untersuchungen die alte
Prämisse aus den 90er Jahren
bestätigt:
• Bauteile sollen so diffusionsoffen wie möglich und
nur so diffusionsdicht wie
nötig hergestellt werden, um
ausreichende Trocknungsreserven zur Verfügung zu
stellen.
HejeWk\Z[h:WY^!>ebp_dAbd
[hb[X[d0(*$Å(-$<[XhkWh(&'&"
>Wbb[,"IjWdZ,$+&-%,&,
'
HejeÅZ_[;hij[dc_ji[h_[dcœ_]
[_d][XWkj[cMhc[ZccXbeYa
mmm$heje#\hWda$Yec
:WY^#kdZIebWhj[Y^debe]_[
Im Blickpunkt: Holzschutz
Alles gelöst?
Wenn nun die neue Reihe
der DIN 68800 Teilnormen erscheint, ist dann alles wirklich
gelöst? Natürlich nicht – denn
der Stand von Wissenschaft
und Technik wird sich weiterentwickeln und tatsächlich
sind noch einige wichtige Fragen offen. Es sind besonders
zu erwähnen:
• Die tatsächlichen Auswirkungen von Beschichtungen
unterschiedlicher Art auf die
Verläufe der Holzfeuchten in
nicht maßhaltigen und
maßhaltigen Bauteilen in
der Gebrauchsklasse 3, insbesondere bei wechselnden
Klimabeanspruchungen.
• Die Auswirkungen der technischen Trocknungsverfahren auf die Attraktivität
des Holzes für Insekten
(das ist mit der Randbedingung Trocknungstemperatur
ͧ 55°C festgelegt, aber wie
geht dies genau bei Vollholz?). Und welche Auswir-
Anzeige
1/2010
– 16 –
kungen haben Trocknungsverfahren auf spätere
Schimmelbildungen?
• Welche Auswirkungen hat
die Holzernte auf die spätere
Resistenz von Hölzern? Wie
kann man deren natürliche
Widerstandsfähigkeit besser
erhalten?
• Wie ist die Korrelation der
Eindringtiefeklassen zum
Schutzergebnis? Können
hier in Zukunft bessere
„Wirksamkeitsgarantien“
gegeben werden?
• Welche Holzarten werden
wir in Zukunft vermehrt als
Bauholz einsetzen und wie
sind diese als großvolumige
Bauteile zu beurteilen (Beispiel Buche)? usw., usw.,
usw. .....
Wenn schon, denn schon!
Durchdachte Konstruktionen sind der beste Schutz –
Feuchte fernhalten oder (temporär) begrenzen, insektensicher abgedeckt oder gut kon-
trollierbar und technisch getrocknet – fein! Aber dann
müssen diese Kriterien auch
handfest geplant, dokumentiert und ausgeführt werden,
d.h. sie müssen feste Bestandteile in den Qualitätssicherungssystemen des Holzbaus
sein!
Wenn ein vorbeugend chemischer Holzschutz oder eine
technische Trocknung als
„Schutzbehandlung“ herangezogen werden, dann sind die
entsprechenden Nachweise
klar zu führen, am besten
durch Einzelkennzeichnung
der Hölzer! Denn leider ist der
Gebrauch der „Dachkarten“
(vgl. DIN 68800-3:1990-04,
Abschnitt 10.2) nie wirklich
praktiziert worden und wäre
bei voll ausgebauten Dächern
heute auch nicht mehr sinnvoll.
Dazu wird jedoch immer
wieder geäußert, eine klare
Einzelstückkennzeichnung
ginge nicht! Warum das überall anders auf der Welt, nur
nicht im Hochtechnologieland
Deutschland funktioniert,
bleibt ein Rätsel. Dabei ist die
Stückkennzeichnung erst
recht mit Blick auf die zunehmenden Lebenszyklusanalysen absolut notwendig!
Eine positive Entwicklung
hinsichtlich der eindeutigen
Nachweise soll hier jedenfalls
erwähnt werden: Der Deutsche Holzschutzverband für
Außenholzprodukte (DHV)
propagiert eine klare Qualitätsinitiative und versucht
eine neue Premiummarke zu
etablieren [Halupczok, 2009] mit klarer Deklaration und
Qualitätsgesichert! í
Abb. 2:
Holzschutz gut dokumentiert –
„Dachkarte“ in einem nicht
ausgebauten Dachstuhl
Quelle: [Winter, 2006]
Literaturverweise
[Halupczok, 2009] Imprägnierindustrie trotzt der Wirtschaftskrise. Holzzentralblatt. 135. Jahrgang, Nr. 51 –
53, S. 1287. DRW-Verlag, LeinfeldenEchterdingen, 18.12.2009.