Was ist Geld? - Marktlehre

Was ist Geld?
Robert Pawelke-Klaer
Ein neuer Grundstein
Dass wir bis heute nicht wissen, was Geld ist, weil wir nicht wissen, woraus
der Wert der Waren besteht, für den das Geld als „Stellvertreter auf Erden“ fungiert, ist ein offenes Geheimnis. Das Geld steht für einen Wert, den wir nicht kennen. Entsprechend sieht unsere Hilflosigkeit im Umgang mit dem Geld aus.
Robert Pawelke-Klaer /www.marktlehre.de
Das übliche ökonomische Bewusstsein betrachtet das Geld als Tauschmittel,
Wertmesser und Wertaufbewahrungsmittel. So lauten die allgemein anerkannten Definitionen des Geldes, die von niemandem in Frage gestellt werden. Diese „drei Gesellen des Geldes“ werden vielmehr als unbezweifelbare, ewige Wahrheiten behandelt, die man als feststehende Größen hinzunehmen und zu verstehen hat. Man
streitet sich daher nur um das richtige Verständnis dieser ökonomischen Annahmen, nicht aber über die Richtigkeit der Annahmen selber. Darüber könnte man
hinwegsehen, wenn wir keine Probleme mit dem Geld hätten. Davon kann aber
keine Rede sein. Die Wirtschaftskrisen im Kapitalismus hatten nie ökonomische,
d.h. sachliche Ursachen, sondern immer nur finanzielle Gründe. Das gilt bis auf den
heutigen Tag. Da muss es nicht nur erlaubt sein, sondern ist es geradezu eine
Pflicht, diese Annahmen, die eine Gebrauchsanleitung für das Geld sind, in Frage
zu stellen.
Außerhalb einer menschlichen Beziehung ist das Geld bedeutungslos. Die
Natur hätte nur ein müdes Lächeln für uns übrig, sollten wir versuchen, mit Geld
bei der Mutter Erde das Getreide für unser tägliches Brot, beim Schaf die Wolle für
unsere Kleider, beim Baum das Holz für unser Haus kaufen zu wollen. Die Natur
würde uns für diese Dummheit letztlich mit dem Untergang bestrafen. Gerne steht
uns die Natur zu Diensten, nur mit Geld können wir bei ihr keinen Blumentopf gewinnen. Vom Verzehr von Geld können wir uns auch nicht ernähren. Das Geld ist
ohne eine menschliche Beziehung völlig wertlos. So kann das Geld nur für einen menschlichen Wert und für keinen sachlichen Wert stehen. Die Frage ist nur: Welchen
menschlichen Wert vertritt das Geld?
Sehen wir uns vor diesem Hintergrund zuerst einmal die innere Logik der
drei klassischen Definitionen des Geldes an: Tauschmittel, Wertmesser und Wertaufbewahrung.
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Das Geld als Tauschmittel. Soweit das Geld als Tauschmittel betrachtet wird,
unterstellt man, dass das Geld dazu diene, den Tausch zu ermöglichen, wo ein Warenaustausch nicht möglich ist - weil z.B. der Metzger nichts zu bieten hat, was den
vegetarischen Schreiner, der den Metzger mit Möbeln versorgt, erfreuen könnte.
Das Geld soll also einen Vorgang ermöglichen, der real nicht möglich ist und nicht
stattfindet? Das wirft allerdings Fragen auf! Dieser Umstand lässt die Vermutung
aufkommen, dass die Marktwirtschaft aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht auf
dem Tausch beruht! Wenn sie auf dem Tausch beruhen würde, dann stünde die
Frage „Wer tauscht mit wem?“ im Mittelpunkt. Doch diese Frage stellt niemand.
Das Geld als Wertmesser. In der Tauschökonomie konnte man sich bis heute
nicht darauf einigen, woraus der Wert besteht oder was den Wert einer Ware ausmacht. Und so konnte man sich verständlicherweise auch auf keine Einheit für den
Wert einigen. Doch ohne Einheit kann von einem Messen keine Rede sein. Dieser
Grundsatz gilt auch für den Tausch. Beim „Messen“ kann es sich folglich nur um
ein Bewerten handeln. Doch das ist etwas Subjektives, Menschliches und nichts
Sachliches, nichts Ökonomisches. Was aber wird bewertet? Die Güter und Dienstleistungen können es nicht sein. Der Selbstversorger muss seine Güter und Dienstleistungen nicht bewerten. Und so kann es auch nicht sein, dass zwei Kaufleute,
wenn sie über den Wert ihrer Waren verhandeln, letztlich ihre Waren bewerten. Sie
müssen etwas in Bezug auf diese Waren bewerten. Doch was ist das? Hinter dieser
Frage liegt das Geheimnis des Wertes und des Geldes. Doch ehe wir uns dieser Frage zuwenden, wollen wir noch auf die dritte Annahme der Tauschökonomie eingehen, die uns zeigt, dass es sich beim Wert, der durch das Geld repräsentiert wird,
nicht um den Wert der Ware handeln kann, auch wenn alle davon ausgehen.
Das Geld als Wertaufbewahrungsmittel. Der Wert soll laut der Tauschökonomie
eine Eigenschaft der Waren sein. Diese Eigenschaft, von der wir mittlerweile wissen, dass sie das unbekannte Wesen der Ökonomie ist, soll man unabhängig von
den Waren aufbewahren können. Das läuft auf die Behauptung hinaus, man könne
mit Hilfe eines Maßbandes die Länge eines Balkens unabhängig vom Balken aufbewahren, um diese Länge zu einem späteren Zeitpunkt etwa in eine entsprechende
Länge Elektrokabel eintauschen zu können. Mehr noch: Den Wert als eine Eigenschaft des Brotes soll man mit Hilfe des Geldes auch noch dann aufbewahren kön-
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nen, wenn das Brot schon längst verzehrt ist! An diese Vorstellungen kann man sich
gewöhnen, doch sieht man näher zu, stellt man fest, wie absurd sie im Grunde sind.
Auch diese „Logik“ weist uns darauf hin, dass der Wert, der durch das Geld repräsentiert wird, in keinem sachlichen Zusammenhang zu den Waren stehen kann.
Mit der Annahme, Geld sei ein Tauschmittel, ein Wertmesser und ein Wertaufbewahrungsmittel, kommen wir angesichts unser Probleme im Umgang mit dem
Geld keinen Flohsprung weiter. Die inneren Widersprüche dieser Annahmen zwingen uns zum Umdenken. Umdenken heißt, eine andere Sichtweise der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zu gewinnen, um das Geld verstehen zu können und neue
Umgangsformen mit dem Geld zu entwickeln, soweit das Geld uns innerhalb der
gesellschaftlichen Arbeitsteilung dienlich sein kann. Das Geld ist ein Werkzeug, das
man wie jedes unpassende Werkzeug ablegen muss, wenn die gewünschten Arbeiten damit nicht verrichtet werden können. Sehen wir uns im Folgenden die gesellschaftliche Arbeitsteilung an, die gestaltet werden muss, wozu wir in der Regel das
Geld als Werkzeug einsetzen.
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Das menschliche Leben besteht darin, dass wir die Erde und die Arbeit miteinander teilen. Das können wir uns nicht aussuchen, das ist die So-heit des Lebens.
Wir können uns nur aussuchen, wie wir mit dieser So-heit umgehen wollen. Was
man miteinander teilt, das muss man für den Gebrauch und Verbrauch einteilen
und verteilen. Haben wir eine Bestandsaufnahme der ökonomischen Möglichkeiten
gemacht - der sachlichen und menschlichen Möglichkeiten -, dann stellt sich die
Frage, wofür man die natürlichen und geschaffenen Reichtümer verwenden möchte
und wem welche Bedürfnisse und Wünsche durch die gesellschaftliche Arbeitsteilung erfüllt werden sollen. Das sind ganz natürliche Fragen, die sich aus der Tatsache ergeben, dass wir die Erde und die Arbeit miteinander teilen.
Wenn man Sachen und Arbeiten miteinander teilt, auf die man gemeinsam
angewiesen ist und die für den Gebrauch und Verbrauch untereinander verteilt
werden müssen, dann bedarf es menschlicher Entscheidungen - Entscheidungen
durch den Menschen, die menschlich und unmenschlich ausfallen können. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, lautet: Wodurch werden die menschlichen
Entscheidungen bestimmt, wenn es einerseits um die Frage der Verteilung der natürlichen
und geschaffenen Reichtümer geht und andererseits um die Frage, für wen welche Arbeiten
innerhalb der gesellschaftlichen Arbeitsteilung übernommen werden sollen?
Die Frage ergibt sich daraus, dass wir in einer Marktwirtschaft keine Selbstversorger sind, sondern versorgt werden und selber für die Versorgung anderer
zuständig sind. Wir müssen daher bei der Verteilung der Arbeit zwischen der zu leisten
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den und der erhaltenen Arbeit unterscheiden. Daraus resultiert unter anderem die
Möglichkeit, dass alle gleich viel Arbeit leisten, aber nicht alle gleich viel Arbeit erhalten. Das menschenwürdige Grundeinkommen darf dabei nicht unterschritten
werden. Andererseits erlaubt die Produktivität, dass nicht von allen gleich viel
Arbeit geleistet werden muss, um allen eine menschenwürdige Versorgung zukommen zu lassen. Kurz, die geleistete Arbeit sagt nichts darüber aus, was jemand an
Arbeit (Früchten der Arbeit) erhalten kann.
Wir stehen damit vor jener ökonomischen Freiheit, die vom Tausch „systematisch“ geleugnet und unterschlagen wird: In einer Gemeinschaft mit gesellschaftlicher Arbeitsteilung ist es den Menschen freigestellt, wem sie in welchem Umfang welche
Bedürfnisse und Wünsche erfüllen und welchen Beitrag sie dem Einzelnen abverlangen wollen. Wir legen die Normen fest. Die Ökonomie der gesellschaftlichen Arbeitsteilung
ist frei von jeder Norm. Der Kapitalismus ist kein „System“, das uns Normen vorschreibt, sondern die „kapitalistischen Normen“ sind das System.
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Dies hat nichts mit der subjektiven Wertlehre aus dem Reich der Tauschökonomie zu tun. Die subjektive Wertlehre unterstellt, dass auf dem Markt über den
Wert der Waren verhandelt werde. Doch der Schein trügt. Nachdem der Mensch
eine Bestandsaufnahme aller ökonomischen Möglichkeit gemacht hat, gilt es eine
Antwort auf die Frage zu geben: Was will ich produzieren? Als Selbstversorger müssen wir dazu ein Urteil über unsere Bedürfnisse und Wünsche fällen, um die entsprechenden ökonomischen Entscheidungen treffen zu können. Ein Urteil abzugeben
heißt ein Werturteil über die Bedürfnisse und Wünsche abzugeben, um entscheiden
zu können, wozu und wie wir die ökonomischen Mittel verwenden wollen. An diesem Werturteil führt kein Weg vorbei.
In einer Gesellschaft, die sich auf die gesellschaftliche Arbeitsteilung eingelassen hat, stellt sich diese individuelle Frage als eine soziale Frage, das heißt als
eine Beziehungsfrage: Wessen Bedürfnisse und Wünsche wollen wir befriedigen? Dieser
Frage können wir uns nicht entziehen, denn in einer Marktwirtschaft produzieren
wir, was andere konsumieren und konsumieren selber, was andere produziert haben. Eine Antwort auf diese Frage wird uns von der gesellschaftlichen Arbeitsteilung so oder so abverlangt. Und sie wird von uns so oder so beantwortet, einerlei
wie, auf welchem Wege und mit welchem Bewusstsein. Am Ende eines Wirtschaftsjahres lässt sich völlig vorurteilsfrei und wertfrei feststellen, wer wem was gegeben
hat. Zu erkennen, dass uns nichts dazu gezwungen hat, sondern dass wir dies aufgrund unseres kollektiven Bewusstsein so wollten, das fällt uns schwer, weil wir
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von dem Glauben durchdrungen sind, die gesellschaftliche Arbeitsteilung unterliege eigenen Gesetzmäßigkeiten.
In einer Marktwirtschaft lebt niemand und kann niemand von seiner Arbeit
oder seinem Besitz leben. „Wir bestreiten unseren Lebensunterhalt mit den Dingen,
die wir bekommen und leben von dem, was wir geben.“ (Winston Churchill) Daher
können wir uns drehen und wenden, wie wir wollen: Wir müssen in einer gesellschaftlichen Arbeitsteilung ein Urteil darüber fällen, wessen Bedürfnisse und Wünsche befriedigt
werden sollen und wessen nicht. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung nimmt uns dies
nicht ab, wie es uns unser Tauschbewusstsein zu suggerieren versucht.
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Als Selbstversorger müssen wir ein Werturteil über unsere eigenen Bedürfnisse und Wünsche abgeben, um unsere ökonomischen Entscheidungen treffen zu
können. Ein Urteil und Werturteil über die Bedürfnisse und Wünsche unseres
Nächsten verbietet sich. Stattdessen müssen wir entscheiden, wessen Bedürfnisse
und Wünsche wir befriedigen wollen. Und wovon hängt unser Wille ab, jemandem
einen Wunsch zu erfüllen? Davon, was uns der Mensch wert ist. Von dieser Wertschätzung hängt unsere Bereitschaft ab, anderen ihre Bedürfnisse und Wünsche zu
erfüllen und mit ihnen die natürlichen, gesellschaftlichen und menschlichen Ressourcen zu teilen. Auf dem Markt verhandeln wir anhand der Preise über den gesellschaftlichen Wert der Menschen. Dazu werden wir durch die Natur der gesellschaftlichen
Arbeitsteilung gezwungen.
Das Geld steht für den gesellschaftlichen Wert des Menschen. Vom gesellschaftlichen Wert des einzelnen Menschen hängt der Umfang der Versorgung des Einzelnen durch die gesellschaftliche Arbeitsteilung ab. Dabei darf man sich nicht der Illusion hingeben, das Geld wäre die Ursache dafür, dass wir Werturteile abgeben. In
Wirklichkeit ist es die gesellschaftliche Arbeitsteilung selber, die uns zu diesen
Werturteilen zwingt, weil wir entscheiden müssen, wessen Bedürfnisse und Wünsche in welchem Umfang erfüllt werden sollen. Man kann dies auch damit beschreiben, dass die gesellschaftliche Arbeitsteilung uns zwingt, mit unseren Mitmenschen in Beziehung zu treten. Das Geld ist darin ein Kommunikationsmittel. Das
soll nicht heißen, dass allein über das Geld alle ökonomischen Entscheidungen
vermittelt werden können. So kann ein Kaufboykott vieles beinhalten, zum Beispiel
die Forderung nach Mindestlohn, nach biologischen Lebensmitteln, nach ökologischer Produktionsweise usw.
Unser gesellschaftliches ökonomisches Bewusstsein wird von der Vorstellung
beherrscht, dass die ökonomischen Möglichkeiten über die Befriedigung der
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menschlichen Bedürfnisse entscheiden. In Wirklichkeit muss der Mensch entscheiden, wie er mit den ökonomischen Möglichkeiten umgehen will und welche Bedürfnisse und Wünsche er damit befriedigen will und welche nicht. Diese Entscheidung nimmt ihm nichts und niemand ab, schon gar nicht „die Ökonomie“. Indem
die Tauschökonomie auf die Begrenztheit der ökonomischen Möglichkeiten hinweist, die sie Mangel nennt, versucht sie, von der Freiheit innerhalb der Begrenzungen abzulenken.
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Über den gesellschaftlichen Wert des Menschen kann unabhängig von den ökonomischen Möglichkeiten verhandelt werden. Das Geld ist kein Spiegel der Ökonomie
und auch nicht deren Kreislauf. Das Geld ist ein Spiegel der gesellschaftlichen Wertschätzung des Menschen. Wer glaubt, diese Wertschätzung werde vom Wert der Waren bestimmt, der übersieht, dass hinter dem Wert der Waren eine Wertschätzung
menschlicher Arbeit oder einer menschlichen Gabe steckt. Wenn wir über den Wert
einer Ware verhandeln, dann verhandeln wir über die Wertschätzung, die sich Verkäufer und Käufer im Rahmen gesellschaftlicher Konventionen zu erweisen gedenken. Daher schreibt Adam Smith gleich auf der ersten Seite des Vorworts seines
Hauptwerks „Über den Wohlstand der Nationen“: „Die Ursachen dieser Verbesserung in den produktiven Kräften der Arbeit untersuche ich im ersten Buch, ebenso
die Ordnung, nach der sich der Ertrag der Arbeit natürlicherweise auf die einzelnen
Schichten und nach sozialer Stellung der Menschen verteilt.“ (Man beachte auch,
dass er von Verteilung und nicht von Austausch spricht.)
Diese Wertschätzungen sind nicht nur individueller, sondern auch gesellschaftlicher Natur, für die wir individuell mit verantwortlich sind. Der Mindestlohn
ist eine Wertschätzung, die gesellschaftlicher Anerkennung bedarf. Diese fehlt bis
auf den heutigen Tag. Sie fehlt vor allem aus Unwissenheit über die menschliche
Natur des Wirtschaftslebens. Die meisten Menschen glauben noch immer an die
Lehre von den ökonomischen Zusammenhängen, die sie davon abhält zu erkennen,
dass sich dahinter menschliche Interessen verbergen, über die man nicht nur verhandeln darf, sondern muss, damit sich die Verhältnisse, d.h. Zustände ändern. Dazu bedarf es eines menschlichen Willens
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Im Folgenden soll noch an zwei Beispielen - Arbeitslosigkeit und Renten aufgezeigt werden, wie die Wertschätzung über die Ökonomie bestimmt und die
Ökonomie nicht über die Wertschätzung entscheiden kann, wie es vom Tausch behauptet wird und uns durch allerlei „Finanzierungsmodelle“ und Wertschöpfungstheorien vorgegaukelt wird. An diesen beiden Beispielen wird deutlich, dass wir
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neue Umgangsformen mit Geld benötigen, denn der Tausch regelt nichts, sondern
wir müssen die Verteilung regeln, die uns aber auch das Geld nicht abnehmen
kann. Wenn wir über den „Wert der Tomaten“ eines Tomatenbauern verhandeln,
dann verhandeln wir nicht über den „Wert der Tomaten“, sondern über den Wert
des Tomatenbauern. Seine gesellschaftliche Wertschätzung, die sich in Geld für seine Tomaten ausdrückt, entscheidet darüber, in welchem Maße er auf die wirtschaftlichen Vorgänge Einfluss nehmen kann, als Verbraucher und als Produzent. Der
Tausch ist keine Alternative zur Verteilung, sondern der Schafspelz, unter dem sich
eine unmenschliche Verteilung als „ökonomischer Vorgang“ zu verbergen versucht.
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Die Arbeitslosigkeit und das Bedingungslose Grundeinkommen. Zur gesellschaftlichen Wertschätzung gehört auch die Frage, ob sich jemand überhaupt an der gesellschaftlichen Arbeitsteilung beteiligen darf. Sowohl was die Frage der zu leistenden
Arbeit als auch die Frage der zu erhaltenden Arbeit (Früchte der Arbeit) betrifft. Diese Wertschätzung kann auf Null gesetzt werden, indem man auf die Mitarbeit verzichten kann, weil man nicht auf sie angewiesen ist und sie somit nicht entlohnen
will. Dies geschieht nicht aus Mangel, sondern aus Überfluss. Und es geschieht
nicht aus ökonomischen Gründen, weil die Arbeit ausginge, sondern aus finanziellen Gründen. Das Produkt ist Arbeitslosigkeit.1
Die Wertschätzung, sich an der gesellschaftlichen Arbeitsteilung beteiligen
zu dürfen, kann man sich nicht durch Arbeit oder Waren erwerben, sondern sie
muss dem Einzelnen von der Gesellschaft gewährt werden, damit er sich an der
gesellschaftlichen Arbeitsteilung beteiligen kann. Das heißt nicht, dass über die Höhe der Wertschätzung nicht verhandelt werden dürfte oder müsste. Sicher ist nur,
wenn wir die Würde des Menschen anerkennen wollen, dann besteht die untere
Grenze der gesellschaftlichen Wertschätzung des Einzelnen in einem menschenwürdigen Bedingungslosen Grundeinkommen. Die ökonomischen Mittel, um dieses
Prinzip zu erfüllen, haben schon immer bestanden, wenn auch in ganz unterschiedlichem Maße.
Erst auf der Grundlage einer bedingungslosen Wertschätzung in Form eines
Bedingungslosen Grundeinkommens kann sich ein humanes und ökologisches
Wirtschaftsleben entfalten, sich selbst „organisieren“. Erst so können sich zum Beispiel Menschen daran beteiligen, anderen einen Teil der Last der Erwerbsarbeit abzunehmen. Das Geld hierfür muss ausbezahlt werden. Es kann nicht in der Ökonomie verdient werden, sondern es muss ausgezahlt werden, um eine humane Wirtschaft betreiben zu können. „Fiat Grundeinkommen!“ („Mache Grundeinkommen!“) – sollte die Losung lauten.
1
Siehe hierzu „Produktivität als Sündenbock“ unter: www.marktlehre.de
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Nicht in der Ökonomie wird das Geld geschöpft, sondern wir entscheiden mit Hilfe
des Geldes, ob und wie innerhalb der gesellschaftlichen Arbeitsteilung auf der Grundlage der
ökonomischen Möglichkeiten für wen Waren geschöpft werden sollen. Auf dieser Grundlage gilt es, mit dem heutigen Geld neu umzugehen und neue Umgangsformen mit
Geld zu entwickeln. Die heutigen Umgangsformen mit Geld und Denkformen über
Geld entsprechen dem Tauschdenken, aber nicht der gesellschaftlichen Arbeitsteilung.
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Hinter der Frage, wie das Grundeinkommen finanziert werden soll, verbirgt
sich der Unwille, diese Wertschätzung anzuerkennen und in Form von Geld auszusprechen. Das Geld ist ein Kommunikationsmittel und kein ökonomischer Wasserstandsanzeiger. Das Geld der Ökonomie anpassen zu wollen, läuft auf den Versuch
hinaus, den menschlichen Willen der Ökonomie anpassen zu wollen, die gerade
dem menschlichen Entscheidungswillen unterliegt. Diese Wertschätzung kann nicht
in der Ökonomie erworben werden, wie es uns der Tausch suggeriert, denn dies
hieße, sein Existenzrecht unter Beweis stellen zu müssen - ein menschenunwürdiges
Vorgehen. Die Wertschätzung muss gewährt werden, damit man in der Ökonomie
tätig werden kann. Man kann für diese Wertschätzung eine Gegenleistung erwarten, aber man kann sie selber nicht in Frage stellen. Das tun allein das Mangelbewusstsein und seine Helfershelfer - die Gier, die Ruhmsucht, das Machtstreben usw.
Die Renten. Rente bedeutet, dass jemand davon befreit ist, sich an der gesellschaftlichen Arbeitsteilung beteiligen zu müssen, während er von ihr versorgt wird.
Dies ist nur möglich, wenn die „arbeitende Bevölkerung“ mehr produziert, als sie
selber verbraucht. Das gilt auch für die Versorgung der Pflegekräfte, die benötigt
werden, um die kranken und alten Menschen zu pflegen. All diese Dinge können
wir während unseres Arbeitslebens nicht für unser Rentnerdasein sparen. Versorgt
wird im Hier und Jetzt. Das gilt sowohl für jene, die auf vier, auf zwei oder auf drei
Beinen gehen. Und unsere Rente hat auch nichts damit zu tun, ob wir während
unseres Arbeitslebens zur Versorgung anderer Rentner beigetragen haben. Wir erwerben uns damit einen moralischen Anspruch, aber leisten keinen materiellen Beitrag für unsre Rente. Hinzu kommt, dass es sich um einen moralischen Generationsanspruch handelt, denn es sind nicht die, die wir gepflegt haben, die uns pflegen, sondern jene, die nach uns kommen.
Die Renten müssen wie das Bedingungslose Grundeinkommen anerkannt
und gesellschaftlich ausbezahlt werden. Sie brauchen und können im üblichen Sinne nicht „finanziert“ werden, indem man einen ökonomischen Beitrag für die eigene Rente leistet. Wir haben keine Geldprobleme, sondern Wertprobleme. In einer Überflussgesellschaft Renten in Frage zu stellen, kommt einem schlechten Witz gleich.
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Die Renten müssen nicht finanziert, sondern ausbezahlt werden. Auch hier gilt: „Fiat Rente!“ – „Mache Rente!“ Hinter den so genannten „Finanzierungsproblemen“
verbergen sich in der Regel Machtfragen.
Sowenig die Demokratie „gerechte und menschliche“ Entscheidungen garantieren kann, sowenig können wir mit Hilfe des Geldes „gerechte und menschliche“
Entscheidungen organisieren. Es gibt keine Umgangsformen mit Geld, mit denen
eine humane Wirtschaft erzwungen werden könnte. Eine humane Wirtschaft liegt
ausschließlich in der Macht unseres Willens. Mit dem Geld als Spiegel der Ökonomie berauben wir uns unseres freien Willens. Das Geld ist ein Stimmzettel in den
Markthallen, den Parlamenten der Ökonomie. So mancher Umgang mit Geld - wie
Zinsen und Spekulationen - gilt es hinter uns zu lassen. Wer das Wesen des Geldes
kennt, der kann sogar diese Dinge gegen sie selber verwenden, solange sie bestehen.
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jedoch immer mein Name, der Quellenachweis sowie meine Webadresse angegeben sein.* Kommerzielle
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2011-02-28
Robert Pawelke-Klaer;Im Wolfacker 19; D-79219 Staufen; [email protected]
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