Nationalrat, XXV. GP 1. Februar 2017 162. Sitzung / 1 15.12 Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsident! Hohes Haus! Danke für die Dringliche Anfrage, sie gibt mir als Wirtschaftssprecher der Freiheitlichen Partei unter anderem auch Gelegenheit, einige Dinge klarzustellen, ein für alle Mal deutlich klarzustellen: Die Freiheitliche Partei ist (Abg. Rädler: Ist dagegen! Gegen TTIP!) Befürworter von Freihandelsabkommen, ist Befürworter des freien Handels. Alles andere wäre angesichts der Struktur der österreichischen Volkswirtschaft als kleines, stark exportabhängiges Land blanker Unfug. – Erster Punkt. (Beifall bei der FPÖ.) Zweiter Punkt: CETA und TTIP sind, wenn man die Packungen sozusagen als Freihandelsabkommen bezeichnet, eine Mogelpackung. In diesen Packungen sind nämlich nicht nur Freihandelsabkommen drinnen, sondern auch ganz andere Dinge, die wir vorbehaltlos ablehnen, und deswegen sind wir auch gegen CETA und TTIP. (Beifall bei der FPÖ.) In dieser Packung sind vielleicht 20 Prozent Freihandel. Ich war bei allen Debriefings, die in den letzten Monaten stattgefunden haben, anwesend, habe genau zugehört. Wenn man genau zuhört, hört man da zwischen den Zeilen doch das eine oder andere heraus. Was ist in dieser Mogelpackung, auf der Freihandel draufsteht, eigentlich drinnen? – Ein kleiner Teil Freihandel – das ist der erste Punkt –, auf Englisch Market Access, also Marktzugang. Da geht es um die Minimierung von Zöllen, da geht es um Zugang zu Beschaffungsmärkten et cetera. Also da sagen wir: Ja, ist in Ordnung. Das ist Freihandel, das gehört gefördert. Ich verstehe es allerdings nicht, wenn zum Beispiel Bundeskanzler Kern jetzt in seinem Plan, oder es ist jetzt sogar im Regierungsplan drinnen, Schutzzölle auf chinesischen Stahl oder was auch immer einfordert. Präsident Trump geht auch in diese andere Richtung. Was will ich damit sagen? – Wenn wir diese Abkommen jetzt abschließen, dann bleibt vom eigentlichen Kern Freihandel wahrscheinlich nur relativ wenig übrig. Und die Hoffnungen europäischer Unternehmen, ganz stark in die amerikanischen Beschaffungsmärkte eindringen zu können, halte ich auch für übertrieben. Ich nenne dazu als Stichwort nur den Buy American Act. Die Amerikaner wissen also sehr genau, bei wem sie kaufen, nämlich bei amerikanischen Firmen. Das wird von Trump auch noch verstärkt werden. Es bleibt also von dieser Überschrift Freihandel wenig bis gar nichts übrig. Version vom 08. März 2017, 11:06 nach § 52(2) GOG autorisiert Nationalrat, XXV. GP 1. Februar 2017 162. Sitzung / 2 Was sind die zwei übrigen Bereiche in diesem Abkommen, die wir ablehnen? – Die sogenannten regulatory issues – das ist der zweite Bereich von insgesamt drei Bereichen –, also die regulatorische Zusammenarbeit. Da wird uns erzählt, dass es da um Abstimmungs- und Vereinheitlichungsprozesse in verschiedenen Branchen geht, dass also beispielsweise der amerikanische Blinker nicht mehr gelb ist und der europäische rot. Man will Verfahren vereinheitlichen und so weiter und so fort. Worum geht es dabei aber wirklich? – Im Debriefing: Die Amerikaner verstehen unter regulatory issues eine Form der Beschlussfassung, die unterhalb der Parlamente erfolgt, also ein Prozedere der Beschlussfassung, das an den Parlamenten vorbei, also unterhalb der Parlamente erfolgt. Dafür gibt es den Rat für regulatorische Kooperation. In diesem sitzt kein einziger Parlamentarier, das sind vielmehr hohe Beamte, Kommissionsvertreter, Lobbyisten und so weiter. Ich spare mir detaillierte Erläuterungen dazu jetzt einmal, aber merken Sie sich den Rat für regulatorische Kooperation. Dritter Bereich: die rules, also die Marktregeln. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Da sind das Schiedsverfahren – das lehnen wir ab; die Gründe dafür sind schon zigfach vorgebracht worden, die brauche ich hier nicht wieder zu erläutern – und Herkunftsbestimmungen drinnen, da werden wir, was unseren Parmesan und unseren Champagner betrifft, bei den Amerikanern nur wenig bis nichts erreichen. Wir lehnen also den zweiten und den dritten Bereich ab. Vom ganzen Freihandel bleibt nur ein minimaler Restbestand. Lassen Sie mich jetzt noch auf das meines Erachtens wirklich Gefährliche eingehen, nämlich die regulatory issues, die regulatorische Zusammenarbeit, die Kooperation. Was ist darunter zu verstehen? – Nach der angloamerikanischen Rechtsphilosophie gelten TTIP und CETA als sogenannte living agreements, also als lebendes Papier, als lebender Vertrag. Das ist nach unserem Rechtsverständnis ungewöhnlich, ungewohnt. Was ist damit gemeint? – Es ist ein lebendiges völkerrechtliches Abkommen, das nach der Ratifikation durchaus noch wachsen kann, adaptiert werden kann, sich fortentwickeln kann. Wer ist für diese Fortentwicklung zuständig? – Genau die regulatorische Kooperation, also der Rat für regulatorische Kooperation. Die legen das dann fest und entwickeln das weiter, und das völlig an den Parlamenten vorbei, völlig am Gesetzgeber vorbei. Beispiel: Sie könnten etwa die Höchstgrenzen für Inhaltsstoffe von Lebensmitteln ändern, anheben, was auch immer. Das geht also darüber hinaus und ist noch ein Version vom 08. März 2017, 11:06 nach § 52(2) GOG autorisiert Nationalrat, XXV. GP 1. Februar 2017 162. Sitzung / 3 bisschen ein rechtsunsicherer Bereich. In Wirklichkeit ist das jedoch die grundlegende Philosophie dieses Agreements. Nach all dem, was ich heute hier gehört habe, ermöglicht das natürlich auch ein bestimmtes Prozedere für diejenigen, die uns und dem österreichischen Volk diese Mogelpackung unter der Bezeichnung Freihandel aufs Aug drücken wollen, obwohl da Dinge drinnen sind, die mit Freihandel überhaupt nichts zu tun haben, die schlecht sind, die schädlich sind – also die Schiedsgerichte und eben diese regulatorische Kommission. Sie sagen also: Ja, ratifizieren wir eben ein entschärftes TTIP. Da schreiben wir die Dinge nicht so scharf hinein und achten auch darauf, wogegen Widerstand in der Bevölkerung erwächst. Das nehmen wir dann heraus – alles ruhig! –, und in weiterer Folge wird dieser Rat für regulatorische Kooperation das dann Stück für Stück wieder reinentwickeln – wie gesagt: living paper! –, und das völlig an den Parlamenten vorbei. Wir Freiheitliche lehnen das grundsätzlich ab – Sie werden bemerkt haben, dass ich jetzt zehn Minuten lang nicht das Chlorhuhn bemüht habe –, und zwar aus folgenden Gründen: Es ist das eine Mogelpackung, auf der Freihandel draufsteht und in der ganz andere Dinge drinstecken, die mit den Grundprinzipien unserer Bundesverfassung, nämlich vor allem jenem in Artikel 1, dass das Recht vom Volk auszugehen hat, überhaupt nicht vereinbar sind. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Gerhard Schmid.) 15.18 Präsidentin Doris Bures: Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte. Version vom 08. März 2017, 11:06 nach § 52(2) GOG autorisiert
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