Datum: 01.03.2017 Vergleichbarkeit erhöhen Mit einem neuen Rechnungslegungsstandard für Versicherungsverträge erhöht sich die Transparenz. Damit verbunden ist ein grundlegender Wandel bei den Prozessen und Abläufen. Beeinflusst werden auch Produkte Design und Vertrieb. Von Kurt Speck Schweiz, lässt IFRS 4 aktuell eine Vielzahl unterschiedlicher Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zu, die zu einem Mangel an Vergleichbarkeit führen: «Ein neuer, robuster Standard ist deshalb eindeutig erforderlich.» Mehr Volatilität Das Umfeld hat sich auch drastisch verändert. Die Finanzkrise führte bei der Bewertung von finanziellen Vermögen zu schnel- len Reformen beim Standard IFRS 9. Zudem ist in der Schweizer Versicherungs- branche der dynamische Swiss Solvency Test (SST) seit sechs Jahren in Kraft, und vor gut zwölf Monaten kam mit Solvency II ein vergleichbares Regime für den europäi- 0 schen Raum. Das Solvenzkapital gilt als Schutz für sämtliche Stakeholder. Mit IFRS Gut drei Jahre haben die Versicherer nun Zeit, um auf IFRS 17 umzustellen. Der Anmarschweg war lang. 17 werden nun gleiche Standards für alle Versicherungsverträge angestrebt. Im Gegensatz zu Solvency II ist beim neuen Regel- Bereits zur Jahrhundert- werk ein Überschuss-Kapital in Cash-flows wende hatte das Internati- jedoch nicht erlaubt. Das sorgt für mehr Vo- onal Accounting Stan- latilität und wirkt sich unmittelbar auf das dards Board (IASB) einen neuen Rechnungslegungs- Jahresergebnis aus. Der Standardsetter standard für Versicherungsverträge in Aussicht gestellt. Nach umfangreichen Anpas- IASB hat seit der Veröffentlichung eines ers- ten Entwurfs vor sechs Jahren kritische sungen und Tests soll jetzt der komplett Kommentare aus der Versicherungsbranche in die Weiterentwicklung des Regelwerkes aufgenommen. Trotzdem gilt: Mit der Um17 in seiner endgültigen Form vorliegen. Die setzung von IFRS 17 wird die internationale Erstanwendung des Regelwerkes wird für die Bilanzierung von Versicherungsverträgen grundlegend neu gestaltet. Geschäftsjahre ab 2021 erwartet. Für die Assekuranz kommt der Wechsel Rechnungslegungsexperten begründen die lange Vorlaufzeit mit den komplexen Fra- zu einer Marktwertsicht einem Paradigmengestellungen rund um die Implementation wechsel gleich. Die finanziellen und operati- überarbeitete Standard IFRS 4 Phase II im Frühjahr 2017 unter der Bezeichnung IFRS des neuen Standards. Für Patrick Mäder, onellen Auswirkungen variieren je nach VerLeiter Financial Services Consulting PwC sicherungsgesellschaft, aber mit IFRS 17 sind alle Unternehmen hinsichtlich fachli- Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Auflage: 6'628 Argus Ref.: 64435007 Datum: 01.03.2017 cher Vorgaben in der Rechnungslegung und schäftsbereiche nicht immer ausreideutlich erweiterten Prozess-, Daten- und chende Cash-flow-Projektionen. EntIT-Anforderungen herausgefordert. Als ge- sprechend gilt es, diese Daten durch nerelles Modell zur Bewertung von Ver- geeignete aktuarielle Methoden zu erpflichtungen aus Versicherungsverträgen ist heben und aufzubereiten. Wesentlich ist auch, dass die verstandardmässig der sogenannte Building wendeten Diskontsätze mit den aktuBlock Approach (BBA) anzuwenden. Mit ellen Marktzinsen übereinstimmen. diesem Bewertungsmodell wird der Erfül- Bisher konnten die Gesellschaften lungswert, im Fachjargon Fulfillment Value, verschiedene Bewertungsmethoden aus den eingegangenen Verpflichtungen des für die Versicherungsverträge benutVersicherers bestimmt. Die ermittelte Grösse zen, oft auch abgestützt auf eine Vielentspricht einem fiktiven Marktwert der ver- zahl von nationalen Standards. Dersicherungstechnischen Verpflichtung zum zeit wird auf der Aktivseite der Bilanz Bewertungsstichtag. Mit der Einführung von grösstenteils zum Fair Value und nur Damit können die Auswirkungen IT neu ausrichten erhöhen zu müssen. von Marktzinsschwankungen auf den Barwert der versicherungstechnischen Verpflichtungen erfolgsneutral im Eigenkapital (OCI) erfasst werden. Der neue Standard für Versicherungsverträge erfordert nicht nur einen grundlegenden Wandel der Pro- zesse, Abläufe und Datenflüsse, sondern beeinflusst auch Produkte Design und Vertrieb. Das anforderungsreiche Regelwerk und die bereits in Kraft getretenen Solvabilitätsregeln sorgen dafür, dass die gesamte Produktepalette überarbeitet wird. UnIFRS 17 werden Cash-flow-Projektionen begrenzt auf Kostenbasis verbucht. rentable Verträge sind mit den neuen und Barwertberechnungen zu Schlüsselele- Demgegenüber erfolgt die Bewertung Accounting-Modellen besser sichtbar menten. auf der Passivseite auf Kostenbasis, und können abgestossen werden, um es wird also nicht abgezinst. Beim damit die Eigenmittel nicht unnötig neuen Erfüllungswert-Modell kommt Das Bewertungsmodell nach IFRS 17 stützt man dem Fair-Value-Grundsatz näsich aufvier Bausteine, die sogenannten Buil- her als im Falle einer kostenbasierten ding Blocks. Im ersten Baustein wird ein Er- Methode. Die Bewertung der Rechte wartungswert der zukünftigen Zahlungs- und Pflichten aus Versicherungsverströme zur Erfüllung der Verpflichtungen trägen orientiert sich an dem Betrag, geschätzt. Der zweite Baustein berücksich- den der Versicherer während der getigt den Zeitwert des Geldes über eine Dis- samten Laufzeit des Vertrages zu bekontierung der Zahlungsströme. Im dritten zahlen hat. Baustein, dem Risk Adjustment oder auch Risikomarge genannt, werden Unsicherhei- Aufwendige Datengenerierung ten abgebildet. Entscheidend für diese Grö- Aus der Versicherungsbranche kamen sse ist die Risikotoleranz des Versicherers. in der Vergangenheit auch immer wieSchliesslich verbleibt als vierter Baustein die der kritische Kommentare, die eine Contractual Service Margin (CSM), die transparentere Rechnungslegung mit nicht negativ sein darf. Diese vertragliche dem neuen Standard in Frage stellten. Servicemarge wird zum Zugangszeitpunkt des Versicherungsvertrags als Residualgrösse IASB-Chairman Hans Hoogervorst ermittelt und der Serviceerbringung entspre- sieht das anders. Für ihn erhöhen akchend über die Deckungsperiode aufgelöst. tuelle Diskontierungssätze «die VerDabei wird vorausgesetzt, dass die barwerten gleichbarkeit zwischen den VersicheEinzahlungen grösser als die risikoadjustier- rungsgesellschaften und zwischen der Versicherungsbranche und anderen ten Auszahlungen sind. Für die Umstellung der Rechnungslegung Teilen der Finanzindustrie, wie etwa auf IFRS 17 stehen den Versicherern gut drei Banken und AssetmanagementfirJahre zur Verfügung. In dieser Zeitspanne men». Er erwartet mit IFRS 17 zudem müssen sie die prozessuale und organisatori- eine verbesserte Konsistenz über sche Integration vorbereiten, die nötigen Da- sämtliche Unternehmen hinweg, wenn es um das Accounting im Beten intern verfügbar machen und die Informationstechnologie entsprechend darauf reich der Versicherungsverträge geht. Um allzu grosse kurzfristige Gewinnausrichten. Der künftige IFRS-17-Standard Für die Versicherer wird jedoch vor allem die Datengewinnung zur grossen Herausforderung. Es gilt für jeden Versicherungsvertrag die notwendigen Eckdaten zu sammeln, aufzubewahren und richtig zu analysieren. Bei den letzten Testanwendungen von IFRS 17 wurde nochmals die Bildung von Gruppen und Portfolios an- stelle der einzelvertraglichen Daten intensiv diskutiert. Mit Sammelgrössen ergeben sich markante Einsparungen bei der Datengenerierung. Ausgeklammert sind auch kurzfristige Verträge mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr. Bei diesen Kontrakten gibt es nur eine geringe Variabilität. Mit der Publikation des neuen Standards IFRS 17 geht die laufende Auseinandersetzung mit den fachlichtechnischen Fragen in die Endrunde. Dabei wurde den Versicherungsgesellschaften auch zugestanden, dass sie die Einführung von IFRS 9 für die finanziellen Instrumente auf der Aktivseite der Bilanz bis 2021 hinaus- schieben können, damit die beiden neuen Regelwerke für die Passiv- und schwankungen in der Erfolgsrech- die Aktivseite ab dem gleichen Zeit- zielt auf eine Einzelvertragsbewertung ab. Das bedingt eine hohe Datengranularität. Zudem bestehen für Versicherungsbestände kleinerer Ge- Themen-Nr.: 660.003 nung zu vermeiden, hat der Standard- punkt wirksam sind. Damit sollte der setter in der finalen Version von IFRS von vielen Rechnungslegungsexper- 17 auch eine OCI-Lösung (Other ten befürchtete Mismatch zwischen Comprehensive Income) vorgesehen. Vermögensanlagen und Verpflichtun- Abo-Nr.: 660003 Auflage: 6'628 Argus Ref.: 64435007 Datum: 01.03.2017 gen ausbleiben. Die Standardsetter haben in der Schlussphase streng darauf geachtet, dass IFRS 17 und IFRS 9 bestmöglich aufeinander abgestimmt sind. Für die Assekuranz kommt der Wechsel zu einer Marktwertsicht einem Paradigmenwechsel gleich. Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Auflage: 6'628 Argus Ref.: 64435007
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