USA AKTUELL Prognose Update: Höhere Teuerung

Helaba Volkswirtschaft/Research
USA AKTUELL
3. März 2017
Prognose Update: Höhere Teuerung
AUTOR
Patrick Franke
Telefon: 0 69/91 32-47 38
[email protected]
REDAKTION
Dr. Stefan Mitropoulos
HERAUSGEBER
Dr. Gertrud R. Traud
Chefvolkswirt/
Leitung Research
Helaba
Landesbank
Hessen-Thüringen
MAIN TOWER
Neue Mainzer Str. 52-58
60311 Frankfurt am Main
Telefon: 0 69/91 32-20 24
Telefax: 0 69/91 32-22 44
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
Trotz der merklich verbesserten Stimmung bei Verbrauchern und Unternehmen bleiben wir
skeptisch, ob die „harten“ Daten mehr als nur eine Aufwärtsbewegung im neuesten
„Minizyklus“ zeigen werden. Ein Vorstoßen in neue Wachstumssphären von nachhaltig 3 %
bis 4 % ist unwahrscheinlich.
Aufgrund des höheren Ölpreises rechnen wir für 2017 nun mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 2,6 % (bisher: 2,2 %).
Angesichts der anziehenden Teuerung und der guten Stimmung an den Finanzmärkten
wird sich die Fed wohl trauen, den Leitzins 2017 etwas schneller anzuheben als 2015/2016.
In der US-Wirtschaft haben sich die Stimmungsindikatoren in den vergangenen Monaten deutlich
verbessert. In den meisten Fällen hat diese Entwicklung schon im Frühjahr 2016 begonnen, aber
nach dem überraschenden Ausgang der Präsidentschaftswahlen im November noch einmal an
Schwung gewonnen. Sowohl Verbraucher wie Unternehmensvertreter statten den neuen USPräsidenten Donald Trump offenbar mit erheblichen Vorschusslorbeeren aus. Auch an den Finanzmärkten ist der gestiegenen politischen Unsicherheit bislang kaum Rechnung getragen worden: Die Aktienmärkte sind verglichen mit Anfang November deutlich im Plus, der Dollar ist stärker
und die Kapitalmarktrenditen sind merklich gestiegen.
Ob diese Marktreaktionen allerdings auf realistischen Hoffnungen beruhen, muss sich erst noch
zeigen. Die Zeitachse bei vielen Kernprojekten der neuen Regierung – Infrastrukturprogramm,
Einkommensteuersenkung, Unternehmenssteuerreform – dürfte länger sein als manche Investoren
erwarten. Selbst der frischgebackene US-Finanzminister hat zuletzt signalisiert, dass es mit der
Reform des Steuersystems noch eine Weile dauern wird. Dies ist aus konjunktureller Sicht kein
Problem, denn angesichts einer bereits erreichten Normalauslastung ist unklar, ob die amerikanische Wirtschaft entsprechende kurzfristige Impulse überhaupt braucht. Schnellere Resultate kann
die Regierung hingegen in der Handelspolitik erzielen. Deren Wirkung dürfte aber aus Sicht der
Optimisten an den Finanzmärkten und in den Unternehmen letztlich kontraproduktiv sein. Insgesamt scheint das von manchen gespielte „Reflationsszenario“ in seinem Ausmaß übertrieben.
Über eine (überfällige) Beerdigung des „Deflationsgespenstes“ hinaus besteht kein Anlass, nun
plötzlich in Inflationsängste zu verfallen, denn die strukturellen Ursachen für einen relativ geringen
Preisauftrieb haben sich seit November nicht plötzlich verflüchtigt.
Die Publikation ist mit größter
Sorgfalt bearbeitet worden.
Sie enthält jedoch lediglich
unverbindliche Analysen und
Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen
Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen,
die wir für zuverlässig halten,
für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir
aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in
dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht
als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden.
Wachstum: Weiter Pendeln um den Trend
Reales Bruttoinlandsprodukt, Veränderung in %
6
6
gg. Vq. (Jahresrate)
4
4
Trend
2
2
0
0
-2
-2
gg. Vj.
-4
-4
-6
-6
-8
-8
-10
-10
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
Prognose ab Q1 2017; Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
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Anziehende Konjunktur – nicht erst seit dem Wahltag
Sowohl gemessen an den Stimmungsindikatoren wie an den „harten“ Daten hat die US-Konjunktur
nach einer längeren Schwächephase im Frühjahr 2016 ihr lokales Tief durchschritten. Seitdem
befindet sie sich wieder in einer Aufwärtsbewegung im aktuellen „Minizyklus“. Die Ursachen der
vorherigen Schwäche sind nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Eine Delle bei den Investitionen im
Bergbau und im Energiesektor verursacht durch den kräftigen Rohstoffpreisverfall sowie anämische Exporte u.a. in Folge einer konjunkturellen Delle in vielen Schwellenländern haben wohl eine
Rolle gespielt. Im Jahresschnitt 2016 legte die US-Wirtschaft nur um 1,6 % zu.
Nach dem kräftigen Wachstum im Q3 (+3,5 % Jahresrate gegenüber Vorquartal) hat sie das Tempo im Q4 nicht halten können. Laut der aktuellen Schätzung der Statistiker lag der Zuwachs des
realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) Ende 2016 bei knapp 2 % und damit im Rahmen des Trendwachstums. Nach vier Quartalen mit rückläufigen Ausrüstungsinvestitionen verzeichnete das Jahresendquartal endlich wieder eine leichte Zunahme. Beim Gewerbebau hat die Komponente
„Bergbau“ eine Wende vollzogen und beginnt vor dem Hintergrund der Erholung an den Rohstoffmärkten wieder zu steigen. Die anziehende Vorjahresrate beim realen BIP passt zu der spürbaren
Verbesserung der Stimmungsindikatoren seit Mitte 2016. Inzwischen haben die ISM-Einkaufsmanagerindizes allerdings Niveaus erreicht, wo die Luft langsam dünn wird. Wir gehen davon aus,
dass sie im ersten Quartal ihren Hochpunkt verzeichnen und danach tendenziell wieder etwas
„abbröckeln“ werden. Dies würde zu dem von uns erwarteten Verlauf der Vorjahresrate beim BIP
passen – sie dürfte im Q2 2017 ihren Hochpunkt erreichen.
Schwungverlust
Ende 2016
Gute Stimmung in der Industrie
Erwartungsblase à la 2003?
ISM-Einkaufsmanagerindex (Verarb. Gew.) und vom Wachstum implizierte Werte*
Annualisierte 3-Monats-Veränderung, %
Index
20
65
Istwerte
65
Januar/Februar
80
15
70
10
60
60
5
60
55
55
0
50
50
50
-5
45
45
40
-10
-15
40
-20
35
35
-25
30
1992
30
Modellwert +/- 1 Standardabweichung
1996
2000
2004
2008
2012
2016
* Ab Q1 2017 auf Basis unserer Wachstumsprognosen
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Produktion im
Verarbeitenden Gewerbe (LS)
ISM Produktionsindex
(Verarbeitendes
Gewerbe, RS)
30
20
10
-30
-35
2000
40
0
2003
2006
2009
2012
2015
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Erstes Halbjahr 2017: Läuft!
Trotz der gestiegenen politischen Unsicherheit und des zeitweiligen Chaos in Washington dominiert bei Verbrauchern und Unternehmen derzeit Konjunkturoptimismus. Im Februar lag der Einkaufsmanagerindex des ISM für das Verarbeitende Gewerbe bei 57,7, etwa wieder auf dem Stand
von Ende 2014, d.h. bevor der Ölpreisverfall die US-Bergbaubranche in die Krise stürzte. Anlass
zur Skepsis über die Nachhaltigkeit der jüngsten Aufschwungsphase geben aber die „harten“ Daten, die bislang nur eine graduelle Verbesserung bzw. eine fortgesetzte Bewegung auf dem
Wachstumspfad der letzten Jahre signalisieren. Die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe stabilisiert sich lediglich. Bei den Auftragseingängen für Kapitalgüter läuft die Delle des Jahres 2016
aus, ohne dass eine nennenswerte Aufwärtsdynamik auszumachen wäre. Derzeit sieht es jedoch
so aus, als sei der „Fluch des ersten Quartals“ (unterdurchschnittliches Wachstum zum Jahresauftakt), der in den vergangenen Jahren am Werke war, 2017 entweder relativ gering ausgeprägt
oder würde sogar ausfallen. Wir lassen unsere Wachstumsprognose für das Gesamtjahr zunächst
unverändert bei 2,2 %. Allerdings besteht hier ein gewisses kurzfristiges Aufwärtsrisiko. Der gestiegene Ölpreis wird die Bergbauinvestitionen stützen, auch wenn er gleichzeitig über höhere
Teuerungsraten die Kaufkraft der privaten Haushalte dämpft. Die Nominallöhne steigen zwar etwas stärker als in den Vorjahren. Eine spürbare Beschleunigung lässt aber nach wie vor auf sich
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warten. Im Januar gab die Vorjahresrate beim „Wage Tracker“ der Atlanta Fed auf 3,2 % nach. Im
November hatte sie noch bei 3,9 % gelegen. Die unverändert soliden Beschäftigungszuwächse –
im Schnitt 182.000 pro Monat in den letzten sechs Monaten – und die weitgehend erreichte Volloder Normalbeschäftigung haben sich bisher noch nicht in einem nachhaltig höheren Lohnauftrieb
niedergeschlagen. Die Summe der Arbeitseinkommen wird wohl 2017/18 in etwa so stark steigen
wie 2016 – aber ein deutlich höherer Anteil dieses nominalen Anstiegs wird voraussichtlich von der
Inflation „aufgefressen“.
Teuerung dämpft Realeinkommen – und den Konsum
Langfristiger Abwärtstrend bei den Investitionen
Reale Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Nettoinvestitionen der öffentlichen Hand, % am BIP
6
6
Konsumausgaben
4
4
2
2
0
0
-2
-2
Arbeitseinkommen
-4
-6
2001
-4
-6
2003
2005
2007
2009
2011
2013
2015
2017
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
5,0
5,0
4,5
4,5
4,0
4,0
3,5
3,5
3,0
3,0
2,5
2,5
2,0
2,0
1,5
1,5
1,0
1,0
0,5
0,5
0,0
1954
0,0
1964
1974
1984
1994
2004
2014
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Konjunktureller Ausblick: Ernüchterung voraus!
Ab dem zweiten Halbjahr 2017 und ins Jahr 2018 hinein werden die politischen Entscheidungen
der neuen US-Regierung zunehmenden Einfluss auf den konjunkturellen Ausblick haben. Wir
gehen davon aus, dass hier in absehbarer Zeit Ernüchterung, wenn nicht sogar Enttäuschung
einsetzen wird.
Kann Trump liefern?
In der Fiskalpolitik ist der Handlungsspielraum kleiner als es manche in Washington wahr haben
1
wollen. Der Sonderstatus der USA als Emittent der Weltreservewährung dürfte ihnen kräftig steigende Defizite und Schulden erlauben, ohne mit einem deutlichen Zinsanstieg „bestraft“ zu werden. Jedoch ist fragwürdig, ob sich in der Republikanischen Partei eine Mehrheit für eine solche
„verantwortungslose“ Haushaltspolitik finden würde. Zwar sind die „deficit hawks“ im Kongress
derzeit eher in der Minderheit. Äußerungen seitens der Parteiführung in beiden Häusern des Kongresses erinnern aber daran, dass sich die Republikaner nach wie vor als die Partei des „kleinen
Staates“ verstehen. Was den Ausblick für Steuersenkungen angeht, so zeichnet sich derzeit kein
großer Wurf mit einer grundsätzlichen Vereinfachung des extrem komplexen persönlichen Einkommensteuersystems und einem Abbau der zum Teil erheblich verzerrenden und von unten nach
oben umverteilenden Steuersubventionen (Absetzbarkeit von Hypothekenzinsen, Steuerfreiheit
von vom Arbeitgeber gestellten Krankenversicherungen) ab. Stattdessen wird die Entlastung – die
voraussichtlich sowieso erst 2018 richtig wirksam werden wird – vor allem den einkommensstärksten Haushalten zugutekommen und daher einen vergleichsweise geringen konjunkturellen Impuls
liefern, weil der Löwenanteil wohl in die Ersparnis wandern wird.
Etwas schneller könnte es bei der Unternehmenssteuerreform gehen, vor allem wenn man sich für
eine Variante mit kurzfristigen steuerlichen Anreizen für eine Repatriierung von im Ausland gepark2
ten Gewinnen entschließen sollte. Je umfassender die Reform, desto länger wird es aber dauern,
bis sie verabschiedet und implementiert ist. Von niedrigeren Steuersätzen würden vor allem die
Unternehmenseigner profitieren. Auch hier wird der konjunkturelle Impuls jenseits der steigenden
Nachsteuergewinne vielfach überschätzt, nicht zuletzt auch in der erhofften Wirkung auf Unternehmensinvestitionen und neue Jobs.
1
Siehe hierzu unser USA Aktuell "US-Staatshaushalt: Kids in America?" vom Februar 2017.
2
Siehe hierzu unser USA Aktuell "Pay Big Border Tax! – was soll das sein?" vom Januar 2017.
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USA AKTUELL
Vor allem hinsichtlich der angekündigten Infrastrukturprogramme fällt es schwer, die Euphorie
mancher Beobachter nachzuvollziehen. Selbst wenn ein auf zehn Jahre angelegtes Investitionsprogramm für Flughäfen, Brücken und Straßen im Volumen von einer Billion Dollar aufgelegt würde, wäre das pro Jahr eine Größenordnung von nur 0,5 % am aktuellen US-BIP. Um dies zu erreichen, müsste man wohlgemerkt die aktuellen staatlichen Nettoinvestitionen praktisch verdoppeln.
Ob es eine entsprechende Anzahl an lohnenden Projekten für öffentliche Mittel überhaupt gibt, ist
äußerst fragwürdig. Wahrscheinlich würden Lobbyismus und der Anreiz, schnell Geld auszugeben,
eher zu einer suboptimalen Projektauswahl führen. Dennoch wäre mit längeren Planungs- und
Umsetzungsverzögerungen zu rechnen, die ein „front-loading“ eines solchen Plans mehr oder
weniger unmöglich machen. Selbst unter dem enormen Handlungsdruck der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 lief das staatliche Investitionsprogramm damals äußerst schleppend an. Republikaner im Kongress weisen derzeit darauf hin, dass man dieses Thema erst angehen würde, wenn
die Reform/Abschaffung von „Obama-Care“ in trockenen Tüchern ist. Zudem ist unklar, ob die
historisch niedrigen Nettoinvestitionen der öffentlichen Hand aktuell tatsächlich einen nennenswerten Engpass für das Wachstum der US-Wirtschaft darstellen. Der langfristige Abwärtstrend dieser
Ausgaben kann strukturelle Ursachen haben. Relativ zu einem linearen Trend ist ihr Niveau gar
nicht so niedrig.
Handelshürden sind
schnell errichtet
Schnell wirksam werden könnten hingegen die seitens verschiedener Regierungsvertreter lautstark
angekündigten protektionistischen Maßnahmen. Diese dürften aber ihr erklärtes Ziel – den USUnternehmen und -Arbeitnehmern zu helfen – verfehlen. Stattdessen wird sich herausstellen, dass
sie in erster Linie nur die Lebenshaltungskosten für die Verbraucher und die Preise für importierte
Vorleistungen nach oben treiben. Auf Drittmärkten werden die US-Anbieter so an preislicher Wettbewerbsfähigkeit einbüßen. Für das Jahr 2017 bleiben wir vor diesem Hintergrund bei unserer
Prognose eines Wachstums von 2,2 %. Den Wert für 2018 (2 %) werden wir gegebenenfalls anpassen, wenn Umfang und Timing der avisierten fiskal- und handelspolitischen Maßnahmen klarer
erkennbar sind.
„Reflation“?
Nach mehreren Jahren, in denen die Teuerung aus Sicht der Notenbank zu niedrig war, kehrt der
Preisauftrieb nun zum Zielwert der Fed zurück. Im Januar stieg die Vorjahresrate des Verbraucherpreisindex (CPI) von 2,1 % auf 2,5 %. Der von der Notenbank präferierte Preisindex für die
Konsumausgaben (PCE) legte um 1,9 % gegenüber Vorjahr zu, nach 1,6 % im Dezember. Primärer Treiber ist ein Basis-Effekt bei den Energiepreisen. Er dürfte immerhin ausreichen, um die
Monatswerte beim Verbraucherpreisindex kurzfristig auf fast 3 % gegenüber Vorjahr zu hieven. Die
Vorjahresrate des PCE-Index dürfte für den Rest dieses Jahres wieder über dem Ziel der Fed von
2 % liegen.
Teuerung: Kurzfristig in Richtung 3 %
Verbraucherpreise, % gg. Vj.
6
6
Gesamtindex
5
5
4
4
ohne Energie und
Nahrungsmittel
3
2
3
2
1
1
0
0
-1
-1
-2
-2
-3
2007
-3
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
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USA AKTUELL
Die Kernrate (ohne Nahrungsmittel und Energie) des CPI lag zuletzt bei 2,3 % und damit am oberen Rand des Bereichs, in dem sie sich seit dem Ende der Rezession 2009 bewegt. Nicht zuletzt
die sehr wichtige Komponente „Wohnen“ bleibt im Aufwind. Mieten und selbstgenutztes Wohneigentum machen zusammen rund 40 % am Kernindex aus. Sie steigen derzeit mit Raten von 3,9 %
bzw. 3,5 % gegenüber Vorjahr.
Insgesamt hat sich damit unser Szenario einer Normalisierung der Teuerungsrate bestätigt. Das
genaue Timing dieser Entwicklung war absehbarerweise vom Ölpreis abhängig. Dessen Erholung
hat zwar etwas länger gedauert als wir zunächst antizipiert hatten. Nun ist er aber auf einem höher
als erwarteten Niveau ins Jahr 2017 gestartet. Wir haben daher unsere Gesamtjahresprognose für
den Verbraucherpreisauftrieb beim CPI von 2,2 % auf 2,6 % erhöht. Da wir im kommenden Jahr
nicht mit einer vergleichbaren Dynamik bei den Energiepreisen rechnen, reduziert sich der Wert für
2018 durch den Basiseffekt von 2,5 % auf 2,2 %. Bei der Kernrate erwarten wir aber wegen der
sich abzeichnenden Handelshemmnisse einen gewissen nachhaltigen Preisdruck, der die Kernteuerung auch 2018 bei rund 2,3 % halten sollte.
Kein Ausbruch nach oben
In diesem Umfeld sind Deflationsängste offensichtlich deplatziert. Aus unserer Sicht waren sie es
auch schon in den letzten Jahren, da die damals geringe Teuerung erkennbar vor allem durch den
Rohstoffpreisverfall und den aufwertenden Dollar bedingt war – zwei Faktoren, die sich in diesem
Maße nicht fortsetzen konnten. Eine positive Folge der nun wieder gestiegenen Inflationsrate
könnte sein, dass sich die Notenbanker zukünftig weniger lautstark und häufig über angeblich „zu
niedrige Inflationserwartungen“ beschweren werden. Jetzt aber ins andere Extrem zu verfallen und
ein Inflationsproblem auszurufen, wie es manche Beobachter tun, ist übertrieben. Selbst mit einer
protektionistischen Regierung in Washington, etwas höheren Ölpreisen und einem nach vorne
gerichtet schwächeren Dollar, zeichnet sich keine dramatische „Rückkehr der Inflation“ ab, wie sie
von manchen beschworen wird. Zwar sprechen eine vollausgelastete US-Wirtschaft und Diskussionen über fiskalischen Stimulus durch Steuersenkungen und höhere Ausgaben für Infrastruktur auf
absehbare Zeit eher für höhere als für niedrigere Teuerungsraten. Das grundsätzliche Umfeld –
vor allem in demografischer Hinsicht, und im Hinblick auf den schon angesprochenen verhaltenen
Lohnauftrieb – spricht aber gegen eine spürbare Eintrübung des Preisklimas. Zudem bleibt abzuwarten, wie viel an konkreten Handelshemmnissen die Regierung Trump letztlich tatsächlich implementieren wird.
Fed: Endlich eine „härtere Gangart“?
Seit Ende letzten Jahres haben sich die Erwartungen für den zukünftigen Kurs der Fed verschoben. So erinnerte die Wahl Donald Trumps, der sich im Wahlkampf eine expansive Fiskalpolitik auf
die Fahnen geschrieben hatte, manche Investoren an die Situation in der ersten Amtszeit von
Ronald Reagan. Damals ging eine äußerst lockere Fiskal- mit einer sehr restriktiven Geldpolitik
einher, was Zinsen und Dollar massiv steigen ließ. Hinzu kam im Dezember 2016 der Richtungswechsel bei den FOMC-Projektionen zum angemessenen Leitzins. Damals hob das Gremium das
Zielband für die Federal Funds Rate um 25 Basispunkte auf 0,5 % bis 0,75 % an. Gleichzeitig
wurde der Pfad für die zukünftig zu erwartenden Leitzinsen nicht, wie bisher üblich, nach unten,
sondern nach oben verschoben. Schock! Für 2017 avisierten die FOMC-Mitglieder nun im Schnitt
drei (statt vorher zwei) Zinsschritte.
Wir haben seit langer Zeit argumentiert, dass der Arbeitsmarkt eigentlich für eine weniger expansi3
ve Geldpolitik spricht und dass eine graduelle Anhebung der Leitzinsen nicht die von der Fed
gefürchtete massiv dämpfende Wirkung auf die US-Konjunktur haben würde. Die US-Notenbank
hat es nicht darauf ankommen lassen, sondern in den ersten zwölf Monaten nach Beginn des
Zinszyklus im Dezember 2015 nur einen weiteren Zinsschritt geliefert. Sie konnte sich hierbei formell auf die niedrige Teuerungsrate berufen, auch wenn effektiv der Eindruck entstand, dass die
Notenbanker eher den Aktienmarkt im Auge hatten, als sie die vorher angekündigten Zinserhö3
Siehe USA Aktuell "Arbeitsmarkt: Ist die Fed schon am Ziel?" vom Oktober 2016.
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USA AKTUELL
hungen immer wieder vertagten. Angesichts der erheblichen Unsicherheit über die Aussagekraft
und Verlässlichkeit von Indikatoren zu den Inflationserwartungen, sowohl auf Basis von Umfragen
wie auch in den aus Marktgrößen abgeleiteten Zahlen, dienten diese den Geldpolitikern offenbar
eher als Feigenblatt, mit dem sie ihr Abweichen von dem eigentlich angekündigten (und eigentlich
eher angemessenen) Politikkurs kaschierten.
Dass diese Tendenz nun ausgelaufen zu sein scheint, ist zunächst einmal zu begrüßen. Eine
schnellere Normalisierung des Leitzinsniveaus ist jenseits von übertrieben optimistischen Erwartungen an das Wachstum unter der neuen Regierung angezeigt – auch um Fehlentwicklungen am
Immobilien-, Aktien- und Rentenmarkt zu begrenzen. Neue Rekordstände bei den Hauspreisen in
vielen regionalen Märkten, gestiegene aber noch immer historisch niedrige Laufzeitprämien am
Rentenmarkt und Allzeithochs bei den Aktienindizes unterstützen nicht gerade die These der geld4
politischen „Tauben“ von einem angeblich extrem niedrigen „neutralen Zinsniveau“.
Wie passt das zu einem niedrigen „neutralen Zins“?
Mehrheitlich zwei Zinsschritte erwartet
Index, Januar 2000 = 100
Anteil der Befragten, die einen Leitzins* von X per Ende 2017 erwarten, %
Index
250
200
25000
Corelogic landesweiter Hauspreisindex
(LS)
20000
150
15000
100
10000
60
60
Umfrage 3. bis 8. Februar
50
40
40
30
Dow Jones Industrials
(Monatsendstand, RS)
50
0
2000
5000
0
2005
2010
2015
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Schnelleres Tempo
50
30
Umfrage 11. bis 16. November
20
20
10
10
0
0
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
* Oberer Rand des Zielbandes
Quellen: Bloomberg, Helaba Volkswirtschaft/Research
Eine Verschärfung des Tempos bei den Zinserhöhungen wäre aus unserer Sicht durchaus angemessen. Wir bleiben aber skeptisch, ob sich die Fed dies tatsächlich trauen wird. Da an den Finanzmärkten derzeit trotz der deutlich gestiegenen politischen Unsicherheit große Gelassenheit
herrscht, gibt es jedoch zumindest von dieser Seite aktuell grünes Licht. Wir gehen davon aus,
dass die Fed den Leitzins 2017 schneller als bisher, nämlich um 25 Basispunkte pro Halbjahr,
anheben wird. Dies liegt im Rahmen der Mehrheitsmeinung der Ökonomen. An den Märkten sind
bis Ende des Jahres etwas mehr, nämlich zwei bis drei Zinsschritte eingepreist. Eine Leitzinserhöhung bereits im März ist denkbar. Sie wäre vor dem Hintergrund der spürbar höheren Teuerung
durchaus begründbar – auch wenn sich diese schon seit geraumer Zeit abgezeichnet hat. Allerdings birgt die Politik der neuen US-Regierung erhebliche Risiken, die sich – zum Beispiel durch
eine massive Verschlechterung der chinesisch-amerikanischen Beziehungen oder eine Enttäuschung über die Haushaltspläne, schnell in negativen Marktreaktionen entladen könnten. Dies
würde die Notenbank wieder zögern lassen.
4
Siehe hierzu auch unser USA Aktuell "Wo liegt der neutrale Zins?" vom Juni 2014.
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USA AKTUELL
Makroprognosen USA 2017 / 2018
2015 2016 2017 2018 2016
2017
Q3 Q4 Q1 Q2
Privater Verbrauch*
% gg. Vj. bzw .
Q3
Q4
3,2
2,7
2,3
1,7
3,0
3,0
1,4
2,0
2,0
2,0
1,8
0,8
1,5
2,2
0,8
0,3
2,0
2,2
2,8
2,8
2,1
-0,5
2,7
2,8
1,4
1,3
4,9
2,8
2,7
2,7
% gg. Vj. bzw . 11,7
4,9
3,2
3,7
-4,1
9,6
4,1
4,1
4,1
4,1
0,1
0,4
3,1
2,4
10,0 -4,0
7,0
2,8
1,6
1,2
4,6
1,1
4,8
2,8
2,2
8,5
6,4
3,5
3,8
3,5
% gg. Vq. saar
Staatsnachfrage*
% gg. Vj. bzw .
% gg. Vq. saar
Unternehmensinvestitionen*
% gg. Vj. bzw .
% gg. Vq. saar
Wohnungsbau*
% gg. Vq. saar
Exporte*
% gg. Vj. bzw .
% gg. Vq. saar
Importe*
% gg. Vj. bzw .
% gg. Vq. saar
Außenbeitrag*
in %punkten
-0,7 -0,2 -0,3 -0,1
0,9
-1,8 -0,2 -0,2 -0,4 -0,4
Bruttoinlandsprodukt*
% gg. Vj. bzw .
2,6
1,6
2,2
2,0
3,5
1,9
1,8
2,4
2,2
2,1
% gg. Vq. saar
Arbeitslosenquote
%
5,3
4,9
4,6
4,6
4,9
4,7
4,7
4,6
4,6
4,6
Sparquote
%
5,8
5,9
5,3
5,8
5,9
5,6
5,4
5,2
5,2
5,4
Verbraucherpreise
% gg. Vj.
0,1
1,3
2,6
2,2
1,1
1,8
2,7
2,6
2,7
2,4
ohne Energie & Nahrungsmittel % gg. Vj.
1,8
2,2
2,2
2,3
2,2
2,2
2,2
2,2
2,2
2,3
Leistungsbilanzsaldo
% am BIP
-2,6 -2,6 -2,8 -2,8
-
-
-
-
-
-
Haushaltssaldo**
% am BIP
-3,3 -3,3 -4,2 -4,7
-
-
-
-
-
-
* in chained Dollars von 2009, ** NIPA-Basis. Bundesebene einschl. Sozialversicherungen ohne Hilfspakete für Finanzinstitutionen.
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research; grau hinterlegte Fläche Prognosen; saar = „seasonally adjusted annual rate“
H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 3 . M Ä R Z 2 0 1 7 · © H E L A B A
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USA AKTUELL
Helaba-Publikationen: USA Aktuell
US-Staatshaushalt: „Kids in America“?
20.02.2017
„Pay Big Border Tax!“ – was soll das sein?
30.01.2017
Trumps erster Tag im Amt – eine Checkliste
24.01.2017
Außenhandel: „Fake news“ und Fakten
19.01.2017
Trump!
09.11.2016
Arbeitsmarkt: Ist die Fed schon am Ziel?
10.10.2016
Prognose Update: Schwächephase läuft aus
05.08.2016
Und jetzt noch Präsident Trump?
13.07.2016
Fed: Viele Worte, wenig Substanz
16.06.2016
Wer die Wahl hat…
20.05.2016
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H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 3 . M Ä R Z 2 0 1 7 · © H E L A B A
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