1. Jahrgang 2017, Ausgabe 1 Medizin und Kommunikation über Grenzen hinweg Impressum Herausgeber: MITK – Medizinisches Institut für transkulturelle Kompetenz, Broclawski & Golsabahi, 33602 Bielefeld Tel.: 0521/98 62 15 50 Fax: 0521/98 62 15 51 E-Mail: [email protected] Internet: www.mitk.eu Layout: TGrapH – Dr. Thomas Haunold A-1180 Wien Tel.: +43/(0)676/5665397 E-Mail: [email protected] Inhalt Editorial ........................................................................................................................................ 1 Kurse & Veranstaltungen........................................................................................................... 2 Fortbildung .................................................................................................................................. 4 Kongressbericht .......................................................................................................................... 5 Aktuelles....................................................................................................................................... 6 Bücherempfehlungen ................................................................................................................ 6 erausforderungen gehören zum Alltag. Jeder Dritte leidet in seinem Leben unter einer psychischen Gleichgewichtsstörung. Diese kann psychische und körperliche Veränderungen und Symptome nach sich ziehen und im Alltag störend sein. Die unterschiedlichen Angebote für psychische Herausforderungen des Alltags werden ständig bedarfsgerecht weiter entwickelt. In einer vielschichtigen und vielseitigen Gesellschaft und im Zeitalter der medialen Schnelligkeit ist ein Transfer von Informationen und auch Bewahrung der Echtheit, Transparenz, Empathie und Respekt eine nahezu kostbare Haltung im klinischen Alltag geworden. Das Institut für Transkulturelle Kompetenz in der Medizin versteht sich nicht nur als Diagnose und Therapiezentrum sondern als aktive und mitgestaltende Einrichtung im nationalen und internationalen Wettbewerb in der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen sowohl mit wie auch ohne Zuwanderungsgeschichte. Die Implementierung der curricularen Fortbildung „Transkulturelle Medizin – kulturelle Kompetenz im klinischen Alltag“ in Zusammenarbeit mit und unter maßgeblicher Mitgestaltung der ÄKWL und der KVWL sowie von DTPPP e.V. und ÖGD zei- gen die enge Vernetzung des Institutes mit anderen Institutionen um eine optimale zukunftsorientierte Versorgung zu gestalten. Die Kompetenz über den Tellerrand zu schauen und auch die Erhöhung der Sensibilität für vielfältige Einstellungen, Sichtweisen und Werte durch Reflexion des eigenen Blickwinkels stehen im Vordergrund unsere Arbeit. Artur Broclawski H Solmaz Golsabahi-Broclawski Editorial Im gemeinsamen Austausch mit Kollegen aus multiprofessionellen Teams werden Kenntnisse in Bezug auf Kulturdimensionen und Stereotypen und medizinische Fachkenntnisse auf nationalen und internationalen Bühnen vertieft, neue wissenschaftliche Ansätze und Methodik entwickelt bzw. fortund weitergebildet. Wir arbeiten eng mit den Universtäten im Bereich Forschung einerseits aber auch der Förderung von studentischer Ausbildung andererseits zusammen um an dieser Stelle am Puls der Zeit zu sein. Unser Behandlungskonzept ist auf Augenhöhe ausgerichtet und wir fördern die Resilienz und die Selbst-Reflektionsfähig- MITK-NEWSLETTER (1. Jahrgang, Ausgabe 1) 1 keit unserer Patienten und Klienten. Der Fokus liegt auf der tiefenpsychologisch-analytischen Arbeit mit Ansätzen der lösungsorientierten Gesundheitstherapie. Unsere Haltung ermöglicht eine niederschwellige Betreuung von Menschen auf der Durchreise und bei unter anderem unklarem AufenthaltsStatus. Die ehrenamtliche Sprechstunde zur Abklärung möglicher psychischer Belastungen bis hin zu Störungen – soweit wie möglich in der Muttersprache – ermöglicht eine barrierefreie und zeitnahe Kontaktaufnahme mit Institutionen. Durch die multiprofessionelle Besetzung des Teams ist eine weitumgreifende Betreuung gewährleistet. Wir sind am Austausch mit Ihnen sowohl im Rahmen unserer Veranstaltungen wie auch im persönlichen Kontakt interessiert und freuen uns auf Ihre persönliche Kontaktaufnahme und Interaktion. Mit freundlichen Grüßen Leitungsteam Institut für transkulturelle Kompetenz Kurse & Veranstaltungen 06.02., 03.04., 08.05., 07.06., 04.09., 09.10., 06.11., 27.11.2017, Düsseldorf: Balintgruppen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Klienten mit Zuwanderungsgeschichte betreuen und beraten (für Beschäftigte im öffentlichen Gesundheitsdienst). Fortbildungsveranstaltung (erwünscht ist eine Teilnahme an mindestens 2 Sitzungen), Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf, Düsseldorf, Akademie für öffentliches Gesundheitswesen, Conference Area. Auskunft und Anmeldung: Veranstaltungsbüro, Kanzlerstraße 4, 40472 Düsseldorf, Telefon: 0211/3 10 96-11, Fax: 0211/3 10 96-34, E-Mail: [email protected] 22.03.2017, Bielefeld: Depression im Alter unter Berücksichtigung transkultureller Fragestellungen. Allgemeine Fortbildungsveranstaltung für Ärzte/innen, Psychologische Psychotherapeuten/innen und Interessierte, Akademie für mediznische Fortbildung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) in Zusammenarbeit mit dem Medizinischen Institut für transkulturelle Kompetenz Bielefeld (MITK), Bielefeld, Hotel Brackweder Hof. Auskunft und Anmeldung: Akademie für medizinische Fortbildung der ÄKWL und der KVWL, Postfach 40 67, 48022 Münster, Telefon: 0251/929-2224 oder 0251/929-2208, Fax: 0251/929-2249, E-Mail: [email protected] oder decampos@ aekwl.de 30.04.–04.05.2017, Borkum: Transkulturelle Medizin – Kulturelle Kompetenz im klinischen Alltag. Blended-Learning-Angebot, Curriculäre Fortbildung (CF 7), 50 UE Theorie, Akademie für mediznische Fortbildung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), Nordseebad Borkum. Auskunft und Anmeldung. Akademie für medizinische Fortbildung der ÄKWL und der KVWL, Postfach 40 67, 48022 Münster, Telefon: 0251/929-2220, Fax: 0251/929-272220, E-Mail: [email protected] 16.10.2017, Bielefeld: Transkulturelle Kompetenz im ÖGD (für Beschäftigte im öffentlichen Gesundheitsdienst). Fortbildungsveranstaltung, Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf, Bielefeld, Hotel Brackweder Hof. Auskunft und Anmeldung: Veranstaltungsbüro, Kanzlerstraße 4, 40472 Düsseldorf, Telefon: 0211/3 10 96-11, Fax: 0211/3 10 96-34, E-Mail: [email protected] 2 MITK-NEWSLETTER (1. Jahrgang, Ausgabe 1) 18.–20.05.2017, Gdynia, Polen: Second International Conference on Transcultural Psychiatry in Central/North European Countries. WPA-TPS co-gesponserte Konferenz, Gdynia, Polen, Hotel Nadmorski. Auskunft und Anmeldung: Conference Organizing Committee, Phone: +49/(0)521/98927820, E-Mail: [email protected], Website: www.wpa-gdynia-2014.org; www.wpa-mitk-congress.org Invitation Europe is experiencing one of the most significant influxes of migrants and refugees in its history. Pushed by civil war and terror and pulled by the promise of a better life, hundreds of thousands of people have fled the Middle East and Africa, risking their lives along the way. More than a million migrants and refugees crossed into Europe in 2015, sparking a crisis as countries struggle to cope with the influx and creating division in the EU over how best to deal with resettling people. The vast majority arrived by sea but some migrants have made their way over land, principally via Turkey and the Balkan countries. In a rapidly changing world, psychiatry faces numerous challenges. In response to these rapid societal changes, psychiatry needs to be prepared to meet the challenges of migration, acculturative change and acculturative stressors. Transcultural psychiatry focuses on the study of all these phenomena. In a rapidly changing world, the culture of psychiatry itself is also changing, from a more medically constricted perspective to a more inclusive scientific approach integrating the perspectives of the social sciences, public health and public policy, along with medicine and its related clinical disciplines. That is why we invite you to learn about these developments and to discuss their implications in this conference – the Second International Conference on Transcultural Psychiatry in Central/North European Countries. We will discuss the characteristics of rapid culture change over the past two decades, theoretical and practical issues related to the mental health care for migrants, migrants’ access to appropriate mental health and social services, coping with stigma and social exclusion, intercultural marriage and its implications, culture change within psychiatry and health care more broadly, and a number of other related subjects. The conference objective is to enable presentations by experienced researchers, clinicians and policymakers from a number of European countries, as well as those from countries around the world. The long-range goal of the conference is the greater cultural integration of immigrants and refugees in all countries, along with the reduction of stigma related to migration and minority status in all countries. Artur Broclawski (PL, D), Solmaz Golsabahi-Broclawski (A), Marianne Kastrup (DK), Hans Rohlof (NL), Ron Wintrob (USA), Kees Laban (NL), Ewa Staszweska (PL), Ewa Dobiala (PL), Krystyn Czerniejewski (PL), Stefan Mennemeier (D), A. Umiecka (PL), Anna Hakiel (PL), Wieslaw J. Cubala (PL) Kurse und Angebote des MITK: In Kooperation mit Frau Melanie Berg (www.dialog-berg.de – Anmeldung unter: [email protected]) werden unterschiedliche Kurse insbesondere am Wochenende angeboten um Resilienz zu stärken. Aktuelle Kurse sind unter anderem: Neue Wege im Umgang mit Stress: Anforderungen und Belastungen im beruflichen und privaten Umfeld sind komplex. Ein unreflektierter, unflexibler Umgang mit täglich anfallenden Belastungen kann zu erhöhten Anspannungen bis hin zu konkreten psychischen und körperlichen Erkrankungen oder Burnout führen. Wer lernt, wie man Stress erkennen, analysieren und bewältigen kann, ist in der Lage seine Belastungen zu verringern. Rauchstopp vorbereiten und umsetzen: Vielen Rauchern fällt es schwer, sich für immer von der Zigarette zu trennen. Als treuer und zuverlässiger Begleiter in nahezu allen Lebenslagen und Bedürfnissituationen wird sie sehr geschätzt. Zum Entspannen nach getaner Arbeit oder beim Konzentrieren auf schwierige Aufgaben. Egal, was der Raucher gerade braucht, die Zigarette gibt’s. Wenn nur nicht die Gesundheit darunter leiden würde und überdies auch noch der Geldbeutel! MITK-NEWSLETTER (1. Jahrgang, Ausgabe 1) 3 Fortbildung Kultursensible Kommunikation Stärkung der transkulturellen Kompetenz mit neuem Fortbildungsangebot M edizin und Migration – das heißt fast immer Verständigungsprobleme, fremdartige und verunsicherte Wahrnehmung und unterschiedliches Verständnis von Gesundheit, Krankheit, Sterben und Tod. Das sind Erfahrungen, die Ärztinnen und Ärzte im Umgang mit Patientinnen und Patienten aus fremden Ländern alltäglich machen. Nicht selten lösen diese Arzt-Patient-Beziehungen Frustration und Verzweiflung auf beiden Seiten aus – ein großes nicht zu unterschätzendes Problem, dem man mit vielschichtigen Lösungsansätzen begegnen muss. In Deutschland leben weit über 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, das sind 20 Prozent der Gesamtbevölkerung. Weltweite Flüchtlingsströme lassen erwarten, dass der Anteil der Bevölkerung mit Zuwanderungsgeschichte noch weiter wächst. Ein Fünftel der Menschen, die hierzulande medizinische Hilfe und Versorgung in Anspruch nehmen, haben einen Migrationshintergrund. Häufig kommen sie aus Ländern mit uns unbekannten Lebensgewohnheiten und anderen kulturellen Prägungen. Dies stellt das deutsche Gesundheitssystem und insbesondere die im Gesundheitssystem Tätigen vor besondere Herausforderungen. Die Interaktion zwischen allen am Versorgungsprozess Beteiligten und den Patienten bzw. ihren Angehörigen ist durch unterschiedliche Normen, Werte und Vorstellungen kulturspezifisch geprägt, sodass die Anforderungen und Erwartungen an die medizinische Versorgung oft stark variieren. Transkulturelle Kompetenzen zu vermitteln und die Empathie im Umgang mit Menschen mit Migrationshintergrund zu fördern, ist zentrales Anliegen der neuen ankündigungsfähigen curricularen Fortbildung „Transkulturelle Medizin – Kulturelle Kompetenz im klinischen Alltag“ der Akademie für medizinische Fortbildung der ÄKWL und der KVWL. Das Curriculum wurde gemeinsam mit der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf, dem Medizinischen Institut für transkulturelle Kompetenz in Bielefeld (MITK) und dem Dachverband der transkulturellen Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im deutschsprachigen Raum e.V. (DTPPP e.V.) entwickelt. Wesentlich unterstützt wurde die Akademie für medizinische Fortbildung im Rahmen der koordinierenden und inhaltlich konzeptionellen Arbeit bei der Entwicklung des Curriculums durch die ärztliche Leiterin des MITK und 2. Vorsitzende des DTPPP e.V., Dr. med. univ. Solmaz GolsabahiBroclawski. Die Fortbildung schließt für Ärztinnen und Ärzte aus dem Kammerbereich mit einem Zertifikat der Ärztekammer Westfalen-Lippe ab. Das Curriculum ist fach- und berufsgruppenübergreifend angelegt und greift Inhalte aus den Fachgebieten Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Chirurgie, Frauenheilkunde und Ge- 4 MITK-NEWSLETTER (1. Jahrgang, Ausgabe 1) burtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychosomatik auf. Es richtet sich an Ärztinnen und Ärzte, Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten und Psychologinnen und Psychologen. Eine Erweiterung um Inhalte aus anderen Fachgebieten, wie beispielsweise Orthopädie und Unfallchirurgie, Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie Urologie, ist geplant. Ärztekammerpräsident Dr. med. Theodor Windhorst hat sich erst vor kurzem dahingehend geäußert, dass er es nicht für zielführend hält, das Thema „Kultursensibilität“ verpflichtend in die ärztliche Weiterbildung zu integrieren. Aufgrund zu weniger Angebote könne dies zu Engpässen in den Weiterbildungsstätten führen, was die Weiterbildung damit unnötig verzögere. Weiterbilderinnen und Weiterbilder sollten sich freiwillig mit kulturellen Problematiken auseinandersetzen und nicht durch Regelungen im Rahmen des Weiterbildungsrechts dazu verpflichtet werden. Vielmehr fordert der Kammerpräsident geeignete Fortbildungsangebote, die Ärztinnen und Ärzte auch bereits während ihrer Weiterbildung in Anspruch nehmen können. Nicht nur im medizinischen Alltag habe kultursensibles Verhalten eine besondere Relevanz. Gesamtgesellschaftlich sei die Integration von Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern und uns fremder kultureller Sozialisation von erheblicher Bedeutung. Auch hier stehe die ärztliche Selbstverwaltung und mit ihr die gesamte Ärzteschaft in besonderer Verantwortung. Die Vermittlung transkultureller Kompetenzen soll zukünftig auch stärker Eingang in die medizinische Ausbildung finden. Medizinstudierende in Deutschland sollen sich mit interkulturellen Kompetenzen auseinandersetzen. Der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog für Medizin (NKLM) gibt hier in verschiedenen Kapiteln konkrete Lernziele vor. Einige Fakultäten bieten bereits umfangreiche Lehrangebote zum Themenbereich Medizin und Migration an. Im Rahmen der 71. Fort- und Weiterbildungswoche auf Borkum wird die Akademie für medizinische Fortbildung das Curriculum im Rahmen einer Pilotveranstaltung erstmalig durchführen. Damit setzt sie ein Zeichen. Sie will Ärztinnen und Ärzte und auch Psychotherapeuten gezielt darin unterstützen, Menschen mit Migrationshintergrund besser verstehen und einschätzen zu können, um auf der Basis einer guten und empathischen ArztPatient-Beziehung eine für beide Seiten zielführende Diagnostik und Therapie durchzuführen. Nähere Informationen zum Curriculum gibt es unter www.aekwl.de/tkmedizin. Ansprechpartner für Fragen zur Fortbildung ist Kristina Balmann, Tel.: 0251/929-2220, E-Mail: balmann@ aekwl.de Elisabeth Borg Leiterin Ressort Fortbildung Ärztekammer Westfalen-Lippe Kongressbericht Transkulturelle Kompetenz stärken Zehnter DTPPP-Kongress in Bielefeld T ranskulturelle Kompetenz für medizinisches Personal ist gefragter denn je – doch während der Versorgungsbedarf angesichts weltweiter Migration und Flüchtlingsströme wächst, hat die Vermittlung dafür benötigter Kompetenzen noch nicht hinreichend Eingang in die medizinische Ausbildung gefunden, findet der Dachverband der transkulturellen Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (DTPPP). Grund genug, beim zehnten Kongress des Verbands, der im September in Bielefeld stattfand, drei Tage lang die vielfältigen Aspekte einer kultursensiblen Patientenversorgung im Zusammenspiel der Gesundheits-Professionen zu beleuchten. Transkulturelle Kompetenz zu vermitteln ist zentrales Anliegen eines geplanten neuen Fortbildungsangebots, das die Akademie für medizinische Fortbildung der ÄKWL und der KVWL beim Kongress in Bielefeld vorstellte. Elisabeth Borg, Leiterin des Ressorts Fortbildung der ÄKWL, erläuterte, dass die Interaktion von Ärztinnen und Ärzten und ihren Patienten unter anderem durch unterschiedliche kulturelle Vorbedingungen und unerschiedliche Erwartungen geprägt sei. „Kulturelle und sprachliche Barrieren können die zielorientierte Behandlung erschweren.“ Das Curriculum zum Erwerb des Zertifikats Transkulturelle Medizin, das auch bundesweit wegweisend sei, könne künftig fachübergreifend die Expertise verschiedener Berufsgruppen verknüpfen. Es biete damit Ansatzpunkte zur Optimierung der Versorgung. Ärzte unter transkulturellem Aspekt fit zu machen für die Diagnostik und Therapie somatischer und psychiatrischer Erkrankungen und so das Management der Versorgung von Migranten zu verbessern, bedeute einen hohen Anspruch. Das Curriculum sieht dazu 50 Unterrichtseinheiten vor, von denen 13 als eLearning-Maßnahme gestaltet sind. Die Pilotveranstaltung soll während der Fortund Weiterbildungswoche auf Borkum im kommenden Jahr stattfinden. Kongresspräsidentin Dr. Solmaz Golsabahi-Broclawski (3. v. r.) begrüßte in Bielefeld als Referenten u. a. Hans Rohlof, Marianne Kastrup MD, PhD, Dipl.Päd. Barbara Rosenthal, Elisabeth Borg, Dr. Kees Laban, Dr. Ute Teichert und Dr. Ljiljana Joksimovic (v. l. n. r.). Foto: kd ler Kompetenz für Angehörige von Gesundheitsberufen dar. Die europäische Arztausbildung bereite auf eine Arzt-PatientBeziehung „auf Augenhöhe“ vor – Patienten aus anderen Kulturen könnten jedoch ganz andere Erwartungen an diese Beziehung haben. Kultursensibilität zu erhöhen erfordere deshalb neben kulturellem Basiswissen vor allem die Fähigkeit zur Empathie. „Das alles lässt sich jedoch nicht technisch in einem Kurs lernen, es braucht viel mehr.“ Kastrup empfahl die Guidance Papers der European Psychiatric Association, die einen Überblick über Trainings zur Kulturkompetenz geben. Lohn transkulturellen Engagements sei nicht nur eine größere Zufriedenheit mit Situationen interkultureller Interaktion, sondern auch ein Lerngewinn über andere Kulturen, realistischere Erwartungen an Patienten und eine verbesserte Fähigkeit, Missverständnisse aufzulösen. Eine andere, aus dem jüdischen Glauben erwachsene Sicht auf die Arbeit mit Patienten legte Rabbiner Nils Jakob Ederberg dar. „Pastoral Care“ im jüdischen Kontext unterscheide sich in vielem von der christlich geprägten Krankenseelsorge. In der Praxis würden Patienten aus dem Kreis der rund 100.000 Mitglieder jüdischer Gemeinden in Deutschland ihre religiös motivierten Wünsche eher selten äußern. Oft sei es schwierig, diese Wünsche zu erfüllen – „ein ausbaubedürftiges Feld“. Resilienz entwickeln Doch zunächst richtete der Kongress den Blick ins Ausland: Kees Laban vom Zentrum für transkulturelle Psychiatrie De Evenaar (Niederlande) legte anhand von Studien dar, dass die Prävalenz für posttraumatische Belastungsstörungen und Depressionen bei Flüchtlingen höher ist als in der Wohnbevölkerung – und sogar höher als im Herkunftsland der Flüchtlinge. Nach traumatischen Erfahrungen, aber auch nach der Flucht seien die Ressourcen geschwächt, Resilienz zur Bewältigung der Situation zu nutzen oder zu entwickeln. Physische Fitness, soziale Unterstützung, Vorbilder und das Erkennen eines Sinns auch in Widrigkeiten – all dies könne beitragen, die psychische Widerstandsfähigkeit von Flüchtlingen nach der Flucht zu stärken. Dr. Hamid Peseschkian, Leiter der Wiesbadener Akademie für Psychotherapie, sah Psychiater und Psychotherapeuten nicht nur in der Verantwortung für die Versorgung ihrer Patienten, sondern auch als Aufklärer und Brückenbauer im europäischen und globalen Kontext. „Wir sind die Beziehungsexperten“, machte Peseschkian deutlich – wichtig in einer Zeit, in der Beziehungen schwierig oder gleich ganz zerstört, die Frustrationstoleranz niedrig und die Reizbarkeit groß seien. Psychiater und Psychotherapeuten seien die Geeigneten, die Bevölkerung über die Chancen einer (nicht nur wirtschaftlichen) Globalisierung als Bereicherung aufzuklären. „Auch Europa ist derzeit ein spannender Kontinent. Hier findet Geschichte statt.“ Marianne Kastrup, Leiterin des Centre for Transcultural Psychiatry in Kopenhagen, legte die Bedeutung transkulturel- Klaus Dercks Ärztekammer Westfalen-Lippe MITK-NEWSLETTER (1. Jahrgang, Ausgabe 1) 5 Aktuelles Reform der Psychotherapie-Richtlinie: Details der Änderungen ab 1. April 2017 Versorgungsangebote Bewilligungsschritte für Einzel-/Gruppentherapie bei Erwachsenen Schritt 1 Akutbehandlung nach mind. 50 Minuten Sprechstunde Sprechstunde bis zu 150 Minuten für Erwachsene bis zu 250 Minuten für Kinder und Jugendliche Probatorik nach mind. 50 Minuten Sprechstunde oder einer Akutbehandlung verpflichtend für Einleitung einer Kurz- oder Langzeittherapie 2–4 Stunden für Erwachsene 2–6 Stunden für Kinder und Jugendliche Langzeittherapie Kurzzeittherapie Erläuterungen Schritt 2 bis zu 12 Stunden anzeigepflichtig Erbrachte Stunden der Akutbehandlung sind mit einer ggf. anschließenden Kurzzeittherapie zu verrechnen. bis zu 12 Stunden antragspflichtig; nicht mehr gutachterpflichtig bis zu 24 Stunden antragspflichtig; nicht mehr gutachterpflichtig Verhaltenstherapie (VT) bis zu 60 Stunden antrags- und gutachterpflichtig bis zu 80 Stunden antragspflichtig; Gutachterpflicht liegt im Ermessen der Krankenkassen Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP) bis zu 60 Stunden antrags- und gutachterpflichtig bis zu 100/80 Stunden antragspflichtig; Gutachterpflicht liegt im Ermessen der Krankenkassen Analytische Psychotherapie (AP) bis zu 160/80 Stunden bis zu 300/150 Stunden antrags- und antragspflichtig; gutachterpflichtig Gutachterpflicht liegt im Ermessen der Krankenkassen Kurzzeittherapie gilt nach 3-wöchiger Frist auch ohne Bescheid als bewilligt; Umwandlung in Langzeittherapie ist gutachterpflichtig. Ein begrenzter Anteil noch nicht in Anspruch genommener Sitzungen aus dem Langzeit-Kontingent kann zwei Jahre zur Rezidivprophylaxe genutzt werden (Angabe im Antrag erforderlich). Andere Beratungs- und Unterstützungsangebote (z.B. Schuldnerberatung, Ehe- und Familienberatungsstelle) Bücherempfehlungen The need to coordinate transcultural healthcare effectively. Transcultural Challenge of Medicine: First International Conference on Transcultural Psychiatry in Central European Countries (Reihe: Kulturfallen im Klinischen Alltag; Band 7) A. Broclawski, S. Golsabahi-Broclawski, M. Kastrup, I. Özkan, H. Rohlof, R. Wintrup (edts.) Lit Verlag 2016, Taschenbuch, 174 Seiten, Sprache: Englisch. ISBN-10: 3643907443; ISBN-13: 978-3643907448 The book “Transcultural Challenge of Medicine”, published in 2016 by Broclawski et al. consists of various texts written in 6 MITK-NEWSLETTER (1. Jahrgang, Ausgabe 1) form of easily read essays, which discuss the issue of transculturalism in medicare. Transcultural problems (frome one culture to the other – not multi-cultural) – meaning problems that I face in a foreign cultural surrounding – because of me having another cultural background. Here the term “cultural” includes ethnic and religious aspects. All essays published in this book, describe the work of various healthcare centers and traditions – newly invented – to handle this dilemma of being stuck somewhere in between being culturally understood and misunderstood. Various German institutions but also Siberian, Danish, Rumanian, Polish, and oth- er ways of comforting the ones in need of being understood are presented, all with one very serious message: the need of a well-structured cooperal system between these institutions. Kränkungen bewältigen. Ab heute kränkt mich keiner mehr: 101 PowerStrategien, um Zurückweisung und Kritik nicht mehr persönlich zu nehmen Doris Wolf pal Verlag 2003, 10. Aufl., Taschenbuch, 248 Seiten. ISBN-10: 3923614799; ISBN-13: 9783923614790 Doris Wolfs Buch spricht den Leser bzw die Leserin auf eine einladend sympathische Art an, einen Weg mit der Autorin mitzugehen, der helfen soll, zu organisieren wie wir uns fühlen, wenn wir uns „getroffen“ fühlen. So wie Kränkungen uns treffen, uns betroffen machen, uns sprachlos machen, so soll es uns auch möglich sein, zur Sprache zu finden und uns zu verteidigen ohne in der Defensiv-Offensiv-Aggressiven Phase stecken zu bleiben, und hierfür hat die Autorin einige Strategien bereit. lässt, wenn er wie folgt zitiert wird: „Die häufigste Krankheit ist die Diagnose.“ Eine zu starre Diagnose die im Volksmund mit der passenden Medikation zum „still und ruhigstellen“ des Patienten dient, sei eben nicht das Ziel der Psychiatrie, wobei eine Therapie auch mal ein Ende finden müsse, so der Autor. Wunden die einander „helfen“ könnten. Der verwundete Arzt. Ein Psychogramm des Heilberufs. Peter Gathmann, Claudia Semrau-Lininger Kösel Verlag 1996, Taschenbuch, 285Seiten. ISBN-10: 3466343607; ISBN-13: 9783466343607 Peter Gathmann und Claudia Semrau-Lininger haben 1996 ein Buch geschrieben, in dem sie eindrucksvoll beschreiben, dass die Ärztin bzw. der Arzt von der/dem man sich Heilung erhofft, quasi aus einer Wunde heraus arbeitet. In 5 Kapiteln beschreiben die Autoren die Probleme aber auch die Chancen, die sich ergeben, wenn man sich bewusst wird, dass die Ärztin bzw. der Arzt, die man aufsucht, ihre/seine Biographie in den Behandlungsprozeß mitbringt und diese nicht ausblenden kann. Amüsant pointierte Ausführungen eines Psychiaters. Irre! Wir behandeln die Falschen: Unser Problem sind die Normalen Manfred Lütz Gütersloher Verlagshaus 2009, 192 Seiten. ISBN-13: 9783579068794 Der Psychiater, Psychotherapeut und Theologe Lütz hat 2009 ein Buch geschrieben, das ein glühendes Plädoyer für ein Umdenken in der Behandlung nicht sichtbarer, also psychischer Probleme, darstellt. Der Leser wird durch einen anfangs amüsant zu lesenden Text darüber geführt, wie eindimensional die Definition des Normalen und wie starr die Norm ist, durch deren Verschiebung das Leben erst bunter wird – ohne den feinen Grad zur (psychischen) Störung zu überschreiten. Gewürzt werden die Anekdoten aus seinem beruflichen Alltag mit ausgeprägtem Wissen über Behandlungsmethoden der modernen aber auch leider nicht besonders modernen Psychiatrie, mit Zitaten von Nietzsche, aber auch zeitgenössischen Analytikern, aber auch Kraus, der einen schmunzeln Ein wenig fehlen einem bei der Lektüre dieses Buches einige Studien über Ärzte bzw „Heiler“ – egal aus welcher Kultur – sowie eine zahlenmäßige Erfassung ihrer eigenen Krankschreibungen und ihrer Behandlungserfolge bei ihren eigenen Patienten. Trotzdem ist es ein sehr empfehlenswertes Buch, besonders für Patienten die sich von ihrer Ärztin bzw. ihrem Arzt zum einen zu viel erwarten aber auch zum anderen nicht wissen, welche Ärztin/welcher Arzt zu ihnen passt. Besonders interessant zu lesen sind die ausgesuchten Zitate und die Ausflüge in die Medizinethik und Mythologie des Heilberufs. Zusammengefasst kann gesagt werden, wenn die Wunde meines Heilers mit meiner kompatibel ist, und bei meinem Heiler der Drang nach Helfen ausgeprägter ist als bei mir, könnte es sein, dass wir einander gut ergänzen. Rezensionen zusammengestellt von Frau Mag. Shoka Golsabahi, Kunsthistorikerin, freie Journalistin MITK-NEWSLETTER (1. Jahrgang, Ausgabe 1) 7
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