f o c u s Dr. Michael Heck, Kulturreferent der Stadt Karlsruhe Was die Kultur in Karlsruhe In der Fächerstadt wird nicht nur über Europa und Kultur nachgedacht – hier wird der europäische Gedanke im kulturellen Leben umgesetzt. Das nehmen auch unsere europäischen Nachbarn wahr. „Istanbul – Sonne, Mond und Sterne. Inszenierte Begegnungen am Bosporus“: Multimediale Lesung bei den 17. Europäischen Kulturtagen Karlsruhe 2004 „Istanbul“. Foto: Christian Jablinski 50 Karlsruher Wirtschaftsspiegel 2005/2006 „Lirik Tarih – Eine musikalische Reise durch die Türkei“: Gastspiel des Internationalen Festival Istanbul im Bad. Staatstheater bei den 17. Europäischen Kulturtagen Karlsruhe 2004. Foto: Christian Jablinski Der Karlsruher Privilegienbrief von 1715. Foto: Landesarchiv Baden-Württemberg, Generallandesarchiv Karlsruhe europäisch macht ie französische Publizistin Brigitte Sauzay sagte: „Jedes Mal, wenn ich die Deutschen über Europa reden höre, habe ich Lust zu weinen. Was gibt es Traurigeres als eine deutsche Rede über Europa?“ – Eine höchst deprimierende Feststellung über Deutschland und Europa. Was Brigitte Sauzay wohl dazu bewogen haben mag? Vielleicht war es die Tatsache, dass zwar viel über Europa geredet und nachgedacht – aber nur wenig in die Tat umgesetzt wird. Europa als ein theoretisches Konstrukt? Das wäre in der Tat eine traurige Angelegenheit. Doch wodurch kann eine Stadt für sich in Anspruch nehmen, mit ihrer Kultur eine Stadt Europas zu sein? Nun, es muss eine Stadt sein, in der über Europa und Kultur nicht bloß geredet, sondern der europäische Gedanke wirklich im kulturellen Leben umgesetzt wird. Und das kann Karlsruhe durchaus von sich behaupten. Bereits der Privilegienbrief von 1715 machte Karlsruhe zu einer Stadt, in der D Karlsruher Wirtschaftsspiegel 2005/2006 europäische Gedanken gelebt werden. Er gilt als ein Manifest europäischer Stadtgeschichte. Karlsruhe wird ihn als Europäischen Stadtbrief neu Gestalt gewinnen lassen. In diesem Brief sollen Menschen in ganz Europa ihre gegenwärtige Vorstellung von Gerechtigkeit ausdrücken. Karlsruhe war auch als eine der ersten deutschen Städte überhaupt an der Verwirklichung des Gedankens der europäischen Städtepartnerschaften beteiligt: Bereits 1955 nahm die Fächerstadt eine Partnerschaft mit der französischen Stadt Nancy auf – das 50-jährige Bestehen wird dieses Jahr mit einer Woche hochkarätiger Veranstaltungen gefeiert. Noch vor der Wende suchte Karlsruhe den Kontakt zu Ostdeutschland; heute pflegt die Stadt Partnerschaften mit Städten in Osteuropa. Die Verbindungen zu den fünf Partnerstädten Nancy, Nottingham, Halle, Temeswar und Krasnodar bestehen jedoch nicht nur auf dem Papier – zahlreiche Initiativen pflegen den Kontakt und fördern den wechselseitigen kulturellen Austausch. 51 f o c u s „Kleidung des Morgenlandes“: Modenschau bei den 17. Europäischen Kulturtagen Karlsruhe 2004 „Istanbul“. Foto: Christian Jablinski Moskau – das Thema der 18. Europäischen Kulturtage 2006. In Krasnodar gehen die Uhren anders. Foto: Iwan Schurawlew In der Euroinitiative unterhalten Rathausmitarbeiter aus Nottingham und Karlsruhe seit 1992 regen Kontakt. Auch ein Studierendenprogramm ist Teil der städtepartnerschaftlichen Verbindungen Karlsruhes. Seit über 30 Jahren organisieren Karlsruhe und Nancy ein Ferienpraktikum in der Stadtverwaltung der jeweiligen Partnerstadt. Karlsruhe lebt in seinen Städtepartnerschaften aktiv den europäischen Gedanken des kulturellen Austausches über die Staatsgrenzen hinaus und integriert ihn in seine Stadtkultur. Europäische Kulturtage Weiterer fester Bestandteil des auf Europa ausgerichteten kulturellen Lebens in Karlsruhe sind die Europäischen Kulturtage, 1983 von der Stadt und vom Badischen Staatstheater begründet. Die Begriffe „Kultur“ und „Europa“ prägen gleichermaßen dieses Festival, das die europäische Kultur inzwischen seit über 20 Jahren erlebbar macht. Denn diese europäische Kultur ist nicht leicht zu fassen: Sie besteht aus der Vielfalt der verschiedenen Nationalkulturen, die das Europäische als gemeinsamen Nenner haben. Die Europäischen Kulturtage versuchen dieses vielfältige Kulturleben durch die Darstellung einer Region, eines Landes, einer Epoche oder eines kulturhistorischen Mottos zu veranschaulichen und zu vermitteln. Dabei stellen sie sich 52 den wechselnden Herausforderungen außergewöhnlicher Themen. Im Jahr 2006 widmen sich die Europäischen Kulturtage Karlsruhe der Kulturstätte Moskau und setzen mithin den Schwerpunkt auf Osteuropa, um zu betonen, dass auch der Osten zum europäischen Haus gehört. „Frauenperspektiven“ Eine weitere Veranstaltung, in der sich Karlsruhes europäisches Denken widerspiegelt, ist das Festival „Frauenperspektiven“, organisiert seit 1991 alle zwei Jahre. Kennzeichnend für das Festival ist die grenzüberschreitende Ausrichtung nach Frankreich, die sich beispielsweise darin äußert, dass das Programmheft, der Internetauftritt und sonstige Werbemaßnahmen grundsätzlich in Deutsch und Französisch gehalten sind. Zudem besteht eine enge Kooperation mit dem Karlsruher Centre Culturel Franco-Allemand. Beispiel für europäisch ausgerichtetes Denken in Karlsruhe. Die Region hat durch ihre geographische Lage die Chance, die Rolle eines wichtigen Brückenkopfs der deutsch-französischen Zusammenarbeit in Wirtschaft, Technologie und Kultur zu übernehmen. Im PAMINA-Raum erfüllt Karlsruhe dementsprechend eine bedeutende Funktion: Die Stadt und ihre Institutionen beteiligen sich an einer Vielzahl von grenzüberschreitenden Projekten. Wenn eine Stadt aber für sich in Anspruch nimmt, in ihrer Kultur europäisches Denken zu leben, dann muss sie sich auch der Frage stellen, ob sie denn in Europa überhaupt wahrgenommen wird. Denn es ist zwar löblich, wenn eine Stadt europäisch denkt – doch was nutzt dies, wenn sie nicht auch eine europaweite Rolle spielt? Um dies festzustellen, ist es erforderlich, die Perspektive zu wechseln und festzustellen, wie die Menschen in Europa die kulturellen Aktivitäten der Stadt Karlsruhe wahrnehmen. Ein Indikator ist die Darstellung des Karlsruher Kulturlebens in Publikationen, die sich mit Europa befassen. Europäische Schule Grenzüberschreitende Projekte Überhaupt ist die fruchtbare deutschfranzösische Zusammenarbeit, auch auf kulturellem Gebiet, ein besonders gutes So wird beispielsweise gleich in drei Artikeln der Zeitschrift „Europa in Baden-Württemberg“ über Karlsruhe berichtet. Unter anderem wird die EuroKarlsruher Wirtschaftsspiegel 2005/2006 päische Schule als ein anschauliches Beispiel für die Realisierung europäischen Bildungsstrebens aufgeführt, was nicht verwundert – schließlich war Karlsruhe im Jahr 1962 die erste westdeutsche Stadt, in der eine solche Schule entstand. Überdies wird die Rolle Karlsruhes als Träger und Vermittler europäischer Kultur herausgestellt. In der Informationsbroschüre der europäischen Kommission findet sich ebenfalls ein Artikel über die Fächerstadt. Darin wird die Verknüpfung von Kunst und Technik betont, die Karlsruhe vor allem durch das Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) repräsentiert. Kultur und Technik vereint – eine in Europa seltene Symbiose! Europaweite Präsenz im Internet Und wie sehen unsere europäischen Nachbarn die Stadt Karlsruhe? Darüber gibt das Internet auf Websites Auskunft, welche die europaweite Wahrnehmung des kulturellen Angebots in Karlsruhe spiegeln. Zunächst einmal ist Karlsruhe mit seiner Stadthomepage (www.karlsruhe.de) in Frankreich und England präsent. Wenn ein englischer oder französischer User sich über die Kultur in Karlsruhe informieren möchte, wird er mühelos fündig. Auch einzelne Institutionen wie das Badische Landesmuseum, die Staatliche Kunsthalle und das Naturkundemuseum lassen sich über ausländische Suchmaschinen finden. Mithin macht die Stadt Karlsruhe ihr kulturelles Angebot europaweit virtuell zugänglich. Bemerkenswert ist auch, dass Künstler aus Frankreich, England und Polen im Netz darauf hinweisen, dass sie Station in Karlsruhe gemacht haben. Die Institutionen der Stadt sind häufig als Referenzen im Lebenslauf europäischer Kulturschaffender zu finden. Besonders oft sind das ZKM und die Musikhochschule erwähnt. Im Internet finden sich auch einige fremdsprachige Beschreibungen der Fächerstadt: So beschreibt eine englische Seite die Stadt Karlsruhe als „city rich in culture, with numerous excellent and unusal museums“ – wie überhaupt die „unusual museums“ der Stadt lebhafte Aufmerksamkeit finden. Englische Museumsliebhaber finden, wenn sie Museen deutschlandweit suchen, Hinweise auf fünf Karlsruher Museen. In Polen ist Karlsruhe auf einer Liste der sehenswerten Museen Deutschlands zwei Mal vertreten. Auf der Homepage der Londoner Bibliothek findet sich ein Link nach Karlsruhe, und die Suchmaschine der Karlsruher Universitätsbibliothek wird allen empfohlen, die nach deutschen Büchern suchen. In England, der Heimat mustergültig gepflegter Gartenlandschaften, wird zudem der Karlsruher Schlossgarten als für eine Deutschlandreise empfehlenswerte Sehenswürdigkeit vorgestellt. Die internationale Messe für moderne Kunst art KARLSRUHE wird vor allem auf den Homepages französischer Galeristen angekündigt. Da das Internet als Spiegel der öffentlichen Diskussion gilt, lässt sich feststellen, dass Karlsruhe kulturell in ganz Europa wahrgenommen wird. Doch vor allem ist Karlsruhe eine Stadt, die nicht nur europäisch denkt, sondern den europäischen Gedanken gerade im Kulturbereich voller Kreativität verwirklicht. Das würde auch Madame Sauzay gefallen. www.europaeische-kulturtage.de www.karlsruhe.de/kultur Derfür Fitness-Check Ihr Unternehmen: Märkte und Branchen unterliegen einem ständigen Wandel. Damit Ihr Unternehmen fit für die Anforderungen des Alltags ist, bieten wir als regionale Bank des Mittelstandes einen ultimativen Fitness-Check: den Rating-Dialog. 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