Konjunktur Kompakt

Helaba Volkswirtschaft/Research
KONJUNKTUR KOMPAKT
6. März 2017
REDAKTION
Dr. Stefan Mitropoulos
Tel.: 0 69/91 32-46 19
[email protected]
Die Welt im Blick ............................................................................................................................ 1
HERAUSGEBER
Dr. Gertrud R. Traud
Chefvolkswirt/
Leitung Research
China: Der wahre Weltmeister....................................................................................................... 4
Helaba
Landesbank
Hessen-Thüringen
MAIN TOWER
Neue Mainzer Str. 52-58
60311 Frankfurt am Main
Telefon: 0 69/91 32-20 24
Telefax: 0 69/91 32-22 44
Prognoseübersicht......................................................................................................................... 7
Deutschland: Freihandel für alle wichtig...................................................................................... 2
USA: Erwartungsblase?................................................................................................................. 3
Frankreich: Politische Verunsicherung ........................................................................................ 5
Polen: Das neue „Normal“? .......................................................................................................... 6
Die Welt im Blick
Dr. Stefan Mitropoulos
Tel.: 0 69/91 32-46 19
Europäischer Einzelhandel – Aufschwung mit Fragezeichen
Reale Einzelhandelsumsätze (Eurostat), 2010 = 100
120
Frankreich
115
Großbritannien
110
Deutschland
105
120
115
110
105
Belgien
100
Niederlande
95
Italien
90
Spanien
100
95
90
85
85
80
80
75
75
10
11
12
13
14
15
16
17
Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research
Die Publikation ist mit größter
Sorgfalt bearbeitet worden.
Sie enthält jedoch lediglich
unverbindliche Analysen und
Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen
Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen,
die wir für zuverlässig halten,
für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir
aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in
dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht
als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden.
Die Einzelhandelsumsätze in der Eurozone konnten im vergangenen Jahr deutlich zulegen, wenn
auch in den einzelnen Ländern in recht unterschiedlichem Ausmaß. Die Branche partizipierte damit
an der erfreulichen Entwicklung des privaten Konsums, der zum maßgeblichen Treiber des gesamtwirtschaftlichen Wachstums geworden ist. Überraschenderweise fiel in Großbritannien das
Plus bei den realen Einzelhandelsumsätzen im Gesamtjahr trotz Brexit-Referendum höher aus als
in den großen Flächenländern der Eurozone. Unter diesen schnitt Spanien am besten ab – nach
zuvor jahrelanger Talfahrt befindet sich die Branche hier in einem nunmehr drei Jahre andauernden Aufholprozess, der durch ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum gespeist wird. Nur
schwach legten die Umsätze dagegen in Italien zu, in Belgien war sogar ein Rückgang zu verzeichnen. Der Ausblick für 2017 könnte durch die Rückkehr der Inflation getrübt werden, da bei
weiterhin solidem Wirtschaftswachstum die Realeinkommen nun deutlich weniger zulegen werden.
Der kräftige Rückgang der Einzelhandelsumsätze in Großbritannien im Dezember und die im Januar ausgebliebene Gegenbewegung könnten ein erstes Signal dafür sein, dass der bevorstehende Brexit doch den dortigen Konsumenten allmählich Bauchschmerzen bereitet.
H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . M Ä R Z 2 0 1 7 · © H E L A B A
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KONJUNKT UR KOMPAKT
Deutschland: Freihandel für alle wichtig
Nach dem etwas schwächeren dritten Quartal hat die deutsche Wirtschaftsleistung im vierten Vierteljahr mit real 0,4 % gegenüber den drei Monaten zuvor wieder stärker zugelegt. Dieses Tempo
dürfte 2017 in etwa gehalten werden. Damit würde das kalenderbereinigte Wirtschaftswachstum
dieses Jahr mit 1,5 % leicht schwächer ausfallen als im Vorjahr (1,8 %). Ein wesentlicher Grund
hierfür ist die höhere Inflationsrate, die den Anstieg der verfügbaren Einkommen in realer Rechnung bremst. Die Verbraucherpreise dürften 2017 mit 1,7 % über einen Prozentpunkt stärker zulegen als im vergangenen Jahr. Für die privaten Konsumausgaben bedeutet dies, dass bei einer
nahezu unveränderten Sparquote nur noch ein Zuwachs von rund 1,5 % (2016: 2 %) zu erwarten
ist. Bei den öffentlichen Ausgaben kann trotz weiterhin steigender Steuereinnahmen nicht erneut
mit einem Zuwachs von 4 % gerechnet werden. Bereits im Verlauf von 2016 hat der, auch flüchtlingsbedingt höhere Staatskonsum, an Fahrt verloren.
Dr. Stefan Mütze
Tel.: 0 69/91 32-38 50
Prognoseübersicht Deutschland
Steigende Importpreise verbessern Außenbeitrag
Realer Wachstumsbeitrag des Außenhandels, Importdeflator gg. Vj., %
2015
2016
% gg. Vj.
1,5
1,8
1,5
1,4
Budgetsaldo
% des BIP
0,7
0,8
0,3
0,3
Leistungsbilanzsaldo
% des BIP
8,3
8,5
8,2
8,1
%
6,4
6,1
6,0
5,9
% gg. Vj.
0,3
0,5
1,7
1,6
BIP*, real
Arbeitslosenquote
Inflationsrate
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
2017p 2018p
*kalenderbereinigt p=Prognose
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Mehr Dynamik sollte 2017 von der Investitionstätigkeit ausgehen. Die Ausrüstungsinvestitionen
sind in im vierten Quartal zum dritten Mal in Folge gesunken. Damit stiegen sie 2016 um nur
1,1 %. Die hohe politische Unsicherheit (Brexit, Trump, Wahlen in Europa) hat zu der Zurückhaltung der Unternehmen beigetragen. In diesem Jahr sollte diese nur langsam nachlassen und damit
die Investitionen weiterhin belasten. Allerdings hat sich die konjunkturelle Lage in der Industrie seit
dem vierten Quartal verbessert; die Kapazitätsauslastung ist gestiegen. Dies dürfte die Ausrüstungen etwas beleben, so dass 2017 ein Zuwachs von 4 % möglich erscheint. Die Bauinvestitionen
dürften mit 2,5 % kaum weniger stark expandieren als im Vorjahr (3 %). Zwar wird der Wohnungsbau den extrem starken Zuwachs voraussichtlich nicht wiederholen. Die Auftragseingänge deuten
aber für den Nichtwohnungsbau auf eine stärkere Dynamik hin.
Protektionismus ist für
alle Beteiligte schädlich
Die deutsche Wirtschaftsentwicklung wird damit erneut von der Binnennachfrage getragen. Der
Außenhandel dürfte 2017 zum zweiten Mal in Folge einen leicht negativen Wachstumsbeitrag
liefern, zumal die positiven Effekte des schwachen Euro allmählich abnehmen. Eine weitere Abwertung der Gemeinschaftswährung ist nicht zu erwarten. Zwar steigen die Exporte moderat, doch
die Einfuhren wiesen zuletzt in konstanten Preisen höhere Zuwächse auf. In laufenden Preisen
war es umgekehrt. Dies resultiert aus der Tatsache, dass die Einfuhrpreise nicht nur wegen niedriger Energiekosten stärker fielen als die Exportpreise. Die entsprechenden Deflatoren werden genommen, um reale Werte zu berechnen. Sinkende Einfuhrpreise führen mittelfristig zu mengenmäßig höheren Einfuhren. Mittlerweile steigen die Einfuhrpreise wieder, was sich ab dem ersten
Quartal auch im Deflator bemerkbar machen wird. Dies dürfte zu einer tendenziellen Verbesserung
des deutschen Außenbeitrags führen. Zu einer starken Belastung könnten aber protektionistische
Tendenzen werden. Immerhin sind die deutschen Exportunternehmen gut aufgestellt. So gehört
Deutschland zu den Ländern mit der höchsten regionalen Diversifizierung. Hinzukommen müssen
verstärkte Anstrengungen, durch Innovationen deutsche Produkte noch attraktiver zu gestalten.
Damit werden sie weniger verzichtbar. Die Wirtschaftspolitik sollte u.a. mit Freihandelsabkommen
für den freien Handel werben und dessen gegenseitigen Nutzen betonen.
H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . M Ä R Z 2 0 1 7 · © H E L A B A
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KONJUNKT UR KOMPAKT
USA: Erwartungsblase?
Trotz der Euphorie bei manchen Stimmungsbarometern und an den Finanzmärkten bleibt die USWirtschaft auf ihrem moderaten Expansionskurs. Nachdem das Wachstum im Sommer 2016 auf
3,5 % (annualisierte Vorquartalsrate) angezogen hatte, legte das reale BIP im Jahresendquartal
nur noch um 1,9 % zu. Einem neuerlichen kräftigen Plus beim privaten Konsum (3 % gegenüber
Vorquartal), dem positiven Impuls vom Lager und einem leichten Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen nach vier Minusquartalen stand ein massiv negativer Wachstumsbeitrag vom Außenhandel
(-1,7 Prozentpunkte) gegenüber.
Patrick Franke
Tel.: 069/91 32-47 38
Für das Gesamtjahr 2016 hat es damit trotz des höheren Schwungs im zweiten Halbjahr lediglich
für einen Zuwachs beim realen BIP von 1,6 % gereicht. Für die kommenden Quartale rechnen wir
im Schnitt mit Wachstumsraten im Rahmen des Potenzials von ca. 2 %. Passend zu den gestiegenen Stimmungsindikatoren wie den ISM-Einkaufsmanagerindizes wird die Vorjahresrate beim BIP
bis Q2 2017 anziehen. Wie es danach weitergeht, hängt unter anderem davon ab, ob und wieviel
fiskalischer Stimulus verabschiedet wird.
Prognoseübersicht USA
Wachstum: Kein Ausbruch nach oben
Reales Bruttoinlandsprodukt (BIP), Veränderung in % (ab Q1 2017 Prognose)
2015
2016
2017p 2018p
6
BIP, real
% gg. Vj.
2,6
1,6
2,2
2,0
6
gg. Vq. (Jahresrate)
4
4
Trend
2
2
0
Budgetsaldo*
Leistungsbilanzsaldo
Arbeitslosenquote
Inflationsrate
% des BIP
-3,3
-3,3
-4,2
-4,7
% des BIP
-2,6
-2,6
-2,8
-2,8
%
5,3
4,9
4,6
4,6
% gg. Vj.
0,1
1,3
2,6
2,2
* Bundesebene einschl. Sozialversicherungen (NIPA-Basis)
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
p=Prognose
0
-2
-2
gg. Vj.
-4
-4
-6
-6
-8
-8
-10
-10
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
In dieser Frage sind wir auch gut einen Monat nach der Amtseinführung von Präsident Trump nicht
schlauer. Sein Finanzminister hat in ersten Einlassungen zu diesem Thema die Erwartungen auf
eine schnelle Wirkung erst einmal gedämpft. Einen Haushaltsentwurf für das Fiskaljahr 2018 (ab
Oktober 2017) will man bis Mitte März vorlegen. Danach kann es aber trotz der Mehrheit der Republikaner noch länger dauern, bis sich beide Kammern des Kongresses auf eine endgültige Fassung geeinigt haben. Wahrscheinlich werden merkliche Entlastungen bei der persönlichen Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer erst 2018 wirksam. Auch das viel diskutierte Infrastrukturprogramm wird sich nicht von heute auf morgen in spürbarem Umfang in der Gesamtnachfrage widerspiegeln. Diese Projekte brauchen Zeit und sind – wenn überhaupt – primär mittelfristig
wachstumsstützend. Gleichzeitig schwebt wie ein Damoklesschwert das Risiko einer Eskalation
des Handelsstreits zwischen den USA und Mexiko bzw. China (und in geringerem Maße auch
Deutschland) über den internationalen Beziehungen. Hohe Zölle oder andere Handelshemmnisse
würden nicht nur viele US-Unternehmen belasten, sondern auch einen neuerlichen Preisschub für
die Endverbraucher, nicht zuletzt in den unteren Einkommensschichten, bringen.
Inflationsprognose 2017
nach oben angepasst
Die Kernteuerung bewegt sich derzeit weiterhin im Rahmen unserer Prognosen. Ohne Energie und
Nahrungsmittel steigen die Preise seit geraumer Zeit im Bereich von 2 % bis 2,3 %. Daran dürfte
sich zunächst nicht viel ändern, auch wenn wegen Handelshemmnissen steigende Importpreise
ein nicht zu vernachlässigendes Risiko sind. Auf Basis unserer geänderten Ölpreisprognose rechnen wir nun mit einer Gesamtteuerung von 2,6 % im Schnitt des Jahres 2017 (bisher: 2,2 %). Dabei werden in den kommenden Monaten voraussichtlich Monatswerte von fast 3 % erreicht. Dies
dürfte ausreichen, um die Notenbank zu einer etwas schnelleren Rücknahme des extremen Expansionsgrads der Geldpolitik zu bewegen. Wir erwarten bis Ende des Jahres nun zwei Zinsschritte der Fed. Selbst dann wird der Realzins aber noch immer negativ sein.
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KONJUNKT UR KOMPAKT
China: Der wahre Weltmeister
In den ersten Wochen dieses Jahres tauchte in verschiedenen deutschen Medien plötzlich wieder
die Aussage „Deutschland ist Exportweltmeister!“ auf. Dass dies Humbug ist, zeigt ein schneller
Blick auf die Zahlen. Gemessen an den Warenexporten lagen die Exporte Chinas 2016 bei über
2 Bio. Dollar, mit weitem Abstand vor denen Deutschlands. Bei den Dienstleistungsexporten führen
die USA – wohl bis auf weiteres uneinholbar. Ausgangspunkt der aktuellen Diskussion war eine
Studie des ifo-Instituts, nach der für das Jahr 2016 die Kapitalexporte (also der Überschuss in der
Leistungsbilanz) Deutschlands in US-Dollar die weltweit Höchsten waren. Schon beim echten
Exportweltmeistertitel stellt sich allerdings die Frage, ob dieser – außer für Anhänger veralteter
merkantilistischer Theorien – wirklich erstrebenswert ist. Die Nettoexporte sind hingegen auf jeden
Fall ein zweischneidiges Schwert, schließlich fallen die negativ in Rechnung gestellten Importe bei
einem Boom der Binnennachfrage tendenziell höher aus. Das Problem wird noch deutlicher, wenn
man die Deutschen (wie es das ifo-Institut korrekterweise tut) als „Kapitalexportmeister“ bezeichnet. Ob ein Rekord beim Verleihen/Investieren von Kapital im Ausland wirklich ein Grund zum
Feiern ist, hängt entscheidend von der Werthaltigkeit und Rendite dieser Kapitalexporte ab. Er
lässt sich zudem auch als Negativvotum über die inländischen Investitionsbedingungen bzw. Renditeperspektiven interpretieren. Weltmeister geht anders.
Patrick Franke
Tel.: 069/91 32-47 38
Prognoseübersicht China
China: So sehen Weltmeister aus!
Warenexporte in Mrd. US-Dollar, Jahreswerte
2015
2016
% gg. Vj.
7,2
6,7
6,3
5,8
Budgetsaldo
% des BIP
-2,7
-3,0
-4,5
-5,0
Leistungsbilanzsaldo
% des BIP
3,0
1,9
2,6
2,5
%
4,0
4,0
4,0
4,0
% gg. Vj.
1,5
2,1
2,0
2,0
BIP, real
2017p 2018p
2500
2500
China
2000
2000
1500
1500
1000
Deutschland
USA
500
Arbeitslosenquote
500
0
Inflationsrate
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
p=Prognose
1000
0
1980
1985
1990
1995
2000
2005
2010
2015
Daten des IWF; 2016 mit Q4 als Schätzwert auf Basis nationaler Statistiken
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Der jüngste „Knick“ bei den chinesischen Exporten war wohl in erster Linie wechselkursbedingt (im
Jahr 2016 war der Yuan gegenüber dem Dollar im Schnitt rund 5 % schwächer). Konjunkturell läuft
es in China nicht nur im Außenhandel aktuell wieder rund(er). Angesichts des positiven Jahresausklangs 2016 haben wir unsere Prognose für das Wachstum 2017 nach oben angepasst. Im
vierten Quartal 2016 lag die Vorjahresrate bei 6,9 % und damit – trotz des zeitweiligen Hyperventilierens über die Aussichten für die chinesische Konjunktur im abgelaufenen Jahr – fast am oberen
Rand des Gesamtjahresziels der Regierung von 6,5 % bis 7 %.
Höhere Wachstumsprognose für 2017
Die neue US-Regierung hat zudem zumindest zum Auftakt der Amtszeit von Präsident Trump die
direkte Konfrontation mit dem wichtigsten Handelspartner und „Weltmeister“ beim bilateralen Handelsbilanzüberschuss gescheut. Diese gegenüber China relativ zurückhaltende Position gibt Anlass zu Optimismus, dass auf kurze Sicht ein für China sehr belastender Handelskrieg mit den
USA nicht ansteht. Zwar bleibt die mögliche Einführung einer „big border tax“ auf chinesische Importe auf der Agenda. Sie wird aber, selbst wenn sie schon in der zweiten Jahreshälfte 2017 wirksam würde, das Wachstum in China im laufenden Jahr nicht deutlich reduzieren. Wir rechnen nun
für 2017 mit einem Plus des realen Bruttoinlandsprodukt von 6,3 % (bisher: 5,8 %). Trotz der zuletzt recht guten Stimmungsindikatoren zeigen harte Daten wie die Industrieproduktion eher eine
Stabilisierung als eine Beschleunigung an. Nach dem Parteikongress im Herbst dürfte die Regierung zudem ihre 2016 erheblich erhöhten Stimulusanstrengungen zurückfahren. Im Jahresschnitt
2018 sollte das Wachstum daher mit 5,8 % niedriger ausfallen. Mittelfristig bewegt sich das
Trendwachstum in Richtung 5 %.
H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . M Ä R Z 2 0 1 7 · © H E L A B A
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KONJUNKT UR KOMPAKT
Frankreich: Politische Verunsicherung
Frankreich steht vor der Präsidentschaftswahl am 23. April (Stichwahl: 7. Mai) und der Parlamentswahl am 7. bzw. 11. Juni 2017. Auch wenn ein Sieg der Kandidatin des Front National Marine Le Pen aus jetziger Sicht eher unwahrscheinlich ist, hat deren Programm bereits zu einer großen Verunsicherung an den Finanzmärkten geführt. So ist die Zinsdifferenz der zehnjährigen
Staatsanleihen Frankreichs gegenüber Deutschland zeitweise auf über 0,7 Prozentpunkte gestiegen. Ursache ist u.a. die Abstimmung über den Verbleib in der EU und damit im Euro, die die Kandidatin „versprochen“ hat. Ein Austritt Frankreichs wäre allerdings selbst bei einem Sieg von Le
Pen wenig wahrscheinlich. Es müsste in diesem Fall mit einer Kohabitation, also keiner eigenen
Mehrheit im Parlament, gerechnet werden. Zudem baut die französische Verfassung Hürden für
einen EU-Austritt auf, die überwunden werden müssten. Sollten es trotzdem zu einer Volksabstimmung kommen, ist eine Zustimmung nicht der wahrscheinlichste Fall. Sowohl Unternehmen
als auch Konsumenten reagierten auf die anstehenden Wahlen bislang kaum. Geschäfts- und
Konsumklima haben sich kontinuierlich verbessert.
Dr. Stefan Mütze
Tel.: 0 69/91 32-38 50
Prognoseübersicht Frankreich
Es geht allmählich aufwärts
Umfrageergebnisse
2015
2016
% gg. Vj.
1,2
1,1
1,2
1,3
Budgetsaldo
% des BIP
-3,5
-3,3
-3,2
-2,9
Leistungsbilanzsaldo
% des BIP
-0,2
-1,2
-1,0
-0,9
%
10,4
10,0
9,5
9,0
% gg. Vj.
0,1
0,3
1,6
1,4
BIP, real
Arbeitslosenquote
Inflationsrate
Quellen: Helaba Volkswirtschaft/Research
Wenig Dynamik in den
vergangenen Jahren
2017p 2018p
p=Prognose
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Das Wirtschaftswachstum ist in den vergangenen fünf Jahren im Vergleich zu Deutschland deutlich schwächer ausgefallen. So stieg das französische Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit 2011 um nur
0,8 % p.a., während Deutschland 1,2 % erreichte. Die Dynamik hat nicht ausgereicht, die Arbeitslosigkeit zu senken, ein Grund für die verbreitete Unzufriedenheit der Franzosen mit der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Arbeitslosenquote lag 2016 mit 10 % sogar über dem Wert von 2011
(9,2 %). Die Jugendarbeitslosigkeit (15 bis 24 Jahre) betrug zuletzt nahezu 25 %.
Zuletzt hat die französische Wirtschaft etwas an Schwung gewonnen. So legte das BIP im vierten
Quartal immerhin um 0,4 % gegenüber den drei Monaten zuvor zu. Auch steht das Wachstum seit
vergangenem Jahr auf mehreren Beinen. Zum Wirtschaftswachstum von 1,1 % im letzten Jahr
haben nicht nur die privaten (1,8 %) und öffentlichen (1,5 %) Konsumausgaben beigetragen. Erstmals seit vier Jahren stiegen die Bauinvestitionen (1,1 %). Die Dynamik ging vom Nichtwohnungsbau aus, der Wohnungsbau schloss mit einer schwarzen Null ab. An Fahrt gewonnen haben die
Ausrüstungsinvestitionen (5,9 %). Der Wachstumsbeitrag des Außenhandels war 2016 trotz des
schwachen Euro erneut negativ. 2017 dürfte das Wirtschaftswachstum mit 1,2 % kaum höher
ausfallen, da eine deutlich höhere Inflation von 1,6 % den Konsum etwas bremst.
Die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung dürften 2016 zu der lebhafteren Investitionstätigkeit beigetragen haben. So sind die Rahmenbedingungen für die Unternehmen durch die Senkung von Sozialbeiträgen und Steuern sowie temporären Abschreibungsmöglichkeiten verbessert
worden. Dieser Weg der Reformen sollte nach der Wahl fortgesetzt werden. Insbesondere gilt es,
die zu hohen Staatsausgaben zu reduzieren, um Raum für Steuersenkungen zu schaffen. Die
Gesamtausgaben des französischen Staates liegen bei 57 % des BIP und damit 13 Prozentpunkte
höher als in Deutschland.
H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . M Ä R Z 2 0 1 7 · © H E L A B A
5
KONJUNKT UR KOMPAKT
Polen: Das neue „Normal“?
Mit einer leichten Beschleunigung der Konjunktur im Schlussquartal 2016 ist die Basis für ein Wirtschaftswachstum von 3,0 % in 2017 gelegt. Dabei bleibt der Konsum ein wichtiger Pfeiler des
Wachstums. Denn mit diversen fiskalpolitischen Maßnahmen, wie dem im April 2016 gestarteten
Förderprogramm „Familie 500plus“, spendiert die seit Ende 2015 regierende rechtskonservative
PiS zusätzliches Einkommen und trägt so zur positiven Grundstimmung der Konsumenten bei.
Dies spiegelt sich im Aufwärtstrend der Einzelhandelsumsätze, die seit Ende 2015 an Fahrt aufgenommen haben.
Marion Dezenter
Tel.: 0 69/91 32-28 41
Als Wachstumstreiber gewinnt 2017 aber auch eine andere BIP-Komponente wieder an Bedeutung: Während die Investitionen 2016 noch das Wachstum gedrückt haben, dürften sie im Lauf
dieses Jahres Auftrieb bekommen, da Projekte im Rahmen des EU-Förderprogramms 2014-2020
ins Rollen kommen. Einkaufsmanagerindex und Auftragseingänge sind in den letzten Monaten
deutlich gestiegen. Die Nettoexporte hingegen dürften auch weiterhin begrenzt werden von der
gestiegenen Importnachfrage. Ob sich der hohe Wachstumsbeitrag der Lagerhaltung im gleichen
Ausmaß wiederholt (gut ein Drittel des BIP-Wachstums), ist indes fraglich. Insgesamt bleibt die
Konjunktur auch 2017 deutlich schwungvoller als im EU-Durchschnitt.
Prognoseübersicht Polen
Einzelhandelsumsätze beschleunigt
OECD Einzelhandelsumsätze, saisonbereinigt, Index, 2010 = 100
2015
2016
% gg. Vj.
3,9
2,8
3,0
3,2
Budgetsaldo
% des BIP
-2,6
-2,7
-3,0
-3,0
Leistungsbilanzsaldo
% des BIP
-0,6
-0,5
-1,0
-1,5
%
10,5
9,0
8,4
8,0
% gg. Vj.
-0,9
-0,6
2,2
1,8
BIP, real
Arbeitslosenquote
Inflationsrate
Quellen: EIU, MB, Helaba Volkswirtschaft/Research
2017p 2018p
p=Prognose
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Die Inflation ist mit den gestiegenen Ölpreisen auch in Polen wieder zurückgekehrt. Für 2017 ist
mit einem Plus von jahresdurchschnittlich gut 2 % zu rechnen. Von Bedeutung ist insbesondere
der Zuwachs bei den Löhnen: Die Arbeitslosigkeit ist 2016 deutlich auf 9 % zurückgegangen. Für
2017 zeichnet sich ein weiterer, wenn auch verlangsamter Rückgang ab. Mancherorts macht sich
bereits bemerkbar, dass die benötigten Fachkräfte nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Die Folge sind spürbare Lohnsteigerungen von rund 4 % im letzten Jahr.
Das Einhalten des Zentralbankziels einer Inflation von 2,5 % ist allerdings noch kein Problem. Bei
ihrer Zinssitzung im Februar bekräftigte die Nationalbank denn auch, das aktuelle Zinsniveau sei
weiterhin geeignet, um ein nachhaltiges, ausgewogenes Wachstum der polnischen Wirtschaft zu
gewährleisten. Insbesondere bei der Vorbereitung einer Zinswende wird es auf eine transparente
Kommunikation ankommen, damit die Geldpolitik für die Finanzmärkte nachvollziehbar und berechenbar bleibt. Der von Präsident Duda Mitte 2016 kurz nach seiner Amtsübernahme berufene
regierungsnahe Zentralbankpräsident Glapinski wird sich bei der aktuell anziehenden Teuerung
zwischen den Wünschen nach einer konjunkturfreundlichen Zinspolitik und einer stabilitätsorientierten Haltung positionieren müssen. In der internationalen Berichterstattung macht Polen zwar
immer wieder negative Schlagzeilen durch Eingriffe in die Souveränität des Verfassungsgerichts
und in die Pressefreiheit sowie durch das derzeit schwierige Verhältnis zur EU. Für Investoren
scheinen das weit über dem EU-Durchschnitt liegende Wachstum und die Renditeaussichten al1
lerdings zu verlockend, um sich davon abschrecken zu lassen.
1
Für eine ausführlichere Analyse Polens siehe Helaba Länderfokus vom 07.03.2017
H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . M Ä R Z 2 0 1 7 · © H E L A B A
6
KONJUNKT UR KOMPAKT
Prognoseübersicht
Bruttoinlandsprodukt
Verbraucherpreise
reale Veränderung gg. Vorjahr, %
Veränderung gg. Vorjahr, %
2015
2016
2017p
2018p
2015
2016
2017p
2018p
1,9
1,7
1,4
1,4
0,0
0,2
1,6
1,5
Deutschland
1,5
1,8
1,5
1,4
0,3
0,5
1,7
1,6
Frankreich
1,2
1,1
1,2
1,3
0,1
0,3
1,6
1,4
Italien
0,7
1,0
1,1
1,2
0,1
-0,1
1,4
1,3
Spanien
3,2
3,2
2,5
2,1
-0,6
-0,3
2,2
1,5
Niederlande
2,0
2,1
1,9
1,5
0,2
0,1
1,3
1,5
Österreich
1,0
1,5
1,7
1,7
0,9
0,9
2,0
2,0
Griechenland
-0,2
0,0
1,3
1,7
-1,1
0,0
1,0
1,5
Portugal
1,6
1,1
1,1
1,4
0,5
0,7
1,1
1,4
Irland
26,3
4,5
3,0
3,2
0,0
-0,2
0,7
1,5
Großbritannien
2,2
1,8
1,3
1,0
0,1
0,6
2,5
2,2
Schw eiz
0,8
1,3
1,1
1,3
-1,1
-0,4
0,3
0,7
Schw eden
4,1
3,3
2,6
2,5
0,0
1,0
1,5
1,7
Norw egen
1,6
1,0
1,5
1,7
2,1
3,6
2,1
2,2
Polen
3,9
2,8
3,0
3,2
-0,9
-0,6
2,2
1,8
Ungarn
3,1
2,0
2,8
2,7
-0,1
0,4
2,1
2,4
Euroland
Tschechien
4,5
2,3
2,6
2,5
0,3
0,7
2,3
2,2
Russland
-3,0
-0,5
0,8
1,3
15,5
7,1
5,0
4,5
USA
2,6
1,6
2,2
2,0
0,1
1,3
2,6
2,2
Japan
1,3
1,0
0,8
0,5
0,8
-0,1
0,7
0,5
Asien ohne Japan
5,4
5,1
5,0
4,7
2,5
2,8
3,0
3,0
China
7,2
6,7
6,3
5,8
1,5
2,1
2,0
2,0
Indien
7,5
6,8
6,9
6,9
4,9
5,5
5,1
5,0
Lateinamerika
Brasilien
Welt
0,2
-0,7
1,6
2,5
12,6
17,0
14,0
12,5
-3,8
-3,5
0,8
1,5
9,0
8,5
5,5
5,0
3,1
2,8
3,1
3,0
3,0
3,4
3,7
3,4
p = Prognose; BIP-Wachstum soweit verfügbar kalenderbereinigt
Quellen: EIU, Macrobond, Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research
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