Was Wind-, Galle- und Schleim-Typen - TV-Wartezimmer

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Die Welt
15.10.2014
http://www.welt.de/gesundheit/article133296880/Was-Wind-Galle-und-Schleim-Typen-unterscheidet.html
Was Wind-, Galle- und Schleim-Typen unterscheidet
Nach der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird nun die Traditionelle Tibetische
Medizin (TTM) entdeckt: Grundlage sind drei besondere Körperenergien. Für die Wirksamkeit gibt
es keine Beweise.
Von Alexandra Bülow
Foto: pa
Anatomische Zeichnungen aus einer Ausgabe des Kommentars von Sangye Gyamtso (1653–
1705) zu den klassischen vier Tantras, den grundlegenden Abhandlungen über tibetische Medizin
Es gibt einen Pulsschlag, der lässt sich wegdrücken. Und es gibt einen Puls, der lässt sich nicht
verdrängen. "Er bäumt sich dann auf wie ein Pferd", erklärt die Heilpraktikerin Anna Grütte. Mancher
Puls sei gar kein Schlag, sondern er schwebe.
Was sich für viele schräg anhört, ist für Menschen, die sich mit Traditioneller Tibetischer Medizin (TTM)
auskennen, völlig logisch. "Die TTM ist rund 3000 Jahre alt und hat gemeinsame Ansätze mit der
Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) sowie dem indischen Ayurveda", erklärt Grütte, die Erste
Vorsitzende der Akademie für Traditionelle Tibetische Medizin in Heidelberg ist.
"Die TTM ist kein spirituelles, sondern ein medizinisches System, das man in Tibet an Universitäten
studiert", erläutert sie. Es hat einen ganzheitlichen Ansatz, das heißt, es wird nicht nur ein Symptom wie
Husten behandelt, sondern der Mensch als Ganzes gesehen. Grundlage ist die Konstitutionslehre
gemäß der drei Körperenergien Wind (tibetisch Lung), Galle (Tripa) und Schleim (Päken).
Frank Ludwig ist Allgemeinmediziner, ausgebildet in der TTM und wendet diese in seiner Praxis in Berlin
an. Er erklärt grob die Konstitutionstypen: Der Schleimtyp neige zu Übergewicht, sei eher ein ruhiger
und langsamer Geselle. Der Windtyp ist schlank, sehr aufmerksam, nervös und unruhig, außerdem
kreativ. Sehr zielorientiert, angespannt und athletisch zeigt sich der Galletyp.
Jeder Mensch trägt drei Energien in sich
Die TTM ist der Auffassung, dass jeder Mensch von Geburt an die drei Energien in sich hat, dass sie in
einem individuellen Verhältnis stehen – aber eine Energie meist stärker ausgeprägt ist. Der Mensch hat
also konstitutionelle Stärken und Schwächen. Kommt diese individuelle Zusammenstellung aus dem Lot,
entstehen Krankheiten.
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Ursache für ein Ungleichgewicht soll ein Mangel oder ein Übermaß einer Energie sein. "Eine Störung
kann zum Beispiel auftreten durch einen falschen Lebenswandel wie Stress oder eine Ernährung, die
nicht dem eigenen Typ entspricht", sagt Grütte.
Den findet der TTM-Kundige beim Gespräch mit dem Patienten heraus, den er zum Beispiel nach
Gewohnheiten, Lebensumständen und Ernährung befragt. Auch sein Auftreten lässt Rückschlüsse zu.
Ludwig gibt ein Beispiel: Eine Patientin klagt, dass sie nicht gut schlafen kann, sich kraftlos fühlt und
unter Angstzuständen leidet. Sie ist gertenschlank und wirkt sehr angespannt. Sie treibt fünfmal die
Woche Sport, meidet Zucker, ist beruflich erfolgreich und ehrgeizig. Ein Windtyp.
Nun kommt die Pulsdiagnose ins Spiel: Der
Mediziner legt drei Finger an bestimmte
Stellen des linken und des rechten Armes
und tastet den Puls. Dabei geht er mit den
Fingern mal tiefer, mal zarter in die Haut
und spürt mit der linken Seite ebenso wie
mit der rechten Seite der Fingerkuppe.
"Es braucht Jahre, um den Puls
differenzieren zu können und sehr viel
Erfahrung, um ihn lesen zu können", erklärt
er. Die Pulsqualität an verschiedenen
Stellen soll Aufschluss über den Zustand
aller Organe und über Störungen der
Energien geben.
Foto: pa
Bei der Traditionellen Tibetischen Medizin werden
Diagnosen durch Fühlen des Pulses gestellt
Anamnese sowie Pulsdiagnose sollen dem
Mediziner eine exakte Diagnose und die
Behandlung ermöglichen. Auch dabei
stehen Lebenswandel und Ernährung im
Mittelpunkt.
Wenn der Wind beim Windtyp zu stark wird
Die kraftlose und von Schlafstörungen geplagte Patientin verstärkt mit einer rigorosen Lebensweise
ihren Windtyp, sodass der Wind zu stark wird. Die Folge: Sie übernimmt sich und verliert auf Dauer ihre
Kraft.
"Man ermutigt sie also, nicht so streng zu leben", erklärt Ludwig. Das gilt auch für ihre Ernährung. Ab
und zu mal ein Stück Fleisch oder etwas Schokolade statt des Zuckerverzichts wären ratsam. "Wir
schreiben keine Diät vor, sondern prüfen, was zu dem Patienten passt", erklärt Grütte. Er muss
allerdings bereit sein, etwas an seinem Lebenswandel und seiner Ernährung zu verändern.
Auch äußerliche Anwendungen kennt die
TTM, etwa spezielle Formen des
Schröpfens oder Massagen. Darüber hinaus
werden Kräutermischungen, zu Pillen
gedreht, empfohlen.
Hierzulande sind sie über das Internet
erhältlich – doch sie sollten nie ohne
Absprache mit einem TTM-Kundigen
eingenommen werden. Denn auch
vermeintlich harmlose Kräuter haben eine
pharmakologische Wirkung.
Foto: pa
Dr. Frank Ludwig ist Allgemeinmediziner, ausgebildet
in der TTM und wendet diese in seiner Praxis in
Berlin an
Keine Beweise für die
Wirksamkeit
"Es wird argumentiert, dass solche
Verfahren schon seit Jahrhunderten
funktionieren", sagt Prof. Gerd Antes,
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Direktor des Deutschen Cochrane Zentrums in Freiburg, das einem internationalen Netzwerk von
Wissenschaftlern und Ärzten angehört, das sich an den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin
orientiert. Antes bezweifelt, dass die Verfahren tatsächlich etwas bewirken. "Es gibt nicht einen
wissenschaftlichen Beweis dafür, nur Behauptungen."
Bei einigen Menschen mögen einzelne Therapieansätze helfen – und schon sei die Aufmerksamkeit
groß. "Es hat bei zwei Menschen geklappt", sagt Antes. "Und 98 Mal bleibt die Behandlung ohne
Wirkung, aber das wird nicht bekannt."
Evidenzbasierte Studien fehlen, das räumt auch Allgemeinmediziner Ludwig ein. Das Etikett richtig oder
falsch will er aber nicht geben. Letztlich sei es an jedem Menschen selbst, sich der TTM zu öffnen –
oder eben nicht.
dpa/oc
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Quelle: TV-Wartezimmer Gesellschaft für moderne Kommunikation MSM GmbH & Co. KG