WAS!Er war bereits Kehrmanns Kronprinz und soll nun in Kiel

SPRENGI!
MACH
MAL
WAS!
foto: imago
Er war bereits Kehrmanns
Kronprinz und soll nun in Kiel
schnell Rechtsaußen Kavticnik
beerben: Christian Sprenger,
für 250 000 Euro vom SC
Magdeburg gekommen, kämpft
um seine zweite große Chance
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Das Leben beginnt neu. Ein anderer Ort, eine irgendwie andere
Sprache. Kleinigkeiten wie das stete „Moin” anstelle des gewohnten „Guten Tag” zeigen ihm, dass er im Norden noch
fremd ist. Filialen von Hornbach, Bauhaus und Ikea sind die
ersten Orte, die Christian Sprenger neben seinem neuen Heim
in Meimersdorf besser kennenlernt. Mit Freundin Beate entdeckt er als Landei den Ostseestrand und das Meer. „Das ist
ein ganz anderes Lebensgefühl”, sagt Sprenger staunend und
genießt die sommerliche Sonne. Der 26-jährige Mann aus
Brandenburg ist neben dem Gummersbacher Momir Ilic der
prominenteste Zugang des Rekordmeisters THW Kiel.
Der Transfer taugt zur Herz-Schmerz-Geschichte: Junger
Spieler muss nach elf Jahren den geliebten, aber klammen SC
Magdeburg verlassen, um dort dank einer geschätzten Ablösesumme von 250 000 Euro Arbeitsplätze zu retten. Liest
sich melodramatisch, aber Sprenger strahlt im Schatten des
Turnvereins Hassee-Winterbek Freude aus, „es sei das Größte, von diesem Klub angesprochen zu werden”. Kiel wollte ihn
schon vor vier oder fünf Jahren – so genau weiß er das nicht
mehr. Es fühlte sich jedenfalls an wie eine einmalige und vertane Chance. „Aber jetzt”, sagt Sprenger, „fühle ich mich reif
für diese Aufgabe.” Seine Zukunft war allerdings abhängig
vom internationalen Domino-Spiel, das Nikola Karabatic und
Vid Kavticnik mit ihrem Umzug nach Montpellier eröffneten.
Der Mann nach Vid: Als emotionaler
Spezialist für Konter soll er das
Kieler Publikum für sich einnehmen
Für den Rechtsaußen Sprengi ist dies der zweite radikale Neustart in seinem Leben.
Rückblende. Bis in die frühen Neunziger. Über die Stadtmeisterschaft der Ludwigsfelder Schulen kommt ein schmaler
Bursche zum Handball und lässt sich ins Tor stellen. Wenig
später landet er im Trainingsbetrieb der SG Motor Ludwigsfelde – die guten Kinder üben mittwochs, die schwächeren dienstags. Übungsleiter Martin Leuendorf steckt ihn schnell in die
Dienstagsgruppe, in der es Sprenger inzwischen „viel geiler”
findet, selbst Tore zu werfen. Im allmonatlichen Vergleich der
beiden Teams tut er das so überzeugend, dass er wieder mittwochs üben darf – an der Seite des im rechten Rückraum
immer sehr viele Tore werfenden Trainersohns Markus. „Ich
war eine totale Birne, konnte gar nichts und war total
schlecht”, sagt Sprenger über sich. Aus der Rolle des harmlosen Flügelläufers drängt er erst heraus, als die Gegner seinen Nebenmann an die Kette legen – Leuendorfs klares Kommando („Sprengi, mach doch mal was”) nutzt er auf Anhieb zu
zehn Toren, „einfach, weil ich mal was gemacht habe”.
Markus Leuendorf ging bereits 1997 ans Sportinternat Magdeburg, Sprenger blieb allein in Ludwigsfelde, beschäftigte sich
mit einer Anfrage der Cottbuser Sportschule und wagte
Von Tim Oliver Kalle
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HM
ein Jahr später ebenfalls den Wechsel zum SC Magdeburg. „Das
müssen dich erstmal kriegen, bevor sie dir weh tun können”.
Sprenger ist ein spannender, unberechenbarer Typ, der sich
waren dort für mich alles Götter”, sagt Sprenger. „Unerreichbar.”
Der erfolgreiche Trainer schenkte Vertrauen, obwohl er locker
als „lebenschaotisch” bezeichnet, aber einen manischen Hang
zur Pünktlichkeit besitzt. An Spieltagen empfindet er sich als
Der Schritt von Brandenburg nach Sachsen-Anhalt besaß aber
nur mit seinen Stars hätte weiterspielen können. In Kiel sehen
noch eine andere, sehr emotionale Facette: den Abschied aus
sich Gislason und der zum gestandenen Spieler gereifte
„furchtbar” und gerät früh in einen engen Korridor, der nach
dem sozialen Umfeld. Seinen Freunden sagt er nicht mal
Sprenger wieder.
langem mentalen Vorlauf aufs Parkett führt. „Ich versuche
tschüss, erst nach und nach erklärt er ihnen seine Zukunft. „Mit
Aber was ist mit den alten Kameraden Theuer, Yves und Heine?
auch immer, irgendwelche Rituale in mein Leben einzubauen,
15 war das richtig hart”, sagt Sprenger, der seinen Entschluss
Sprenger redet sehr erwachsen, aber auch gerührt: „Wir sind
aber oft kommt es dann vor, dass ich mir sage: Verdammt,
im Nachhinein auch als Chance begreift. „Ich hatte Freunde, die
zusammen groß und älter geworden”, Freundschaften hätten
wie hast du das letztes Mal gemacht?”, sagt er. „Ich kann
damals geraucht und Alkohol getrunken haben. Ich habe mich
sich entwickelt, und das seien „alles Typen, du kennst jede
mich eh nicht daran erinnern.” Sprenger lässt sich Nischen im
mitreißen lassen und war in der Schule nicht gut”, sagt er.
Marotte”. Der extrovertierte Torwart Heinevetter, der nun für
straffen Korsett des Spitzensports, „die Lust aufs Leben darf
„Magdeburg war eine Art, doch noch was aus meinem Leben zu
die Füchse Berlin hält, vergisst nach dem Anpfiff gern Freund-
man nicht verlieren”. Die äußert sich zum Beispiel in der Lei-
machen. Ich habe keine Ahnung, was aus mir geworden wäre,
schaften. Sprenger amüsiert der Gedanke an künftige Duelle.
denschaft für Autos, die sich zurzeit in einem Jeep, Marke
wenn ich in Ludwigsfelde geblieben wäre.”
„Im Training habe ich Silvio, wenn er jemand fertiggemacht
BMW, Modell X5 niederschlägt. „Ich finde alles toll und bin
Die ersten Monate allein im Internat sind schwer, aus Lange-
hat, schon aus Spaß gesagt: Machst du das im nächsten Jahr
total begeistert”, sagt er. „Ich habe jede Woche ein anderes
weile beginnt er zu lernen, entwickelt sich zu einem guten
mit mir, kriegst du einen Ball ins Gesicht”, sagt er. „Silvio hat
Traumauto. Das ist das Problem – ich bin da sehr sprunghaft.”
Schüler und packt den Sprung von der Realschule aufs Gym-
Recht, dass es im Spiel grundsätzlich keine Freunde gibt.
Eine Konstante findet er im handballfernen Leben neben seiner Freundin Beate (Studentin der Wirtschaftspsychologie) vor
allem in seinem besten Kumpel Jörn Eschholz, der noch in
Magdeburg lebt. „Wenn ich mit Eschi unterwegs bin, fragt er,
ob alles in Ordnung ist”, erzählt Sprenger. „Der interessiert
sich nicht dafür, wie viele Tore ich werfe.” Eschholz ist das
Alter Ego des Handball-Profis: ein ehemaliger Internatsschüler,
fotos: living sports, ludwigsfelder hc
Seine unglückliche Karriere in der
Nationalmannschaft sieht er als
Qualität: Sprengi kann kämpfen
Fußballer in einer Dorfliga und Physiotherapeut. „Ein korrekter
Typ. Total ruhig, häuslich – ich bin mehr der Chaot und on fire.”
Der THW Kiel könnte seine bisher unglückliche Karriere in der
Nationalmannschaft fördern: 2006 war er bei der EURO in
Alte Ludwigsfelder Gefährten: Markus Leuendorf, Rene Rose, Martin Leuendorf, Christian Sprenger und Matthias Petsch
der Schweiz zweiter Mann hinter Florian Kehrmann, verletzte
sich kurz darauf schwer am Sprunggelenk, verpasste die WM
2007, kam nicht mit zur EURO 2008 in Norwegen, erreichte
nasium. Dass Sprenger vor dem Abitur aufgibt und nach dem
Aber bei uns wird es immer viel Respekt geben.” Was aus
im Sommer immerhin das letzte vorolympische Trainingslager
Zivildienst erfolgreich eine Ausbildung zum Sport- und Fitness-
dieser Absicht wird, erfährt er erst in einigen Monaten.
im chinesischen Zhuhai – und durfte bei der WM im Januar
kaufmann absolviert, interessiert die Öffentlichkeit nicht. Das
Es sind andere Dinge, die für den 1,90 Meter großen Links-
endlich als erster Rechtsaußen ran. Doch der Traum war
Publikum in der Bördelandhalle bestaunt nur den wahnsinnig
händer zählen: die Aussicht, das Parkett in Kiel endlich mal als
bereits nach 16 Minuten und 25 Sekunden beendet, als nach
schnellen Mann auf dem rechten Flügel, der gemeinsam mit
Sieger zu verlassen, Mitspieler einer Weltklassemannschaft zu
heftigem Kontakt mit einem Russen das Innenband im
rechten Knie riss. An solchen Geschichten verzweifeln viele
den anderen Internatsschülern Christoph Theuerkauf und Yves
sein, die Pässe seiner Nebenmänner und das Futter für Ge-
Grafenhorst sowie dem 2005 zum SCM gekommenen Silvio
genstöße. Sprenger ist wie Kavticnik ein Spezialist für Konter,
Sportler. „Man könnte sagen, der Junge hat echt Pech – oder
Heinevetter die neue, junge Seele des Klubs verkörpert.
mit seinem Stil und frenetischem Jubel berührt er das Pub-
es ist ein Zeichen von Charakter”, sagt Sprenger. Er kann sich
Geschaffen wurde diese bereits, als Magdeburg 2001 die
likum. „Christian wird sehr gemocht”, sagt sein Berater Björn
immer wieder rankämpfen und verliert seinen Biss nicht.
Champions League gewann. Trainer Alfred Gislason warf die
Schultz. Der Leipziger unternähme gern mehr, um seinen
Das Kämpfen lernte er als Jugendlicher beim Judo: hinfallen,
aufstehen, wieder angreifen. „Ich habe es sogar viel lieber
Talente einfach in die beste Mannschaft der Welt. Der Islän-
Klienten zu präsentieren und zu vermarkten. Sprenger scheut
der ist ohnehin die Sprenger prägende Person. Nach dem
jedoch die Öffentlichkeit abseits des Spielfeldes, obwohl er im
gemacht als Handball”, erzählt Sprenger. „Und in meiner Trai-
ersten Training der Vorbereitung zur Saison 2002/03 sagte er
Wettkampf intensiv mit den Zuschauern interagiert. „Ich neh-
ningsgruppe war eine Steffi, die fand ich super.” Dummer-
zu dem gerade der Jugend entwachsenen, aber dürren Außen:
me mich selbst nicht so wichtig”, sagt er. Und seine Torschreie,
weise drängte der Trainer den talentierten Judoka zur vollen
„So wie du aussiehst, spielst du bei mir nie Bundesliga.”
die das Publikum so puschen? „Das ist eine unheimliche Aus-
Konzentration auf den Kampfsport. Sprenger tauchte nie mehr
Wenige Wochen später redet Gislason ganz anders: „Auf
schüttung von Endorphinen bei mir”, sagt er. „Ich brauche das
auf der Matte auf, „da ich mir von niemandem etwas sagen
jeden Fall” werde Sprenger spielen, „denn deine Gegner
für mich und tue es nicht, um irgendjemand zu gefallen.”
lasse und ein totales Trotzkind bin”.
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