DasErste.de Tod einer Kadettin mit anschließender Dokumentation „Der Fall Gorch Fock – Die Geschichte der Jenny Böken“ 5. APRIL 2017 20:15 UHR UND 21:45 Uhr Tod einer Kadettin Inhalt Die junge Lilly Borchert will nach dem Abitur Medizin studieren und die Welt sehen. Sie wird bei der Marine zugelassen und kämpft sich durch die ersten Wochen der Grundausbildung. Trotz einiger Bedenken bezüglich Lillys Tauglichkeit lässt man sie als Kadettin an Bord eines großen Segelschulschiffes. Die Stammbesatzung unter Kapitän Krug und die jungen Kadetten, die eine Offizierslaufbahn anstreben, bilden eine enge Gemeinschaft. Das Männlichkeitsgehabe, der Schlafmangel, der Drill – all dies ist Lilly fremd. Klara, ebenfalls Sanitätsoffizier-Anwärterin, wird unter den Kadetten zu Lillys Gegenspielerin. Lilly wehrt sich gegen die Angriffe von allen Seiten, beißt sich durch, schreibt sich den Frust von der Seele und zählt die Tage bis zu ihrem Geburtstag, an dem sie ihre Eltern besuchen darf. Doch sie leidet an starken Unterleibsschmerzen und Schlafproblemen. Die Beurteilungsbeiträge der Ausbilder über Lilly wer- den nicht besser: „Eine Eignung zum Offizier ist nicht erkennbar“ – „Sie schläft immer wieder ein“ – „Kein Teamgeist – keine Führungspersönlichkeit“. In einer Nacht – gut 24 Stunden vor ihrem 19. Geburtstag – übernimmt Lilly den Dienst einer Kameradin am Posten Ausguck. Plötzlich meinen einige Kadetten, einen Schrei gehört zu haben. Es ist 23.43 Uhr, die Nacht tiefschwarz und das Wasser 15 Grad kalt. Die Mannschaft schreit ihre Befehle gegen den Wind: Mann über Bord! Lilly ist nicht mehr auf ihrer Position. Erste Rettungsmaßnahmen verlaufen erfolglos und die Suche bleibt ergebnislos. Fragen kommen auf: Wie konnte Lilly verunglücken? Der auf dem Schiff anwesende Journalist Hartmut Kerber beginnt, Nachforschungen anzustellen. Wird er herausfinden, was in der Nacht passiert ist? Tod einer Kadettin Deutschland, 2017 Besetzung Lilly Borchert Hartmut Kerber Kapitän Krug Stefan Müller Olaf Kirsch Anja Kroll Klara Hansen Nadja Scheller Camille Laurent Ausbilder Franzen Micha Haverkamp Bettina Borchert Harald Borchert Achim Horn Schiffsarzt Dr. Blauer Doktor Weser Prinz Alif u. v. m. Maria Dragus Miroslaw Baka Harald Schrott Max Schimmelpfennig David Hürten Lola Klamroth Lisa Hrdina Thea Rasche Rana Farahani Alexander Grünberg Malik Blumenthal Dorota Nowakowska Robert Gonera Peter Cieslinski Cezary Rybinski Hannah Schröder Derek Nowak Stab Regie Buch Kamera Szenenbild Kostümbild Maske Ton Schnitt Herstellungsleitung Produktionsleitung Producer Produzenten Redaktion Raymond Ley Hannah Ley, Raymond Ley Dominik Berg Harald Turzer Elisabeth Kesten Amal Boulos Andreas Pitann Heike Parplies Jost Nolting (NDR), Dirk Ehmen (UFA FICTION) Thomas Rohde Johannes Kunkel Nico Hofmann, Marc Lepetit Marc Brasse, Sabine Holtgreve (NDR), Christine Strobl (ARD Degeto) Gedreht wurde vom 23. August bis zum 15. September 2016 in Gdynia und Umgebung (Danziger Bucht, Polen). Als Kulisse diente das Schiff Dar Młodzieży. „Tod einer Kadettin“ ist eine UFA FICTION-Produktion im Auftrag des NDR und der ARD Degeto für Das Erste und ist gefördert mit Mitteln der nordmedia Filmund Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen mbH. Der Film ist inspiriert von dem Sachbuch „Unser Kind ist tot“ der Autorin und Journalistin Dona Kujacinski. Er erhebt jedoch nicht den Anspruch, die Geschehnisse authentisch wiederzugeben. Tod einer Kadettin Die Suche nach Wahrheit Der FilmMittwoch im Ersten ist ein Sendeplatz für außergewöhnliche Geschichten. Sie berühren, sie wühlen auf, sie liefern Stoff für nachhaltige Diskussionen. Was die Filme eint, ist ihre Relevanz. Immer wieder werden politische und gesellschaftliche Themen aufgegriffen. So auch bei „Tod einer Kadettin“ – und das in Form eines außergewöhnlichen Fernsehevents. Der Film „Tod einer Kadettin“ erzählt vom Schicksal einer jungen Offiziersanwärterin namens Lilly. An Bord eines großen Segelschulschiffes der Marine scheint ihr Traum wahr zu werden: unter vollen Segeln abzugleiten ins Leben. Doch die Ausbildung auf hoher See wird zu einem Alptraum. Mobbing, körperliche Überanspruchung und Auseinandersetzungen mit der Stammbesatzung bestimmen Lillys Alltag an Bord. Aus Freude wird Verzweiflung, aus Aufbruch Scheitern. Am Ende steht ein junges, erschöpftes und einsames Mädchen in einer ihr fremden Umgebung. Und unter mysteriösen Umständen kommt sie ums Leben. Der Autor und Regisseur Raymond Ley, der für frühere Produktionen mit dem Grimme-Preis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde, hat diesen packenden Stoff, inspiriert von einer wahren Geschichte, sensibel in Szene gesetzt und daraus ein einfühlsames Psychogramm geschaffen. Das Ergebnis ist ein aufwühlender 90-minütiger Fernsehfilm, den der NDR zusammen mit der ARD Degeto realisiert hat. Direkt im Anschluss an den Fernsehfilm zeigt Das Erste die Dokumentation „Der Fall Gorch Fock – Die Geschichte der Jenny Böken“, ebenfalls von Raymond Ley, zusammen mit Jan Lerch. Die Dokumentation beleuchtet die bis heute offenen Fragen des Falls, der dazu führte, dass Eltern über Nacht ihre einzige Tochter verloren: die Offiziersanwärterin Jenny Böken. Sie ging mit 18 Jahren in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2008 über Bord der Gorch Fock. Was folgte, waren Prozesse vor Gericht, das Scheitern einer Ehe und immer wieder die quälende Frage: Warum musste unsere Tochter sterben? Die Autoren begleiteten die Eltern von Jenny Böken ein Jahr lang, sie waren bei Gerichtsverhandlungen dabei und am Grab der Tochter. Das Ergebnis ist eine bewegende 30-minütige Dokumentation über die Suche nach Wahrheit. Frank Beckmann NDR Programmdirektor Fernsehen Tod einer Kadettin Wie viel ist ein Individuum der heutigen Gesellschaft wert? Nico Hofmann und Marc Lepetit, Produzenten Der fiktionale Fernsehfilm „Tod einer Kadettin“ erzählt die Geschichte einer jungen Kadettin, die mit Leidenschaft und energischem Willen ihren Dienst bei der Marine antritt – und am Ende missachtet und von den anderen Kadetten belächelt an sich selber und den an sie gestellten Anforderungen scheitert. Und ihr Leben verliert. Wie stark muss ein junger Mensch sein, wie viel Druck kann er ertragen – und wie aufmerksam müssen Menschen, Verantwortungsträger, muss ein System sein, damit der andere nicht zerbricht? „Tod einer Kadettin“ ist nicht nur die tragische Geschichte eines ungeklärten Todes, sondern auch die Herleitung einer gesellschaftlichen Frage: Wie viel ist ein Individuum der heutigen Gesellschaft wert? Wie viel Verständnis und Toleranz bringen wir einander entgegen? Und wie gehen wir mit Scheitern um? Hannah und Raymond Ley haben sich dem Thema und dem Kern der Figur Lilly sensibel genähert und einen Film geschaffen, in dem die tragische und bedrückende Erfahrungswelt der fiktionalen Figur Lilly greifbar wird. Zu guter Letzt erzählt die Geschichte auch, welche Umstände zum Tod von Lilly Borchert geführt haben könnten. Sie schildert, welche Verantwortung eine Gemeinschaft übernehmen muss, und die Konsequenzen, wenn sich niemand dazu verpflichtet fühlt. Gemeinsam mit Kameramann Dominik Berg hat Raymond Ley einen herausragenden Nachwuchscast mit einer charismatischen Maria Dragus im Zentrum in Szene gesetzt, die dem Zuschauer einen Einblick in eine für ihn unbekannte Welt gewähren. Am Ende lässt uns der Film mit der Frage zurück, warum niemand Lillys wahren Seelenzustand erkannt und entsprechend gehandelt hat. Es bleibt der unausgesprochene Aufruf, dem anderen mit Achtsamkeit und Respekt zu begegnen, auch wenn es uns dieser nicht leicht macht. Tod einer Kadettin Raymond Ley Buch und Regie Der Autor, Film- und Fernsehregisseur Raymond Ley wurde 1958 in Kassel geboren. Ab 1979 studierte er mit einem Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung Film und Fernsehen an der Hochschule für Bildende Künste in Kassel. Anfang der 80er-Jahre eröffnete er mit Kommilitonen das Kino „Filmladen“, das heute noch in Kassel besteht. Ab 1984 realisierte er mehrere Spielfilmprojekte, die durch die Filmförderungen Hessen, Hamburg und Schleswig-Holstein gefördert wurden. 1992 gewann Raymond Ley mit der Redaktion des 3sat-Satiremagazins „KAOS“, in der er von 1991 bis 1995 als Autor mitarbeitete, den Grimme-Preis in Silber. 1994 folgte der Nationalpreis der Deutschen Denkmalpflege für seinen Film „Leipziger Bahnhof“. 2005 gewann Leys Film „Die Nacht der großen Flut“ (NDR/ARTE) den Hamburger Produzentenpreis. Ein Jahr später erhielt der Film auch den Deutschen Kamerapreis und den Deutschen Fernsehpreis. In den Jahren 2006 und 2007 war Raymond Ley Gastdozent an der DFFB, an der Hamburg Media School und auf Einladung des Goethe-Institutes an den Universitäten von Nanjing und Peking. Zudem hatte er eine Vertretungsprofessur an der Filmklasse Kassel inne. Remi Award in Houston und 2012 die Gold World Medal beim New York Filmfestival. Für „Eine mörderische Entscheidung“ (2013, NDR/ARTE) bekam Raymond Ley den Grimme-Preis in der Sparte Regie, gemeinsam mit seiner Frau Hannah Ley die Auszeichnung zudem in der Sparte Drehbuch. Matthias Brandt bekam für den Film den Grimme-Preis und den Deutschen Fernsehpreis für seine Darstellung des Oberst Klein. 2010 wurde Raymond Ley für „Nanking 1937 – Die Geschichte des Hamburgers John Rabe“ (2007, NDR) mit dem Magnolia Award in Silber beim Shanghai International TV-Festival ausgezeichnet. „Eichmanns Ende“ (2010, NDR/SWR) gewann 2011 den Spezialpreis der Jury beim 44. WorldFest Houston sowie die Silver Word Medal beim New York Filmfestival. „Eichmanns Ende“ trat folgend eine Rundreise auf den Filmfestivals zwischen Caracas, Boston, Genf und Neuseeland an. Darüber hinaus wurde Raymond Ley für dieses Werk als bester Regisseur beim Sichuan TVFestival nominiert, Hauptdarsteller Herbert Knaup als bester Darsteller für die Goldene Kamera. Der Film „Die Kinder von Blankenese“ (ARTE/NDR) gewann 2011 den Grand 2015 folgte der Ehrenpreis des Kasseler Dokumentarfilm- und Videofestes. Im selben Jahr gewann Ley den Hauptpreis des Fernsehfilmfestivals Baden-Baden für „Meine Tochter Anne Frank“ (2014, HR/WDR/rbb). Raymond Leys Film „Letzte Ausfahrt Gera – Acht Stunden mit Beate Zschäpe“ war Anfang 2016 im ZDF zu sehen, Darsteller waren Axel Milberg, Lisa Wagner und Joachim Krol. Für den NDR inszenierte Raymond Ley 2016 seinen ersten „Tatort“: „Borowski und das verlorene Mädchen“ mit Axel Milberg, Sibel Kekilli, Mala Emde und Jürgen Prochnow lief im Herbst vergangenen Jahres im Ersten. Auch bei seinem aktuellen Projekt „Tod einer Kadettin“ verfasste er gemeinsam mit seiner Frau Hannah das Drehbuch. Tod einer Kadettin Hannah Ley Buch Hannah Ley, 1970 geboren, hat an der Hochschule für Musik und Theater des Saarlandes Schauspiel studiert. Danach folgten Engagements an Theatern in Berlin, Düsseldorf, Essen, Kassel und Bern sowie in zahlreichen Filmen. Neben ihrer Schauspielkarriere ist sie seit 2005 als freie Autorin tätig. U. a. schrieb sie gemeinsam mit ihrem Mann Raymond Ley an den Drehbüchern zu „Tod einer Kadettin“ (2016), „Letzte Ausfahrt Gera – Acht Stunden mit Beate Zschäpe“ (2015), „Meine Tochter Anne Frank“ (2014), „Eine mörderische Entscheidung“ (2013), „Die Kinder von Blankenese“ (2010) sowie „Eichmanns Ende“ (2010). Ihre Drehbücher wurden vielfach ausgezeichnet. So erhielt sie u. a. den Deutschen Fernsehpreis für „Die Nacht der großen Flut“, einen Grimme-Preis für das Drehbuch von „Eine mörderische Entscheidung“, den Grand Remi Award sowie die Gold World Medal für „Die Kinder von Blankenese“ sowie einen Fernsehpreis der Deutschen Akademie der darstellenden Künste für das Drehbuch zu „Meine Tochter Anne Frank“, das außerdem für einen Grimme-Preis in der Kategorie Fiktion nominiert war. Hannah Ley lebt mit ihrer Familie als freie Schauspielerin und Autorin in Berlin. Tod einer Kadettin „Uns interessierte, wie junge Menschen ein militärisch geführtes Segelschulschiff erleben“ Gespräch mit Hannah und Raymond Ley Der Film ist von einer wahren Begebenheit inspiriert. Wie entstand die Idee, die Geschichte aufzunehmen, und zu welchem Zeitpunkt kamen Sie zu dem Projekt hinzu? Nico Hofmann hatte die Idee, den Stoff umzusetzen. Wir kamen zu den ersten Gesprächen im NDR dazu – für den wir schon eine Reihe von Filmen entwickelt und gedreht haben. Es war von Anfang an klar, dass wir den Stoff in der Form eines Spielfilms rein fiktional erzählen – plus einer Doku im Anschluss. Im Vorfeld haben wir in der Recherche Gespräche und Interviews mit den Eltern, Freunden etc. von Jenny Böken geführt, um mit diesem Wissen ganz klassisch den Stoff fiktional aufzubereiten und über die Figur der Lilly Borchert neu zu erzählen. Was hat Sie an dem Stoff interessiert und welchen Ansatz haben Sie bei der Fiktionalisierung verfolgt? Uns interessierte, wie junge Menschen ein militärisch geführtes Segelschulschiff erleben. Was das mit ihnen macht – wie die Gruppendynamik sich entwickelt. Wir wollten den Stoff dicht an der Figur des Mädchens Lilly erzählen – ihre Wünsche, ihren Ehrgeiz und so klar wie möglich die Erwartungen der Marine, der Eltern, der Kadetten an dieser Figur erklären und aufzeigen. Das Drehbuch haben Sie beide gemeinsam geschrieben. Wie muss man sich die Zusammenarbeit zwischen Ihnen vorstellen – gab es eine klare Arbeitsteilung? Hannah Ley: Wir verabreden die Schwerpunkte der Geschichte und gehen dann getrennt in Klausur. Oftmals arbeite ich dann alleine weiter. Raymond Ley: Zum großen Teil kümmere ich mich um Recherche und Erzählhaltung beziehungsweise Bögen – manchmal gibt Hannah hier die Richtung vor oder wir vereinbaren ein gemeinsames erzählerisches Ziel. Es ist nicht so, dass Hannah die Frauen schreibt und ich die Männer – aber wir ahnen instinktiv, was wem liegen könnte. Wie sind Sie bei Ihren Recherchen vorgegangen? Gab es auch Gespräche mit der Marine? Es gab einige Hintergrundgespräche – aber ansonsten hat sich die Marine verweigert, mit uns zu sprechen oder uns mit Kadetten der Gorch Fock sprechen zu lassen. Die Marine bzw. die Bundeswehr setzt auf eine eher restriktive Informationspolitik. Von Offenheit keine Spur. Bisher konnte man sich immer hinter noch laufenden Prozessen verstecken – aber das ist nun ja auch vorbei. Da kommt man schnell auf die Idee: Die haben etwas zu verbergen. Lilly ist ein eigenwilliger Charakter – nicht wirklich unsympathisch, aber auch nicht leicht zugänglich. Was war Ihnen bei der Figurenzeichnung wichtig? Unsere Figur Lilly ist eigenwillig, manchmal vorlaut – sie bietet Angriffsflächen für Mobbing und Ausgrenzung. Uns war es wichtig zu zeigen, wie es für eine Figur wie Lilly ist, unbekanntes, militärisches Terrain zu betreten, in dem andere Regeln gelten, wo über Hierarchien Macht ausgedrückt wird und eine eigene Meinung eher hinderlich ist. Herr Ley, für „Eine mörderische Entscheidung“ haben Sie schon einmal mit dem Thema Bundeswehr auseinandergesetzt. Dieses Mal gewinnen die Zuschauer Einblicke in die Marine. Nach welchen Regeln funktionieren diese militärische Welt und die Menschen, die sich darin bewegen? Hier herrscht ein Befehlston – hier soll der Einzelne sich nahezu „aufgeben“, um der Gemeinschaft zu dienen. Tod einer Kadettin Das muss man wollen. Bei der Marine war das laut unseren Recherchen für Dokumentarfilm und auch Spielfilm immer noch Standard. Mit Frauen hatte man da noch nicht so viel Erfahrung und pflegte eher einen konservativen Macho-Betrieb, in dem die Männer – wie bisher geübt – den oftmals harschen Ton vorgaben. Was stellte für Sie die größte Herausforderung im Rahmen des Drehs dar? Ein Teil der Dreharbeiten fand z.B. auf See statt. Sicherlich waren die Dreharbeiten auf dem Schiff schwierig – weniger wegen der Witterung beziehungsweise großer Übelkeit, eher im Bezug auf das Verstehen, wie Schiff, Marine und das dortige Miteinander funktionieren. Maria Dragus zählt spätestens seit „Das weiße Band“ und der Auszeichnung als „Europäischer Shooting Star“ bei der Berlinale 2014 zu den spannendsten deutschen Nachwuchsschauspielerinnen. Welche Qualitäten zeichnen sie aus, die sie zur perfekten Besetzung für die Rolle der Lilly machen? Maria ist ehrgeizig, extrem gut vorbereitet, diszipliniert – und zudem sehr talentiert. Sie weiß, wie sie in Szenen funktionieren kann. Herr Ley, Sie haben ergänzend zum Spielfilm eine Dokumentation über den Fall Jenny Böken gedreht. Was war für die Sie die wichtigste Erkenntnis, die Sie aus Ihren Gesprächen gewonnen haben? Hier kommen die Eltern von Jenny Böken, ihre Freunde etc. und unter anderen der ARD-Journalist Jörg Hafkemeyer zu Wort, der in der Unglücksnacht an Bord der Gorch Fock war und der die Vorlage zur Journalisten-Figur ist, die im Spielfilm Miroslaw Baka mit großer Präsenz verkörpert. Der Spielfilm erzählt die fiktive Geschichte der Lilly Borchert in seinem sinnlichen Erleben, zeigt Unterwerfung, Chance und Niederlage, zeigt Selbstüberschätzung und Gruppendruck. Die Doku über Jenny Böken hingegen zeigt den faktischen Hintergrund einer großen Tragödie um ein Mädchen, welches nie hätte an Bord der Gorch Fock sein dürfen. Das hat niemand erkannt oder erkennen wollen. Tod einer Kadettin Maria Dragus spielt Lilly Borchert Maria-Victoria Dragus, 1994 geboren, studierte Ballett an der Palucca Schule in Dresden. Nach kleineren Rollen in Filmen wie „Ein Engel für alle“ (2007) oder „Du bist nicht allein“ (2007) sowie in der australischen Ballett serie „Dance Academy“ bekam sie 2010 den Deutschen Filmpreis als beste Nebendarstellerin in Michael Hanekes Drama „Das weiße Band“. In Andres Veiels Film „Wer wenn nicht wir“ war sie 2011 als Schwester von RAF-Terroristin Gudrun Ensslin zu sehen. Darauf folgte Emily Atefs Roadmovie „Töte mich“, für das Maria Dragus als beste Darstellerin beim Romanian International Filmfestival 2012 ausgezeichnet wurde. 2014 stand sie für den Dreiteiler „Tannbach“ unter der Regie von Andreas Dierbach sowie für Christian Schwochows zweiteiligen Fernsehfilm „Pfeiler der Macht“ vor der Kamera. Unter der Regie des rumä nischen Regisseurs Christian Mungiu spielte sie in dem Film „Bacalaureat“ ihre Hauptrolle auf rumänisch. Das Sozialdrama wurde 2016 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Jakob Lass' „Tiger Girl“, in dem Maria Dragus und Ella Rumpf die Hauptrollen spielen, hatte jüngst auf der Berlinale Premiere. Tod einer Kadettin „Die Geschichte ist einfach sehr außergewöhnlich“ Gespräch mit Maria Dragus Was war ausschlaggebend für Ihre Entscheidung, die Rolle der Lilly Borchert zu übernehmen? Die Geschichte ist einfach sehr außergewöhnlich. Ich kannte bereits andere Arbeiten von Raymond Ley und wusste deswegen auch, dass er sehr verantwortungsvoll mit dieser umgehen würde. Mir war klar, dass er die Geschichte eindringlich, aber nicht aufdringlich erzählen würde. Das war mir wichtig, gerade weil sie von wahren Begebenheiten inspiriert ist. Lilly ist nur schwer zu fassen und erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich. Sie macht es ihrem Umfeld und auch dem Zuschauer nicht leicht, sie zu mögen. Wie haben Sie Zugang zu der Figur gefunden? Meine Figur hat eine sehr starke Motivation, im Leben voranzukommen. Sie will unheimlich viel erreichen, ist dabei aber sehr verbissen und drängt stets nach vorne, ohne Rücksicht auf sich selbst zu nehmen. Ich denke, solche Menschen haben es im Leben nicht leicht, weil sie schnell Gefahr laufen, sich abzusondern. In diesem Fall habe ich mich aber einfach vom Drehbuch leiten lassen. Die Emotionen waren sehr klar beschrieben und haben es mir erleichtert, Lillys Wesen nachzuvollziehen. Obwohl es Lilly schwerfällt, sich in die Gruppe der Kadetten zu integrieren und den an sie gestellten Anforderungen zu genügen, will sie um keinen Preis aufgeben. Was treibt sie Ihrer Meinung nach an? Lilly will raus aus dem Leben, das ihr scheinbar vorgegeben scheint. Anstatt in einem kleinen Ort festzusitzen, möchte sie Weltmeere umsegeln, Menschen helfen, Abenteuer erleben und vor allem eines: frei sein. Ein Teil der Dreharbeiten fand auf der Dar Mlodziezy statt – im Film heißt das Schiff „Johann Kinau“. Was war die größte Herausforderung bei den Dreharbeiten auf See und wie „schiffstauglich“ sind Sie? Zur Vorbereitung habe ich mir einige Dokus über die Marine und die Bundeswehr angeschaut. Am meisten hat mir jedoch die Schiffsreise geholfen, die wir vor dem Dreh gemacht haben. Gemeinsam mit dem Regisseur und dem Kameramann sind wir drei Tage lang auf einem Ausbildungsschiff der polnischen Handelsmarine mitgefahren. Das war sehr spannend! Ich denke tatsächlich, dass meine „Seetauglichkeit“ und die Isolation auf dem Schiff die größten Herausforderungen während des Drehs waren. Anfänglich fiel es mir nicht leicht, mich an das Schaukeln zu gewöhnen, und da hatten wir noch nicht einmal hohen Seegang. Drei Tage ohne Rückzugsmöglichkeit, ohne Kontakt zur Außenwelt und Telefonempfang, das wäre auf Dauer nichts für mich. Können Sie nachvollziehen, warum sich jemand entscheidet, Soldatin zu werden? Ich muss zugeben, dass mir das noch nie in den Sinn gekommen ist. Natürlich verstehe ich, dass es sehr wichtig und schön sein kann, wenn man anderen Menschen hilft, aber dafür muss ich nicht zum Militär. „Tod einer Kadettin“ ist Ihre erste Zusammenarbeit mit Raymond Ley. Was zeichnet ihn als Regisseur aus? Die Zusammenarbeit mit Raymond war sehr schön. Ich habe mich sehr behütet und gleichzeitig frei gefühlt, was die Arbeit sehr entspannt gemacht hat. Wie Lilly tatsächlich zu Tode kommt, lässt der Film offen. Haben Sie für sich eine Antwort gefunden? Für mich war es nicht wichtig zu wissen, wie sie umkommt. Für meine Arbeit war nur ihre Geschichte relevant. Alles andere überlasse ich dem Zuschauer! Tod einer Kadettin Die Dokumentation „Der Fall Gorch Fock – Die Geschichte der Jenny Böken“ Dokumentation, 30 Minuten Ein Film von Jan Lerch und Raymond Ley Die Dokumentation „Der Fall Gorch Fock – Die Geschichte der Jenny Böken“ erzählt von dem Schicksal der jungen Kadettin Jenny Böken und ihrer Familie, die nahezu zerbrach, nachdem Jenny in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2008 unerklärlicherweise über Bord ging und in der Nordsee ertrank. Wie ging die Familie mit dem Verlust um? Warum gab sich die Marine so zugeknöpft? Was geschah damals in den Wassern vor Norderney auf der Gorch Fock? „Der Fall Gorch Fock – Die Geschichte der Jenny Böken“ arbeitet die Ereignisse der Unglücksnacht auf, rekonstruiert die letzten Stunden an Bord und zeichnet das Leben dieser jungen Frau nach – bis zu ihrem Tod. Dennoch wird sie an Bord gelassen. Dort fühlt sie sich immer schlechter, sie sucht wegen körperlicher Beschwerden mehrfach den Schiffsarzt auf und berichtet in ihren Tagebucheinträgen von Mobbing an Bord, fühlt sich von den anderen Kadetten unter Druck gesetzt und in die Rolle der Außenseiterin gedrängt. Doch ihr Stolz verbietet ihr, ans Aufgeben zu denken. Jenny will beweisen, dass sie den Anforderungen der Marine-Ausbildung gewachsen ist und ihr großes Ziel, Ärztin zu werden, erreichen kann. Die Dokumentation zeigt eine junge Frau mit großem Enthusiasmus und Idealismus, ein talentiertes Mädchen, das nach einer unbeschwerten Jugend plötzlich in existenzielle Not gerät. Die Aussagen der Zeitzeugen nach dem Unglück, Archivmaterial und Jennys Tagebuchnotizen ergeben gemeinsam mit den Schilderungen der Familie, ihrer ehemaligen Lehrer und Freunde das differenzierte Bild einer jungen Frau, die um jeden Preis durchhalten wollte. Am frühen Abend des 15. September 2008 – zwölf Tage nach Jennys Verschwinden – entdeckt die Mannschaft eines Forschungsschiffes ihre Leiche. Sie wird in Kiel obduziert. Für einen Ertrinkungstod von Jenny findet sich jedoch überraschend wenig Wasser in der Lunge. Trotz mannigfaltiger Ungereimtheiten werden die Ermittlungen zum Tod der Offiziersanwärterin eingestellt. Vor ihrem Dienstantritt auf der „Gorch Fock“ hatte Jenny von der Marineschule Mürwick eine schlechte Beurteilung erhalten: „sehr starke Probleme, die an sie gestellten Anforderungen und Erwartungen im psychischen sowie physischen Bereich gerecht zu werden. (…) Eine Eignung zum Offizier ist nicht erkennbar.“ Achim Winkler, Sprecher der Marine Was geschah an Bord der Gorch Fock? Was geschah mit Jenny Böken? Wieviel Verantwortung trägt die Marine an ihrem Tod? Marlies Böken, Mutter Jörg Hafkemeyer, Journalist Der Fall Gorch Fock – Die Geschichte der Jenny Böken Deutschland, 2017 Stab Björn Böken, Bruder Rainer Dietz, Rechtsanwalt Buch Regie Kamera & Ton Ton Schnitt Herstellung NDR Produktionsleitung Filmgeschäftsführung Assistenz der Produktionsleitung Transkribtion Koordination Post-Produktion Post-Produktion Produzenten Producer Redaktion Jan Lerch, Hannah Ley, Raymond Ley Raymond Ley Resa Asarschahab, Richard Brzozowski, Chris Rowe, André Spilker David Kammerer Heike Parplies Tim Carlberg Michael Jungfleisch Evelyn Welz Marina Saczewski, Marlen Mast Schreibservice Thiel Stephan Gehrke D-Facto Motion GmbH GmbH, Florian Gees Nico Hofmann, Marc Lepetit Johannes Kunkel Marc Brasse (NDR) „Der Fall Gorch Fock – Die Geschichte der Jenny Böken“ ist eine UFA FICTION-Produktion im Auftrag des NDR für Das Erste. Uwe Böken, Vater Reinhold Robbe, ehemaliger Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages Der Fall Gorch Fock – Die Geschichte der Jenny Böken Jenny Böken – eine Chronik 5. September 1989 Geburtstag Jenny Böken Kindheit und Jugend in Teveren/Geilenkirchen bei Aachen, beide Eltern sind Lehrer. Jenny ist im Chor, Heimatverein und DLRG engagiert und will schon früh Ärztin in der Dritten Welt werden. 1. Juli 2008 Eintritt in die Marine mit dem Ziel, bei der Bundeswehr ein Medizinstudium aufzunehmen. 3./4. September 2008 Tod während einer Fahrt auf der Gorch Fock in der Nordsee, Umstände unklar, laut Obduktion vermutlich durch Ertrinken. 15. September 2008 Bergung der Leiche Jenny Bökens durch das Forschungsschiff „Walther Herwig III“ nordwestlich von Helgoland. Januar 2009 Die Staatsanwaltschaft Kiel stellt das Verfahren ein, Jenny Böken sei einem „tragischen Unglücksfall“ erlegen. November 2009 Gründung der Jenny-Böken-Stiftung, die sich um die Familien von getöteten oder gefallenen Soldaten kümmert. Jenny Böken Oktober 2011 Die Staatsanwaltschaft Kiel lehnt Wiederaufnahme des Falles ab. Juni 2012 Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein weist ein Klageerzwingungsverfahren durch die Eltern zurück. Oktober 2014 Ein versorgungsrechtliches Entschädigungsverfahren nach dem Soldatenversorgungsgesetz hat vor dem Verwaltungsgericht Aachen keinen Erfolg. November 2014 Beschwerde der Eltern beim Bundesverfassunsgericht wird nicht zugelassen. September 2016 Letztinstanzlich weist auch das Oberverwaltungsgericht Münster einen Entschädigungsanspruch der Eltern in Höhe von 20.000 Euro ab. Es habe keine „besondere Lebensgefahr“ bei dem fraglichen Wachdienst von Jenny Böken bestanden. 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