......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... SONDERBEILAGE DER FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND DONNERSTAG, 14. JUNI 2012 B1 Energie Strohfeuer Warum Biogaserzeuger auf den Rohstoff Stroh setzen Seite 2 www.ftd.de/ beilagen Entwickler arbeiten bei Siemens an neuen Elektrolyseuren. Die wandeln Strom in Wasserstoff um. So lassen sich große Mengen Energie speichern Wie Ökostrom haltbar wird Solar- und Windenergie fallen oft zur Unzeit an. Eine neue Anlage soll das jetzt ausgleichen ............................................................................................................. Sascha Rentzing ........................................................................................................................ Der Erfolg der Energiewende ist an zwei Bedingungen geknüpft. Der Ökostrom braucht erstens neue Netze. Und zweitens mehr Speicher, die ihn kalkulierbar und wettbewerbsfähig machen. In Stuttgart entsteht nun die weltweit erste Anlage, in der Strom speicherbares Methangas erzeugt. Hinter dem Projekt stehen die Firma Solarfuel und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW). Mit 250 Kilowatt Leistung soll die Anlage ab diesem Sommer 300 Kubikmeter Methan pro Tag produzieren. Das Gas soll in das vorhandene Erdgasnetz strömen, das Heizungen, Kraftwerke und Tankstellen versorgt. „Die Technik kann ein entscheidender Baustein künftiger Energieversorgung werden, denn mit ihr lassen sich riesige Speicherkapazitäten erschließen“, sagt ZSW-Projektingenieur Andreas Brinner. In deutsche Erdgasleitungen und unterirdische Kavernen passt eine Gasmenge mit einem Energiegehalt von 200 Terawattstunden – das entspricht etwa einem Drittel des jährlichen Stromverbrauchs in Deutschland. Ohne Langzeitspeicher wird es schwer, die erneuerbaren Quellen in der Zukunft auszuschöpfen: Solarstrom und Windkraft hängen von Witterung sowie Tages- und Jahreszeit ab. Je größer ihr Anteil an der Stromproduktion ist, desto stärker schwankt das Angebot. Speicher können Überschüsse aufnehmen und sie bei Bedarf wieder abgeben. Power-to-Gas-Anlagen könnten daher zu einem wichtigen Eckpfeiler der künftigen Energieversorgung werden. Immer dann, wenn zum Beispiel Solarparks zu viel Elektrizität produzieren, wird diese in Elektro- „Mit der Technik lassen sich riesige Speicherkapazitäten erschließen“ ANDREAS BRINNER, Projektingenieur ZSW lyseure umgeleitet. Dort spaltet der Strom Wasser in Sauer- und Wasserstoff. In einem zweiten Schritt wird der Wasserstoff in speziellen Reaktoren mit Kohlendioxid zusammengeführt, sodass daraus Methan entsteht, der Hauptbestandteil von natürlichem Erdgas. Geplant sei, die Anlagen in zwei bis drei Jahren als kleine Einheiten mit zehn bis 20 Megawatt (MW) Leistung auf den Markt zu bringen, sagt Solarfuel-Ingenieur Stefan Rieke. „So können sie dezentral direkt an Solarund Windstandorten eingesetzt werden“, ergänzt er. Die Bundesregierung setzt große Hoffnung in die Technik. Spätestens in fünf bis sechs Jahren müsse Power to Gas zu einem strategischen Anwendungsfaktor werden, fordert der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). Damit hat auch die gebeutelte Fotovoltaikbranche in Deutschland eine gute Perspektive. Nach ZSW-Schätzungen können sich die Solarstromkosten dank effizienterer Zellen und besserer Produktionen bis 2020 halbieren. Dennoch ist ein Argument gegen den weiteren kräftigen Ausbau der Solarenergie, dass Sonnenkraftwerke nur um die Mittagszeit Strom liefern. Power-to-Gas-Anlagen würden Solarenergie regelbar machen. C02 aus der Flasche ....................................................................................................... IMPRESSUM ....................................................................................................... Financial Times Deutschland Am Baumwall 11 · 20459 Hamburg · Tel. 040/37 03-0 www.ftd.de; E-Mail: [email protected] Redaktion: Volker Bormann (verantw.), Barbara Domschky, Johanna Hergt; Gestaltung: Nicolai Gogoll, Merle Schröder Bildredaktion: Christian Kollrich, Verena Berg Infografik: Jens Storkan Bildbearbeitung: EBV der G+J Wirtschaftsmedien Chefin vom Dienst: Dr. Hiltrud Bontrup Korrektorat: Stefanie Helbig Verlag: G+J Wirtschaftsmedien AG & Co. KG Verlagsgeschäftsführerin: Ingrid M. Haas Postanschrift: Brieffach 02, 20444 Hamburg Verlagsleiter: Jan Honsel, Albrecht von Arnswaldt Gesamtanzeigenleiterin: Helma Spieker Anzeigenleiter: Jens Kauerauf (FTD, htsi, enable), Martina Hoss (Capital, impulse, BÖRSE ONLINE), E-Mail: [email protected] Syndication: Picture Press, E-Mail: [email protected] Contentvermarktung: Brand, Products and Licensing Siegel und Sonderdrucke, Koordination: Petra Martens Anfragen: Isabella Kamauf, Tel. 040/37 03-25 90 E-Mail: [email protected] „Financial Times“, „Financial Times Deutschland“ and „FTD“ are registered trade marks of The Financial Times Limited and used under licence. Druck: Presse-Druck- und Verlags-GmbH, 86167 Augsburg; BZV Berliner Zeitungsdruck GmbH, 10365 Berlin; Druck- und Verlagszentrum GmbH & Co. KG, 58099 Hagen; Mannheimer Morgen Großdruckerei und Verlag GmbH, 68167 Mannheim Allerdings ist die Technik noch zu teuer. ZSW-Forscher Brinner schätzt, dass sich die Anlagen erst mit steigenden Stückzahlen in zehn Jahren wirtschaftlich betreiben lassen. Augenscheinlich ist außerdem das Problem mit der Effizienz, denn über die Schritte des Power-to-Gas-Verfahrens addieren sich die Einbußen. Wenn der Ökostrom über das Gas gespeichert und rückverstromt wird, gehen insgesamt zwei Drittel der Energie verloren. Zudem funktioniert die Methanisierung nur mit Kohlendioxid. Bei dem Stuttgarter Projekt wird es in Flaschen angeliefert. Für künftige Vorhaben müssen aber wesentlich größere Mengen billig verfügbar sein. Erwogen wird zum Beispiel, Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken zu nutzen. Doch das könnte dem grünen Image der Technik schaden. Manche Experten halten daher andere Speicher wie zum Beispiel den Wasserstoff, der selbst ein Energieträger ist, für sinnvoller. „Dadurch entfällt beim Power-to-Gas-Prozess die aufwendige Methanisierung“, sagt nieren. „In Deutschland haben wir die geografischen Voraussetzungen nicht“, sagt Brinner. Forscher und Ingenieure treiben die Entwicklung der Power-to-GasTechnik daher mit großem Einsatz voran. Schon im kommenden Jahr wollen Solarfuel und ZSW für Autobauer Audi eine Anlage mit sechs MW Leistung bauen. Sie soll an eine Biogasanlage gekoppelt sein. Diese liefert den Strom sowie Kohlendioxid, das für die Methanisierung nötig ist. Parallel verbessert die Industrie die Anlagenkomponenten. Siemens zum Beispiel entwickelt neuartige Elektrolyseure, die besonders gut mit erneuerbaren Energien harmonieren sollen. Ihr Kernstück ist eine spezielle Membran, wie sie auch in Brennstoffzellen eingesetzt wird. „Herkömmliche Elektrolyseure reagieren nur im Minutenbereich auf ein veränderliches Stromangebot, die MembranVariante schafft das in Millisekunden“, erklärt der Ingenieur Manfred Waidhas vom Siemens-Geschäftsbereich Wasserelektrolyseure. Noch dieses Jahr sollen zwei Pilotanlagen starten. 2015 will Siemens mit Zwei-MW-Anlagen auf den Markt kommen, fünf Jahre später könnten bereits 250-MW-Systeme zur Verfügung stehen. Die größten Anlagen sollen am Ende den Strom von 100 großen Solaroder Windparks in Wasserstoff umwandeln. Die Vollversorgung mit erneuerbaren Energien ist in Deutschland längst mehr als eine Vision. Grüne Republik geplante Ökostromkapazitäten in Gigawatt 161,0 Wasserkraft Biomasse Fotovoltaik Windkraft 6,0 20,0 111,8 5,2 10,0 67,0 53,8 39,5 4,7 4,8 17,0 27,3 2010 57,1 2025 68,0 2040 FTD/jst; Quelle: BDEW, BnetzA, DB Research Siemens AG Christopher Hebling, Bereichsleiter Energietechnik am Fraunhofer-Institut für Solare Energietechnik. Der Wasserstoff könne ebenfalls im Erdgasnetz oder in Kavernen gespeichert werden. Andere Speicheralternativen wären große Batterieparks, Druckluftoder Pumpspeicherkraftwerke. Diese pumpen Wasser in ein höhergelegenes Becken. Fließt es über Fallrohre ab, erzeugen Turbinen Strom. Die Verfechter der Technik sehen darin aber keine KO-Kriterien. „Ohne Speicher würde überschüssiger Ökostrom ungenutzt verloren gehen“, argumentiert Brinner. Und das Kohlendioxid für die Methanisierung ließe sich auch per Luftfilterung sauber und ökonomisch gewinnen. Außerdem gebe es bei den anderen Speichern ebenfalls Unwägbarkeiten. So könne Wasserstoff dem Erdgas im Netz nur in kleinen Mengen bis zu fünf Prozent beigemischt werden – als Speicher eignet es sich daher nur bedingt. Pumpspeicherkraftwerke wiederum hätten den Nachteil, dass sie nur in gebirgigen Regionen funktio- ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... B2 Energie DONNERSTAG, 14. JUNI 2012 FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND Blitzideen aus der Provinz Jörn Iken ........................................................................................................................ Keine Reisedokumentation über die kanadische Provinz Ontario kommt ohne die typischen Bilder einer kanadischen Idylle aus. Elche grasen, Biber nagen, Lachse springen – dazwischen durchstreifen rotgewandete Ranger die Wälder und befahren die angeblich über 400 000 Gewässer. All das ist wahr, Realität ist aber auch: Ontario beherbergt 40 Prozent der Einwohner Kanadas in großen Städten wie Toronto und ist die am stärksten industrialisierte Region des nordamerikanischen Staates. Eisen- und Stahlverarbeitung, Petrochemie und Elektronikindustrie sind die Stützen der Wirtschaft. Mehr als ein Dutzend Atomreaktoren brummen ihren Grundlaststrom ins Netz. Ontario ist Naturparadies und Industriemoloch gleichermaßen. Brad Duguid kann noch einen weiteren Aspekt draufsetzen – eine der wichtigsten in der Wirtschaftspolitik der Provinz: „Ontario ist auf dem Weg von nirgendwo zum Weltmarktführer der Grünen Technologie.“ Duguid ist der Minister für wirtschaftliche Entwicklung und nicht bescheiden. Ontario soll ein ökologisches Musterland auf dem amerikanischen Kontinent werden – noch weit vor den anderen Provinzen und den USA sowieso. Eine der wichtigsten Requisiten ist das intelligente Stromnetz, das Smart Grid. Und in der Tat: Kein Land weltweit hat es in der Einführung der ers- ten Komponenten bisher so weit gebracht wie die Provinz im Südosten Kanadas. 2005 lieferte der Netzbetreiber Hydro One die ersten intelligenten Zähler, Smart Meter genannt, aus. Bis jetzt sind es 1,2 von insgesamt 5,1 Millionen Stromkunden, die über einen SmartMeter verfügen. Das dürfte momentan nicht zu toppen sein. Ökologie wird in Ontario großgeschrieben, allerdings anders buchstabiert als in Europa. Kernkraft steht zum Beispiel einer ökologisch fundierten Energiewende nicht entgegen, da sie CO2-frei ist. Schlecht sieht es aber für die Kohle aus. Bis 2014 sollen alle Kraftwerke stillstehen. Eine große Rolle sollen deshalb in Zukunft die erneuerbaren Energien übernehmen. In einigen Jahren wird Ontario dann vor dem Problem stehen, das alle Stromnetze mit den Erneuerbaren haben: Die Einspeisung von Solar- und Windstrom belastet das Netz. Abhilfe soll ein Smart Grid schaffen. „Smart Grid ist ein Kommunikationssystem, das Netzkomponenten zusammenbringt“, erklärt Geoff Salter das Grundprinzip des Netzgedankens. Er ist der Gründer und CEO des mittelständischen Technologieunternehmens Aztech in Kingston, das Managementlösungen für genau diese Aufgabe entwickelt. Der Verteilnetzbetreiber wäre damit in der Lage, mit den Haushaltsgeräten zu kommunizieren und ihren Betrieb in angebotsschwache Zeiten zu legen. Erste Voraussetzung dafür ist ein gestaffeltes Tarifsystem, das den an- Canadian Press Images/The Globe and Mail/Kevin Van Paassen Elche und grüne Technik: Der kanadische Staat Ontario ist Vorreiter beim schlauen Stromnetz gebots- und nachfrageorientierten Stromverbrauch belohnt. Zweite Voraussetzung: der „Intelligente Zähler“, der den Kunden Auskunft über die aktuellen Strompreise und seinen eigenen Verbrauch gibt. Seine Haushaltsgeräte muss der Verbraucher aber noch von Hand steuern. Ideal wäre es, wenn die Geräte sich automatisch an das Stromangebot anpassten, sagt Aztechs CEO Salter „Ich glaube, das wird kommen. In erster Linie schaut man aber auf die Tiefkühltruhen und hier besonders auf den Auftauzyklus, der nichts anderes als das Einschalten einer Heizung ist.“ In einem Modellprojekt im Norden der Provinz testet Hydro One seit 2010 das Verbraucherverhalten, neue Geräte und die neue Tarifstruktur. 25 000 Stromkunden nehmen teil. Ziel des Projektes ist es, den schwankenden Solar- und Windstrom zu integrieren, das Energiemanagement für neue Haushaltsgeräte auszuprobieren sowie Speicherlösungen zu entwickeln. Längst haben auch die großen Spieler das neue Geschäftsfeld entdeckt. IBM entwickelte IT-Lösungen für das Energiemanagement. Ebenso ist General Electric mit im Boot. Badesspaß am Kernkraftwerk im kanadischen Pickering: Einheimische kühlen sich im Lake Ontario ab Ballon als Speicher Auch rund ein Dutzend mittelständische Firmen haben sich in Toronto angesiedelt, wie etwa Carl Lewis mit seinem Unternehmen Hydrostar. Er speichert den überflüssigen Wind- und Solarstrom in Form von Pressluft ab, mit der eine Verdichterturbine große Ballons füllt. Der Clou: Die Ballons sind in einem See in 80 Meter Tiefe verankert. Will Lewis aus der Pressluft wieder Strom machen, arbeitet die Verdichterturbine in umgekehrter Richtung als Generator. Der Wasserdruck auf die Ballons sorgt zusätzlich für Leistung. Lewis nutzt sogar die Wärme, die entsteht, wenn man Luft komprimiert. „Der Gesamtwirkungsgrad des Systems beträgt dadurch 70 Prozent.“ Noch 2012 soll es einen ersten Prototypen geben. Politik wie Industrie in Ontario haben das Smart Grid beschleunigt. Das heißt nicht, dass im Rest der Welt nichts geschieht. In Deutschland ist das Projekt „Modellstadt Mannheim“ (moma) überregional bekannt. Knapp 3000 Haushalte machen mit. Es ist also wesentlich kleiner als die Versuchsregion in Ontario, in technischer ............................................................................................................. „Der finanzielle Anreiz ist minimal“ THOMAS WOLSKI, Sprecher Moma Hinsicht aber genauso anspruchsvoll. Zentrales Element in Mannheim ist der sogenannte „Energiebutler“, der nicht nur den Verbrauch, sondern auch die Produktion steuert. Denn im Gegensatz zu Ontario hat die überwiegende Zahl der Haushalte in Mannheim eine eigene Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach. Sie verbrauchen den Solarstrom entweder selbst oder speisen bei attraktiven Preisen in das Netz ein. Der Butler ist also auch Organisator eines virtuellen Strommarktes. Im Ergebnis vermied moma die teuren Verbrauchsspitzen. Unternehmenssprecher Thomas Wolski kommentiert: „Wir haben eine Lastverlagerung von sechs bis acht erreicht. Damit sind wir sehr zufrieden.“ Einig ist sich Wolski mit seinen kanadischen Kollegen darüber, dass das Smart Grid den Kunden langfristig einen Vorteil bringen muss. „Ein Smart Grid, das nur die Aufgaben des Netzbetreibers vereinfacht, ist kein Smart Grid“, sagt etwa John Mulrooney, Direktor Smart Grid beim Energieversorger Power Stream, Ontarios zweitgrößter Lieferant von Elektrizität. „Am Ende muss immer der Benefit für den Kunden stehen.“ Beide Projekte weisen in dieser Hinsicht deutliche Lücken auf. Moma-Sprecher Molski gibt zu: „Der finanzielle Anreiz ist minimal.“ In Ontario mache die Einsparung, so auch Mulrooney, ebenfalls nur wenige Dollar aus. Kritiker bemängeln das: Gerade der finanzielle Benefit, so zeige der Boom der erneuerbaren Energien, bewirke mehr als Appelle an das Klima- und Umweltbewusstsein. Strom zu Gold Biogasproduzenten entdecken den Rohstoff Stroh als neue Energiequelle Thomas Gaul ........................................................................................................................ Im Märchen lässt sich Stroh zu Gold spinnen. Ganz so weit sind Landwirte und Ingenieure nicht, aber doch auf dem Weg dorthin. Die gelben Halme, die nach der Getreideernte auf dem Feld übrig bleiben, sind wertvoll geworden. Der Ausbau der Biomassenutzung soll nachhaltig erfolgen, daher wächst das Interesse für den einstigen Reststoff. „Stroh hat das Potenzial, ein wichtiger Energieträger zu sein“, sagt Andreas Schütte, Geschäftsführer der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe. Sie ist Projektträger des Bundeslandwirtschaftsministeriums und setzt bei der Energieversorgung ihrer Gebäude in Mecklenburg selbst auf Stroh. Jährlich fallen in Deutschland rund 30 Millionen Tonnen Stroh an. Knapp fünf Millionen Tonnen werden für die Einstreu in Ställen benötigt. Ein weiterer Teil muss auf dem Acker bleiben, um neuen Humus zu bilden. Nach Berechnungen der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) bleiben rund 11,3 Millionen Tonnen ungenutzten Getreidestrohs übrig, die zur Energiegewinnung verwendet werden könnten. Damit ließe sich so viel Energie gewinnen, dass die Hälfte der bislang dafür eingesetzten Holzmenge ersetzt werden könnte. Bisher wird Stroh jedoch nur in verhältnismäßig geringem Umfang in kleineren Heizungsanlagen verfeuert. Die Nutzung von Stroh als Brennstoff ist nicht ganz einfach und wird durch gesetzliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen begrenzt, erläutert Thomas Hering von der TLL. Das hat zur Folge, dass die Investitionskosten steigen und die Betriebskosten, vor allem für Emissionsüberwachung und Wartung, höher sind als bei Holzfeuerungen oder Öl- und Gasheizungen. Probleme bereitet vor allem der bei der Verbrennung von Stroh entstehende Staub, der aus hohen Chlorgehalten durch die Düngung der Pflanze resultiert. Deshalb sind in Deutschland auch nur schätzungsweise wenige hundert Anlagen in Betrieb. Vorreiter bei der Energiegewinnung aus Stroh ist Dänemark. Hier sind etwa 70 Prozent der europäischen Leistung aus Strohheizkraftwerken installiert. Möglich wurde das durch Förderprogramme und moderate Emissionsbestimmungen. Rund 24 Prozent des Strohs werden hier zur Energiegewinnung genutzt. Das erste große Strohheizkraftwerk in Deutschland wird gerade in einer Stärkefabrik in Emlichheim an der niederländischen Grenze gebaut. Die Fabrik verarbeitet jährlich eine Million Tonnen Kartoffeln zu Stärke. Das Verfahren zur Stärkegewinnung ist sehr energieintensiv. 75 000 Tonnen Stroh im Jahr wird das Bioenergiekraftwerk im Jahr verbrauchen, schätzt Geschäftsführer Rainer Knieper: „80 Prozent des Strohs sollen aus einem Umkreis von 50 Kilometern kommen.“ Die Landwirte als Strohlieferanten wurden im vergangenen Jahr als Gesellschafter des Kraftwerks aufgenommen. Ein weiteres Strohheizkraftwerk ist in Nordrhein-Westfalen in der Planung. Stroh lässt sich jedoch nicht nur verheizen, sondern auch in einer Biogasanlage vergären. Dabei können ungefähr 70 Prozent der Biogasmenge erzeugt werden, die üblicherweise durch den Gärungsprozess der sogenannten Maissilage erreicht wird. Der Vorteil: Durch die Nutzung von Stroh werden keine zusätzlichen Flächen für den Anbau von Energiepflanzen wie Mais gebraucht. Im Gegenteil: Durch das Vergären von Stroh könnten bis zu 400 000 Hektar zum Anbau von Nahrungs- oder Futtermitteln genutzt werden. In einer Anlage in Brandenburg wird seit Kurzem Biogas aus Stroh produziert und als Treibstoff für Fahrzeuge verwendet. Bisher steckt der Einsatz von Stroh für die Biokraftstoffe der zweiten Generation noch in den Kinderschuhen. So gibt es europaweit erst wenige Pilotanlagen, die aus Stroh einen neuartigen Synthesekraftstoff produzieren. ......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... SONDERBEILAGE DER FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND DONNERSTAG, 14. JUNI 2012 B1 Energie Strohfeuer Warum Biogaserzeuger auf den Rohstoff Stroh setzen Seite 2 www.ftd.de/ beilagen Entwickler arbeiten bei Siemens an neuen Elektrolyseuren. Die wandeln Strom in Wasserstoff um. So lassen sich große Mengen Energie speichern Wie Ökostrom haltbar wird Solar- und Windenergie fallen oft zur Unzeit an. Eine neue Anlage soll das jetzt ausgleichen ............................................................................................................. Sascha Rentzing ........................................................................................................................ Der Erfolg der Energiewende ist an zwei Bedingungen geknüpft. Der Ökostrom braucht erstens neue Netze. Und zweitens mehr Speicher, die ihn kalkulierbar und wettbewerbsfähig machen. In Stuttgart entsteht nun die weltweit erste Anlage, in der Strom speicherbares Methangas erzeugt. Hinter dem Projekt stehen die Firma Solarfuel und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW). Mit 250 Kilowatt Leistung soll die Anlage ab diesem Sommer 300 Kubikmeter Methan pro Tag produzieren. Das Gas soll in das vorhandene Erdgasnetz strömen, das Heizungen, Kraftwerke und Tankstellen versorgt. „Die Technik kann ein entscheidender Baustein künftiger Energieversorgung werden, denn mit ihr lassen sich riesige Speicherkapazitäten erschließen“, sagt ZSW-Projektingenieur Andreas Brinner. In deutsche Erdgasleitungen und unterirdische Kavernen passt eine Gasmenge mit einem Energiegehalt von 200 Terawattstunden – das entspricht etwa einem Drittel des jährlichen Stromverbrauchs in Deutschland. Ohne Langzeitspeicher wird es schwer, die erneuerbaren Quellen in der Zukunft auszuschöpfen: Solarstrom und Windkraft hängen von Witterung sowie Tages- und Jahreszeit ab. Je größer ihr Anteil an der Stromproduktion ist, desto stärker schwankt das Angebot. Speicher können Überschüsse aufnehmen und sie bei Bedarf wieder abgeben. Power-to-Gas-Anlagen könnten daher zu einem wichtigen Eckpfeiler der künftigen Energieversorgung werden. Immer dann, wenn zum Beispiel Solarparks zu viel Elektrizität produzieren, wird diese in Elektro- „Mit der Technik lassen sich riesige Speicherkapazitäten erschließen“ ANDREAS BRINNER, Projektingenieur ZSW lyseure umgeleitet. Dort spaltet der Strom Wasser in Sauer- und Wasserstoff. In einem zweiten Schritt wird der Wasserstoff in speziellen Reaktoren mit Kohlendioxid zusammengeführt, sodass daraus Methan entsteht, der Hauptbestandteil von natürlichem Erdgas. Geplant sei, die Anlagen in zwei bis drei Jahren als kleine Einheiten mit zehn bis 20 Megawatt (MW) Leistung auf den Markt zu bringen, sagt Solarfuel-Ingenieur Stefan Rieke. „So können sie dezentral direkt an Solarund Windstandorten eingesetzt werden“, ergänzt er. Die Bundesregierung setzt große Hoffnung in die Technik. Spätestens in fünf bis sechs Jahren müsse Power to Gas zu einem strategischen Anwendungsfaktor werden, fordert der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). Damit hat auch die gebeutelte Fotovoltaikbranche in Deutschland eine gute Perspektive. Nach ZSW-Schätzungen können sich die Solarstromkosten dank effizienterer Zellen und besserer Produktionen bis 2020 halbieren. Dennoch ist ein Argument gegen den weiteren kräftigen Ausbau der Solarenergie, dass Sonnenkraftwerke nur um die Mittagszeit Strom liefern. Power-to-Gas-Anlagen würden Solarenergie regelbar machen. C02 aus der Flasche ....................................................................................................... IMPRESSUM ....................................................................................................... Financial Times Deutschland Am Baumwall 11 · 20459 Hamburg · Tel. 040/37 03-0 www.ftd.de; E-Mail: [email protected] Redaktion: Volker Bormann (verantw.), Barbara Domschky, Johanna Hergt; Gestaltung: Nicolai Gogoll, Merle Schröder Bildredaktion: Christian Kollrich, Verena Berg Infografik: Jens Storkan Bildbearbeitung: EBV der G+J Wirtschaftsmedien Chefin vom Dienst: Dr. Hiltrud Bontrup Korrektorat: Stefanie Helbig Verlag: G+J Wirtschaftsmedien AG & Co. KG Verlagsgeschäftsführerin: Ingrid M. Haas Postanschrift: Brieffach 02, 20444 Hamburg Verlagsleiter: Jan Honsel, Albrecht von Arnswaldt Gesamtanzeigenleiterin: Helma Spieker Anzeigenleiter: Jens Kauerauf (FTD, htsi, enable), Martina Hoss (Capital, impulse, BÖRSE ONLINE), E-Mail: [email protected] Syndication: Picture Press, E-Mail: [email protected] Contentvermarktung: Brand, Products and Licensing Siegel und Sonderdrucke, Koordination: Petra Martens Anfragen: Isabella Kamauf, Tel. 040/37 03-25 90 E-Mail: [email protected] „Financial Times“, „Financial Times Deutschland“ and „FTD“ are registered trade marks of The Financial Times Limited and used under licence. Druck: Presse-Druck- und Verlags-GmbH, 86167 Augsburg; BZV Berliner Zeitungsdruck GmbH, 10365 Berlin; Druck- und Verlagszentrum GmbH & Co. KG, 58099 Hagen; Mannheimer Morgen Großdruckerei und Verlag GmbH, 68167 Mannheim Allerdings ist die Technik noch zu teuer. ZSW-Forscher Brinner schätzt, dass sich die Anlagen erst mit steigenden Stückzahlen in zehn Jahren wirtschaftlich betreiben lassen. Augenscheinlich ist außerdem das Problem mit der Effizienz, denn über die Schritte des Power-to-Gas-Verfahrens addieren sich die Einbußen. Wenn der Ökostrom über das Gas gespeichert und rückverstromt wird, gehen insgesamt zwei Drittel der Energie verloren. Zudem funktioniert die Methanisierung nur mit Kohlendioxid. Bei dem Stuttgarter Projekt wird es in Flaschen angeliefert. Für künftige Vorhaben müssen aber wesentlich größere Mengen billig verfügbar sein. Erwogen wird zum Beispiel, Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken zu nutzen. Doch das könnte dem grünen Image der Technik schaden. Manche Experten halten daher andere Speicher wie zum Beispiel den Wasserstoff, der selbst ein Energieträger ist, für sinnvoller. „Dadurch entfällt beim Power-to-Gas-Prozess die aufwendige Methanisierung“, sagt nieren. „In Deutschland haben wir die geografischen Voraussetzungen nicht“, sagt Brinner. Forscher und Ingenieure treiben die Entwicklung der Power-to-GasTechnik daher mit großem Einsatz voran. Schon im kommenden Jahr wollen Solarfuel und ZSW für Autobauer Audi eine Anlage mit sechs MW Leistung bauen. Sie soll an eine Biogasanlage gekoppelt sein. Diese liefert den Strom sowie Kohlendioxid, das für die Methanisierung nötig ist. Parallel verbessert die Industrie die Anlagenkomponenten. Siemens zum Beispiel entwickelt neuartige Elektrolyseure, die besonders gut mit erneuerbaren Energien harmonieren sollen. Ihr Kernstück ist eine spezielle Membran, wie sie auch in Brennstoffzellen eingesetzt wird. „Herkömmliche Elektrolyseure reagieren nur im Minutenbereich auf ein veränderliches Stromangebot, die MembranVariante schafft das in Millisekunden“, erklärt der Ingenieur Manfred Waidhas vom Siemens-Geschäftsbereich Wasserelektrolyseure. Noch dieses Jahr sollen zwei Pilotanlagen starten. 2015 will Siemens mit Zwei-MW-Anlagen auf den Markt kommen, fünf Jahre später könnten bereits 250-MW-Systeme zur Verfügung stehen. Die größten Anlagen sollen am Ende den Strom von 100 großen Solaroder Windparks in Wasserstoff umwandeln. Die Vollversorgung mit erneuerbaren Energien ist in Deutschland längst mehr als eine Vision. Grüne Republik geplante Ökostromkapazitäten in Gigawatt 161,0 Wasserkraft Biomasse Fotovoltaik Windkraft 6,0 20,0 111,8 5,2 10,0 67,0 53,8 39,5 4,7 4,8 17,0 27,3 2010 57,1 2025 68,0 2040 FTD/jst; Quelle: BDEW, BnetzA, DB Research Siemens AG Christopher Hebling, Bereichsleiter Energietechnik am Fraunhofer-Institut für Solare Energietechnik. Der Wasserstoff könne ebenfalls im Erdgasnetz oder in Kavernen gespeichert werden. Andere Speicheralternativen wären große Batterieparks, Druckluftoder Pumpspeicherkraftwerke. Diese pumpen Wasser in ein höhergelegenes Becken. Fließt es über Fallrohre ab, erzeugen Turbinen Strom. Die Verfechter der Technik sehen darin aber keine KO-Kriterien. „Ohne Speicher würde überschüssiger Ökostrom ungenutzt verloren gehen“, argumentiert Brinner. Und das Kohlendioxid für die Methanisierung ließe sich auch per Luftfilterung sauber und ökonomisch gewinnen. Außerdem gebe es bei den anderen Speichern ebenfalls Unwägbarkeiten. So könne Wasserstoff dem Erdgas im Netz nur in kleinen Mengen bis zu fünf Prozent beigemischt werden – als Speicher eignet es sich daher nur bedingt. Pumpspeicherkraftwerke wiederum hätten den Nachteil, dass sie nur in gebirgigen Regionen funktio- ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... B2 Energie DONNERSTAG, 14. JUNI 2012 FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND Blitzideen aus der Provinz Jörn Iken ........................................................................................................................ Keine Reisedokumentation über die kanadische Provinz Ontario kommt ohne die typischen Bilder einer kanadischen Idylle aus. Elche grasen, Biber nagen, Lachse springen – dazwischen durchstreifen rotgewandete Ranger die Wälder und befahren die angeblich über 400 000 Gewässer. All das ist wahr, Realität ist aber auch: Ontario beherbergt 40 Prozent der Einwohner Kanadas in großen Städten wie Toronto und ist die am stärksten industrialisierte Region des nordamerikanischen Staates. Eisen- und Stahlverarbeitung, Petrochemie und Elektronikindustrie sind die Stützen der Wirtschaft. Mehr als ein Dutzend Atomreaktoren brummen ihren Grundlaststrom ins Netz. Ontario ist Naturparadies und Industriemoloch gleichermaßen. Brad Duguid kann noch einen weiteren Aspekt draufsetzen – eine der wichtigsten in der Wirtschaftspolitik der Provinz: „Ontario ist auf dem Weg von nirgendwo zum Weltmarktführer der Grünen Technologie.“ Duguid ist der Minister für wirtschaftliche Entwicklung und nicht bescheiden. Ontario soll ein ökologisches Musterland auf dem amerikanischen Kontinent werden – noch weit vor den anderen Provinzen und den USA sowieso. Eine der wichtigsten Requisiten ist das intelligente Stromnetz, das Smart Grid. Und in der Tat: Kein Land weltweit hat es in der Einführung der ers- ten Komponenten bisher so weit gebracht wie die Provinz im Südosten Kanadas. 2005 lieferte der Netzbetreiber Hydro One die ersten intelligenten Zähler, Smart Meter genannt, aus. Bis jetzt sind es 1,2 von insgesamt 5,1 Millionen Stromkunden, die über einen SmartMeter verfügen. Das dürfte momentan nicht zu toppen sein. Ökologie wird in Ontario großgeschrieben, allerdings anders buchstabiert als in Europa. Kernkraft steht zum Beispiel einer ökologisch fundierten Energiewende nicht entgegen, da sie CO2-frei ist. Schlecht sieht es aber für die Kohle aus. Bis 2014 sollen alle Kraftwerke stillstehen. Eine große Rolle sollen deshalb in Zukunft die erneuerbaren Energien übernehmen. In einigen Jahren wird Ontario dann vor dem Problem stehen, das alle Stromnetze mit den Erneuerbaren haben: Die Einspeisung von Solar- und Windstrom belastet das Netz. Abhilfe soll ein Smart Grid schaffen. „Smart Grid ist ein Kommunikationssystem, das Netzkomponenten zusammenbringt“, erklärt Geoff Salter das Grundprinzip des Netzgedankens. Er ist der Gründer und CEO des mittelständischen Technologieunternehmens Aztech in Kingston, das Managementlösungen für genau diese Aufgabe entwickelt. Der Verteilnetzbetreiber wäre damit in der Lage, mit den Haushaltsgeräten zu kommunizieren und ihren Betrieb in angebotsschwache Zeiten zu legen. Erste Voraussetzung dafür ist ein gestaffeltes Tarifsystem, das den an- Canadian Press Images/The Globe and Mail/Kevin Van Paassen Elche und grüne Technik: Der kanadische Staat Ontario ist Vorreiter beim schlauen Stromnetz gebots- und nachfrageorientierten Stromverbrauch belohnt. Zweite Voraussetzung: der „Intelligente Zähler“, der den Kunden Auskunft über die aktuellen Strompreise und seinen eigenen Verbrauch gibt. Seine Haushaltsgeräte muss der Verbraucher aber noch von Hand steuern. Ideal wäre es, wenn die Geräte sich automatisch an das Stromangebot anpassten, sagt Aztechs CEO Salter „Ich glaube, das wird kommen. In erster Linie schaut man aber auf die Tiefkühltruhen und hier besonders auf den Auftauzyklus, der nichts anderes als das Einschalten einer Heizung ist.“ In einem Modellprojekt im Norden der Provinz testet Hydro One seit 2010 das Verbraucherverhalten, neue Geräte und die neue Tarifstruktur. 25 000 Stromkunden nehmen teil. Ziel des Projektes ist es, den schwankenden Solar- und Windstrom zu integrieren, das Energiemanagement für neue Haushaltsgeräte auszuprobieren sowie Speicherlösungen zu entwickeln. Längst haben auch die großen Spieler das neue Geschäftsfeld entdeckt. IBM entwickelte IT-Lösungen für das Energiemanagement. Ebenso ist General Electric mit im Boot. Badesspaß am Kernkraftwerk im kanadischen Pickering: Einheimische kühlen sich im Lake Ontario ab Ballon als Speicher Auch rund ein Dutzend mittelständische Firmen haben sich in Toronto angesiedelt, wie etwa Carl Lewis mit seinem Unternehmen Hydrostar. Er speichert den überflüssigen Wind- und Solarstrom in Form von Pressluft ab, mit der eine Verdichterturbine große Ballons füllt. Der Clou: Die Ballons sind in einem See in 80 Meter Tiefe verankert. Will Lewis aus der Pressluft wieder Strom machen, arbeitet die Verdichterturbine in umgekehrter Richtung als Generator. Der Wasserdruck auf die Ballons sorgt zusätzlich für Leistung. Lewis nutzt sogar die Wärme, die entsteht, wenn man Luft komprimiert. „Der Gesamtwirkungsgrad des Systems beträgt dadurch 70 Prozent.“ Noch 2012 soll es einen ersten Prototypen geben. Politik wie Industrie in Ontario haben das Smart Grid beschleunigt. Das heißt nicht, dass im Rest der Welt nichts geschieht. In Deutschland ist das Projekt „Modellstadt Mannheim“ (moma) überregional bekannt. Knapp 3000 Haushalte machen mit. Es ist also wesentlich kleiner als die Versuchsregion in Ontario, in technischer ............................................................................................................. „Der finanzielle Anreiz ist minimal“ THOMAS WOLSKI, Sprecher Moma Hinsicht aber genauso anspruchsvoll. Zentrales Element in Mannheim ist der sogenannte „Energiebutler“, der nicht nur den Verbrauch, sondern auch die Produktion steuert. Denn im Gegensatz zu Ontario hat die überwiegende Zahl der Haushalte in Mannheim eine eigene Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach. Sie verbrauchen den Solarstrom entweder selbst oder speisen bei attraktiven Preisen in das Netz ein. Der Butler ist also auch Organisator eines virtuellen Strommarktes. Im Ergebnis vermied moma die teuren Verbrauchsspitzen. Unternehmenssprecher Thomas Wolski kommentiert: „Wir haben eine Lastverlagerung von sechs bis acht erreicht. Damit sind wir sehr zufrieden.“ Einig ist sich Wolski mit seinen kanadischen Kollegen darüber, dass das Smart Grid den Kunden langfristig einen Vorteil bringen muss. „Ein Smart Grid, das nur die Aufgaben des Netzbetreibers vereinfacht, ist kein Smart Grid“, sagt etwa John Mulrooney, Direktor Smart Grid beim Energieversorger Power Stream, Ontarios zweitgrößter Lieferant von Elektrizität. „Am Ende muss immer der Benefit für den Kunden stehen.“ Beide Projekte weisen in dieser Hinsicht deutliche Lücken auf. Moma-Sprecher Molski gibt zu: „Der finanzielle Anreiz ist minimal.“ In Ontario mache die Einsparung, so auch Mulrooney, ebenfalls nur wenige Dollar aus. Kritiker bemängeln das: Gerade der finanzielle Benefit, so zeige der Boom der erneuerbaren Energien, bewirke mehr als Appelle an das Klima- und Umweltbewusstsein. Strom zu Gold Biogasproduzenten entdecken den Rohstoff Stroh als neue Energiequelle Thomas Gaul ........................................................................................................................ Im Märchen lässt sich Stroh zu Gold spinnen. Ganz so weit sind Landwirte und Ingenieure nicht, aber doch auf dem Weg dorthin. Die gelben Halme, die nach der Getreideernte auf dem Feld übrig bleiben, sind wertvoll geworden. Der Ausbau der Biomassenutzung soll nachhaltig erfolgen, daher wächst das Interesse für den einstigen Reststoff. „Stroh hat das Potenzial, ein wichtiger Energieträger zu sein“, sagt Andreas Schütte, Geschäftsführer der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe. Sie ist Projektträger des Bundeslandwirtschaftsministeriums und setzt bei der Energieversorgung ihrer Gebäude in Mecklenburg selbst auf Stroh. Jährlich fallen in Deutschland rund 30 Millionen Tonnen Stroh an. Knapp fünf Millionen Tonnen werden für die Einstreu in Ställen benötigt. Ein weiterer Teil muss auf dem Acker bleiben, um neuen Humus zu bilden. Nach Berechnungen der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) bleiben rund 11,3 Millionen Tonnen ungenutzten Getreidestrohs übrig, die zur Energiegewinnung verwendet werden könnten. Damit ließe sich so viel Energie gewinnen, dass die Hälfte der bislang dafür eingesetzten Holzmenge ersetzt werden könnte. Bisher wird Stroh jedoch nur in verhältnismäßig geringem Umfang in kleineren Heizungsanlagen verfeuert. Die Nutzung von Stroh als Brennstoff ist nicht ganz einfach und wird durch gesetzliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen begrenzt, erläutert Thomas Hering von der TLL. Das hat zur Folge, dass die Investitionskosten steigen und die Betriebskosten, vor allem für Emissionsüberwachung und Wartung, höher sind als bei Holzfeuerungen oder Öl- und Gasheizungen. Probleme bereitet vor allem der bei der Verbrennung von Stroh entstehende Staub, der aus hohen Chlorgehalten durch die Düngung der Pflanze resultiert. Deshalb sind in Deutschland auch nur schätzungsweise wenige hundert Anlagen in Betrieb. Vorreiter bei der Energiegewinnung aus Stroh ist Dänemark. Hier sind etwa 70 Prozent der europäischen Leistung aus Strohheizkraftwerken installiert. Möglich wurde das durch Förderprogramme und moderate Emissionsbestimmungen. Rund 24 Prozent des Strohs werden hier zur Energiegewinnung genutzt. Das erste große Strohheizkraftwerk in Deutschland wird gerade in einer Stärkefabrik in Emlichheim an der niederländischen Grenze gebaut. Die Fabrik verarbeitet jährlich eine Million Tonnen Kartoffeln zu Stärke. Das Verfahren zur Stärkegewinnung ist sehr energieintensiv. 75 000 Tonnen Stroh im Jahr wird das Bioenergiekraftwerk im Jahr verbrauchen, schätzt Geschäftsführer Rainer Knieper: „80 Prozent des Strohs sollen aus einem Umkreis von 50 Kilometern kommen.“ Die Landwirte als Strohlieferanten wurden im vergangenen Jahr als Gesellschafter des Kraftwerks aufgenommen. Ein weiteres Strohheizkraftwerk ist in Nordrhein-Westfalen in der Planung. Stroh lässt sich jedoch nicht nur verheizen, sondern auch in einer Biogasanlage vergären. Dabei können ungefähr 70 Prozent der Biogasmenge erzeugt werden, die üblicherweise durch den Gärungsprozess der sogenannten Maissilage erreicht wird. Der Vorteil: Durch die Nutzung von Stroh werden keine zusätzlichen Flächen für den Anbau von Energiepflanzen wie Mais gebraucht. Im Gegenteil: Durch das Vergären von Stroh könnten bis zu 400 000 Hektar zum Anbau von Nahrungs- oder Futtermitteln genutzt werden. In einer Anlage in Brandenburg wird seit Kurzem Biogas aus Stroh produziert und als Treibstoff für Fahrzeuge verwendet. Bisher steckt der Einsatz von Stroh für die Biokraftstoffe der zweiten Generation noch in den Kinderschuhen. So gibt es europaweit erst wenige Pilotanlagen, die aus Stroh einen neuartigen Synthesekraftstoff produzieren.
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