Was würde Jesus sagen? Seine Kraft bezog er aus dem Glauben: Vor 40 Jahren wurde Martin Luther King ermordet „I have a dream – Ich habe einen Traum“: Diese Worte machten den Baptistenpfarrer und Bürgerrechtler Martin Luther King zur Legende. Seinen Traum von einem Amerika ohne Rassenschranken bezahlte er am 4. April 1968 mit dem Leben. Es war der 28. August 1963, als 250.000 Bürgerrechtler, Farbige und Weiße, in einem Sternmarsch zum Lincoln-Denkmal in Washington für das Ende der Rassentrennung an den Schulen, für anständige Wohnungen und gerechte Löhne demonstrierten und die alten Spirituals der Negersklaven sangen. Dann rief der junge Baptistenpfarrer Martin Luther King aus Alabama seine Vision von einer guten Zukunft für alle Menschen in den Himmel: „Ich habe einen Traum“, sagte King, „dass eines Tages auf den roten Hügeln von Georgia die Söhne früherer Sklaven und die Söhne einstiger Sklavenhalter miteinander am Tisch der Gerechtigkeit sitzen werden. Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird. Ich habe einen Traum, dass diese Nation eines Tages aufstehen wird und der wahren Bedeutung ihrer Verfassung gemäß leben wird: ‚Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich: Alle Menschen sind gleich geschaffen.‘“ Bastion der Rassentrennung Pastor King war zu diesem Zeitpunkt längst die unbestrittene Führungs- und Symbolfigur der Bürgerrechtsbewegung. Als 26-Jähriger war er 1955 nach Montgomery berufen worden, in die Hauptstadt des US-Staates Alabama, eine Bastion der Rassentrennung. Wie selbstverständlich hatte sich King an die Spitze jener Bus-Boykottbewegung gesetzt, die sich an der Verhaftung der farbigen Näherin Rosa Parks entzündet hatte. Die ruhige Frau mittleren Alters hatte sich 1954 geweigert, einem weißen Fahrgast, wie vorgeschrieben, ihren Platz zu überlassen. Darauf begannen sich die Schwarzen Montgomerys gemeinsam und entschlossen zu wehren. 381 Tage lang Der schwarze Bürgerrechtler und Friedensnobelpreisträger Martin Luther King ist heute Inbegriff der schwarzen Bürgerrechts bewegung in den USA. Foto: epd gingen sie zu Fuß, fuhren per Anhalter, ritten manchmal sogar auf Maultieren zur Arbeit; durch das schwarze Viertel von Montgomery fuhren leere Busse. Der gewaltlose Wid e r s t a n d brachte das Busunternehmen an den Rand des Ruins und endete 1956 mit dem Erfolg, dass der Oberste Gerichtshof jede Art von Rassentrennung in den Bussen der Stadt Montgomery verbot. Und aus dem Bürgerrechtskomitee von Montgomery erwuchs eine Bewegung, die den ganzen amerikanischen Süden erfasste und überall in den Städten – unterstützt von immer mehr Weißen – um die Bürgerrechte und den ungehinderten Zugang zu Schulen, Kultureinrichtungen und Gaststätten kämpfte. Die Kraft, seine Hemmungen zu überwinden und andere zu überzeugen, bezog Martin Luther King aus einem leidenschaftlichen Glauben. Die Bibel war ihm eine empörende Lektüre: „Vor zweitausend Jahren sagte eine Stimme aus Betlehem, dass alle Menschen gleich sind. Sie sagte, Recht werde triumphieren. Jesus von Nazareth schrieb keine Bücher, er besaß kein Eigentum, Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern · Nr. 14 vom 6. 4. 2008 das ihm Einfluss verlieh. Er hatte keine Freunde an den Höfen der Mächtigen. Aber er änderte den Kurs der Menschheit mit den Armen und Verachteten allein.“ Doch warum nahm man diese Botschaft nicht ernst? Warum sperrte man die schwarzen Brüder aus den weißen Kirchen und die Kinder der Farbigen aus dem weißen Religionsunterricht aus? „Was würde Jesus, käme er heute wieder, den Bürgern von Alabama sagen?“ Denn auch der politische Bereich gehöre zum Arbeitsfeld eines Christen – wenn der Glaube nicht zu einer „Religion der Nichtstuer“ entarten solle. Und eine Kirche, die hinter ihren bunten Glasfenstern zu Rassismus und sozialem Unrecht schweige, eine solche Kirche lasse Christus im Stich. In der Gedankenwelt Kings ist gewaltloser Widerstand die praktische Seite der Liebe. Der Gegner soll nicht vernichtet, sondern zum Nachdenken gebracht werden. Das Ziel sind Aussöhnung und Freundschaft. „Gewaltlosigkeit ist Macht“, sagte King, „aber sie ist der richtige und gute Gebrauch der Macht.“ Unbewaffnete Liebe sei die einzige Mög- lichkeit, die tödliche Kettenreaktion von Hass und wieder Hass, Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen. Ihn selbst erschoss am 4. April 1968 in Memphis im Bundesstaat Tennessee ein junger We i ß e r, der drei Stunden lang mit einem Zielfernrohrgewehr auf den 39-jährigen Pastor und Friedensnobelpreisträger von 1964 gewartet hatte. So lautet zumindest die offizielle Version. Einige Bürgerrechtler halten den als Todesschützen verurteilten James Earl Ray für unschuldig, oder sie zweifeln die Einzeltätertheorie an: King sei einer Verschwörung hochrangiger Militärs und Geheimdienstler zum Opfer gefallen. Der Sarg des toten Baptistenpfarrers wurde auf einem Bauernkarren, den ein Maultiergespann zog, zum Friedhof gefahren. Es war das traditionelle Begräbnis der armen Südstaatler. Er wünsche keine lange Beerdigung und keine großen Grabreden, hatte er, der um seine ständige Gefährdung wusste, ein paar Monate zuvor geäußert. Nur das solle irgendjemand erwähnen, wenn es einmal soweit sei: „Martin Luther King versuchte, die Menschen zu lieben.“ Christian Feldmannn 3
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