Was passiert, wenn…? - Rheinlands Reiter+Pferde

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Was passiert,
wenn…?
Der Klassiker
Häufig ist natürlich der Klassiker: das Verreiten innerhalb einer Dressuraufgabe. Der
Richter muss in einem solchen Fall die
Prüfung unterbrechen (Glockenzeichen),
wenn der Reiter den falschen Weg einschlägt, eine Lektion vergisst oder sie am
falschen Punkt reitet, die Lektion in der
falschen Gangart reitet oder abbricht. Wird
in einem der ersten vier Fälle abgeläutet,
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gibt es einen Punktabzug (0,2 für einmaliges Verreiten und 0,4 für das zweite im
gemeinsamen Richtverfahren; bzw. 2 und 4
Punkte im getrennten Richtverfahren; Ausschluss beim dritten Verreiten) – bewertet
wird aber die nach dem Abläuten erneut
auf korrektem Weg gerittene Lektion.
Bricht der Reiter dagegen die Lektion
ab, wird die abgebrochene Lektion gewertet und ein Punktabzug für Verreiten vorgenommen. Wird nicht abgeläutet, zum
Beispiel weil der Richter es zunächst nicht
bemerkt, wird das Verreiten in der Wertnote für die Lektion oder in der Gesamtwertnote berücksichtigt.
Übrigens: Gleiches gilt für das Verreiten in Dressurpferdeprüfungen, denn die
sind gemäß LPO §352 analog!
Beispiele
Der Reiter beginnt mit einer falschen Aufgabe, die laut Ausschreibung auswendig
geritten werden muss, und wird daher abgeläutet. Stellt sich heraus, dass der Teilnehmer die Aufgabe nicht wie gefordert
auswendig kann, wird dieser von der Prüfung ausgeschlossen.
Ist die Aufgabe laut Ausschreibung auswendig oder mit eigenem Kommandogeber
zu reiten, kann der Teilnehmer – sofern er
sofort einen Kommandogeber zur Verfügung hat, der die Aufgabe vorliest – diese
beenden. Wenn nicht, wird er ausgeschlossen.
In einer Abteilungsaufgabe gibt der
Tetenreiter den Weg vor. Verreitet sich der
Reiter an „vorderster Front“, kassiert er
auch den Punktabzug für das Verreiten.
Egal ob die Abteilung ihm folgt oder den
korrekten Weg einschlägt! In jedem Fall
muss der Richter abläuten.
In Kür-Prüfungen gelten etwas andere
Regeln: Das Auslassen einer Pflichtlektion
wird in A- und B-Note mit 0,5 Punkten Abzug beziehungsweise einer Wertnote unter
6,0 geahndet. Auch das Reiten einer Lektion einer höheren Klasse wird so bestraft.
Wird eine Pflichtlektion überzogen gezeigt
Foto: XXXXXXX
Brandel/HiM
W
elcher Dressurreiter hat sich
nicht schon einmal verritten?
Weil mitten in der Prüfung die
Aufgabe plötzlich weg ist – als hätte jemand im Kopf die „Delete-Taste“ gedrückt.
Oder weil mehrere Aufgaben durcheinander gebracht werden. Weil sich das Pferd
erschreckt und den Reiter so aus dem Konzept bringt. Oder, oder, oder…
Die Ursachen für Verreiten sind vielfältig und für Außenstehende nicht immer
nachzuvollziehen. Auch für Richter nicht:
Doch diese müssen innerhalb weniger Sekunden entscheiden, wie sich solche „Fehler“ in der Bewertung niederschlagen.
Das „klassische“ Verreiten ist da noch
ein „einfacher Fall“ für die Fachleute in
den Richterhäuschen. Anders verhält es
sich bei den zahlreichen „Spezialfällen“.
Was ist, wenn der Kommandogeber die
Aufgabe falsch vorliest? Eine falsche Lektion geritten wird? Oder ein Richter das Verreiten zunächst nicht bemerkt?
Vorab: Grundsätzlich gilt in jedem Fall
des Verreitens, dass die Aufgabe durch
den oder die Richter unterbrochen werden
muss – auch beim Reiten einer falschen
Lektion!
Und: Bewertet wird – außer im Fall
einer abgebrochenen Lektion – immer die
nach dem Abläuten erneut gerittene Lektion. Bei getrenntem Richten wird immer
dann ein Punktabzug vorgenommen, wenn
die Richter abgeläutet haben. Wird nicht
abgeläutet, wird das Verreiten in der Gesamtwertnote bzw. der Wertnote einer Lektion berücksichtigt.
…sich der Reiter verreitet und/oder der
Richter es nicht bemerkt? Wie werden diese
und andere Spezialfälle in der Dressur bewertet? RRP klärt auf!
spezialfälle.dressur
(zum Beispiel ganze statt halbe
Schrittpirouette), kommt es zu
einem Abzug von 0,2 und einer
Note von unter 5 für die betroffene Pflichtlektion.
Doch was passiert, wenn ein
Richter das Verreiten eines
Teilnehmers gar nicht oder zu
spät bemerkt? Fällt dem Richter das Verreiten erst drei Lektionen später auf, muss er dennoch abläuten. Der Teilnehmer
beginnt dann mit der Lektion
neu, bei der er sich verritten
hat. Bewertet werden die Lektionen „auf dem zweiten Weg“
und der entsprechende Punktabzug wird vorgenommen.
Auch wenn der Reiter eine
oder mehrere Lektionen nicht
zeigt und der Richter dieses
nicht sofort, aber noch vor
Ende der Aufgabe bemerkt,
muss das Paar im Viereck abgeläutet werden. Der Teilnehmer beginnt an der Stelle, an
der er sich verritten hat; der
Richter bewertet die Lektionen,
die nach dem Abläuten geritten
werden, und am Ende kommt
wieder der Punktabzug für
Verreiten zum Tragen.
Bemerken der oder die
Richter das Verreiten oder Auslassen von Lektionen überhaupt
nicht, darf dieser Richterfehler nicht zu Lasten des Reiters
gehen. Es wird angenommen,
dass er die Lektion im guten
Bereich (Wertnote 8) absolviert
hat. Führt die Wertnote/Wertnotensumme zu einer Platzierung, muss der Teilnehmer zusätzlich platziert werden.
Kommandogeber
verliest sich?
Spezialfälle tauchen auch auf,
wenn der Kommandogeber sich
verliest. Dabei wird unterschieden zwischen einem vom Veranstalter gestellten Kommandogeber, wie es in Prüfungen der
Klasse E und A in der Regel
der Fall ist, oder einem vom
Reiter „mitgebrachten“.
Verliest sich ein vom Veranstalter gestellter Kommandogeber und der Reiter folgt dessen
Kommando, dann muss zwar
abgeläutet
werden, aber
das
falsche
Kommando
ist
keinesfalls dem Teilnehmer anzurechnen. Der
Reiter beginnt da wieder, wo
der Kommandogeber sich verlesen hat, erhält aber keine Abzüge für Verreiten. Sofern der
Reiter nicht dem falschen Kommando folgt und die Aufgabe
korrekt weiter reitet, kann der
Richter auf ein Abläuten verzichten – kein Verreiten also.
Auch wenn der Reiter die Aufgabe nicht korrekt weiter reiten
kann und abgeläutet werden
muss, kann dem Teilnehmer
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kein Verreiten angerechnet
werden, weil ein Verschulden
des Kommandogebers vorliegt.
Liest der Kommandogeber
des Veranstalters eine falsche
Aufgabe vor und wird dies
vom Richter oder Teilnehmer
bemerkt, klingelt ebenfalls das
Glöckchen. Der Kommandogeber wird darauf hingewiesen
und der Teilnehmer beginnt
nochmals. Ein Verreiten ist ihm
auch in
diesem
Fall
nicht
„anzukreiden“.
Kompliziert
wird es, wenn der Kommandogeber eine falsche Aufgabe vorliest und dies zunächst
weder vom Richter, noch von
den ersten Teilnehmern bemerkt wird, sondern erst von
einem späteren Teilnehmer.
Da hier ein klares Verschulden
des Kommandogebers/Richters
vorliegt, muss die Prüfung
in zwei Abteilungen gewertet
werden – sofern der Fauxpas
frühestens dem fünften Teilnehmer auffällt. Die Teilneh-
Fotos: Schupp/HiM
Richterfehler
– und dann?
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mer eins bis vier, die alle die
falsche Aufgabe geritten sind,
werden daraufhin in einer Abteilung platziert – Reiter fünf
und die weiteren, die die korrekte Aufgabe geritten sind, in
der zweiten Abteilung. Fällt
ein solcher Fehler erst nach
Beendigung der Prüfung auf,
bleibt alles wie gehabt: Alle
Reiter sind unter den gleichen
Bedingungen geritten, sprich
die gleiche Aufgabe!
Genau das Gegenteil ist der
Fall, wenn sich ein vom Reiter
„mitgebrachter“ Kommandogeber verliest. Reitet der Teilnehmer nach diesem falschen
Kommando, dann muss der
Richter ebenfalls abläuten und
dem Teilnehmer – im Sinne
der Fairness – das als Verreiten anrechnen, sprich den entsprechenden Punktabzug am
Ende vornehmen.
Auch in Mannschaftsdressurprüfungen kann es zum
Spezialfall „Verreiten“ kommen. Verliest sich der Mannschaftsführer und sein Quartett
schlägt daraufhin den falschen
Weg ein, dann folgt das bereits
bekannte Prozedere: Abläuten,
zweiter Versuch und Punktabzug. Je nach Ausschreibung
kann der Punktabzug dabei
an der Mannschaftsnote (Gesamteindruck) oder bei jedem
einzelnen Mannschaftsreiter
vorgenommen werden.
Reiter gibt
falsche Hilfen
Gibt der Reiter in einer auswendig zu reitenden Aufgabe
in einer Lektion offensichtlich
falsche Hilfen (zum Beispiel
zu Dreier- statt Viererwechseln
oder zu Kurzkehrt statt zur
Hinterhandswendung), muss
der Richter abläuten. Denn
auch das offensichtliche Reiten
einer falschen Lektion zählt als
Verreiten und wird mit entsprechendem Punktabzug geahndet.
In der Regel ergibt sich besonders bei getrenntem Richtverfahren beim zweiten Versuch
– sofern dieser gelingt – trotz
Abzügen für das Verreiten noch
eine höhere Wertnote, als wenn
die Lektion als misslungen gewertet werden würde.
Auch wenn das Pferd zum
Beispiel den Hilfen des Reiters
zuvor kommt (zum Beispiel im
Außengalopp einen Wechsel
springt weit vor dem Wechselpunkt) und dieser ein solches
Verhalten nicht korrigiert, muss
ein Richter regelkonform abläuten. Denn in solchen Fällen
wird eine Lektion ausgelassen
– und das ist gleichbedeutend
mit dem Reiten einer falschen
Lektion.
Wird dagegen „nur“ ungenau geritten, kann abgeläutet
werden, muss aber nicht. Sinnvoller ist in solchen Fällen meistens, die ungenaue Linienführung am Ende in die Wertnote
einfließen zu lassen.
Swing Ground
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Abbrechen
einer Lektion
Bricht der Reiter eine Lektion
ab und beginnt diese erneut,
dann klingelt ebenfalls das
Glöckchen der Richter. Der
Fehler zählt als Verreiten, aber
anders als im Fall eines „gewöhnlichen“ Verreitens wird
die erste Ausführung der Lektion gewertet.
MR
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