Elite sind immer die anderen

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06. März 2017, 15:09 Uhr
Schulz‐Hype
Elite sind immer die anderen
Eine Kolumne von Jan Fleischhauer
Das Denken der "selbst ernannten Eliten" interessiere ihn nicht, sagt Mar n Schulz. Ist das als
Selbstkri k gemeint? Wenn jemand sein Geld nicht auf normalem Weg gemacht hat, dann der
SPD‐Kanzlerkandidat.
Die SPD will die Gehälter der Manager begrenzen, um Deutschland wieder gleicher und damit
gerechter zu machen. Soziale Gerech gkeit ist das große Thema der SPD, die im September in
die Regierung zurückkehren möchte. Jede Partei hat ein Jahrzehnt, in das sie sich zurücksehnt.
Bei der AfD sind es die Fünfzigerjahre, in denen die Welt noch in Ordnung war. Für die
Sozialdemokraten sind das Ideal‐Jahrzehnt die Siebziger, als es Willy gab und Tarif‐Runden mit
elf Prozent Lohnsteigerung.
Mar n Schulz ist auch gegen zu hohe Managergehälter. Er hat in den vier Wochen, in denen er
das Land kennenlernte, das er demnächst regieren will, Beispiele gesammelt, wo es nicht
gerecht zugeht. Neulich hat er zum Beispiel jemanden getroffen, der 50 Jahre alt ist und um
seinen Job fürchtet, wie Schulz berichtete, weshalb er nun das Arbeitslosengeld auf bis zu 48
Monate verlängern will. Er hat auch viel über Vorstände gehört, die sich die Taschen
vollmachen.
Ich habe mir eine Reihe von Schulz‐Reden angehört. Ich habe dabei einen Namen vermisst.
Wenn man nach einem Beispiel für eine Gerech gkeitslücke sucht, dann kommt einem doch
sofort die ehemalige hessische Jus zministerin Chris ne Hohmann‐Dennhardt in den Sinn.
Haben sie die bei der SPD vergessen, trotz ihres Parteibuchs?
Frau Hohmann‐Dennhardt saß ein Jahr lang bei VW im Vorstand. Sie sollte dafür sorgen, dass
sich das Unternehmen ethisch einwandfrei verhält, Compliance heißt das heute. Nach 13
Monaten ha e sie keine Lust mehr, vielleicht gab es Ärger, ganz genau weiß man es nicht.
Jedenfalls hat sie VW verlassen, mit 12,5 Millionen Euro als Abfindung. Das sind 31.000 Euro für
jeden Tag, den sie bei VW war. So macht Ethik Spaß, muss man sagen, auch als Sozialdemokrat.
Elite sind bei der SPD immer die anderen. Ihn interessiere nicht das "Denken der selbst
ernannten Eliten" hat Schulz zu Protokoll gegeben, sondern das der "hart arbeitenden
Menschen". Vielleicht war das aber auch als Selbstkri k gemeint. Schulz ist ja ebenfalls nicht
gerade das, was man einen Repräsentanten des einfachen Volkes nennen würde. Wenn man bei
Google "Millionär" und "Schulz" eingibt, landet man bei einem Bericht darüber, wie es sein
kann, dass er in Brüssel fast doppelt so viel verdiente wie die Kanzlerin in Berlin.
Ich neide Schulz nicht einen Euro, wirklich nicht. Ich finde es bewundernswert, wenn es
06.03.2017 17:06
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Menschen schaffen, über die Jahre zum Einkommensmillionär zu werden, ohne dafür im
landläufigen Sinne gearbeitet zu haben. Auch ein Sparkassendirektor verdiene in Deutschland
mehr als die Kanzlerin, heißt es bei der SPD. Das mag s mmen, aber bei der Sparkasse wird man
nicht fürs Redenschwingen bezahlt. Persönlich war das immer mein Traum: Jemanden finden,
der mir 250.000 Euro ne o gibt, damit ich mich durch den Tag quackel.
Irgendetwas s mmt mit Schulz nicht
Irgendetwas s mmt mit Schulz nicht, davon bin ich mi lerweile überzeugt. Ich werde immer
skep sch bei Menschen, die plötzlich Fleischverzicht predigen, obwohl sie bis eben noch
Fleischfachverkäufer waren.
Neulich hat Schulz erklären wollen, warum die Agenda 2010 in Teilen zurückgedreht werden
muss. Befristete Arbeitsverhältnisse sollten nur noch ausnahmsweise zugelassen werden, hat
Schulz gesagt. Er hat das damit begründet, dass 40 Prozent der Menschen zwischen 25 und 35
Jahren keinen rich gen Job mehr haben, sondern lediglich einen auf Zeit. 40 Prozent ist eine
enorm hohe Zahl. Ich habe mich selbst erschreckt, als ich davon las. Wer nicht weiß, wie es mit
ihm auf Dauer weitergeht, kann keine Existenz gründen.
Leider war die Zahl komple falsch. Schulz ha e sie verwechselt. Was ist von einem Mann zu
halten, der seinen ersten entscheidenden poli schen Vorstoß auf einer falschen Zahl au aut,
habe ich mich gefragt. Als Rudolf Scharping zu Beginn seines Wahlkampfs bru o und ne o
verwechselte, war er erledigt, weil allen klar war, dass er nicht wusste, wovon er sprach.
Selbstmitleid ist in der Poli k ein echtes Handicap
Ich glaube, hier wird ein Muster deutlich. In der Welt, aus der Schulz kommt, ist alles eine Frage
der Perspek ve. Nur in der EU heißt das Parlament "Parlament", obwohl es nicht das Recht hat,
Gesetze vorzuschlagen wie jede andere Volksvertretung der freien Welt. Wenn man den
Mitgliedstaaten vorschreibt, wie viel Salz und Mehl man für die Zubereitung eine Pizza
Napoletana verwenden darf, gilt das nicht als bürokra scher Irrsinn, sondern als demokra scher
Fortschri .
Die Presse ist im Umgang mit Schulz bislang zahm wie eine Maus. Über alles, was nicht ins Bild
passt, wird großzügig hinweggesehen. Ich bin gespannt, wie Schulz reagiert, wenn er das erste
Mal unter Feuer gerät. Wer fast sein gesamtes poli sches Leben in Brüssel verbracht hat, kennt
von dort vor allem Journalisten, die so denken wie man selbst. Für einen Wahlkampf ist die
dauerha e Kri kentwöhnung eher von Nachteil.
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kolumne‐von‐jan‐fleischhauer‐a‐1137477.html
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