Untersuchung auf Infektionskrankheiten

THEMA
Feldhase: Untersuchung
auf Infektionskrankheiten
Ist bei erhöhten Ausfällen von Feldhasen die Ursache nicht eindeutig, fällt der Verdacht meist auf Infektionskrankheiten. Allerdings gibt es nur wenige untermauerte
Informationen über deren tatsächliche Verbreitung. Höchste Zeit also für wissenschaftliche Untersuchungen bei Feldhasen auf Brucellose, Tularämie und Leptospirose.
Dr. Miroslav Vodnansky, Dr. Rudolf Winkelmayer
Mitteleuropäisches Institut für Wildtierökologie
Wien – Brünn – Nitra
n manchen Niederwildrevieren kommt
es gelegentlich zu erhöhten Ausfällen
bei Feldhasen, deren Ursache nicht
immer eindeutig geklärt ist. In solchen
Fällen entsteht unter den Jägern oft der
Verdacht, dass bestimmte Infektionskrankheiten für die Verluste verantwortlich sein könnten. Bis jetzt gibt es allerdings nur wenige durch gezielte Unter-
Foto Michael Migos
I
suchungen untermauerte Kenntnisse über
die tatsächliche Verbreitung der Krankheitserreger bei den Hasenbesätzen und
ihre möglichen Auswirkungen. In dieser
Hinsicht besteht eindeutig Forschungsbedarf. Dies umso mehr, als einige der
bei Feldhasen vorkommenden Infektionskrankheiten auch auf Haustiere und
Menschen übertragen werden können.
Im vergangenen Jahr wurde vom Mitteleuropäischen Institut für Wildtierökologie in Zusammenarbeit mit dem Institut
für Fleischhygiene, Fleischtechnologie
und Lebensmitteltechnologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien
(Dr. P. Paulsen), dem Institut für Infektionskrankheiten und Epizootologie der
Veterinärmedizinischen und Pharmazeutischen Universität Brünn (Univ.-Prof.
Dr. F. Treml) und dem Niederösterreichischen Landesjagdverband eine Untersuchung durchgeführt, deren Ziel ein
erster Überblick über das Vorkommen
von Brucellose, Tularämie und Leptospirose bei Hasenbesätzen in ausgewählten Revieren Niederösterreichs war. Bei
diesen Infektionskrankheiten handelt es
sich um Zoonosen, was bedeutet, dass sie
auch auf Menschen übertragbar sind.
Brucellose
Auch äußerlich
gesund
erscheinende
Feldhasen
können Träger
von Zoonosen
sein
10
Die Brucellose ist weltweit eine der bedeutendsten Zoonosen, deren charakteristisches Bild das seuchenhafte Verwerfen (Abortus) ist. Bei männlichen Tieren
steht die Hodenentzündung im Vordergrund. Der Erreger ist ein stäbchenförmi-
WEIDWERK 7/2004
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Tularämie
Die Tularämie ist eine ansteckende Erkrankung, die hauptsächlich bei Nagetieren und Hasen vorkommt. Aus diesem
Grund wird sie auch als „Nagerpest“
oder „Hasenpest“ bezeichnet. Aber auch
andere Säugetiere, Vögel und auch der
Mensch sind für die Tularämie empfänglich. Der Erreger ist Francisella tularensis,
ein sehr kleines, stäbchenförmiges Bakterium, das zwar beim Kochen rasch abgetötet wird, sonst aber sehr widerstandsfähig ist. So kann es in der Außenwelt
sehr lange – meist über mehrere Wochen
und Monate – ansteckungsfähig bleiben.
Auch in gefrorenem Fleisch kann der
Erreger monatelang überleben. Zur Ansteckung mit Tularämie kann es durch
direkten Kontakt mit den erkrankten
Tieren kommen. Eine weitere Übertragungsmöglichkeit besteht durch blutsaugende Insekten, wie Flöhe, Zecken und
Stechmücken, die das eigentliche Erregerreservoir und somit die wichtigste Infektionsquelle darstellen. Bis jetzt gibt es
keine umfassenden Angaben zur Häufig-
WEIDWERK 7/2004
keit der Tularämie bei frei lebenden Tieren. Die Erreger kommen endemisch,
also ständig in bestimmten Gebieten vor.
Bei Hasen verläuft die Tularämie in der
Regel ähnlich einer Blutvergiftung und
führt innerhalb weniger Tage zum Tod.
Seltener kommt es zu einer chronischen
Verlaufsform, die allerdings gleichfalls
unter zunehmender Entkräftung nach
etwa 2 bis 3 Wochen tödlich endet. Erkrankte Hasen zeigen eine auffällige Mattigkeit und Teilnahmslosigkeit. Sie machen schwankende, unkoordinierte Bewegungen. Da ihre natürliche Scheu und
Schnelligkeit verloren geht, sind sie leicht
zu erlegen, ja sogar mit den Händen zu
fangen. Bei den toten Tieren kann man je
nach Krankheitsdauer unterschiedlich
stark ausgeprägte Lymphknotenschwellungen und -verkäsungen sowie kleine
gelblich-graue Herde in der Leber, der
Lunge und der Milz finden. Ähnliche Organveränderungen zeigen sich allerdings
oft auch bei einigen anderen Infektionskrankheiten, wie zum Beispiel bei der
Pseudotuberkulose oder Pasteurellose.
Deutlich auffallend ist jedoch meist eine
besonders starke Milzschwellung, die
immer einen konkreten Verdacht auf das
Vorliegen dieser Infektionserkrankung
ergibt. Auf den Menschen kann die Tularämie auf verschiedenen Wegen übertragen werden, wobei der direkte Kontakt mit befallenen Tieren bzw. deren
Kadavern sowie der Verzehr des unzureichend erhitzten Wildbrets von infizierten
Hasen besonders gravierend sind. Deshalb ist es sehr wichtig, beim Hantieren
mit erkrankungsverdächtigen Tieren –
vor allem in den bekannten Tularämiegebieten – mit großer Vorsicht vorzugehen
(Einweghandschuhe!). Das Wildbret von
an Tularämie erkranktem Wild ist selbstverständlich genussuntauglich.
Leptospirose
Die Leptospirose ist eine weltweit vorkommende Zoonose. Ihr Erreger ist ein
stäbchenförmiges Bakterium, das vor allem in der feuchten Umwelt über mehrere
Wochen ansteckungsfähig bleibt. Wegen
der unterschiedlichen geographischen
Verbreitung der verschiedenen Erregertypen und wegen einer gewissen Wirtsanpassung kommt dieser Infektionserkrankung von Gebiet zu Gebiet eine unterschiedliche Bedeutung zu. Als Hauptreservoir für Leptospiren gelten in erster
Linie Mäuse und Ratten, aber auch landwirtschaftliche Nutztiere sowie Hunde,
die den Erreger monate- oder jahrelang
beherbergen und mit Harn, Speichel,
Milch, Fruchtwasser und Sperma ausscheiden können (Dauerausscheider). Bei
der Ansteckung dringen die Bakterien
über die Schleimhäute des Verdauungstraktes, der Geschlechtsorgane sowie der
Foto Gottfried Merckens
ges Bakterium, das in mehreren Arten
und Typen vorkommt. In den meisten
Ländern mit einem hoch entwickelten
Veterinär- und Gesundheitswesen ist die
Verbreitung der Brucellose bei Haustieren (vorwiegend Rindern, Schafen, Ziegen und Schweinen) weitgehend unter
Kontrolle, und auch die Erkrankung von
Menschen ist selten geworden. In vielen
Ländern Europas werden jedoch gelegentlich mit der hauptsächlich bei
Schweinen vorkommenden Brucellenart
Brucella suis, Biotyp 2, infizierte Hasen
gefunden. Bei den erkrankten Häsinnen
treten Rötungen, Schwellungen sowie
Abszesse in der Scheide, der Gebärmutter
und den Eierstöcken auf. Bei Rammlern
sind in erster Linie die Hoden betroffen.
Verkäste Herde befinden sich oft auch
außerhalb der Geschlechtsorgane in der
Leber, der Lunge, den Nieren und den
Lymphknoten. Alle Hasen, bei denen
solche Veränderungen gefunden werden,
sind grundsätzlich genussuntauglich. Bei
einem direkten Kontakt mit den kranken
oder erkrankungsverdächtigen Tieren besteht auch für Menschen Ansteckungsgefahr.
Hasen sind
offensichtlich
gar nicht so selten von Krankheiten befallen
– beim Ausweiden muss deshalb besonders
sorgfältig
vorgegangen
werden
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Augenlider in den Körper ein. Auch
kleinste Verletzungen und wunde Stellen
der Haut können den Leptospiren als
geeignete Eintrittspforte dienen. Über die
Verbreitung der Leptospiren sowie den
Infektionsablauf bei Feldhasen und anderen Wildarten ist bis jetzt nur wenig bekannt. Der Mensch kann sich beim Kontakt mit infizierten Tieren anstecken.
Dabei gehören Jäger neben Tierärzten,
Fleischhauern, Schweinezüchtern und
Abwasserarbeitern zu den potenziell gefährdeten Personengruppen.
Untersuchung
Die pathologischen Untersuchungen der
sporadisch eingesandten verendeten Feld-
Brucellose
positiv
untersuchte
Hasen
Zahl
 Gänserndorf
45
0
 Hollabrunn
79
5
 Horn
14
0
 Korneuburg
44
1
 Mistelbach
110
5
18
0
311
11
Bezirk
(siehe auch Grafik unten)
 Bruck/Leitha
Summe
hasen sind zur Ermittlung von Naturherden von Brucellose, Tularämie und Leptospirose, insbesondere bei deren geringem Auftreten, oft unzureichend. In vielen Fällen verlaufen die Infektionen bei
den Wildtieren in freier Wildbahn unbemerkt. Deshalb ist es für die Feststellung
des Vorkommens von Krankheitserregern in bestimmten Gebieten wichtig,
auch repräsentative Stichprobenuntersuchungen offensichtlich gesund erscheinender Tiere durchzuführen. Bei einem
Kontakt mit bestimmten Krankheitserregern bildet der befallene Organismus als
natürliche Abwehrreaktion spezifische
Antikörper (Abwehrstoffe), die mit Hilfe
spezieller serologischer Untersuchungsmethoden im Blutserum über längere Zeit
%
Tularämie
positiv
Leptospirose
positiv
Zahl
%
Zahl
%
10
22,2
1
12,2
0
3
3,8
0
2
14,3
2,3
0
2
4,6
4,5
12
8
7,3
4
22,2
20
6,4
6,3
10,9
0
3,5
22
7,1
Ergebnisse der serologischen Untersuchung von in Niederösterreich im
Jahr 2003 untersuchten Feldhasen (Nachweis der Antikörper im Blutserum)



Wien


Brucellose:
kein festgestelltes Vorkommen
Vorkommen
12
Bei der Untersuchung auf Brucellose
waren von insgesamt 311 untersuchten
Blutseren 11 Proben positiv, bei der Untersuchung auf Tularämie waren 22 Blutproben positiv, bei der Untersuchung auf
Leptospirose waren 20 Blutproben positiv. Die Detailergebnisse sind in der Tabelle links sehr übersichtlich dargestellt,
die örtliche Verteilung der untersuchten
Feldhasen ist in den Grafiken unten zu
sehen.





Ergebnisse




nachweisbar sind. So kann man die
Ansteckung mit den Krankheitserregern
auch bei jenen Tieren feststellen, die keine
sichtbaren
Erkrankungserscheinungen
zeigen (latenter Verlauf) oder nach einem
milden Krankheitsverlauf ausgeheilt sind.
Solche serologische Untersuchungen von
erlegten, gesund erscheinenden Feldhasen
wurden im Jahr 2003 durchgeführt. Auf
Basis der Daten aus dem NiederwildMonitoring des NÖ Landesjagdverbandes ergab sich in den feldhasenbesatzstarken Bezirken Niederösterreichs nördlich
der Donau die biostatistisch ermittelte
repräsentative Stichprobenzahl von 300
Stück. Insgesamt wurden Blutproben von
311 Feldhasen aus 99 Jagdgebieten der
Bezirke Hollabrunn (79), Korneuburg
(44), Mistelbach (110), Gänserndorf (44),
Horn (14) und Bruck/Leitha (18) untersucht. Zusätzlich wurde eine repräsentative Anzahl von 73 erlegten Hasen aus
den an Niederösterreich angrenzenden
Gebieten Tschechiens untersucht.
Wien


Tularämie:
kein festgestelltes Vorkommen
Vorkommen
Wien


Leptospirose:
kein festgestelltes Vorkommen
Vorkommen
WEIDWERK 7/2004
THEMA
In den an Niederösterreich angrenzenden
Untersuchungsgebieten in Tschechien
wurde keine Brucellose festgestellt. Die
Tularämie wurde nur in einem Jagdgebiet
im Bezirk Breclav (angrenzend an Mistelbach) gefunden. Bei der Untersuchung
auf Leptospirose wurden positive Proben
in drei Untersuchungsgebieten ebenfalls
im Bezirk Breclav festgestellt.
Wie diese ersten Stichprobenuntersuchungen (weitere Erhebungen werden im
Herbst folgen) zeigen, muss in bestimmten Gebieten mit dem Vorkommen dieser
drei Infektionserkrankungen bei Feldhasen gerechnet werden. Die Verbreitung
ihrer Erreger in den Hasenpopulationen
ist offensichtlich sogar wesentlich höher
als bisher vermutet. So wurde etwa die
Leptospirose beim Feldhasen zum ersten
Mal in Österreich nachgewiesen. Dabei
ist besonders zu beachten, dass all jene
untersuchten Hasen, die seropositiv
waren, vor ihrer Erlegung keine sichtbaren Erkrankungserscheinungen zeigten. Diese Tiere hatten aber bereits Kontakt mit den Krankheitserregern und
mussten sich mit ihnen immunologisch
auseinandersetzen (Bildung spezieller
Antikörper im Organismus). Sie verendeten aber nicht an diesen Krankheiten oder
deren Folgewirkungen. Trotzdem ist davon auszugehen, dass regional bei den
Hasenbesätzen durchaus hohe Ausfälle
direkt oder indirekt (z. B. in Wechselwirkung mit anderen schwächenden Faktoren, wie ungünstige Wetterverhältnisse
oder verschlechtertes Nahrungsangebot)
auf eine dieser Zoonosen zurückzuführen
sind. So wird auch über vermehrte Funde
von verendeten Hasen, die oft nur über
bestimmte kurze Jahresperioden auftreten, berichtet.
Maßnahmen
Aufgrund der bei diesen Stichprobenuntersuchungen gewonnenen Ergebnisse
würde es sich als sinnvoll erweisen, in
den Folgeerhebungen die Verbreitungsgebiete von Brucellose, Tularämie und
Leptospirose (Endemiegebiete) anhand
flächendeckender Blutuntersuchungen
(Serumproben) von Feldhasen genau zu
erfassen, möglichst alle verendeten Feldhasen aus den Endemiegebieten einer pathologischen Untersuchung zuzuführen,
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Daten des Niederwildmonitorings und
die Feldhasenstrecken der Endemiegebiete mit den Untersuchungsergebnissen
zu verknüpfen, um Aussagen über die
durch diese Krankheiten bedingten Mortalitätsraten zu erhalten.
Jagdleitern, Jägern, Direktvermarktern
etc. ist zu empfehlen, dass erlegte Feldhasen aus Endemiegebieten, soweit sie
nicht an den Wildbretgroßhandel abgegeben und dort einer Fleischuntersuchung unterzogen werden, vor einer
Vermarktung von geschulten Personen
(Hilfskräften gemäß Wildfleisch-Verordnung, BGBl. 400/1994) unter Einhaltung entsprechender Vorsichtsmaßnahmen abgebalgt und ausgeweidet
werden sollten, wobei die Organe
sorgfältig zu untersuchen sind.
Für die Niederwildreviere ist auch die
Frage von besonders großer Bedeutung,
mit welchen Maßnahmen die Verbreitung
und weitere Übertragung dieser Erkrankungen bei Feldhasen verringert werden
kann. Eine medikamentelle Behandlung
sowie Schutzimpfung ist in freier Wildbahn absolut unmöglich. Aber auch ein
erhöhter Abschuss von Hasen in den Endemiegebieten wäre sicherlich nicht zielführend, da die Krankheitserreger auch
bei verringerten Hasendichten weiterhin
überleben und sich vermehren können.
Ihr wichtiges Reservoir sind ja vor allem
Mäuse und andere Nager. Daraus ergibt
sich die Empfehlung, erhöhte Konzentrationen der Feldhasen auf einzelnen Standorten mit verstärktem Mäusevorkommen
während bestimmter kritischer Perioden
(z. B. im Sommer nach der Ernte) durch
gezielte Hegemaßnahmen, wie Biotoppflege sowie bei Bedarf flächendeckende
Fütterung und Anlage von Wassertränken, zu vermeiden. Eine weitere Maßnahme zur Verringerung der Übertragung dieser Krankheiten ist, dass alle
erkrankungsverdächtigen Hasen sofort
erlegt und zur Untersuchung eingesandt
werden. Aufgefundenes Fallwild soll –
soweit sinnvoll – ebenfalls eingesandt
bzw. ordnungsgemäß beseitigt werden.
Die Untersuchungen wurden vom Land Niederösterreich (Veterinärverwaltung) und vom NÖ LJV
finanziert. Besonderer Dank gilt Ing. A. Gansterer
vom NÖ LJV und den Bezirksjägermeistern der
beteiligten Bezirke. Ein Literaturnachweis kann in
der Redaktion angefordert werden.
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