flötenfrühling

FLÖTENFRÜHLING
13. & 14. März 2017
Montag, 13. März, 19.45 Uhr
Dienstag, 14. März, 19.45 Uhr
Minoritensaal
Christoph Graupner (1683–1760)
Ouverture in F für Altblockflöte, Streicher und B.c., GWV 447
[Largo]. Allegro – La Speranza: Tempo giusto – Air en Gavotte –
Menuett – Air – Plaisanterie
Georg Philipp Telemann (1681–1767)
Concerto a 4 in a, TWV 43:a3
Adagio – Allegro – Adagio – Vivace
Johann Friedrich Fasch (1688–1758)
Concerto in F für Blockflöte, Streicher und B.c., FWV L:F6
Allegro – Largo – Allegro
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Johann Sebastian Bach (1685–1750)
Brandenburgisches Konzert Nr. 4 in G, BWV 1049
Allegro – Andante – Presto
Georg Philipp Telemann
Concerto für 4 Violinen in D (ohne B.c.), aus: TWV 40:202
Adagio. Allegro – Grave – Allegro
Largo aus Sonata Nr. 4 in h für zwei Flöten (ohne B.c.), TWV 40:104
Concerto in e für Blockflöte, Traversflöte, Streicher und B.c., TWV 52:e1
Largo – Allegro – Largo – Presto
recreationBAROCK
Leitung: Dorothee Oberlinger, Blockflöte
Konzertdauer:
Erster Teil: ca. 45 Minuten
Pause: ca. 25 Minuten
Zweiter Teil: ca. 45 Minuten
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AD NOTAM
Flötenfrühling
Im Frühjahr 1723 standen die Leipziger vor einer schwierigen Aufgabe: Sie hatten über den
neuen Thomaskantor und Musikdirektor ihrer Stadt zu befinden. Dass er am Ende Johann Sebas­
tian Bach hieß, war eine Folge von Zufällen, weniger eine Entscheidung auf Grundlage der
„Probestücke“, die aus strengen geistlichen Kantaten bestanden. Die Grazer können heute Abend
ihre eigene Wahl unter den damaligen Kandidaten Telemann, Fasch, Graupner und Bach treffen,
und zwar anhand unterhaltsamer Concerti und Suiten. Dazu hat sich Dorothee Oberlinger einige
der virtuosesten Werke herausgesucht, die für Flöte(n) und Streicher geschrieben wurden.
Vier Komponisten im Wettstreit
Alle vier Komponisten unseres heutigen Programms waren Kandidaten für den Posten des
Thomaskantors in Leipzig: Georg Philipp Telemann erhielt im August 1722 als erster den Zuschlag
für die Nachfolge des verstorbenen Johann Kuhnau. Der geborene Magdeburger war der Wunsch­
kandidat der Leipziger, weil er als Student das Musikleben der Messestadt auf Vordermann ge­
bracht hatte und mittlerweile zum berühmtesten Komponisten Deutschlands aufgestiegen war.
Seine Hamburger Vorgesetzten aber verdoppelten sein Gehalt, und so blieb er in der Hansestadt.
Der nächste Kandidat war Johann Friedrich Fasch, ein ehemaliger Thomasschüler aus Thüringen,
den die Leipziger gerne zum Nachfolger seines Lehrers Kuhnau gekürt hätten. Fasch aber zog
seine Leipziger Bewerbung zurück, weil ihm seine jüngst angetretene Stelle als Hofkapellmeister
in Anhalt-Zerbst lieber war. Im Januar 1723 folgte ihm sein Schulkamerad Christoph Graupner,
der als Sachse und ehemaliger Thomasschüler gerne wieder in die Heimat zurückgekehrt wäre.
Doch sein Dienstherr im hessischen Darmstadt ließ ihn nicht ziehen. So wurde der Weg frei für
Johann Sebastian Bach, den damaligen Hofkapellmeister in Anhalt-Köthen. Der berühmteste
Organist und Cembalist Deutschlands war 15 Jahre lang Hofmusiker gewesen und im städtischen
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Umfeld kaum bekannt. Ins Bewerbungsverfahren war er erst eingestiegen, nachdem seine
Freunde Telemann und Fasch abgesagt hatten. Er erhielt die Stelle nur, weil Graupner in Darm­
stadt nicht freikam. Wie leicht hätte die Musikgeschichte ganz anders verlaufen können!
Graupner-Ouvertüre
Den Anfang unseres Konzerts macht Christoph Graupners einzige Orchestersuite für Blockflöte
und Streicher. Obwohl ihre Partitur von ca. 1741 stammt, muss sie schon vor 1729 entstanden
sein. Damals nämlich verließ der Flötist Johann Michael Böhm die Darmstädter Hofkapelle, weil
er mit den despotischen Anwandlungen des Landgrafen Ernst Ludwig nicht zurecht kam. Nur für
Böhm kann Graupner seine virtuose Flötensuite komponiert haben – ganz so wie Telemann, der
Jahre zuvor aus dem nahen Frankfurt eine brillante Ouvertüre in a-Moll mit Solo-Blockflöte nach
Darmstadt schickte. Diese nahm sich Graupner zum Vorbild. Während aber Telemanns a-MollSuite von jedem Flötenvirtuosen der neueren Zeit aufgeführt und eingespielt wurde, harrte die
F-Dur-Suite Graupners in der Darmstädter Landes- und Hochschulbibliothek ihrer Wiederent­
deckung, bis Dorothee Oberlinger davon 2009 ihre brillante Einspielung vorlegte. Sie war zwar
nicht die Erste, die dieses Stück vorstellte, wohl aber die Erste, die es in seiner vollen Originalität
erkannte. Dazu trug nicht wenig Reinhard Goebel bei, der die Einspielung dirigierte.
Im Booklet der CD wies der Siegener Dirigent auf die Sperrigkeit von Graupners Stil hin: „So
ist Graupners Tonsprache keineswegs leicht zu begreifen, sie erschließt sich nicht ‚von selbst‘.
Bestes Beispiel für diese Behauptung mag die Tatsache sein, dass die seit Jahrzehnten im Neu­
druck vorliegende Ouvertüre F-Dur nie gespielt wurde ... Allein an der formalen Weiträumigkeit
ist leicht zu scheitern, ganz zu schweigen davon, dass die Solostimme bei erstem Durchfingern
keinerlei attraktives melodisches Material zu bieten scheint.“ Diese Sätze von Reinhard Goebel
sollte man nicht allzu wörtlich nehmen: Graupners F-Dur-Ouvertüre bietet ausreichend dankbare
Passagen für die Blockflöte und genügend schöne Tanzmelodien, ohne aber jemals die Griffigkeit
eines Telemann oder den kernigen Stil eines Bach zu erreichen. Vielleicht machte sich bei
Graupner gelegentlich Erschöpfung breit. Der notorisch in Geldnöten schwebende Landgraf, der
ihn 1722 nicht nach Leipzig hatte ziehen lassen, blieb ihm oft genug sein Gehalt schuldig. Die
kleine Grafschaft in Südhessen trug einfach nicht die hochfliegenden Pläne des Landesfürsten:
Das Darmstädter Schloss blieb Fragment, und das vom Landesherrn gewünschte Opernhaus
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wurde ihm von den Landständen schlicht untersagt. So wurde aus Christoph Graupner, der
­eigentlich als Opernkomponist nach Darmstadt gekommen war, ein Experte für höfische Kammer­
musik und für geistliche Kantaten, von denen er mehr als 1000 komponiert hat.
Zur Musik
In der eigentlichen Ouvertüre orientierte sich Graupner stark am Vorbild Telemanns: Für die
langsamen Eckteile wählte er den gewichtigen Vierertakt mit punktierten Rhythmen, für den
schnellen Mittelteil den leichtfüßigen Sechsachteltakt. Hier tritt die Blockflöte mit flinken Soli
zwischen den fugierten Streicherabschnitten hervor.
La Speranza, „Die Hoffnung“, steht über dem zweiten Satz. Eine hoffnungsfrohe Melodie der
Streicher im weichen Schwung einer Siciliana bringt dies deutlich zum Ausdruck. Darüber lässt
die Blockflöte ihre Fiorituren wie ein munteres Vögelchen ertönen. Die Air en Gavotte entspricht
ganz dem „hüpfenden Wesen“ dieses französischen Tanzes. „Ihr Affekt ist eine rechte jauchzende
Freude“ (Johann Mattheson). Dies lässt sich auch die Blockflöte nicht zweimal sagen: An die
erste, robuste Gavotte der Streicher hängt sie eine zweite mit flirrenden Solopassagen an. Bevor
aber die erste Gavotte wiederkehrt, hat Graupner noch einen dritten Tanz in diesem Rhythmus
eingeschoben, und zwar in d-Moll: Hohe Flötentöne werden vom weichen Pianissimo der Strei­
cher begleitet. Nach diesem „schläfrigen“ Intermezzo reißt die erste Gavotte die Zuhörer wieder
aus ihrer Lethargie.
Das folgende Menuett weist in seinem Hauptteil eine eher bizarre Melodie auf, an der die
Flöte mit skurrilen Einwürfen beteiligt ist. Im zweiten Menuett darf Dorothee Oberlinger wieder
in munteren Passagen brillieren. Eine sanfte Air bildet den fünften Satz. Ihre Streichermelodie ist
mehr französisch als italienisch und wird von der Blockflöte zunächst nur klangfarblich unterstützt.
„La nuit“, „Die Nacht“ könnte über diesem friedlichen Satz stehen. Tatsächlich erhebt die Block­
flöte im Mittelteil ihre sehnsüchtige Stimme wie eine Nachtigall inmitten der nächtlichen Stille.
Im Finale wird der Schläfer auf denkbar angenehme Weise geweckt: „Plaisanterie“, „Vergnüg­
lichkeit“ heißt diese Bourrée mit ihren „jazzigen“ Synkopen. Auf diese erste Bourrée folgt nicht
nur eine weitere, sondern gleich deren zwei. Die erste ist ein wahrhaft vergnügliches Flötensolo,
die zweite eine Art südhessischer Bauerntanz der Streicher, von der Blockflöte garniert. Was wohl
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der anspruchsvolle Landgraf sagte, als ihm Graupner und sein Soloflötist Böhm diese Suite
­kredenzten – vielleicht an einem schönen Frühlingstag im Darmstädter Schloss oder im Herbst
im Jagdschloss Kranichstein?
Telemann-Concerti in Darmstadt
Als Georg Philipp Telemann am 25. Juni 1767 in Hamburg starb, hatte er das salomonische
Alter von 86 Jahren erreicht und fast bis zum Schluss ohne Unterlass komponiert. Dass man sich
noch 250 Jahre später an seine Musik erinnern würde, hat er wohl kaum vermutet, war er doch
selbst zeitlebens ein Verfechter des Neuen in der Musik. In seiner langen Hamburger Zeit
­zwischen 1721 und 1767 hat er sich kaum noch an jene wundervollen Concerti erinnert, die er
einst als Hofmusiker in Sohrau und Eisenach, später als Musikdirektor in Frankfurt geschaffen
hatte. Glücklicherweise aber gab es unweit von Frankfurt einen eifrigen Sammler Telemann’scher
Musik: Christoph Graupner. Seinen Abschriften verdanken wir zahllose Telemann-Unikate, die
noch heute in der Darmstädter Landes- und Hochschulbibliothek liegen. Darunter befinden sich
fast alle Flötenkonzerte Telemanns, die heute längst verloren wären, wenn wir nicht die Darm­
städter Abschriften besäßen. Dies gilt auch für die drei Telemann-Konzerte unseres Programms.
Quartett-Konzert
Das wunderschöne a-Moll-Concerto für Blockflöte, Oboe und Violine ist im Telemann-Werke­
verzeichnis in Werkgruppe 43 eingereiht, also unter die Quartette. Es kommt nämlich ohne
Streichertutti aus und wird nur vom Basso continuo begleitet. Dem Stil nach zu urteilen, dürfte
es in Telemanns Frankfurter Zeit entstanden sein. Am Main verbrachte der Magdeburger neun
glückliche Jahre (1712–1721), die nur durch seine Heirat mit einer wahren Xantippe aus der
Mainmetropole nachhaltig getrübt wurden. Telemanns zweite Gemahlin, eine geborene Textor,
entpuppte sich als Verschwenderin. Die geradezu sagenumwobene Produktivität, die der Kom­
ponist in Frankfurt und vor allem später in Hamburg an den Tag legte, hing nicht zuletzt mit
den Schulden seiner Frau zusammen, die er ständig zu begleichen hatte. Immerhin bescherte
ihm die Textor’sche Eheschließung die Bekanntschaft mit seinem Schwager Böhm, dem Flöten­
virtuosen am Darmstädter Hof. Genau auf dessen Fähigkeiten ist das kleine a-Moll-Konzert
zugeschnitten.
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Es ist kammermusikalisch und virtuos zugleich. Blockflöte, Oboe und Violine bilden zusammen
mit dem Basso continuo das „Tutti“, während sie einander im Innern der Sätze mit virtuosen Soli
ablösen. Im einleitenden Adagio gelang es Telemann, einen bezaubernden Klangteppich zu weben:
Ständige Zweierbindungen schweben wie eine Art sehnsüchtige Klangwolke durch den Raum, wozu
die anderen Instrumente ihre Farbtupfer beisteuern. Streng wirkt dagegen die ­folgende AllegroFuge: Das Fugenthema in Vierteln erhält ein Kontrasubjekt in Achteln und ein zweites in Sechzehn­
teln. Alle drei Themen werden permanent im dichten vierstimmigen Satz verarbeitet.
Von besonderem Zauber ist das zweite Adagio: Die drei Oberstimmen lösen einander mit
ausgehaltenen Tönen und absteigenden Linien ab, gestützt vom gleichmäßig trottenden Bass.
So ist der Boden für das berühmte Finale bereitet. Hier hat Telemann eine polnische Tanz­melodie
in eine französische Réjouissance verwandelt und mit virtuosen Solopassagen im italienischen
Stil durchsetzt. Erst ist die Blockflöte an der Reihe, dann die Oboe, schließlich die Geige mit
atemberaubenden Arpeggios und Bariolagen. Dazwischen kehrt immer wieder rondoartig das
polnische Thema wieder.
Fasch in Zerbst
Mit einigem Neid dürften die Sachsen und Thüringer um 1720 auf die anhaltischen Fürsten­
tümer südlich von Berlin geblickt haben. Was sich damals in den wahrhaft winzigen Hofhaltungen
zu Köthen, Dernburg, Dessau und Zerbst an musikalischer Kompetenz versammelte, war kaum
zu überbieten: In Köthen leitete Johann Sebastian Bach ein Ensemble, das aus den Virtuosen
der aufgelösten Berliner Hofkapelle bestand. Im nahen Zerbst errichtete sein Kollege Fasch eine
„Konzertstube“, die bald legendären Ruf genoss. Der große Dresdner Hof, die Collegia musica
zu Leipzig, Hamburg und Frankfurt rissen sich um Faschs Concerti und Ouvertüren. Hört man
sein Blockflötenkonzert in F-Dur, so kann man diese Begeisterung verstehen: Es verbindet griffige
Themen im italienischen Stil mit der „kernigen“ Manier Mitteldeutschlands und einer keineswegs
klischeehaften Vorstellung vom Konzertieren.
Flötenkonzert F-Dur
Im ersten Allegro von Faschs F-Dur-Konzert wartet der Solist nicht das Ende des Streichervor­
spiels ab, bevor er sich solistisch hören lässt. Vielmehr gibt die Blockflöte das Thema des Satzes
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an: markante gebrochene Dreiklänge. Nach dem Vorspiel erhält der Solist auch noch ein eigenes
Solothema und virtuose Passagen im duftigen Klang der hohen Streicher. Wenn der Basso
­continuo wieder einsetzt, kehren auch die gebrochenen Dreiklänge der Blockflöte wieder. So
dominiert der Solist hier sowohl die „Tutti“-Abschnitte als auch die Soloepisoden des Satzes.
Beide sind ganz vom italienischen Stil geprägt. In der letzten Episode steigert sich die Brillanz
des Solisten bis zu halsbrecherischen Passagen.
Der Mittelsatz greift ein weiteres Satzmodell italienischer Concerti auf: das Largo e staccato.
Die Streicher spielen gleichmäßig wiederholte, starre Mollakkorde. Darüber stimmt der Flötist
eine hohe, ausdrucksstarke Moll-Melodie an, die mit einem ganzen Arsenal barocker ­Verzierungen
aufwartet. Unerwartete harmonische Wendungen und überraschende Fermaten machen diesen
Satz zu einem der ausdrucksvollsten Konzertsätze, die für Blockflöte geschrieben wurden.
Das Finale ist eine Gigue mit einer so schönen Melodie, dass sie auch von Händel stammen
könnte. Mit sprudelnden Solopassagen löst sich die Flöte aus dem Tutti, wobei ihr sowohl die
hohen Streicher als auch der Basso continuo zu applaudieren scheinen.
Köthener Pastorale
Wenn Johann Sebastian Bach im Köthener Schloss die Stimmen seines G-Dur-Concerto BWV
1049 auf die Notenpulte legte, dachte er nicht an Brandenburg. Zum „Brandenburgischen Kon­
zert Nr. 4“ wurde dieses Stück erst, als er es 1721 an den Markgrafen Christian Ludwig von
Brandenburg-Schwedt nach Berlin sandte, zusammen mit fünf anderen Konzerten in einer
bildschönen Partiturreinschrift. Im Köthener Schloss brauchte man nur die Einzelstimmen, um
dieses Konzert aufzu­führen. Der Konzertmeister Josef Spieß nahm die wertvolle Jacobus-StainerGeige seines Fürsten in die Hand und bewältigte den Solopart mit Bravour. Die Flötisten Würdig
und Freytag holten ihre edlen „Flûtes à bec“ aus den Futteralen und gesellten sich hinzu. Bach
saß am Mietke-Cembalo, das er 1719 in Berlin gekauft hatte, und spielte den Continuo zusam­
men mit dem Cellisten Linigke und dem Gambisten Abel. Dazu kam das Streichertutti auf nicht
weniger wertvollen Instrumenten.
Nicht nur die Instrumente der Köthener Hofkapelle waren kostbar, sondern auch die Musiker
selbst. Die Meisten stammten aus der Berliner Hofkapelle, die der „Soldatenkönig“ 1713 aufge­
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löst hatte. Gelegentlich gesellte sich auch Fürst Leopold hinzu, der sehr gut Cembalo und ­Gambe
spielte. Kostbar war auch der Konzertsaal des Schlosses, denn es handelte sich um die Gemälde­
galerie mit einer stattlichen Sammlung von Niederländern und Italienern. Zwischen dem grünen
Brokat der Wände und den Kristall-Lüstern, den niederländischen Landschaftsbildern und den
arkadischen Szenen aus Italien entfaltete das G-Dur-Konzert ganz automatisch einen pastoralen
Zauber, der sich noch verstärkte, wenn man durch die Fenster auf das Gartenparadies rund um
das Schloss blickte.
Zur Musik
Hätte Bach für das „Vierte Brandenburgische“ einen Titel erfunden, er hätte es zweifellos
„Concerto pastorale“ genannt. Darauf deutet schon der tänzerische Dreiachteltakt im ersten Satz
hin. Auf die glitzernden Dreiklangsbrechungen der Sologeige antworten die Blockflöten mit einem
Tanzthema von ländlichem Charme. Die Streicher wollen die Führungsrolle der drei Solisten nicht
hinnehmen und fangen an zu streiten. So entsteht das typisch Bach’sche „Konzertieren“, der
Wettstreit aller gegen alle. Nur die beiden Blockflöten bleiben sich immer einig: Wenn die Solo­
geige in raumgreifenden Passagen brilliert, werfen sie den Anfang des Satzes in die Runde. Wenn
die Sologeige das Tanzthema der Flöten in ruppigen Doppelgriffen verspottet, kontern sie mit
einem vornehmen Kanon. Im Lauf des Mittelteils wird die Auseinandersetzung immer drama­
tischer, bis sie auf einem mächtigen h-Moll-Orgelpunkt kulminiert. Darauf folgt das „Da Capo“
des ersten Teils. Seit seiner Italienreise liebte Fürst Leopold die modernen venezianischen
­Da-Capo-Arien so sehr, dass Bach in dieser Form für ihn sogar Konzertsätze geschrieben hat.
Auch im zweiten Satz dachte Bach offenbar an die freie Natur: Die Flöten wiederholen wie ein
Echo alles, was das Orchester ihnen zuruft. Deshalb nannte sie Bach „Fiauti d’echo“. (Dorothee
Oberlinger hat zu dieser viel diskutierten Bach’schen Bezeichnung freilich ihre eigene Theorie.)
Der Duktus einer Sarabande, die ständigen Zweierbindungen und die französischen Harmonie­
folgen deuten ebenfalls darauf hin, dass Bach hier eine „Air d’Echo“ schreiben wollte, eine EchoAir, wie sie die französischen Komponisten um 1700 liebten.
Als Finale komponierte er eine stolze Fuge im Alla Breve-Takt, deren Thema von der Bratsche
vorgegeben wird. Wenn Bach nicht am Cembalo saß, soll er im Orchester bevorzugt die Viola
gespielt haben, daher ihr selbstbewusster Einsatz in diesem Satz. Die Idee, ein dreisätziges
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Concerto mit einer Fuge zu krönen, übernahm er von Tomaso Albinoni, das Einstreuen hoch
virtuoser Soli von Telemann. Die lange Sechzehntelpassage der Geige in diesem Satz ist gefürch­
tet. ­Meisterlich, wie Bach am Ende das Fugenthema in Engführung zum krönenden Abschluss
bringt.
Telemann ohne Basso continuo
Kein anderer Komponist des 18. Jahrhunderts hat so viel Kammermusik ohne Generalbass
komponiert und publiziert wie Telemann: je 12 Solofantasien für Traversflöte, Violine und ­Gambe,
mehrere Bände mit je 12 Flötenduetten und drei Konzerte für vier Violinen ohne Bass. Die
Letzteren sind eine perfekte Schule des Zusammenspiels für vier Barockgeiger. Sie sind hand­
schriftlich in Darmstadt überliefert und verbinden klangschöne langsame Sätze mit fugierten
Allegros im italienischen Stil.
Der schönste Band mit Flötenduetten, den Telemann publiziert hat, erschien 1726 in Hamburg.
In der Widmungsvorrede an die beiden Patrizier Behrmann und Tönnies lobte er in geschliffenem
Französisch die „délicatesse“ und „facilité“, die Feinheit und Leichtigkeit der beiden Herren auf
den „schwierigsten Instrumenten“: Laute, Traversflöte, Blockflöte und Fagott. In ihren Original­
tonarten sind die sechs Sonaten für Traversflöten bestimmt. Um sie auf Blockflöten spielbar zu
machen, muss man sie höher transponieren, was auch unsere Interpreten beherzigen.
Telemann-Doppelkonzert
Unter den vielen Doppelkonzerten, die Telemann geschrieben hat, ist wohl keines populärer
als das e-Moll-Konzert für Blockflöte, Traversflöte und Streicher. Die Vorstellung, die „altmodische“
Blockflöte mit der „modernen“ Querflöte zu kombinieren, muss schon damals besonders originell
gewirkt haben. Im 20. Jahrhundert gab es keinen Blockflötenvirtuosen, der die Chance ausließ,
sich in diesem Stück mit einem Querflötenkollegen zu messen, angefangen von Frans Brüggen,
der es mit Frans Vester spielte. Heute ist in der Regel nicht die metallische Böhmflöte, sondern
die warme, hölzerne Traversflöte der Partner ihrer flinken Schwester. Wieder war Johann ­Michael
Böhm der Adressat dieses Konzerts, das ihm sein Schwager Telemann auf den Leib schrieb, wohl
in den Jahren um 1725.
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Gleich zu Beginn werden die Zuhörer mit kräftigen Akkorden geweckt, während sich die beiden
Solisten mit frei schweifenden Läufen gegenseitig ablösen, bevor sie sich zu einer Klangfläche
vereinigen. Der zweite Satz ist eine schnelle Fuge über ein polnisch anmutendes Thema mit
virtuosen Soli als Episoden, der dritte Satz ein wundervolles E-Dur-Cantabile. Im Finale geht
es dann polnisch rau zu. Seit Telemann als junger Kapellmeister in die kleinen schlesischen
­Residenzen Żary und Pszczyna kam (damals Sorau und Pleß), bewunderte er die Kunst der
polnischen Wirtshausmusikanten. Was sie auf ihren „polnischen Sackpfeifen“, ihren Terzgeigen
und scharrenden kleinen Orgeln an Melodien erfanden, reichte nach seiner Aussage für ein
ganzes Musikerleben aus. Tatsächlich hat er ihre „polnisch-hanakischen“ Melodien mit nach
Frankfurt und Hamburg gebracht und daraus die schönsten Sätze geformt. Das berühmteste
Beispiel ist sicher das Finale des e-Moll-Doppelkonzerts, eine so wilde Dudelsackmusik, dass
man sich festhalten muss. Die Polen dankten ihm die Großtat, ihre Volksmusik in die westliche
Klassik eingeführt zu haben, indem sie ihm neben dem Schloss Pszczyna ein „Café Telemann“
weihten.
Josef Beheimb
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DIE INTERPRETEN
Dorothee Oberlinger, Leitung & Blockflöten
1969 in Aachen geboren, studierte Dorothee Oberlinger Blockflöte in Köln, Amsterdam und
Mailand. Als „Instrumentalistin des Jahres“ wurde sie 2008 mit dem renommierten Musikpreis
Echo Klassik für ihre CD „Italian Sonatas“ ausgezeichnet. Ihr Debüt gelang ihr 1997 mit dem
1. Preis im internationalen Wettbewerb SRP/Moeck U.K. in London und einem anschließenden
Konzert in der Wigmore Hall.
Seitdem ist Dorothee Oberlinger regelmäßig zu Gast bei den großen Festivals und Konzert­
reihen in ganz Europa, Amerika und Asien und spielt als Solistin mit dem von ihr 2002 gegrün­
deten Ensemble 1700 sowie mit renommierten Barockensembles und Orchestern wie den
Sonatori de la Gioiosa Marca, Musica Antiqua Köln, der Akademie für Alte Musik Berlin, London
Baroque, der Academy of Ancient Music oder Zefiro.
Neben ihrer intensiven Beschäftigung mit der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts widmet sich
Dorothee Oberlinger immer wieder auch der zeitgenössischen Musik, so wirkte sie an der jüngs­
ten CD „Touch“ des Schweizer Pop-Duos Yello mit. Seit 2009 ist sie Intendantin der traditions­
reichen Arolser Barockfestspiele und seit 2004 Professorin an der Universität Mozarteum Salz­
burg, wo sie das dortige Institut für Alte Musik leitet.
recreationBAROCK
Mit vielen wichtigen Interpreten der Alten Musik, von Jordi Savall über Roy Goodman bis zu
Paul Goodwin, hat recreation – GROSSES ORCHESTER GRAZ, das 2002 aus dem Orchester der
Grazer Symphoniker hervorging, schon Programme erarbeitet. Unter der Intendanz von Mathis
Huber und mit Stefan Vladar als Chefdirigenten präsentierte das Orchester in der Saison 2002/03
15
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exklusive rAhmungen
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 09.00 bis 18.00 Uhr; Samstag von 09.00 bis 13.00 Uhr
einen ersten eigenen Konzertzyklus, der vom Grazer Publikum mit Begeisterung angenommen
wurde. Außer in seinen Konzertzyklen in Graz ist das Orchester, das seit der Saison 2004/05
vom Bankhaus Krentschker gesponsert wird, regelmäßig bei der styriarte zu hören gewesen und
bildet auch die Basis des 2014 neu gegründeten styriarte Festspiel-Orchesters, es gastierte im
großen Wiener Musikvereinssaal, in der Alten Oper Frankfurt, beim steirischen herbst, beim
Jazzsommer Graz u. a. m.
Mit seinem Chefdirigenten Michael Hofstetter, selber ein ausgewiesener Originalklangspezialist,
ging das Orchester dann noch einen Schritt weiter: Mit gewohntem Elan, aber auf Darmsaiten
und in alter Stimmung konzentrierte sich eine Extraformation aus dem Orchester recreation
unter dem Namen recreationBAROCK auf die historische Aufführungspraxis und gab ihr Debüt
2012 gleich im renommierten Festival styriarte, wo es seither jährlich auftrat. Im Frühjahr 2013
war das Ensemble auf kleiner Frankreich-Tournee und feierte in der Chapelle Royale in Schloss
Versailles und in der Chapelle de la Trinité in Lyon einen großen Erfolg. Im Sommer 2015 war
recreationBAROCK gemeinsam mit Valer Sabadus nicht nur bei der styriarte, sondern mit zwei
verschiedenen Programmen höchst erfolgreich auch bei der Schubertiade in Hohenems zu
hören. 2016 feierte man mit Glucks „Orfeo“ und einem Konzertprojekt große Erfolge bei den
internationalen Gluck-Opern-Festspielen Nürnberg.
DIE HEUTIGE BESETZUNG
Violine 1 • Harald Martin Winkler • Lorena Padrón Ortíz • Toshie Shibata •
Violine 2 • Marina Bkhiyan • Barbara Haslmayr • Simone Mustein • Viola •
Ingeburg Weingerl-Bergbaur • Wolfram Fortin • Violoncello • Ruth Winkler • Kontrabass •
Claudia Triguero Ocaña • Blockflöte • Marita Gehrer • Traversflöte • Heide Wartha •
Oboe • Amy Power • Fagott • Tonia Solle • Cembalo • Iga Anna Zakrzewska
Orchestersolisten • Harald Martin Winkler • Toshie Shibata • Marina Bkhiyan •
Barbara Haslmayr • Marita Gehrer • Heide Wartha • Amy Power
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Die Joanneumskarte zum Spezialtarif
Mit Ihrem Abonnement 2016/2017 für die Konzertreihen
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Sie die Joanneumskarte um nur 13 € pro Person (statt 45 €).
Damit können Sie 12 Monate lang alle 12 Standorte des
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Universalmuseums Joanneum!
Nähere Informationen erhalten
Sie auch im styriarte-Kartenbüro,
Sackstraße 17, 8010 Graz
AVISO
Montag, 27. März 2017, 19.45 Uhr – Stefaniensaal
Dienstag, 28. März 2017, 19.45 Uhr – Stefaniensaal
SYMPHONIC DANCES
Er ist wahrhaft „unforgettable“: Leonard Bernstein. Das Jahrhundertgenie der amerikanischen Musik
wäre 2017 99 Jahre alt geworden. Christian Muthspiel setzt ihm ein doppeltes Denkmal: in Lennys
Symphonischen Tänzen und im eigenen „Little Big Guitar Dance“. Gegen ein Konzert für E-Gitarre
und Orchester hätte Bernstein sicher nichts einzuwenden gehabt. Für ihn gab es keine Schranken
zwischen U- und E-Musik.
Leonard Bernstein: Symphonic Dances
aus „Westside Story“ & Improvisationen
von Wolfgang Muthspiel
Christian Muthspiel: Little Big Guitar Dance
für E-Gitarre und Orchester (2011)
Igor Strawinski: Feuervogel-Suite (1945)
Wolfgang Muthspiel, E-Gitarre
recreation • GROSSES ORCHESTER GRAZ
Dirigent: Christian Muthspiel
Keine Einführung!
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Organisation: Gertraud Heigl
Inspizient: Matti Kruse
Hauptsponsor:
recreation wird gefördert von
Wir stillen
Medienpartner:
Impressum:
Medieneigentümer: Steirische Kulturveranstaltungen GmbH
A-8010 Graz, Sackstraße 17
Telefon: 0316.825 000 (Fax -15)
[email protected]
Redaktion: Claudia Tschida
Grafik: Cactus Communications>Design
Druck: Medienfabrik Graz – 20257-2016
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AVISO
Montag, 22. Mai 2017 – Minoritensaal, 19.45 Uhr
Dienstag, 23. Mai 2017 – Minoritensaal, 19.45 Uhr
GIRO D’ITALIA
Ein Mai im Zeichen der Barockoboe: Der Römer Alfredo Bernardini entlockt seinem Instrument üppig
blühende Töne. Seine Rundreise durchs barocke Italien beginnt er in seiner Heimatstadt, wo anno
1707 der junge Händel in den Bann virtuoser Oboisten geriet. Ferrandini, Penati und Rion – klingende
Namen aus dem Parnass der italienischen Bläserkunst. Händel, Vivaldi, Albinoni und viele andere
haben ihnen herrliche Concerti auf den Leib geschrieben, die Bernardini wieder zum Klingen bringt.
Georg Friedrich Händel: Sinfonie zu
„Ah crudel nel ­pianto mio“, HWV 78
und „Delirio amoroso“, HWV 99
Concerto für Oboe in g, HWV 287
Arcangelo Corelli: Concerto grosso in F, op. 6
Francesco Geminiani: Concerto grosso nach
Arcangelo Corellis „La Follia“, op. 5/12
Giovanni Benedetto Platti: Concerto für Oboe in g
Tomaso Albinoni: Introduzione
für Streicher und B.c.
Antonio Vivaldi: Concerto für Oboe in C, op. 8/12
recreationBAROCK
Leitung: Alfredo Bernardini, Oboe
21
Eine Produktion