Tod einer Kadettin

DasErste.de
Tod einer Kadettin
mit anschließender Dokumentation
„Der Fall Gorch Fock – Die Geschichte der Jenny Böken“
5. APRIL 2017
20:15 UHR UND 21:45 Uhr
Tod einer Kadettin
Inhalt
Die junge Lilly Borchert will nach dem Abitur Medizin
studieren und die Welt sehen. Sie wird bei der Marine
zugelassen und kämpft sich durch die ersten Wochen
der Grundausbildung. Trotz einiger Bedenken bezüglich
Lillys Tauglichkeit lässt man sie als Kadettin an Bord
eines großen Segelschulschiffes. Die Stammbesatzung
unter Kapitän Krug und die jungen Kadetten, die eine
Offizierslaufbahn anstreben, bilden eine enge Gemeinschaft. Das Männlichkeitsgehabe, der Schlafmangel, der
Drill – all dies ist Lilly fremd. Klara, ebenfalls Sanitätsoffizier-Anwärterin, wird unter den Kadetten zu Lillys
Gegenspielerin. Lilly wehrt sich gegen die Angriffe von
allen Seiten, beißt sich durch, schreibt sich den Frust von
der Seele und zählt die Tage bis zu ihrem Geburtstag,
an dem sie ihre Eltern besuchen darf. Doch sie leidet an
starken Unterleibsschmerzen und Schlafproblemen.
Die Beurteilungsbeiträge der Ausbilder über Lilly wer-
den nicht besser: „Eine Eignung zum Offizier ist nicht
erkennbar“ – „Sie schläft immer wieder ein“ –
„Kein Teamgeist – keine Führungspersönlichkeit“.
In einer Nacht – gut 24 Stunden vor ihrem 19. Geburtstag – übernimmt Lilly den Dienst einer Kameradin am
Posten Ausguck. Plötzlich meinen einige Kadetten,
einen Schrei gehört zu haben. Es ist 23.43 Uhr, die
Nacht tiefschwarz und das Wasser 15 Grad kalt. Die
Mannschaft schreit ihre Befehle gegen den Wind: Mann
über Bord! Lilly ist nicht mehr auf ihrer Position. Erste
Rettungsmaßnahmen verlaufen erfolglos und die Suche
bleibt ergebnislos. Fragen kommen auf: Wie konnte Lilly
verunglücken? Der auf dem Schiff anwesende Journalist
Hartmut Kerber beginnt, Nachforschungen anzustellen.
Wird er herausfinden, was in der Nacht passiert ist?
Tod einer Kadettin
Deutschland, 2017
Besetzung
Lilly Borchert
Hartmut Kerber
Kapitän Krug
Stefan Müller
Olaf Kirsch
Anja Kroll
Klara Hansen
Nadja Scheller
Camille Laurent
Ausbilder Franzen
Micha Haverkamp
Bettina Borchert
Harald Borchert
Achim Horn
Schiffsarzt Dr. Blauer
Doktor Weser
Prinz Alif
u. v. m.
Maria Dragus
Miroslaw Baka
Harald Schrott
Max Schimmelpfennig
David Hürten
Lola Klamroth
Lisa Hrdina
Thea Rasche
Rana Farahani
Alexander Grünberg
Malik Blumenthal
Dorota Nowakowska
Robert Gonera
Peter Cieslinski
Cezary Rybinski
Hannah Schröder
Derek Nowak
Stab
Regie
Buch
Kamera
Szenenbild
Kostümbild
Maske
Ton
Schnitt
Herstellungsleitung
Produktionsleitung
Producer
Produzenten
Redaktion Raymond Ley
Hannah Ley, Raymond Ley
Dominik Berg
Harald Turzer
Elisabeth Kesten
Amal Boulos
Andreas Pitann
Heike Parplies
Jost Nolting (NDR), Dirk Ehmen (UFA FICTION)
Thomas Rohde
Johannes Kunkel
Nico Hofmann, Marc Lepetit Marc Brasse, Sabine Holtgreve (NDR),
Christine Strobl (ARD Degeto)
Gedreht wurde vom 23. August bis zum 15. September 2016 in Gdynia und
Umgebung (Danziger Bucht, Polen). Als Kulisse diente das Schiff Dar Młodzieży.
„Tod einer Kadettin“ ist eine UFA FICTION-Produktion im Auftrag des NDR und
der ARD Degeto für Das Erste und ist gefördert mit Mitteln der nordmedia Filmund Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen mbH.
Der Film ist inspiriert von dem Sachbuch „Unser Kind ist tot“ der Autorin und Journalistin Dona Kujacinski.
Er erhebt jedoch nicht den Anspruch, die Geschehnisse authentisch wiederzugeben.
Tod einer Kadettin
Die Suche nach Wahrheit
Der FilmMittwoch im Ersten ist ein Sendeplatz für
­außergewöhnliche Geschichten. Sie berühren, sie
wühlen auf, sie liefern Stoff für nachhaltige Diskussionen. Was die Filme eint, ist ihre Relevanz. Immer wieder
werden politische und gesellschaftliche Themen aufgegriffen. So auch bei „Tod einer Kadettin“ – und ­
das in Form eines außergewöhnlichen Fernsehevents.
Der Film „Tod einer Kadettin“ erzählt vom Schicksal
einer jungen Offiziersanwärterin namens Lilly. An Bord
eines großen Segelschulschiffes der Marine scheint ihr
Traum wahr zu werden: unter vollen Segeln abzugleiten
ins Leben. Doch die Ausbildung auf hoher See wird zu
einem Alptraum. Mobbing, körperliche Überanspruchung und Auseinandersetzungen mit der Stammbesatzung bestimmen Lillys Alltag an Bord. Aus Freude
wird Verzweiflung, aus Aufbruch Scheitern. Am Ende
steht ein junges, erschöpftes und einsames Mädchen in
einer ihr fremden Umgebung. Und unter mysteriösen
Umständen kommt sie ums Leben.
Der Autor und Regisseur Raymond Ley, der für frühere Produktionen mit dem Grimme-Preis und dem
­Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde, hat
diesen packenden Stoff, inspiriert von einer wahren
Geschichte, sensibel in Szene gesetzt und daraus ein
einfühlsames Psychogramm geschaffen. Das Ergebnis
ist ein aufwühlender 90-minütiger Fernsehfilm, den
der NDR zusammen mit der ARD Degeto realisiert hat.
Direkt im Anschluss an den Fernsehfilm zeigt Das
Erste die Dokumentation „Der Fall Gorch Fock – Die
Geschichte der Jenny Böken“, ebenfalls von Raymond
Ley, zusammen mit Jan Lerch. Die Dokumentation
beleuchtet die bis heute offenen Fragen des Falls, der
dazu führte, dass Eltern über Nacht ihre einzige Tochter
verloren: die Offiziersanwärterin Jenny Böken. Sie ging
mit 18 Jahren in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2008 über Bord der Gorch Fock. Was folgte, waren
­Prozesse vor Gericht, das Scheitern einer Ehe und immer wieder die quälende Frage: Warum musste unsere
Tochter sterben? Die Autoren begleiteten die Eltern von
Jenny Böken ein Jahr lang, sie waren bei Gerichtsverhandlungen dabei und am Grab der Tochter. Das Ergebnis ist eine bewegende 30-minütige Dokumen­tation
über die Suche nach Wahrheit.
Frank Beckmann
NDR Programmdirektor Fernsehen
Tod einer Kadettin
Wie viel ist ein Individuum
der heutigen Gesellschaft wert?
Nico Hofmann und Marc Lepetit, Produzenten
Der fiktionale Fernsehfilm „Tod einer Kadettin“ erzählt
die Geschichte einer jungen Kadettin, die mit Leidenschaft und energischem Willen ihren Dienst bei der
Marine antritt – und am Ende missachtet und von den
anderen Kadetten belächelt an sich selber und den an
sie gestellten Anforderungen scheitert. Und ihr Leben
verliert.
Wie stark muss ein junger Mensch sein, wie viel Druck
kann er ertragen – und wie aufmerksam müssen Menschen, Verantwortungsträger, muss ein System sein,
damit der andere nicht zerbricht? „Tod einer Kadettin“
ist nicht nur die tragische Geschichte eines ungeklärten
Todes, sondern auch die Herleitung einer gesellschaftlichen Frage: Wie viel ist ein Individuum der heutigen
Gesellschaft wert? Wie viel Verständnis und Toleranz
bringen wir einander entgegen? Und wie gehen wir mit
Scheitern um?
Hannah und Raymond Ley haben sich dem Thema und
dem Kern der Figur Lilly sensibel genähert und einen
Film geschaffen, in dem die tragische und bedrückende
Erfahrungswelt der fiktionalen Figur Lilly greifbar wird.
Zu guter Letzt erzählt die Geschichte auch, welche
Umstände zum Tod von Lilly Borchert geführt haben
könnten. Sie schildert, welche Verantwortung eine Gemeinschaft übernehmen muss, und die Konsequenzen,
wenn sich niemand dazu verpflichtet fühlt.
Gemeinsam mit Kameramann Dominik Berg hat
Raymond Ley einen herausragenden Nachwuchscast
mit einer charismatischen Maria Dragus im Zentrum
in Szene gesetzt, die dem Zuschauer einen Einblick in
eine für ihn unbekannte Welt gewähren. Am Ende lässt
uns der Film mit der Frage zurück, warum niemand
Lillys wahren Seelenzustand erkannt und entsprechend
gehandelt hat. Es bleibt der unausgesprochene Aufruf,
dem anderen mit Achtsamkeit und Respekt zu begegnen, auch wenn es uns dieser nicht leicht macht.
Tod einer Kadettin
Raymond Ley
Buch und Regie
Der Autor, Film- und Fernsehregisseur Raymond Ley
wurde 1958 in Kassel geboren. Ab 1979 studierte er mit
einem Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung Film und
Fernsehen an der Hochschule für Bildende Künste in
Kassel. Anfang der 80er-Jahre eröffnete er mit Kommilitonen das Kino „Filmladen“, das heute noch in Kassel
besteht.
Ab 1984 realisierte er mehrere Spielfilmprojekte, die
durch die Filmförderungen Hessen, Hamburg und
Schleswig-Holstein gefördert wurden. 1992 gewann
Raymond Ley mit der Redaktion des 3sat-Satiremagazins „KAOS“, in der er von 1991 bis 1995 als Autor
mitarbeitete, den Grimme-Preis in Silber. 1994 folgte der
Nationalpreis der Deutschen Denkmalpflege für seinen
Film „Leipziger Bahnhof“. 2005 gewann Leys Film „Die
Nacht der großen Flut“ (NDR/ARTE) den Hamburger
Produzentenpreis. Ein Jahr später erhielt der Film auch
den Deutschen Kamerapreis und den Deutschen Fernsehpreis. In den Jahren 2006 und 2007 war Raymond
Ley Gastdozent an der DFFB, an der Hamburg Media
School und auf Einladung des Goethe-Institutes an den
Universitäten von Nanjing und Peking. Zudem hatte er
eine Vertretungsprofessur an der Filmklasse Kassel inne.
Remi Award in Houston und 2012 die Gold World Medal
beim New York Filmfestival. Für „Eine mörderische
Entscheidung“ (2013, NDR/ARTE) bekam Raymond Ley
den Grimme-Preis in der Sparte Regie, gemeinsam mit
seiner Frau Hannah Ley die Auszeichnung zudem in der
Sparte Drehbuch. Matthias Brandt bekam für den Film
den Grimme-Preis und den Deutschen Fernsehpreis für
seine Darstellung des Oberst Klein.
2010 wurde Raymond Ley für „Nanking 1937 – Die
Geschichte des Hamburgers John Rabe“ (2007, NDR)
mit dem Magnolia Award in Silber beim Shanghai
International TV-Festival ausgezeichnet. „Eichmanns
Ende“ (2010, NDR/SWR) gewann 2011 den Spezialpreis
der Jury beim 44. WorldFest Houston sowie die Silver
Word Medal beim New York Filmfestival. „Eichmanns
Ende“ trat folgend eine Rundreise auf den Filmfestivals
zwischen Caracas, Boston, Genf und Neuseeland an.
Darüber hinaus wurde Raymond Ley für dieses Werk
als bester Regisseur beim Sichuan TVFestival nominiert,
Hauptdarsteller Herbert Knaup als bester Darsteller für
die Goldene Kamera. Der Film „Die Kinder von Blankenese“ (ARTE/NDR) gewann 2011 den Grand
2015 folgte der Ehrenpreis des Kasseler Dokumentarfilm- und Videofestes. Im selben Jahr gewann Ley den
Hauptpreis des Fernsehfilmfestivals Baden-Baden für
„Meine Tochter Anne Frank“ (2014, HR/WDR/rbb). Raymond Leys Film „Letzte Ausfahrt Gera – Acht Stunden
mit Beate Zschäpe“ war Anfang 2016 im ZDF zu sehen,
Darsteller waren Axel Milberg, Lisa Wagner und Joachim Krol. Für den NDR inszenierte Raymond Ley 2016
seinen ersten „Tatort“: „Borowski und das verlorene
Mädchen“ mit Axel Milberg, Sibel Kekilli, Mala Emde
und Jürgen Prochnow lief im Herbst vergangenen Jahres im Ersten. Auch bei seinem aktuellen Projekt „Tod
einer Kadettin“ verfasste er gemeinsam mit seiner Frau
Hannah das Drehbuch.
Tod einer Kadettin
Hannah Ley
Buch
Hannah Ley, 1970 geboren, hat an der Hochschule für
Musik und Theater des Saarlandes Schauspiel studiert.
Danach folgten Engagements an Theatern in Berlin,
Düsseldorf, Essen, Kassel und Bern sowie in zahlreichen
Filmen. Neben ihrer Schauspielkarriere ist sie seit 2005
als freie Autorin tätig. U. a. schrieb sie gemeinsam mit
ihrem Mann Raymond Ley an den Drehbüchern zu „Tod
einer Kadettin“ (2016), „Letzte Ausfahrt Gera – Acht
Stunden mit Beate Zschäpe“ (2015), „Meine Tochter
Anne Frank“ (2014), „Eine mörderische Entscheidung“
(2013), „Die Kinder von Blankenese“ (2010) sowie „Eichmanns Ende“ (2010).
Ihre Drehbücher wurden vielfach ausgezeichnet. So
erhielt sie u. a. den Deutschen Fernsehpreis für „Die
Nacht der großen Flut“, einen Grimme-Preis für das
Drehbuch von „Eine mörderische Entscheidung“, den
Grand Remi Award sowie die Gold World Medal für
„Die Kinder von Blankenese“ sowie einen Fernsehpreis
der Deutschen Akademie der darstellenden Künste für
das Drehbuch zu „Meine Tochter Anne Frank“, das außerdem für einen Grimme-Preis in der Kategorie Fiktion
nominiert war.
Hannah Ley lebt mit ihrer Familie als freie Schauspielerin und Autorin in Berlin.
Tod einer Kadettin
„Uns interessierte, wie junge
Menschen ein militärisch geführtes
Segelschulschiff erleben“
Gespräch mit Hannah und Raymond Ley
Der Film ist von einer wahren Begebenheit inspiriert.
Wie entstand die Idee, die Geschichte aufzunehmen,
und zu welchem Zeitpunkt kamen Sie zu dem Projekt
hinzu?
Nico Hofmann hatte die Idee, den Stoff umzusetzen.
Wir kamen zu den ersten Gesprächen im NDR dazu – für
den wir schon eine Reihe von Filmen entwickelt und
gedreht haben. Es war von Anfang an klar, dass wir den
Stoff in der Form eines Spielfilms rein fiktional erzählen
– plus einer Doku im Anschluss. Im Vorfeld haben wir in
der Recherche Gespräche und Interviews mit den Eltern,
Freunden etc. von Jenny Böken geführt, um mit diesem
Wissen ganz klassisch den Stoff fiktional aufzubereiten
und über die Figur der Lilly Borchert neu zu erzählen.
Was hat Sie an dem Stoff interessiert und welchen
­Ansatz haben Sie bei der Fiktionalisierung verfolgt?
Uns interessierte, wie junge Menschen ein militärisch
geführtes Segelschulschiff erleben. Was das mit ihnen
macht – wie die Gruppendynamik sich entwickelt. Wir
wollten den Stoff dicht an der Figur des Mädchens Lilly
erzählen – ihre Wünsche, ihren Ehrgeiz und so klar wie
möglich die Erwartungen der Marine, der Eltern, der
Kadetten an dieser Figur erklären und aufzeigen.
Das Drehbuch haben Sie beide gemeinsam geschrieben­.
Wie muss man sich die Zusammenarbeit zwischen
Ihnen vorstellen – gab es eine klare Arbeitsteilung?
Hannah Ley: Wir verabreden die Schwerpunkte der
­Geschichte und gehen dann getrennt in Klausur.
­Oftmals arbeite ich dann alleine weiter.
Raymond Ley: Zum großen Teil kümmere ich mich um
Recherche und Erzählhaltung beziehungsweise Bögen
– manchmal gibt Hannah hier die Richtung vor oder wir
vereinbaren ein gemeinsames erzählerisches Ziel. Es ist
nicht so, dass Hannah die Frauen schreibt und ich die
Männer – aber wir ahnen instinktiv, was wem liegen
könnte.
Wie sind Sie bei Ihren Recherchen vorgegangen?
Gab es auch Gespräche mit der Marine?
Es gab einige Hintergrundgespräche – aber ansonsten
hat sich die Marine verweigert, mit uns zu sprechen
oder uns mit Kadetten der Gorch Fock sprechen zu
lassen. Die Marine bzw. die Bundeswehr setzt auf eine
eher restriktive Informationspolitik. Von Offenheit keine
Spur. Bisher konnte man sich immer hinter noch laufenden Prozessen verstecken – aber das ist nun ja auch
vorbei. Da kommt man schnell auf die Idee: Die haben
etwas zu verbergen.
Lilly ist ein eigenwilliger Charakter – nicht wirklich
­unsympathisch, aber auch nicht leicht zugänglich.
Was war Ihnen bei der Figurenzeichnung wichtig?
Unsere Figur Lilly ist eigenwillig, manchmal vorlaut – sie
bietet Angriffsflächen für Mobbing und Ausgrenzung.
Uns war es wichtig zu zeigen, wie es für eine Figur wie
Lilly ist, unbekanntes, militärisches Terrain zu betreten, in dem andere Regeln gelten, wo über Hierarchien
Macht ausgedrückt wird und eine eigene Meinung eher
hinderlich ist.
Herr Ley, für „Eine mörderische Entscheidung“ haben
Sie schon einmal mit dem Thema Bundeswehr auseinandergesetzt. Dieses Mal gewinnen die Zuschauer
Einblicke in die Marine. Nach welchen Regeln funktionieren diese militärische Welt und die Menschen, die
sich darin bewegen?
Hier herrscht ein Befehlston – hier soll der Einzelne sich
nahezu „aufgeben“, um der Gemeinschaft zu dienen.
Tod einer Kadettin
Das muss man wollen. Bei der Marine war das laut
unseren Recherchen für Dokumentarfilm und auch
Spielfilm immer noch Standard. Mit Frauen hatte man
da noch nicht so viel Erfahrung und pflegte eher einen
konservativen Macho-Betrieb, in dem die Männer – wie
bisher geübt – den oftmals harschen Ton vorgaben.
Was stellte für Sie die größte Herausforderung im
Rahmen des Drehs dar? Ein Teil der Dreharbeiten fand
z.B. auf See statt.
Sicherlich waren die Dreharbeiten auf dem Schiff
schwierig – weniger wegen der Witterung beziehungsweise großer Übelkeit, eher im Bezug auf das Verstehen, wie Schiff, Marine und das dortige Miteinander
funktionieren.
Maria Dragus zählt spätestens seit „Das weiße Band“
und der Auszeichnung als „Europäischer Shooting Star“
bei der Berlinale 2014 zu den spannendsten deutschen
Nachwuchsschauspielerinnen. Welche Qualitäten
zeichnen sie aus, die sie zur perfekten Besetzung für die
Rolle der Lilly machen?
Maria ist ehrgeizig, extrem gut vorbereitet, diszipliniert
– und zudem sehr talentiert. Sie weiß, wie sie in Szenen
funktionieren kann.
Herr Ley, Sie haben ergänzend zum Spielfilm eine Dokumentation über den Fall Jenny Böken gedreht. Was war
für die Sie die wichtigste Erkenntnis, die Sie aus Ihren
Gesprächen gewonnen haben?
Hier kommen die Eltern von Jenny Böken, ihre Freunde
etc. und unter anderen der ARD-Journalist Jörg Hafkemeyer zu Wort, der in der Unglücksnacht an Bord
der Gorch Fock war und der die Vorlage zur Journalisten-Figur ist, die im Spielfilm Miroslaw Baka mit großer
Präsenz verkörpert. Der Spielfilm erzählt die fiktive
Geschichte der Lilly Borchert in seinem sinnlichen Erleben, zeigt Unterwerfung, Chance und Niederlage, zeigt
Selbstüberschätzung und Gruppendruck. Die Doku über
Jenny Böken hingegen zeigt den faktischen Hintergrund
einer großen Tragödie um ein Mädchen, welches nie
hätte an Bord der Gorch Fock sein dürfen. Das hat niemand erkannt oder erkennen wollen.
Tod einer Kadettin
Maria Dragus
spielt Lilly Borchert
Maria-Victoria Dragus, 1994 geboren, studierte Ballett
an der Palucca Schule in Dresden. Nach kleineren Rollen
in Filmen wie „Ein Engel für alle“ (2007) oder „Du bist
nicht allein“ (2007) sowie in der australischen Ballett­
serie „Dance Academy“ bekam sie 2010 den Deutschen
Filmpreis als beste Nebendarstellerin in Michael Hanekes Drama „Das weiße Band“.
In Andres Veiels Film „Wer wenn nicht wir“ war sie
2011 als Schwester von RAF-Terroristin Gudrun Ensslin
zu sehen. Darauf folgte Emily Atefs Roadmovie „Töte
mich“, für das Maria Dragus als beste Darstellerin beim
Romanian International Filmfestival 2012 ausgezeichnet wurde.
2014 stand sie für den Dreiteiler „Tannbach“ unter
der Regie von Andreas Dierbach sowie für Christian
Schwochows zweiteiligen Fernsehfilm „Pfeiler der
Macht“ vor der Kamera. Unter der Regie des rumä­
nischen Regisseurs Christian Mungiu spielte sie in dem
Film „Bacalaureat“ ihre Hauptrolle auf rumänisch. Das
Sozialdrama wurde 2016 in Cannes mit der Goldenen
Palme ausgezeichnet. Jakob Lass' „Tiger Girl“, in dem
Maria Dragus und Ella Rumpf die Hauptrollen spielen,
hatte jüngst auf der Berlinale Premiere.
Tod einer Kadettin
„Die Geschichte ist einfach
sehr außergewöhnlich“
Gespräch mit Maria Dragus
Was war ausschlaggebend für Ihre Entscheidung, die
Rolle der Lilly Borchert zu übernehmen?
Die Geschichte ist einfach sehr außergewöhnlich. Ich
kannte bereits andere Arbeiten von Raymond Ley und
wusste deswegen auch, dass er sehr verantwortungsvoll
mit dieser umgehen würde. Mir war klar, dass er die Geschichte eindringlich, aber nicht aufdringlich erzählen
würde. Das war mir wichtig, gerade weil sie von wahren
Begebenheiten inspiriert ist.
Lilly ist nur schwer zu fassen und erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich. Sie macht es ihrem Umfeld
und auch dem Zuschauer nicht leicht, sie zu mögen.
Wie haben Sie Zugang zu der Figur gefunden?
Meine Figur hat eine sehr starke Motivation, im Leben
voranzukommen. Sie will unheimlich viel erreichen, ist
dabei aber sehr verbissen und drängt stets nach vorne,
ohne Rücksicht auf sich selbst zu nehmen. Ich denke,
solche Menschen haben es im Leben nicht leicht, weil
sie schnell Gefahr laufen, sich abzusondern. In diesem
Fall habe ich mich aber einfach vom Drehbuch leiten
lassen. Die Emotionen waren sehr klar beschrieben und
haben es mir erleichtert, Lillys Wesen nachzuvollziehen.
Obwohl es Lilly schwerfällt, sich in die Gruppe der Kadetten zu integrieren und den an sie gestellten Anforderungen zu genügen, will sie um keinen Preis aufgeben.
Was treibt sie Ihrer Meinung nach an?
Lilly will raus aus dem Leben, das ihr scheinbar vorgegeben scheint. Anstatt in einem kleinen Ort festzusitzen,
möchte sie Weltmeere umsegeln, Menschen helfen,
Abenteuer erleben und vor allem eines: frei sein.
Ein Teil der Dreharbeiten fand auf der Dar Mlodziezy
statt – im Film heißt das Schiff „Johann Kinau“. Was
war die größte Herausforderung bei den Dreharbeiten
auf See und wie „schiffstauglich“ sind Sie?
Zur Vorbereitung habe ich mir einige Dokus über die
Marine und die Bundeswehr angeschaut. Am meisten
hat mir jedoch die Schiffsreise geholfen, die wir vor dem
Dreh gemacht haben. Gemeinsam mit dem Regisseur
und dem Kameramann sind wir drei Tage lang auf
einem Ausbildungsschiff der polnischen Handelsmarine
mitgefahren. Das war sehr spannend! Ich denke tatsächlich, dass meine „Seetauglichkeit“ und die Isolation
auf dem Schiff die größten Herausforderungen während
des Drehs waren. Anfänglich fiel es mir nicht leicht,
mich an das Schaukeln zu gewöhnen, und da hatten
wir noch nicht einmal hohen Seegang. Drei Tage ohne
Rückzugsmöglichkeit, ohne Kontakt zur Außenwelt und
Telefonempfang, das wäre auf Dauer nichts für mich.
Können Sie nachvollziehen, warum sich jemand entscheidet, Soldatin zu werden?
Ich muss zugeben, dass mir das noch nie in den Sinn
gekommen ist. Natürlich verstehe ich, dass es sehr wichtig und schön sein kann, wenn man anderen Menschen
hilft, aber dafür muss ich nicht zum Militär.
„Tod einer Kadettin“ ist Ihre erste Zusammenarbeit mit
Raymond Ley. Was zeichnet ihn als Regisseur aus?
Die Zusammenarbeit mit Raymond war sehr schön. Ich
habe mich sehr behütet und gleichzeitig frei gefühlt,
was die Arbeit sehr entspannt gemacht hat.
Wie Lilly tatsächlich zu Tode kommt, lässt der Film offen.
Haben Sie für sich eine Antwort gefunden?
Für mich war es nicht wichtig zu wissen, wie sie umkommt. Für meine Arbeit war nur ihre Geschichte relevant. Alles andere überlasse ich dem Zuschauer!
Tod einer Kadettin
Die Dokumentation
„Der Fall Gorch Fock – Die Geschichte der Jenny Böken“
Dokumentation, 30 Minuten
Ein Film von Jan Lerch und Raymond Ley
Die Dokumentation „Der Fall Gorch Fock – Die Geschichte­
der Jenny Böken“ erzählt von dem Schicksal der jungen
Kadettin Jenny Böken und ihrer Familie, die nahezu
zerbrach, nachdem Jenny in der Nacht vom 3. auf den
4. September 2008 unerklärlicherweise über Bord ging
und in der Nordsee ertrank. Wie ging die Familie mit
dem Verlust um? Warum gab sich die Marine so zugeknöpft? Was geschah damals in den Wassern vor Norderney auf der Gorch Fock? „Der Fall Gorch Fock – Die
Geschichte der Jenny Böken“ arbeitet die Ereignisse der
Unglücksnacht auf, rekonstruiert die letzten Stunden an
Bord und zeichnet das Leben dieser jungen Frau nach –
bis zu ihrem Tod.
Dennoch wird sie an Bord gelassen. Dort fühlt sie sich
immer schlechter, sie sucht wegen körperlicher Beschwerden mehrfach den Schiffsarzt auf und berichtet
in ihren Tagebucheinträgen von Mobbing an Bord, fühlt
sich von den anderen Kadetten unter Druck gesetzt und
in die Rolle der Außenseiterin gedrängt. Doch ihr Stolz
verbietet ihr, ans Aufgeben zu denken. Jenny will beweisen, dass sie den Anforderungen der Marine-Ausbildung
gewachsen ist und ihr großes Ziel, Ärztin zu werden,
erreichen kann. Die Dokumentation zeigt eine junge
Frau mit großem Enthusiasmus und Idealismus, ein
talentiertes Mädchen, das nach einer unbeschwerten
Jugend plötzlich in existenzielle Not gerät.
Die Aussagen der Zeitzeugen nach dem Unglück, Archivmaterial und Jennys Tagebuchnotizen ergeben gemeinsam mit den Schilderungen der Familie, ihrer ehemaligen Lehrer und Freunde das differenzierte Bild einer
jungen Frau, die um jeden Preis durchhalten wollte.
Am frühen Abend des 15. September 2008 – zwölf Tage
nach Jennys Verschwinden – entdeckt die Mannschaft
eines Forschungsschiffes ihre Leiche. Sie wird in Kiel obduziert. Für einen Ertrinkungstod von Jenny findet sich
jedoch überraschend wenig Wasser in der Lunge. Trotz
mannigfaltiger Ungereimtheiten werden die Ermittlungen zum Tod der Offiziersanwärterin eingestellt.
Vor ihrem Dienstantritt auf der „Gorch Fock“ hatte
Jenny von der Marineschule Mürwick eine schlechte
Beurteilung erhalten: „sehr starke Probleme, die an
sie gestellten Anforderungen und Erwartungen im
­psychischen sowie physischen Bereich gerecht zu werden. (…) Eine Eignung zum Offizier ist nicht erkennbar.“
Achim Winkler, Sprecher der Marine
Was geschah an Bord der Gorch Fock? Was geschah mit
Jenny Böken? Wieviel Verantwortung trägt die Marine
an ihrem Tod?
Marlies Böken, Mutter
Jörg Hafkemeyer, Journalist
Der Fall Gorch Fock –
Die Geschichte der Jenny Böken
Deutschland, 2017
Stab
Björn Böken, Bruder
Rainer Dietz, Rechtsanwalt
Buch
Regie
Kamera & Ton
Ton
Schnitt
Herstellung NDR
Produktionsleitung Filmgeschäftsführung
Assistenz der
Produktionsleitung Transkribtion
Koordination
Post-Produktion
Post-Produktion
Produzenten Producer Redaktion
Jan Lerch, Hannah Ley, Raymond Ley
Raymond Ley
Resa Asarschahab, Richard Brzozowski,
Chris Rowe, André Spilker
David Kammerer
Heike Parplies
Tim Carlberg
Michael Jungfleisch
Evelyn Welz
Marina Saczewski, Marlen Mast
Schreibservice Thiel
Stephan Gehrke
D-Facto Motion GmbH GmbH, Florian Gees
Nico Hofmann, Marc Lepetit
Johannes Kunkel
Marc Brasse (NDR)
„Der Fall Gorch Fock – Die Geschichte der Jenny Böken“ ist eine
UFA FICTION-Produktion im Auftrag des NDR für Das Erste.
Uwe Böken, Vater
Reinhold Robbe,
ehemaliger Wehrbeauftragter
des Deutschen Bundestages
Der Fall Gorch Fock – Die Geschichte der Jenny Böken
Jenny Böken – eine Chronik
5. September 1989
Geburtstag Jenny Böken
Kindheit und Jugend in Teveren/Geilenkirchen bei
Aachen, beide Eltern sind Lehrer. Jenny ist im Chor,
Heimatverein und DLRG engagiert und will schon früh
Ärztin in der Dritten Welt werden.
1. Juli 2008
Eintritt in die Marine mit dem Ziel, bei der Bundeswehr
ein Medizinstudium aufzunehmen.
3./4. September 2008
Tod während einer Fahrt auf der Gorch Fock in der
Nordsee, Umstände unklar, laut Obduktion vermutlich
durch Ertrinken.
15. September 2008
Bergung der Leiche Jenny Bökens durch das
­Forschungsschiff „Walther Herwig III“ nordwestlich
von Helgoland.
Januar 2009
Die Staatsanwaltschaft Kiel stellt das Verfahren ein, Jenny Böken sei einem „tragischen Unglücksfall“ erlegen.
November 2009
Gründung der Jenny-Böken-Stiftung, die sich um die
Familien von getöteten oder gefallenen Soldaten kümmert.
Jenny Böken
Oktober 2011
Die Staatsanwaltschaft Kiel lehnt Wiederaufnahme des
Falles ab.
Juni 2012
Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein weist ein
Klageerzwingungsverfahren durch die Eltern zurück.
Oktober 2014
Ein versorgungsrechtliches Entschädigungsverfahren
nach dem Soldatenversorgungsgesetz hat vor dem
Verwaltungsgericht Aachen keinen Erfolg.
November 2014
Beschwerde der Eltern beim Bundesverfassunsgericht
wird nicht zugelassen.
September 2016
Letztinstanzlich weist auch das Oberverwaltungsgericht Münster einen Entschädigungsanspruch der
Eltern in Höhe von 20.000 Euro ab. Es habe keine „besondere Lebensgefahr“ bei dem fraglichen Wachdienst
von Jenny Böken bestanden.
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Iris Bents
NDR, Andrzej Gojke, Uwe Böken, shaunl | itsockphoto
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