Gesundheit als Organisation. Was heute „Public Health“ genannt

Spezial: Inkontinenz Diabetes mellitus und unfreiwilliger Harnverlust. Absettei3
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ArztetWoche
Die österreichische Zeitung für Medizin, Politik und Praxis
SEIT 1987
SpringerMedizin.at
Nr. 11, Donnerstag, 17. M ä r z 2011,25. Jahrgang
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Ärzte Woche, Springer-Verlag GmbH, Wien. Redaktion: 1201 Wien, Sachsenplatz 4-6. Telefon 01/513 10 47. Fax 01/513 47 83. E-Mail: [email protected]
ISSN 1862-7137, P.b.b. Verlagspostamt 1200 Wien, Aufgabepostamt 2120 Wolkersdorf GZ02Z032811W
Medizin
ÄrztefWoche
Gesundheit als Organisation
Serie
Was heute „Public Health" genannt wird, hat seine Ursprünge
im 18. Jahrhundert. Von PD DDr. Josef M. Schmidt
Im Gefolge des neuzeitlichen
Maschinen-Paradigmas
des Menschen tauchte - historisch gesehen -
erstmals im großen Stil auch das
Bemühen des Staates auf, durch
gesundheitspolitische
Maßnahmen
die allgemeine
Gesundheit der
*
Bürger zu verbessern.
Johann Peter Frank plante eine „medicinische
Policey".
SpringerWienNewYork
Was heute Public
Health genannt wird,
hatte seine U r s p r ü n ge i n der staatlichen
Gesundheitsorganisation, Gesundheitsplanung u n d Gesundheitsgesetzgebung des 18. Jahrhunderts, als unter
anderem Johann Peter Franks (17451821)
epochemachendes Werk System
einer
vollständigen
medicinischen
Policey erschien. Z u die-
ser Zeit wurden erste Forde- \K r k%
rungen nach Gesundheits- *
erziehung als Schulfach laut
-:,
(etwa v o n Johann Christian
Friedrich Scherf, 1750-1818). Es
wurde sogar ein Gesundheitskatechismus verfasst (von Christoph
Bernhard Faust, 1794). Für Kant
(1724-1804) war Gesundheit Pflicht,
weil sie die Sittlichkeit befördere.
Die sich dabei a u s d r ü c k e n d e Änderung der Mentalität w ä r e vor der
Entwicklung des m ä c h t i g e n Instruments der modernen Naturwissenschaft nicht denkbar gewesen. Erst
jetzt erschien es möglich, damit auch
i n soziale Prozesse sowie i n die Volksgesundheit einzugreifen.
Der ethisch leitende Hintergrund war der damals vorherrschende Utilitarismus u n d Merkantilismus, das h e i ß t ein Nützlichkeitsdenken i m Hinblick auf wirtschaftliche P r o s p e r i t ä t u n d m i l i t ä r i s c h e
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Gesundheit!
Geschichte und
Konzepte
Teil 10
Grafik: Martina Kerl 2010
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Schlagkraft. Die sich i n diesem
Zusammenhang etablierende Soziologie wurde dementsprechend
als „soziale Physik" betrachtet (Auguste Comte, 1798-1857) u n d die
neue wissenschaftliche Hygiene als
„Wissenschaftslehre v o n der Gesundheit" (Max v o n Pettenkofer,
1818-1901).
I m Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der neuen naturwissenschaftlichen F ä c h e r wurde auch das
Medizinstudium i n den deutschen
Landen reformiert: Ab 1861 gab es
kein (Tentamen) Philosophicum
mehr, dafür aber ein Physikum.
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Kant1(1797) Metaphysik der Sitten. A63A115. In: Werke. Hrsg. von W Weischedel
(1982) Bd. 8.5. Aufl. Suhrkamp, Frankfurt
am Main, S. 549-83
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BüringM (1997) Naturheilkunde. Grundlagen, Anwendungen, Ziele. C.H. Beck,
München, S. 113
Der Autor ist am Institutfür Geschichte der
Medizin an der Ludwig-Maximilians- Universität in München tätig.
Der Originalartikel ist erschienen in:
wiener Klinische Wochenschrift 2010;
122:538-542
© Springer-Verlag Wien 2010
Im nächsten Teil der Serie: Gesundheit als
Pluralität
17. März 2011