Gott nervt unglaublich Eine Perle der Religionsverarbeitung machte vor einigen Tagen auf sich aufmerksam. Es geht gegen Platitüden wie "Keine Moral ohne Gott!“ und dagegen, dass die Religion wieder einige ihrer besonders hässlichen Häupter erhebt. Schon lange sei es ein schlechter Witz, am lieben Gott als einer Vaterfigur, die sich um alles kümmert, festzuhalten – niemand kümmert sich um uns, wenn wir uns nicht selber kümmern. Gott nervt unglaublich ist aus dem Inhalt zitiert, und: Gott, der lang schon Tote, hat längst zu stinken begonnen (… und wenn er allemal so dreinschaut wie auf dem Bild von OpenClipartVectors, pixabay). Der angesprochene Artikel heißt Es riecht nach Mensch (der Freitag 22.2.). Da macht Klaus Ungerer seinen antireligiösen Gefühlen Luft. Was er mit Religion verbindet: Weltweiter Terror durch religiös Benebelte im Namen des Glaubens, lautes "Kirchengedöngel" jeden Sonntag, und jetzt auch noch der Gedächtniskitsch um Martin Luther, den polternden BossAntisemiten. Ungerers Konsequenz: Wir brauchen keinen Gott, wirklich nicht. Gott nervt unglaublich. Und im Moment ganz besonders. Ein paar moderate Worte sollen besänftigen, vielleicht sollte man Gottes Andenken in Ehren halten und respektvoll seiner Verdienste gedenken. Sei es als "Begleiter der Menschheit", als "faszinierendes kulturelles Phänomen" oder was auch immer. Dann könnte man seiner Spur durch die Jahrtausende in einer "Mischung aus Respekt und Widerwillen" folgen bis zurück zu den Ursprüngen, wo der Mono-Gott, der imaginäre Freund, erfunden wurde. Bei Ungerer ist Echnaton der Erfinder, weil er den Sonnengott Aton über alle anderen Götter erhob. Man könnte das Urheberrecht auch Paulus geben, siehe dazu den wissenbloggtArtikel ® Wie das wohl zuging. Egal drum, der Solo-Gott hatte Erfolg. Er bedeutete Milliarden von Menschen etwas, in der Kindheit der menschlichen Historie. Die setzt Ungerer mit "schlappen fünf Millionen Jahren" recht lang an. Aber auf einige Jahrmillionen plusminus kommt es nicht an, wenn man die pubertierenden Menschenkinder mit "Erfolgsmodellen der Evolution wie Farnen, Asseln oder Spinnen" vergleicht. Aber alas, Gott stinkt schon zum Himmel – hier kommt der zitierte Stinkespruch. Schon seit Jahrhunderten könne jeder halbwegs gebildete Mensch solche Ideen als "unhaltbar und beschämend kurios" erkennen: Was soll das für ein allmächtiges Wesen sein, dessen Ursprung niemals erklärt wurde (außer in dem wissenbloggt-Link ® Wie das wohl zuging). Ob lebendig, unbelebt oder irgendetwas dazwischen, solch ein Wesen sei also der Schöpfer des Universum mitsamt der physikalischen Gesetze, der "betäubenden Unendlichkeit" und Trilliarden von Sonnen und Planeten – und dasselbe Wesen soll heute, anno 2017, über die Einhaltung von bizarren Regeln wachen wie Schläfenlöckchen tragen (bei orthodoxen Juden), keinen Baconburger essen (bei Muslimen) oder Statuetten von gefolterten, halbnackten Bärtigen in die Klassenzimmer hängen (bei Christen) etc. pp. Die Liste der grotesken Vorschriften wäre seitenlang, und sie haben kein göttliches Odeur. Nein, sie riechen nach Borniertheit, Kleinlichkeit, Machtgeilheit, Unterdrückungslust, Narzissmus und Dämlichkeit, eben nach Mensch. War wohl nix mit den aufgeklärten Zeiten, auf die man hoffte, und nun kommt der Spruch mit den hässlichen Häuptern, welche die Religion wieder erhebt. Das zielt auf die "Gewaltexzesse islamistischer Formationen" genauso wie auf die Morde "durchgeknallter Pseudochristen" an Abtreibungsärzten. Gemeint ist auch die Absurdität von Arche-Noah-Erlebnisparks in den USA, genauso wie die religiösen Rechtsansprüche hierzulande, die sich auf uralte Märchenbücher stützen: Dass man Karfreitags nicht tanzen darf und nicht "Das Leben des Brian" aufführen, dass man Babys ohne medizinischen Grund an der Vorhaut herumschnippelt, dass die Kirche ihre diakonischen Jobs nach Glaubensbekenntnis vergeben darf. Das passt nicht in eine Zeit, wo ein Gott sich allenfalls noch irgendwo hinterm Urknall verorten ließe, so man denn an ihm festhalten will. Mag er von da aus womöglich Gravitationswellen als Gruß senden. Dass er als Vaterfigur gesehen wird, die sich um alles kümmert, ist bloß noch ein schlechter Witz und hat mit den Realitäten der Welt nichts zu tun. Nein, es kümmert sich keiner, wir müssen uns selber kümmern. Trotzdem herrscht ein allgemeines Einverständnis vor, nach dem Religionen einen besonderen Schutz genießen. Die Aura des Ehrwürdigen bis Unantastbaren ist noch da. Ein schöner Vergleich zieht die hundertjährige Erbtante heran, blind und taub, aber dafür um so lauter, wenn sie ungefragt in jedes Gespräch reinkrächzt. Wer so eine Tant_in nicht hat, der hat Gott, ist die unausgesprochene Folgerung (man beachte das correcte Gendern von wb). Aber im Ernst, wenn sich ein Mensch als religiös bezeichnet, genießt er das sonderbare Vorrecht, dass er jede sinnvolle Debatte unterbinden kann. Er muss nur spüren, wann ihm der argumentative Grund unter den Füßen wackelig wird, und aus ist's mit Logik und Konsequenz. Es geht um Gefühle, um religiöse Gefühle, die verletzt werden – was das wohl sein soll, ein "religiöses Gefühl‘? Das Gefühl eines aufgeklärten Geistes kann doch nicht weniger wert sein, als das Gefühl eines religiösen Einfaltspinsels? Ein Argument wird zitiert, nach dem es aufklärerische Menschenpflicht sei, jede Religion immer und überall zu kritisieren. Ungerer nennt das ein "seltenes Licht in überschatteten Zeiten". Er findet schöne Worte für die Überschattung, vom "Irrationalismus des Wachstumsglaubens", bis zum "Obskurantismus abergläubischer Weltanschauungen". Sein Bonmot dazu: Glaube sei ein Aberglaube, der über das Hosentaschenformat hinausgewachsen ist. Und der dazu mächtige gesellschaftliche Strukturen ausgebildet habe und für Hierarchie und Unterwerfung stehe. Glaube heißt Unterordnung und Verantwortung abgeben, also genau das Gegenteil vom freiheitlichen, demokratischen Menschenbild. Genauso das Gegenteil von Selbstbestimmung und Gleichberechtigung. Und es sei eine Männerdomäne. Immer und überall seien es Männer, die unter viel Brimborium eine quasi magische Macht für sich beanspruchten. Als Basis mögen die Erkenntnisse früherer Kriegsherren wie Mohammed dienen, oder die von charismatischen Outcasts wie Jesus oder auch die von offensichtlichen Scharlatanen wie dem Scientology-Gründer L. Ron Hubbard oder dem Mormonen-Urvater Joseph Smith (hier entgeht ihm die Konsequenz, dass auch Mohammed und Jesus Scharlatane waren, wb). Das führt zu der bröseligen Frage: Gibt's denn überhaupt noch viele Menschen, die ernsthaft an die "Kekswerdung Christi" glauben? Dazu werden Zahlen aus aktuellen Studien genannt: In Berlin leben 3/4 der Bevölkerung ohne echten Glauben an Gott. Und was bleibt über, wenn man bei denen nachbohrt, die sich als "spirituell“ bezeichnen? Meist nur ein "warm waberndes Gefühl der Aufgehobenheit im Universum", das auch für Atheisten problemlos zu erlangen sei. Die Bildung bringt's: Überall, wo den Menschen der Kontakt damit vergönnt ist, spielen Fragen nach Engeln, dem Paradies oder der Hölle keine Rolle. Es gibt schließlich dringendere und konkretere Probleme, wie wird die Menschheit gespeist, haben alle Zugang zu Wasser, wie sind Kriege zu vermeiden und Verständnis untereinander zu schaffen? Und das Problem, den Chancenlosen Hoffnung zu geben, wird doch wohl nicht durch das Gebet zu einem "reformierten Tyrannen" gelöst. Über die Initiative "Pro Reli“ mit ihrem Slogan "Keine Moral ohne Gott!“ braucht man nicht zu reden. Der Autor ist sicher, dass religionsfreie Menschen nicht unmoralischer agieren als andere. Für Selbstmordanschläge fehlen ihnen schließlich die Glaubensgründe. "Ungläubige“ können liebevolle Partner und Eltern sein, sich für die Umwelt engagieren,sich um Geflüchtete kümmern, Nazi-Aufmärsche verhindern, Bettlern Geld geben, Tiere retten. Dafür ist kein Gott nötig, und auch kein erhobener Zeigefinger. Jahrmillionen der Evolution haben die Menschen zu sozialen Wesen gemacht, deshalb sind die meisten Menschen von sich aus moralisch. Ungerer bekundet Bedauern um den "Jesus von Nazareth", in dem er ungeachtet der löcherigen Beweislage einen Philosophen sieht. Dessen "Vermächtnis" sei von religiösem Brimborium überlagert worden; die Botschaft der Nächstenliebe und Toleranz sei ein Wendepunkt der Geistesgeschichte. Demnach projiziert Ungerer christliche Wurzeln in die Menschenrechte, nach denen jeder Mensch einen Wert hat, niemand sich über andere erheben soll und niemand andere verletzen soll. Dieser Kurzabriss der Menschenrechte sei die Grundlage all dessen, wofür unsere Gesellschaft stehen sollte. Irrtümlich unterstellt Ungerer, formuliert habe sie ebendieser Jesus von Nazareth, von dem es keine authentischen schriftlichen Zeugnisse gibt, und dessen Existenz eher spekulativ ist (Ergänzung wb). Richtig ist Ungerers Aussage, Gott sei dabei nur "eine rhetorische Formel, die sich problemlos abziehen lässt", wodurch die Botschaft an Überzeugungskraft gewönne: Man soll ja nicht gut sein zu anderen, weil es jemand befiehlt, sondern aus eigener Einsicht und weil es für alle das Beste ist. Also unterm Strich brauchen wir heute keinen Gott mehr. Wir brauchen uns nicht mit irrationalen, Jahrtausende alten Gespinsten. gemeinzumachen. Denn, so tröstet Ungerer, wir haben uns. Und wir, das ist das "Häuflein halbwegs intelligenter, halbwegs liebesfähiger, weit überwiegend friedliebender Zweibeiner auf diesem abgelegenen Planeten auf einer ovalen Umlaufbahn um einen minder bedeutenden Stern." Soweit der Artikel. Gott nervt unglaublich, aber Jesus nicht. Das sehen wohl die meisten anders, die vom ganzen Ensemble der Dreifaltigkeit genervt werden. Der Artikel wird ausgiebig kommentiert. Ein paar Takte daraus referiert: In Wahrheit seien sie unerträgliche Narzissten wie alle Religioten, die sich nicht auf eine erwachsene Art abfinden könnten mit der Kleinheit, Zufälligkeit und zeitlichen Begrenztheit ihrer Existenz und sich daher in alberne Kinderfantasien von einem Gottvater flüchteten, der sich ganz persönlich um sie kümmert, ja ganz persönlich um jeden einzelnen von ihnen. Aber nur um die Rechtgläubigen, klar? Die bösen Falschgläubigen und erst recht die Ungläubigen kämen in den Feuersee der ewigen Verdammnis und werden dort Jahrmillionen lang von grausamen Bestien gefoltert. Wow! Das ist Reformation! Das ist Aufklärung! Das ist Moderne! Ein anderer Kommentator stellt fest, dass es völlig gleichgültig ist, unter welchem ideologischen Überbau Menschen Arschlöcher sind. Noch eine Anmerkung: Der Blick des Autors sei straff auf die Religion gerichtet. Als wären Mao, Lenin, Pol Pot, Stalin und viele, viele andere von religiösen Überzeugungen angetrieben worden. Siehe auch Buchautoren zweifeln (atheisten-info.at 8.3.) an der Existenz Jesu Links dazu: Unglaublich! Was ist Gott? ® Gott: Schnuller für Erwachsene Göttliches Ablaufdatum überschritten Größte Fake-Agentur enttarnt Von der Notwendigkeit eines globalen menschlichen Ethos’ Religion richtet schweren Schaden an Emanzipation von der Religion Überbau der Schuldzuweisungen Das Ethosdefizit 1. Schuldzuweisung an die Religion Die Lügenkultur 2. Schuldzuweisung an die Religion Die Übervölkerung 3. Schuldzuweisung an die Religion
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