spezialfälle.dressur Was passiert, wenn…? Der Klassiker Häufig ist natürlich der Klassiker: das Verreiten innerhalb einer Dressuraufgabe. Der Richter muss in einem solchen Fall die Prüfung unterbrechen (Glockenzeichen), wenn der Reiter den falschen Weg einschlägt, eine Lektion vergisst oder sie am falschen Punkt reitet, die Lektion in der falschen Gangart reitet oder abbricht. Wird in einem der ersten vier Fälle abgeläutet, 12 RHEINLANDS REITER+PFERDE 7-2011 gibt es einen Punktabzug (0,2 für einmaliges Verreiten und 0,4 für das zweite im gemeinsamen Richtverfahren; bzw. 2 und 4 Punkte im getrennten Richtverfahren; Ausschluss beim dritten Verreiten) – bewertet wird aber die nach dem Abläuten erneut auf korrektem Weg gerittene Lektion. Bricht der Reiter dagegen die Lektion ab, wird die abgebrochene Lektion gewertet und ein Punktabzug für Verreiten vorgenommen. Wird nicht abgeläutet, zum Beispiel weil der Richter es zunächst nicht bemerkt, wird das Verreiten in der Wertnote für die Lektion oder in der Gesamtwertnote berücksichtigt. Übrigens: Gleiches gilt für das Verreiten in Dressurpferdeprüfungen, denn die sind gemäß LPO §352 analog! Beispiele Der Reiter beginnt mit einer falschen Aufgabe, die laut Ausschreibung auswendig geritten werden muss, und wird daher abgeläutet. Stellt sich heraus, dass der Teilnehmer die Aufgabe nicht wie gefordert auswendig kann, wird dieser von der Prüfung ausgeschlossen. Ist die Aufgabe laut Ausschreibung auswendig oder mit eigenem Kommandogeber zu reiten, kann der Teilnehmer – sofern er sofort einen Kommandogeber zur Verfügung hat, der die Aufgabe vorliest – diese beenden. Wenn nicht, wird er ausgeschlossen. In einer Abteilungsaufgabe gibt der Tetenreiter den Weg vor. Verreitet sich der Reiter an „vorderster Front“, kassiert er auch den Punktabzug für das Verreiten. Egal ob die Abteilung ihm folgt oder den korrekten Weg einschlägt! In jedem Fall muss der Richter abläuten. In Kür-Prüfungen gelten etwas andere Regeln: Das Auslassen einer Pflichtlektion wird in A- und B-Note mit 0,5 Punkten Abzug beziehungsweise einer Wertnote unter 6,0 geahndet. Auch das Reiten einer Lektion einer höheren Klasse wird so bestraft. Wird eine Pflichtlektion überzogen gezeigt Foto: XXXXXXX Brandel/HiM W elcher Dressurreiter hat sich nicht schon einmal verritten? Weil mitten in der Prüfung die Aufgabe plötzlich weg ist – als hätte jemand im Kopf die „Delete-Taste“ gedrückt. Oder weil mehrere Aufgaben durcheinander gebracht werden. Weil sich das Pferd erschreckt und den Reiter so aus dem Konzept bringt. Oder, oder, oder… Die Ursachen für Verreiten sind vielfältig und für Außenstehende nicht immer nachzuvollziehen. Auch für Richter nicht: Doch diese müssen innerhalb weniger Sekunden entscheiden, wie sich solche „Fehler“ in der Bewertung niederschlagen. Das „klassische“ Verreiten ist da noch ein „einfacher Fall“ für die Fachleute in den Richterhäuschen. Anders verhält es sich bei den zahlreichen „Spezialfällen“. Was ist, wenn der Kommandogeber die Aufgabe falsch vorliest? Eine falsche Lektion geritten wird? Oder ein Richter das Verreiten zunächst nicht bemerkt? Vorab: Grundsätzlich gilt in jedem Fall des Verreitens, dass die Aufgabe durch den oder die Richter unterbrochen werden muss – auch beim Reiten einer falschen Lektion! Und: Bewertet wird – außer im Fall einer abgebrochenen Lektion – immer die nach dem Abläuten erneut gerittene Lektion. Bei getrenntem Richten wird immer dann ein Punktabzug vorgenommen, wenn die Richter abgeläutet haben. Wird nicht abgeläutet, wird das Verreiten in der Gesamtwertnote bzw. der Wertnote einer Lektion berücksichtigt. …sich der Reiter verreitet und/oder der Richter es nicht bemerkt? Wie werden diese und andere Spezialfälle in der Dressur bewertet? RRP klärt auf! spezialfälle.dressur (zum Beispiel ganze statt halbe Schrittpirouette), kommt es zu einem Abzug von 0,2 und einer Note von unter 5 für die betroffene Pflichtlektion. Doch was passiert, wenn ein Richter das Verreiten eines Teilnehmers gar nicht oder zu spät bemerkt? Fällt dem Richter das Verreiten erst drei Lektionen später auf, muss er dennoch abläuten. Der Teilnehmer beginnt dann mit der Lektion neu, bei der er sich verritten hat. Bewertet werden die Lektionen „auf dem zweiten Weg“ und der entsprechende Punktabzug wird vorgenommen. Auch wenn der Reiter eine oder mehrere Lektionen nicht zeigt und der Richter dieses nicht sofort, aber noch vor Ende der Aufgabe bemerkt, muss das Paar im Viereck abgeläutet werden. Der Teilnehmer beginnt an der Stelle, an der er sich verritten hat; der Richter bewertet die Lektionen, die nach dem Abläuten geritten werden, und am Ende kommt wieder der Punktabzug für Verreiten zum Tragen. Bemerken der oder die Richter das Verreiten oder Auslassen von Lektionen überhaupt nicht, darf dieser Richterfehler nicht zu Lasten des Reiters gehen. Es wird angenommen, dass er die Lektion im guten Bereich (Wertnote 8) absolviert hat. Führt die Wertnote/Wertnotensumme zu einer Platzierung, muss der Teilnehmer zusätzlich platziert werden. Kommandogeber verliest sich? Spezialfälle tauchen auch auf, wenn der Kommandogeber sich verliest. Dabei wird unterschieden zwischen einem vom Veranstalter gestellten Kommandogeber, wie es in Prüfungen der Klasse E und A in der Regel der Fall ist, oder einem vom Reiter „mitgebrachten“. Verliest sich ein vom Veranstalter gestellter Kommandogeber und der Reiter folgt dessen Kommando, dann muss zwar abgeläutet werden, aber das falsche Kommando ist keinesfalls dem Teilnehmer anzurechnen. Der Reiter beginnt da wieder, wo der Kommandogeber sich verlesen hat, erhält aber keine Abzüge für Verreiten. Sofern der Reiter nicht dem falschen Kommando folgt und die Aufgabe korrekt weiter reitet, kann der Richter auf ein Abläuten verzichten – kein Verreiten also. Auch wenn der Reiter die Aufgabe nicht korrekt weiter reiten kann und abgeläutet werden muss, kann dem Teilnehmer 14 RHEINLANDS REITER+PFERDE 7-2011 kein Verreiten angerechnet werden, weil ein Verschulden des Kommandogebers vorliegt. Liest der Kommandogeber des Veranstalters eine falsche Aufgabe vor und wird dies vom Richter oder Teilnehmer bemerkt, klingelt ebenfalls das Glöckchen. Der Kommandogeber wird darauf hingewiesen und der Teilnehmer beginnt nochmals. Ein Verreiten ist ihm auch in diesem Fall nicht „anzukreiden“. Kompliziert wird es, wenn der Kommandogeber eine falsche Aufgabe vorliest und dies zunächst weder vom Richter, noch von den ersten Teilnehmern bemerkt wird, sondern erst von einem späteren Teilnehmer. Da hier ein klares Verschulden des Kommandogebers/Richters vorliegt, muss die Prüfung in zwei Abteilungen gewertet werden – sofern der Fauxpas frühestens dem fünften Teilnehmer auffällt. Die Teilneh- Fotos: Schupp/HiM Richterfehler – und dann? spezialfälle.dressur mer eins bis vier, die alle die falsche Aufgabe geritten sind, werden daraufhin in einer Abteilung platziert – Reiter fünf und die weiteren, die die korrekte Aufgabe geritten sind, in der zweiten Abteilung. Fällt ein solcher Fehler erst nach Beendigung der Prüfung auf, bleibt alles wie gehabt: Alle Reiter sind unter den gleichen Bedingungen geritten, sprich die gleiche Aufgabe! Genau das Gegenteil ist der Fall, wenn sich ein vom Reiter „mitgebrachter“ Kommandogeber verliest. Reitet der Teilnehmer nach diesem falschen Kommando, dann muss der Richter ebenfalls abläuten und dem Teilnehmer – im Sinne der Fairness – das als Verreiten anrechnen, sprich den entsprechenden Punktabzug am Ende vornehmen. Auch in Mannschaftsdressurprüfungen kann es zum Spezialfall „Verreiten“ kommen. Verliest sich der Mannschaftsführer und sein Quartett schlägt daraufhin den falschen Weg ein, dann folgt das bereits bekannte Prozedere: Abläuten, zweiter Versuch und Punktabzug. Je nach Ausschreibung kann der Punktabzug dabei an der Mannschaftsnote (Gesamteindruck) oder bei jedem einzelnen Mannschaftsreiter vorgenommen werden. Reiter gibt falsche Hilfen Gibt der Reiter in einer auswendig zu reitenden Aufgabe in einer Lektion offensichtlich falsche Hilfen (zum Beispiel zu Dreier- statt Viererwechseln oder zu Kurzkehrt statt zur Hinterhandswendung), muss der Richter abläuten. Denn auch das offensichtliche Reiten einer falschen Lektion zählt als Verreiten und wird mit entsprechendem Punktabzug geahndet. In der Regel ergibt sich besonders bei getrenntem Richtverfahren beim zweiten Versuch – sofern dieser gelingt – trotz Abzügen für das Verreiten noch eine höhere Wertnote, als wenn die Lektion als misslungen gewertet werden würde. Auch wenn das Pferd zum Beispiel den Hilfen des Reiters zuvor kommt (zum Beispiel im Außengalopp einen Wechsel springt weit vor dem Wechselpunkt) und dieser ein solches Verhalten nicht korrigiert, muss ein Richter regelkonform abläuten. Denn in solchen Fällen wird eine Lektion ausgelassen – und das ist gleichbedeutend mit dem Reiten einer falschen Lektion. Wird dagegen „nur“ ungenau geritten, kann abgeläutet werden, muss aber nicht. Sinnvoller ist in solchen Fällen meistens, die ungenaue Linienführung am Ende in die Wertnote einfließen zu lassen. Swing Ground 44 x 130 Abbrechen einer Lektion Bricht der Reiter eine Lektion ab und beginnt diese erneut, dann klingelt ebenfalls das Glöckchen der Richter. Der Fehler zählt als Verreiten, aber anders als im Fall eines „gewöhnlichen“ Verreitens wird die erste Ausführung der Lektion gewertet. MR 7-2011 RHEINLANDS REITER+PFERDE 15
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