Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ)

Nationalrat, XXV. GP
1. Februar 2017
162. Sitzung / 1
16.12
Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr
geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen
und Zuseher! Freihandelsabkommen: Wer von uns – und bei manchen gibt es
sicherlich Ausnahmen, da entschuldige ich mich jetzt schon – hat sich mit der Thematik
Freihandel vor TTIP, vor CETA, vor TiSA in dieser Intensität befasst? – Ich glaube,
nicht viele. Also ich persönlich auch nicht, offen gesprochen.
Begonnen mit der intensiven Auseinandersetzung habe ich und haben, glaube ich,
viele oder mehrere von uns, als uns bewusst wurde, dass Standards, nämlich
ArbeitnehmerInnenschutz, Lebensmittelstandards, der Umweltschutz,
Umweltstandards, das hohe Gut der öffentlichen Daseinsvorsorge, also die hohen
Standards, die wir in Österreich auch kennen, gefährdet sein könnten.
Vorweg: Freihandel per se ist nichts Schlechtes. Die Frau Staatssekretärin ist auf die
Fakten, auf die Exportabhängigkeit Österreichs und die damit im Zusammenhang
stehenden Arbeitsplätze eingegangen. Das ist wesentlich für Österreich. Aber, wie
gesagt, die Ausgestaltung der Abkommen macht das Ganze so brisant und hat das
Thema auch in die Breite gebracht. Ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist, aber bei
etlichen Gesprächen, bei Straßenaktionen, auch gegen diese Freihandelsabkommen,
musste man eigentlich nicht mehr wirklich erklären, worum es bei diesen Kürzeln geht.
Gefühlt hat sich nahezu ganz Österreich mit der Thematik auseinandergesetzt, und ich
bin der Meinung, diese Breite war und ist gut so.
Was aber hat uns, was hat die Zivilgesellschaft, was hat Expertinnen und Experten,
was hat die Bürgerinnen und Bürger so auf die Barrikaden gebracht? – Klar, die
Gefährdung von Errungenschaften und Rechten, das ist das eine, wie schon erwähnt.
Dazu aber kommt die Intransparenz, die bei den Verhandlungen einfach geherrscht
hat. Das hat uns wirklich wütend gemacht, das Ausklammern von Mitsprache, von
Mitbestimmung, das ganz klare Ausklammern von Abgeordneten, der Zivilgesellschaft,
der Bürgerinnen und Bürger. (Abg. Rädler: Die Adabeis …!)
Die Ausgestaltung der Abkommen wurde dann durch Leaks an die Oberfläche
gebracht. Eine Einbindung und offene Kommunikation zu CETA, TiSA und TTIP hat zu
Beginn überhaupt nicht stattgefunden und später erst durch knappe einzelne Infos. Wir
Abgeordnete haben erst Endverhandlungen gelesen oder einzelne Berichte über TTIP
durch Debriefings, die heute auch schon erwähnt wurden, erfahren, die oftmals, mit
Verlaub, sehr, sehr widersprüchlich gestaltet wurden. Die Kommission hat im
Geheimen verhandelt und Abgeordnete erst auf Druck informiert. Liebe Kolleginnen
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und Kollegen, so kann das einfach nicht funktionieren, demokratische Institutionen wie
Parlamente hier außen vor zu lassen! Das geht einfach nicht! Das taugt nicht nur mir
nicht, nicht nur uns nicht, sondern ist in Summe einfach brandgefährlich. (Beifall bei der
SPÖ.)
Diesen Anspruch, nämlich den der Transparenz, müssen wir auch vehementer bei den
restlichen rund 40 Abkommen, die im Moment verhandelt werden, einfordern. Ich kann
auch nicht nachvollziehen, warum erneut diese Intransparenz und Geheimniskrämerei
herrschen. Fehler, die einfach bei CETA, TTIP und TiSA im Rahmen der
Verhandlungsrunden gemacht wurden, wiederholen sich auch wieder.
Wir Abgeordnete, wir als Parlament müssen aufstehen, wir müssen uns einbringen. Es
braucht diese Selbstverständlichkeit. Das soll auch verpflichtend sein, weil wir eben
nicht nur informiert werden wollen, sondern wir, die Zivilgesellschaft, die Bürgerinnen
und Bürger, mitgestalten wollen. Das ist kein Wunsch, sondern entspricht den
Ansprüchen und den Gepflogenheiten einer modernen Demokratie. Also die
Kommission darf einfach nicht so weitertun, denn Sie wissen alle, wir wissen alle: Das
Misstrauen, was die Europäische Kommission anlangt, ist leider sehr, sehr groß und
wird durch solche Aktionen untermauert. Wir müssen die Stimme erheben – für uns
alle, für die Bürgerinnen und Bürger. Darum geht es. (Abg. Brunner: Haben wir doch
gemacht!)
Nicht zuletzt durch ein Volksbegehren haben Bürgerinnen und Bürger ein großes
Zeichen gesetzt. Unglaubliche 562 552 Unterschriften hat dieses Volksbegehren
erhalten! Es war ein großer Erfolg, wir werden es auch im Parlament mit höchster
Priorität und Ernsthaftigkeit behandeln. Mit der endgültigen Verlautbarung der
Bundeswahlbehörde geht es dann indirekt für uns hier im Parlament los. Dieses
Volksbegehren wird uns in weiteren Verhandlungen, die uns dann auf
parlamentarischer Ebene erwarten, nicht nur begleiten, sondern auch als Grundlage
dienen. Genau darum geht es: um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Kritik,
die bei dem Volksbegehren auch geherrscht hat.
Sie alle wissen, wir befassen uns heute nicht das erste Mal mit der Thematik. Etliche
Ausschüsse haben sich mit den Freihandelsabkommen auseinandergesetzt, bis hin zu
einer parlamentarischen Enquete, die im letzten Halbjahr stattgefunden hat, die die
unterschiedlichen Kritikpunkte aufgezeigt und auch argumentativ untermauert hat.
Sehr geehrte Damen und Herren! Deshalb ratifizieren wir hier im Haus CETA jetzt
nicht, ich würde das im Übrigen auch jetzt nicht tun. Wir werden erst in mehr als einem
Jahr mit den nationalen Teilen konfrontiert sein. Bis dahin läuft der Prozess, die
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Verhandlungen und die Arbeit gehen weiter. Deshalb, liebe Unterzeichnerinnen und
Unterzeichner des Volksbegehrens gegen CETA, TTIP und TiSA: Wir werden Ihren
Punkten weiterhin mit aller Vehemenz Ausdruck verleihen, denn das, was wir auf der
europäischen Ebene verlangen, verlangen wir auch hier, das heißt Einbindung und
Stärkung von direktdemokratischen Elementen.
Wir nehmen Ihre Unterschriften ernst, um Umwelt- und ArbeitnehmerInnenschutz
sowie die öffentliche Daseinsvorsorge, so wie wir sie kennen, in hoher Qualität und
durch unsere hohen Standards auch weiterhin hochzuhalten. – Danke schön. (Beifall
bei der SPÖ.)
16.18
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Karl. – Bitte.
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