heute.glauben.leben T H E M E N H E F T D E R H A U P TA B T E I L U N G SEELSORG E . BISTU M WÜRZBURG Was ist Wahrheit? Zwei Gedenken – eine Aufgabe Seite 12 Ökumene auf dem Weg des Wandels Seite 16 Gemeinsam weitergehen Erfahrungen aus Taizé zur Ökumene Seite 48 J A N 2 0 1 7 / H E FT 1 1 impres s um Das Themenheft der Hauptabteilung II – Seelsorge EDIToriAL des Bischöflichen Ordinariates Würzburg – erscheint beruflichen Seelsorgerinnen und Seelsorger, die Vorsitzenden der Pfarrgemeinderäte und Gemein samen Ausschüsse der Pfarreiengemeinschaften, die Kirchenpfleger und Kirchenpflegerinnen der Kirchen verwaltungen, die D ekanatsratsvorsitzenden, die Ordensoberen und die Verbandsvorsitzenden, die Referenten und R eferentinnen in den verschiedenen Hauptabteilungen und in der kirchlichen Jugendar beit sowie den Diözesan-Caritasverband e.V. und die Geschäftsführer der Orts-/Kreiscaritasverbände sowie der Diözesanbüros, die Bildungshäuser der Diözese, die Einrichtungen der Citypastoral und alle Abteilungen im Bischöflichen Ordinariat. GEMEINSAM BARMHERZIGKEIT GOTTES VERKÜNDEN „N Herausgeber: Bischöfliches Ordinariat Würzburg . Hauptabteilung II – Seelsorge Weihbischof Ulrich Boom . Leiter der Hauptabteilung Adresse: Bischöfliches Ordinariat . Hauptabteilung II – Seelsorge St. Kilianshaus . Kürschnerhof 2 . 97070 Würzburg Telefon (0931) 386-65101 . Telefax (0931) 386-65109 [email protected] . www.bistum-wuerzburg.de Redaktion: Andrea Kober-Weikmann, Pastoralreferentin eben der Wahrheit des Evangeliums und neben der durch sie ermöglichten Freiheit war das wichtigste Wort wohl ‚Gnade‘. Luthers alles andere überragende Erfahrung war, dass er allein durch die Gnade Gottes zu einem gerechten und guten Menschen werde. Das war das Befreiungserlebnis seines Lebens, die Erlösung seiner suchenden und oft verängstigten Seele. Gnade: damals ein zentrales – heute vielleicht fremdes Wort. Und dabei, so scheint es mir, hätten wir gerade heute nichts so nötig wie Gnade. Gnade zuerst mit uns selbst, damit wir nicht vor immer neuer Selbsterfindung und Selbstoptimierung schließlich in verzweifelter Erschöpfung landen. Gnade auch mit unseren Mitmenschen, die eben fehlbare und unvollkommene Wesen sind, wie wir selber, und von denen wir doch häufig Perfektion und reibungsloses Funktionieren erwarten. Es macht sich zudem in unserer Gesellschaft, von Internetforen bis hin zu politischen Debatten, ein Ungeist der Gnadenlosigkeit breit, des Niedermachens, der Selbstgerechtigkeit, der Verachtung, der für uns alle brandgefährlich ist. Und dass wir weniger von Ängsten geplagt und von Furcht ergriffen sind als die Zeitgenossen der Reformation, das kann man nun sicher nicht behaupten ... Wir brauchen auch heute „Agenten der Entängstigung.“ Layout: factum | adp . Büro für visuelle Kommunikation . Sand a. Main Druck: Aktiv-Druck, Ebelsbach Auflage: 4.000 Stück Titelbild: factum | adp Weitere Bilder: privat, Bistum Würzburg POW, factum | adp, Wikipedia Commons, Internationale Bonhoeffer-Gesellschaft (ibg) – Deutsch sprachige Sektion e.V., Gary Yim, Lena Gujara, Gerard Terborch, Tatjana Splichal, Johannes Fenn, Günter Streit, Weltgebetstag der Frauen – Deutsches Komitee e.V., L'Osseravtore Romano So der Bundespräsident Joachim Gauck beim Festakt „500 Jahre Reformation“ am 31. Oktober 2016 in Berlin. Ein Agent der Entängstigung ist ein Mensch, der um Gnade und Zuwendung weiß und diese erfahren lässt. Der Christenmensch soll ein solcher Agent sein. Ob wir es immer sind, bleibt die Frage. Auf jeden Fall stehen in diesem Punkt stets Erneuerung und Neubesinnung an. Angstlos und gnadenvoll sein, ist Christenart. Oft plagt uns aber die Unart, angstvoll und gnadenlos zu sein. Aber so verdoppeln Weihbischof Ulrich boom mindestens zweimal im Jahr und erreicht alle haupt wir eher die Hoffnungslosigkeit in der Welt, als dass wir Zeugen der Hoffnung sind. Als Zeuginnen und Zeugen der Hoffnung sind wir in die Welt gestellt und solche können wir sein in aller Vielfalt und Verschiedenheit. Es gibt kein Christsein ohne Ökumene, ohne, dass es nicht das Gesamte in den Blick nimmt und den ganzen Erdkreis betrifft. Ökumenisch sein heißt immer, Vielfalt in Einheit leben. ÖKUMENE ist das Thema des vorliegenden Heftes von „heute. glauben.leben“. Was Ökumene bedeutet aus katholischer Sicht, beleuchtet Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele mit dem Christuszeugen Dietrich Bonhoeffer. Die evangelische Sicht kommt von Kirchenrätin Dr. Maria Stettner. In einem Gespräch tauschen sich Bischof Dr. Friedhelm Hofmann und die Regionalbischöfin Gisela Bornowski über ihre Sichtweisen und Erfahrungen zum ökumenischen Miteinander der Kirchen aus. Zum Thema „Ökumene der Gaben – Schätze wechselseitig zeigen und teilen“ ermutigt Domvikar Dr. Petro Müller, Ökumenereferent im Bistum Würzburg. Die Frucht jahrzehntelanger ökumenischer Bemühungen ist die Schrift „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“, die vom Kirchenrat Andreas Werner vorgestellt wird. Prof. Dr. Wolfgang Weiß geht in seinem Artikel der Frage nach „Was ist Wahrheit?“, wenn er die zwei Gedenken „500 Jahre Reformation – 400. Todestag Julius Echter“ im Jahr 2017 als Auf gabe herausstellt. Frère Alois, der Prior der Communauté von Taizé, macht in seinem Beitrag Mut zum „Gemeinsam weitergehen“, wenn er über die ökumenischen Erfahrungen aus Taizé berichtet. Der Heilige Papst Johannes XXIII. nannte einmal die Brüdergemeinschaft von Taizé den „kleinen Frühling“ in der Kirche. Gedruckt auf FSC zertifiziertem Papier. 2 3 Die Berichte und Erfahrungen aus der Praxis sind nur ein Ausschnitt ökumenischen Handelns in den Kirchen. Sie laden ein, die Ökumene als Gabe wahrzunehmen und stets als Aufgabe zu sehen und dies nicht nur auf zwei Kirchen hin, sondern auf die vielen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften. „ Unser Geist wendet sich zuerst den Christen und einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen offen bekennen zur Ehre des einen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir wissen zwar, dass nicht Zur Feier des Reformationstages 2016 in Lund/Schweden traf sich Papst Franziskus mit dem Lutherischen Weltbund. In der Predigt in der Kathedrale von Lund sagte er: „Wir müssen liebevoll und ehrlich unsere Vergangenheit betrachten, Fehler eingestehen und um Vergebung bitten. Allein Gott ist der Richter. Mit der gleichen Ehrlichkeit und Liebe muss man zugeben, dass unsere Spaltung von dem ursprünglichen Empfinden des Gottesvolkes, das sich von Natur aus nach Einheit sehnt, weggeführt hat und in der Geschichte mehr durch Vertreter weltlicher Macht aufrecht erhalten wurde, als durch den Willen des gläubigen Volkes.“ Er rief zu einem gemeinsamen Handeln für die Welt auf: „Gemeinsam können wir auf konkrete Weise und voll Freude die Barmherzigkeit Gottes verkünden und offenbaren, indem wir die Würde eines jeden Menschen verteidigen und ihr dienen. Ohne diesen Dienst an der Welt und in der Welt ist der christliche Glaube unvollständig.“ geringe Unterschiede gegenüber der Lehre der katholischen Kirche bestehen, insbesondere über Christus als das fleischgewordene Wort Gottes und über das Werk der Erlösung, sodann über das Geheimnis und den Dienst Editorial Gemeinsam Barmherzigkeit Gottes verkünden Weihbischof Ulrich Boom Seite 3 Grundsatz Heilswerk. Dennoch freuen wir uns, wenn wir Was Dietrich Bonhoeffer der Gemeinde zu sagen hat sehen, wie die getrennten Brüder zu Christus Bischof em. der Kirche und über die Aufgabe Mariens im als Quelle und Mittelpunkt der kirchlichen Gemeinschaft streben. Aus dem Wunsch zur Vereinigung mit Christus werden sie notwendig dazu geführt, die Einheit mehr und mehr zu suchen und für ihren Glauben überall vor allen Völkern Zeugnis zu geben.” Dr. Paul-Werner Scheele Seite 6 Lutherisch = ökumenisch Welchen Stellenwert räumen wir der Ökumene in unserer Kirche ein? Kirchenrätin Dr. Maria Stettner Seite 10 Dekret über den Ökumenismus Ich wünsche uns, dass das neue Heft „heute.glauben.leben“ hilft, in versöhnter Verschiedenheit, Christus, den Herrn der Kirche, zu bezeugen und die Vielfalt der Zeugnisse in Einheit zu leben. inhaltsverzeichnis zu, die Jesus Christus als Gott und Herrn „Unitatis redintegratio” 20 Im Gespräch Ökumene auf dem Weg des Wandels Bischof Friedhelm Hofmann und Regionalbischöfin Ihr Gisela Bornowski Seite 16 Impuls(e) + Ulrich Boom Weihbischof . Leiter der Hauptabteilung II – Seelsorge Für die Einheit der Kirchen Seite 9 Für eine lebendige Einheit der Christen Seite 29 Sonne der Gerechtigkeit Seite 39 zum thema Was ist Wahrheit? Zwei Gedenken – eine Aufgabe Prof. Dr. Wolfgang WeiSS Seite 12 Ökumene der Gaben Schätze wechselseitig zeigen und teilen Domvikar Dr. Petro Müller Seite 20 Impuls (e) 4 Vom Konflikt zur Gemeinschaft Reformationsgedenken Kirchenrat Andreas Werner „Erste Hilfe für die Seele“ Notfallseelsorge – von einer ökumenischen Initiative zur Institution Seite 22 Ulrich Wagenhäuser „Ihr alle seid einer in Christus Jesus.“ Galaterbrief – Handreichung für die Ökumene Dr. Petro Müller Seite 23 Geflüchtete Christen und Ökumene Robert Hübner Seite 46 Aus der Praxis Einheit wächst auf dem gemeinsamen Weg Das Ökumenische Zentrum Würzburg-Lengfeld Pfarrer Christoph Lezuo und Pfarrer Harald Fritsch Seite 24 Ökumenisches Kirchenliedersingen „Gott geb uns allen seiner Gnade Segen“ Pfarrer Stephan Eschenbacher Seite 26 Einheit der Christen Erfahrungen mit der Gebetswoche Pfarrer Peter Neubert Seite 28 Seite 36 Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt Pfarrerin Dr. Claudia Jahnel Seite 38 Quo vadis? Konfessioneller Religionsunterricht Sophie Zaufal Seite 40 Kirche2 und fresh-X auf der Suche nach einer Kirche von und für morgen Maria Herrmann Seite 41 Eine Familie, zwei Kirchen Ökumene im Praxistest Lucia Lang-Rachor Seite 42 Gemeinsam Gutes tun Ökumenisches Handeln im Dienst an den Menschen Klaus Korbmann Seite 44 Gemeinsam weitergehen Erfahrungen aus Taizé zur Ökumene Frère Alois Seite 48 130 Jahre Weltgebetstag der Frauen Aktuelles Dr. Irene Tokarski Seite 52 Seite 30 Ökumene plus Ökumenische Klinik-Seelsorge am Uniklinikum Würzburg Ausblick Seite 55 Christian Hohm Seite 32 Chancen für eine multilaterale Ökumene Lokale Arbeitsgemeinschaften christlicher Kirchen Pfarrer Stefan Meyer Seite 34 5 Was Dietrich Bonhoeffer der Gemeinde zu sagen hat Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele g rundsatz Was uns Christen miteinander verbindet kam zur Sprache, als Bischof Paul-Werner Scheele auf Einladung der lutherischen St. Matthäusgemeinde Höchberg am 29. Juli 2015 ausführte, was der Patron des sich im Bau befindlichen Bonhoefferzentrums der Gemeinde zu sagen hat. Es gilt gleicherweise für jede katholische Gemeinde. Drei Appelle des Blutzeugen gehen uns alle an. Als erstes sagt er: Folgt Jesus Christus! Er ist das A und O der Kirche. Am 20. April 1944, als man den Geburtstag Hitlers mit Getöse feiert, schreibt Bonhoeffer in der Zelle, in der er dem Tod entgegengeht: „Was mich unablässig bewegt, ist die Frage, … wer Christus heute für uns eigentlich ist.“ 1 Das zeigt sich bereits in der Doktorarbeit, die der Einundzwanzigjährige 1927 vor legen kann. Ihr Titel heißt: „Sanctorum Communio“. Bonhoeffer nimmt damit die lateinischen Worte des Apostolischen Glaubensbekenntnisses auf: „Gemeinschaft der Heiligen“. In dieser Dissertation bekennt er: „In Christus liebt Gott die Menschen, schenkt er sein Herz, und weil er sich dem sündigen Menschen schenkt, macht er ihn zugleich neu und macht so die neue Gemeinschaft möglich und wirklich.“ 2 6 „Er ist der Eckstein und das Fundament des Baues, und der Kirche ganze Fülle ist doch sein Leib. Er ist der Erstling unter vielen Brüdern, und doch sind wir alle Einer in ihm.“ 3 Als Privatdozent macht Bonhoeffer sich 1933 an der Berliner Universität, wie er sagte, „an das schwierigste Thema, an die ‚Christologie‘.“ 4 In dieser Zeit formen sich „die Frömmigkeit und die Theologie einer ganzen Hingabe an Jesus. Dieser wird zu dem mächtigen Befehlshaber, dem nachzufolgen alle Erfüllung bedeutet und Zugänge zu anderen Menschen garantiert“. 5 Seine Theologie wird immer christozentrischer. In der Berliner Vorlesung widmet er sich speziell der Frage: „Wer ist Jesus Christus für uns heute?“ Er doziert: „Die Frage darf nicht lauten: Wie ist der Mensch gewordene denkbar?, sondern: Wer ist er?“ Bonhoeffer antwortet: „Er ist der Gott, der Mensch geworden ist, wie wir Mensch geworden sind. Ihm fehlt nichts vom Men- schen … Der Mensch, der ich bin, ist Jesus auch gewesen. Von ihm allein gilt wirklich, dass ihm nichts Menschliches fremd geblieben ist.“ 6 Als nach der Machtergreifung Hitlers die sogenannten „Deutschen Christen“ in der Evangelischen Kirche dominierten, richtete die Bekennende Kirche in Finsterwalde ein Predigerseminar ein. Die Leitung wurde Bonhoeffer anvertraut. Nach etlichen Schikanen und Attacken wurde das Semi nar 1937 geschlossen. In dieser Zeit entsteht die Schrift „Nachfolge“. Im Bemühen, gegen das verbreitete Missverständnis der „billigen Gnade“ vorzugehen, weist Bonhoeffer auf den Gekreuzigten hin. Er lehrt: „Wie Christus nur Christus ist als der Leidende und Verworfene, so ist der Jünger nur Jünger als der Leidende und Verworfene, als der Mitgekreuzigte. Die Nachfolge als die Bindung an die Person Jesu Christi stellt den Nachfolgenden unter das Gesetz Christi, d. h. unter das Kreuz.“ 7 Ulmer Münster Im Jahr 1938 verfasst Bonhoeffer die Schrift „Gemeinsames Leben“. In ihr sagt er von Christus: „Christ ist der Mensch, der sein Heil, seine Rettung, seine Gerechtigkeit nicht mehr bei sich selbst sucht, sondern bei Jesus Christus allein.“ 8 Von der Kirche gilt: „Christliche Gemeinschaft heißt Gemeinschaft durch Jesus Christus und in Jesus Christus.“ 9 Ein „Jesus ja, Kirche nein“ gibt es für Bonhoeffer nicht. Mit den Worten „Folgt Jesus Christus nach!“ verbindet sich für ihn der Aufruf: „Lebt und liebt die Kirche!“ Lebt und liebt die Kirche! Um die Einheit von Christus und seiner Kirche zu verkünden, gebraucht Bonhoeffer Worte, die manche schockieren. Bereits in seiner Dissertation spricht er von „Christus als Gemeinde existierend“. 10 Provozierend formuliert er: „Die Kirche ist Gegenwart Christi, wie Christus Gegenwart Gottes ist“. 11 Wörtlich schreibt er: Die Kirche „ist der gegenwärtige Christus selbst, und darum ist ‚in Christus sein‘ und ‚in der Gemeinde sein‘ dasselbe“. 12 Das Miteinander von Christus und Kirche sieht Bonhoeffer insbesondere im Prinzip der Stellvertretung begründet. Dieses ist wiederum für das alltägliche Leben der Gemeindemitglieder von größter Bedeutung. Stellvertretung ist „grundlegend für die Gemeinde Gottes in und durch Christus“. 13 Sie wird in einzigartiger Weise durch Christus verwirklicht. „Als Unschuldiger nimmt Jesus Schuld und Strafe der Anderen auf sich, und indem er selbst als Verbrecher stirbt, ist er verflucht, denn er trägt die Sünden der Welt und ist für sie gestraft; am Verbrecherkreuz aber triumphiert die stellvertretende Liebe, der Gehorsam gegen Gott über die Schuld, und damit ist Schuld tatsächlich gestraft und überwunden.“ 14 Durch Christus, mit ihm und in ihm ist seiner Kirche die Stellvertretung für alle Mitmenschen aufgetragen. Das gilt für sie als Ganze wie für jedes ihrer Glieder. „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist,“ schreibt Bonhoeffer im „Entwurf einer Arbeit“, den er in der Haft konzipiert. 15 Das stellt an das einzelne Gemeindemitglied hohe Anforderungen. Es muss sich dessen bewusst sein, was es der Kirche verdankt: „Der Christ wird und ist nur in der Gemeinde Christi. Er ist auf diese und d. h. auf den anderen Menschen angewiesen. Einer trägt den andern in tätiger Liebe, Fürbitte und Sündenvergebung in der völligen Stellvertretung, die nur in der Gemeinde Christi möglich ist, die als Ganze auf dem Prinzip der Stellvertretung, d. h. auf der Liebe Gottes ruht; alle aber werden sie von der Gemeinde getragen, die in eben diesem Füreinander der Glieder besteht. In dem strukturellen Miteinander von Gemeinde und Gemeindemitglied und dem tätigen Füreinander in Stellvertretung und in Kraft der Gemeinde besteht 7 Denkt und handelt ökumenisch! Bereits als Fünfundzwanzigjähriger nimmt Bonhoeffer an einer ökumenischen Konferenz in Cambridge teil. Er übernimmt sogleich die Aufgabe des Sekretärs für die ökumenische Jugendarbeit im mittleren und nördlichen Europa. Das bringt ihn in Kontakt mit der Bewegung für praktisches Christentum (Life and work). Als er 1933 Pfarrer in London wird, hat er die Absicht, die ökumenische Arbeit weiterzuführen. 18 Nach der Aufhebung des Predigerseminars sucht er erneut Kontakte mit namhaften Repräsentanten der Ökumene in der Schweiz, in Schweden, in England und in den Vereinigten Staaten. Kurz vor seinem Tod erklärt er: Ich glaube „an unsere universale christliche Bruderschaft, die sich über alle nationalen Interessen erhebt, und glaube daran, dass uns der Sieg gehört“. 19 Zu einer besonderen Art ökumenischen Einsatzes kommt es in der Haft. Bonhoeffer versucht einen Brückenschlag zu den Mitgefangenen, indem er ihnen durch den Gefängnisgeistlichen Gebetstexte zukommen lässt, die er zusammenstellt. So kommt es im Zuchthaus Berlin-Tegel, wie der Mitgefangene Jesuit Alfred Delp formuliert, zu einer „betenden Una Sancta in vinculis“ 20, zur im Gebet vereinten in Ketten liegenden einen, heiligen Kirche. Bereits in seiner Dissertation hat Bonhoeffer die ökumenische Verpflichtung jeder christlichen Gemeinde herausgestellt. Er schreibt: Der Einigungswille muss sich „zunächst innerhalb der kleineren und kleinsten Gemeinden verwirklichen“. 21 Jede Gemeinde ist aufgerufen, zu tun was eint. Denkt und handelt ökumenisch! Das gilt, auch wenn keine menschliche Initiative zur vollen Einheit führen kann. Daran lässt Bonhoeffer keinen Zweifel. Er hält fest: „Trotz der Erkenntnis, absolute Einigkeit, die der Geisteinheit entspräche, nie erreichen zu können, wird der Wille zu ihrer größtmöglichen Verwirklichung in der Gemeinde lebendig sein, und er wird seinen Trost haben im Gebete Jesu‚ dass sie alle eins seien, gleich wie Du ,Vater in mir und ich in Dir‘ (Joh 17,21). Und es wird der Ruhm der Gemeinde sein, durch ihre Einigkeit die Herrlichkeit Jesu vor der Welt zu preisen (V. 23).“ 22 Impuls (e) sie am letzten Silvestertag seines Lebens. Die deutschsprachige katholische Kirche hat sie in ihr neues Gebets- und Gesangbuch „Gotteslob“ aufgenommen. So können wir miteinander singen: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ Gotteslob 430.7 D. Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hg. v. E. Bethge, München und Hamburg 1964, 132; zit.: W. 2 D. Bonhoeffer, Sanctorum Communio, hg. v. J. von Soosten, Berlin 1987, 112; zit.: SC. 3 SC 88. 4 E. Bethge (Hg.), Dietrich Bonhoeffer, Reinbek bei Hamburg 1985, 36; zit.: B. 5 B 44. 6 D. Bonhoeffer, Wer ist und wer war Jesus Christus? Seine Geschichte und sein Geheimnis, Hamburg 21963,108. 7 Bonhoeffer-Auswahl, Bd. 3, hg. v. D. Dudzus, München und Hamburg 1970, 82; zit.: A 3. 8 A 3 147. // 9 A 3 146f. // 10 SC 128 u. 133. // 11 SC 87. 12 SC 127. // 13 SC 92. // 14 SC 99. // 15 W 193. 16 SC 128. // 17 SC 122. // 18 B 50. // 19 B 100. 20 A. Delp, Kassiber. Aus der Haftanstalt BerlinTegel, hg. v. R. Bleistein, Frankfurt 1987, 48. 21 SC 138. // 22 SC 136. 1 Für die Einheit der Kirchen der soziologisch spezifische Charakter der Liebesgemeinschaft.“ 16 Bereits in seiner Doktorarbeit hat Bonhoeffer handfeste Konsequenzen für den „normalen“ Christen gezogen. Er hebt hervor: „Stellvertretendes Eintreten für den anderen in Alltäglichkeiten ist gefordert … Mit der ganzen Kraft, die er der Gemeinde verdankt, soll der Mensch in dieser wirksam sein.“ 17 Dieser Einsatz ist nicht auf die Grenzen der Gemeinde beschränkt. Jede Gemeinde ist mit allen Gemeinden verbunden; jede empfängt, jede ist berufen, mitzuteilen. Für jede Gemeinde gilt der Imperativ: „Denkt und handelt ökumenisch!“ Herr Jesus Christus, du hast gebetet: Lass alle eins sein, wie du, Vater, in mir bist, und ich in dir. Wir bitten dich um die Einheit deiner Kirche. Zerbrich die Mauern, die uns trennen. Stärke, was uns eint, und überwinde, was uns trennt. Gib uns, dass wir die Wege zueinander suchen. Führe den Tag herauf, an dem wir dich preisen können in der Gemeinschaft aller Gläubigen. Gedenke deiner Kirche. Erlöse sie von allem Übel. Mach sie vollkommen in deiner Liebe, und führe sie zusammen aus allen Enden der Welt in dein Reich, das du ihr bereitet hast. Seid hoffnungsfroh! Machen wir uns nichts vor. Es ist nicht leicht, dem dreifachen Imperativ Bonhoeffers zu entsprechen: „Folgt Jesus Christus, lebt und liebt die Kirche, denkt und handelt ökumenisch!“ Es ist nicht leicht, aber notwendig. Trotz aller Schwierigkeiten dürfen wir zuversichtlich, ja hoffnungsfroh sein. Dazu können uns die Verse Bonhoeffers ermutigen, die vielen Menschen inzwischen vertraut geworden sind. Er schrieb 8 Dein ist die Macht und die Ehre in Ewigkeit. (Zwölfapostellehre – 2. Jahrhundert) Kontakt: Bischof em. Gotteslob 21, 1 und 2 Dr. Paul-Werner Scheele Domerschulstrasse 19 97070 Würzburg [email protected] 9 g rundsatz Welt bekennt und der der Grund der Einheit ist; und in die Bewegung in die Welt hinein, zu der Christus die Kirche sendet.“ 4 „Welchen Stellenwert räumen wir der Ökumene in unserer Kirche ein? Welches Verständnis von Ökumene haben wir? Welche Akzente wollen wir in der Ökumene setzen? Welche Konsequenzen und Ziele verbinden wir mit unserer Vorstellung von Ökumene?“1 D as Jahr 2010 eignete sich hervorragend, um auf diese Fragen eine Antwort zu geben. Mit dem Ökumenischen Kirchentag in München hatte die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) einen hochaktuellen Anlass, der Frage nach dem Miteinander der Konfessionen vertieft Aufmerksamkeit zu widmen – und auch ein ökumenisches Signal zu geben. Sie stellte ihre „Ökumenekonzeption“ der Öffentlichkeit vor. Die Ökumenekonzeption ist der zweite Teil einer dreiteiligen Serie von Konzeptionen, in denen die Beziehungen und Haltungen der ELKB zu den meist lutherischen Partnerkirchen weltweit, zu den Partnern in der konfessionellen Ökumene und zu Menschen mit anderen Religionen beschrieben werden. Die Ausgangslage: Wir leben in einer Welt, in der das Christentum historisch und kulturell bedingt in mehreren Konfessionen und Denominationen real existiert. Es ist nicht nur unvermeidbar, sondern auch unverzichtbar, dass wir diese Wirklichkeit ernst nehmen und sie auf die Bitte Jesu beziehen „dass sie alle eins seien“. Kirche Jesu Christi können wir nur in der ökumenischen Zusammenarbeit sein, und: Die Frage nach der Einheit gehört zum lutherischen Profil. 10 Kirchenrätin Dr. Maria Stettner Lutherisch = ökumenisch Dieser Gedanke wird in vier Aspekten entfaltet. EvangelischLutherische Kirche ist ökumenisch, … … weil das lutherische Bekenntnis im Anschluss an die altkirchlichen Bekenntnisse auf die Einheit der Kirche angelegt ist. … weil sie sich als Gemeinschaft der Heiligen versteht. … weil sie in Zeit und Raum in Kontinuität zu ihrem Ursprung steht. … weil sie den apostolischen Auftrag verwirklicht. „Für unsere Kirche ist die Gemeinschaft der Konfessionen unverzichtbar. Darum betonen wir die Gemeinsamkeiten der Konfessionen, ohne die Unterschiede zu überspielen oder gar zu verwischen. Kernpunkte unseres Bemühens sind, das Verbindende des evangelisch-lutherischen Bekenntnisses herauszustellen und unsere lutherische Identität in die Weite der Ökumene einzuordnen. Es geht also um die ökumenische Ausprägung unserer lutherischen Identität.“ 2 Die Ökumenekonzeption der ELKB wurde in einem Verfahren mit größtmöglicher Beteiligung entwickelt. Am Anfang standen mehrere Beratungsphasen des Ökumenefachausschusses der ELKB. Ein wesentlicher Grundsatz war es, positiv und nicht in Abgrenzung zu denken und zu formulieren. Das Wort „nicht“ oder Formu lierungen wie „anders als“ oder „im Gegensatz zu“ waren quasi tabu. Zudem wurden die einzelnen Teile mit ökumenischen Partnern beraten. Wie klingen sie etwa in römisch-katholischen oder methodistischen Ohren; welche möglicherweise ungewollten Assoziationen werden wach? Im Landeskirchenrat und in den synodalen Ausschüssen wurden die Textvorschläge ebenfalls beraten, Rückmeldungen und Anregungen anschließend eingearbeitet. Parallel führte das Institut für Praxisforschung und Evaluation an der Evangelischen Hochschule Nürnberg eine Erhebung der „Ökumenischen Landschaft“ in den Dekanatsbezirken durch, um die aktuelle ökumenische Situation in der Praxis vor Ort sichtbar zu machen. Diese Momentaufnahme wurde der Konzeption als Anhang beigefügt und bestätigt die Annahme, dass die ökumenische Praxis quer durch die Fläche der Landeskirche eine Realität ist, die sich in den örtlichen Zusammenhängen jeweils eigenständig entfaltet. Während der Synodaltagung in Weiden im Frühjahr 2010 wurde die Konzeption als Ganze präsentiert und von den Synodalen zustimmend zur Kenntnis genommen. Die Ökumenekonzeption der ELKB ist eine Standortbeschreibung, die sich zunächst in die eigene Kirche hinein richtet. Sie dient der Selbstklärung, der Selbstvergewisserung und der Orientierung für die kirchenleitenden Organe und für haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende. Sie enthält darum grundlegende Überlegungen (Biblische Orientierung und systematisch-theologische Erwägungen zur ökumenischen Identität der evangelisch-lutherischen Kirche) wie auch Konkretionen (Qualitätskriterien für Ökumenisches Reden und Handeln sowie konkrete Schritte für die ökumenische Arbeit). Mit einem biblischen Impuls zu beginnen, ist typisch für Lutheraner, wenngleich der biblische Begründungsgang gewiss die meisten ökumenischen Motivationen unterfüttert. Das hohepriesterliche Gebet Jesu bildet die Seilwinde, die den ökumenischen Segler in Bewegung setzt, ihm den nötigen Auftrieb verleiht. „Die Einheit der Kirche ist ihrem Wesen nach vorgegeben (Joh 17,21). Sie ist eine Angelegenheit des Glaubens und umfängt die Christenheit als göttliche Wirklichkeit von Anfang an, auch wenn sie nicht immer mit Händen zu greifen ist.“ 3 Dass sich bereits im biblischen Zeugnis das gemeinsame Bekenntnis zu Jesus Christus in unterschiedlicher Weise entfaltet, hat zur Folge, dass Einheit von Beginn an in Verschiedenheit erfahren wird. Diese Ambivalenz ist nicht auflösbar. Wenn dennoch die Einheit in Verschiedenheit als Gabe empfangen werden soll, so bedarf es dabei der Versöhnung des Verschiedenen. Die Einheit der Kirche ist also Gabe und Aufgabe zugleich. Als evangelisch-lutherische Kirche sind wir Teil der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche. Mit dieser Selbstbestimmung knüpft die ELKB an die altkirchliche und gesamtchristliche Tradition an. „Die Evangelisch-Lutherische Kirche ist von ihrem Wesen her ökumenisch, weil sie in eine doppelte Bewegung eingebunden ist: in die Bewegung auf Christus zu, den sie als Heil der Wenn die „in Christus verheißene und vorgegebene Einheit (…) das Ziel“ 5 ist, dann muss es im Handeln der Kirche auch darum gehen, sie zu suchen und sie soweit irgend möglich in Haltung und Handeln zu verwirklichen. Dazu werden in der Ökumenekonzeption zehn Maßstäbe beschrieben, die „Qualitätskriterien für Ökumenisches Reden und Handeln“. Neben der naheliegenden Aufforderung, etwa im diakonischen Bereich als Zeugnis das zusammen zu tun, was möglich ist, und gemeinsame Überzeugungen in der Gesellschaft auch gemeinsam zu vertreten, steht der Auftrag, das ökumenisch bereits Erreichte und Errungene wirklich umzusetzen. Dazu sind Kenntnis und Aufmerksamkeit nötig. Besonders wichtig für das ökumenische Klima ist das Qualitätskriterium Nr. 2 zur ökumenischen Kommunikationskultur. Es ist überschrieben „Vertrauen stärken“ und mahnt dazu, sich bei jeder Äußerung in der Öffentlichkeit über eine andere Kirche, deren Positionen oder deren Vertreter die Testfrage zu stellen: „Könnte ich dasselbe auch vertreten, wenn ein(e) Vertreter(in) der anderen Konfession mit am Tisch säße?“ 6 Die Ökumenekonzeption der ELKB steht nicht im luftleeren Raum. Die ELKB weiß sich als Teil der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) und als Mitgliedskirche des Lutherischen Weltbundes (LWB) auf Basis des biblischen Zeugnisses und des evangelisch-lutherischen Bekenntnisses ganz als Kirche, aber nicht als die ganze Kirche. Jede Gottesdienstgemeinde, die sich um Wort und Sakrament sammelt, ist Kirche im eigentlichen Sinn. Dies ist auch in der ökumenischen Dimension dieser Aussage aus lutherischer Perspektive Wahrheit und Wirklichkeit. Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (Hg.): Ökumenekonzeption, S. 4. Zum Download http://handlungsfelder.bayern-evangelisch.de/ downloads/Oekumenekonzeption_2014.pdf 2 Ebd., Vorwort, S. 3 // 3 Ebd. S. 6 // 4 Ebd. S. 10 // 5 Ebd. S. 14 // 6 Ebd. S. 15 1 Kontakt: Dr. Maria Stettner Referentin für Ökumene und Interreligiösen Dialog Landeskirchenamt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern Abteilung C Ökumene und kirchliches Leben Katharina-von-Bora-Str. 7-13, 80333 München [email protected] 11 Was ist Wahrheit? Zwei Gedenken – eine Aufgabe 500 Jahre Reformation – 400. Todestag Julius Echter D as Jahr 2017 vereint für das Bistum Würzburg zwei besondere Gedenktage. Mit den evangelischen Mitchristen schauen wir zurück auf den Beginn der Reformation vor 500 Jahren, die mit den „Hammerschlägen“ von Wittenberg – ungeachtet der Frage, ob Martin Luther (1583–1546) seine Ablassthesen am 31. Oktober 1517 nun tatsächlich an der dortigen Schlosskirche angeheftet hat oder sie „nur“ für eine akademische Disputation veröffentlichte – ihren geschichtlichen Ausgang nahm. Prof. Dr. Wolfgang WeiSS Zum Thema Gleichzeitig blicken wir zurück auf den 400. Todestag des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn (1545–1617, regierend ab 1573), der dem Hochstift Würzburg das katholische Bekenntnis sicherte und neben seinen gegenreformatorischen Aktivitäten sich vor allem als staatlicher und kirchlicher Reformer erwies. Diese beiden Persönlichkeiten lassen sich kaum vergleichen, zu unterschiedlich sind ihr persönliches Profil und die Aufgaben, in denen sie wirkten und gefordert waren. Eines verbindet sie aber in einer uns geradezu fremdartigen Weise: die ernste Sorge um das wahre Bekenntnis, den rechten Glauben, der ihnen und den Mitmenschen den Weg zum ewigen Heil eröffnet. Diese hundert Jahre vom Thesenanschlag bis zum Tod Julius Echters sind geprägt von der Auseinandersetzung um die Wahrheit der Frohen Botschaft Jesu Christi und gleichzeitig darum, welche Glaubensformeln und -formen entsprechend seien. Es entwickelten sich in der abendländischen Kirche drei große unterschiedliche Bekenntnisse (Konfessionen). Mit der alten Kirche, der römischkatholischen Kirche, die als Reaktion auf die neuen Lehre(n) ihre Grundlagen auf dem Konzil von Trient (1545–1563) überdachte und zum Teil neu definierte, konkurrierten nun die evangelisch-luthe rische(n) Kirche(n) mit dem Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) von 1530 und die reformierte(n) Kirche(n) mit dem Schweizer Bekenntnis (Confessio Helvetica 1536/66). Auch wenn es in einzelnen Religionsgesprächen durchaus versöhnliche Ansätze gab, bestimmten doch vor allem die konfessionellen Abgrenzungen das Klima. Die Epoche wird als konfessionelles Zeitalter bezeichnet, in dem im Kampf gegen die andere Konfession geradezu jedes Mittel erlaubt schien. Es gab Religionskriege ungeahnter Brutalität wie den 30-jährigen Krieg. Heute fragen wir uns, wie es eine Zeit geben konnte, in der im Namen des Glaubens und Jesu Christi – um der Wahrheit willen – solch menschliche Entgleisungen möglich waren. 12 „Was ist Wahrheit?“ (Joh 18,38). Diese Frage des Pilatus aus der Johannespassion ist uns allen vertraut. Der an sich so mächtige römische Statthalter legt hier eine eigenartige Ratlosigkeit an den Tag, die den Menschen aller Zeit nicht fremd ist. Sie lenkt unseren Blick und unser Ohr, wie es der literarisch und psychologisch höchst geschickte Autor des Johannesevangeliums auch beabsichtigt, nochmals und vertieft auf die vorhergehende Aussage Jesu im Gespräch mit Pilatus. Denn zuvor hatte Jesus dem Pilatus auf dessen Frage, ob er ein König sei, geantwortet: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen […]. Aber mein Königtum ist nicht von hier.“ Pilatus erzwingt aber mit seiner darauffolgenden Bemerkung „Also bist du doch ein König“ eine noch deutlichere Antwort Jesu: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ Was ist aber das für eine Stimme? Eines machen die Evangelien deutlich. Jesus geht es nicht um theoretische Entwürfe, er verkündigt vielmehr die Ankunft des Reiches Gottes. Die Wahrheit Gottes bekundet sich im Handeln und der Zuwendung Gottes als der Wahrheit, die nach unserem Glauben im Leben und Sterben Jesu Christi Gestalt nimmt, die uns ganzheitlich erfasst, ja heilt und erlöst und uns selbst verwandeln kann. Hier begegnet uns jene die gesamte Existenz durchdringende Erfahrung der Apostel von Petrus bis Paulus, eines Augustinus, eines Franziskus, eines Ignatius von Loyola und eines Martin Luther. Die Wahrheit ist also im Verständnis des Evangeliums letztlich kein in theologischen Foren ausdiskutierbares Produkt menschlicher Intelligenz, das dann in einem Kommuniqué festgehalten wird, sondern besteht vielmehr in der lebenspendenden Wirklichkeit Gottes und im Wort, das in Christus Fleisch geworden ist. Tatsächlich ist dies nur eine Seite der Medaille der Wahrheit; denn dem menschlichen Wesen sind ja nicht einfach die Schau des Göttlichen und die Vereinigung mit dem Göttlichen möglich, auch wenn gerade die mystische und spirituelle Theologie des Spätmittelalters dies als entscheidendes Ziel betrachtete. Der Mensch verlangt nach weiteren Brücken, um Gott zu begreifen, zum einen die verstandesmäßige Erschließung des Geheimnisses Gottes durch die intellektuelle Verbalisierung und zum anderen, wie sich in Zeichen, Riten und Worten Gottes Zusage, sein erlösendes und heilendes Handeln an den Menschen bekunden, ja gleichsam dingfest machen lässt, und in Verbindung damit, ob und welche Kirche Jesus Christus dafür eingesetzt hat. Damit nähern wir uns dem Kern der historischen Problemlage. Die Frage nach den richtigen Brücken, den wahren Wegen zum Heil quälte die Menschen in früheren Jahrhunderten vielleicht mehr als heute. Es war nicht Luther allein, den solche Fragen umtrieben. Um 1500 finden wir eine Zeit vielfältiger kirchlicher und religiöser Aktivitäten besonders auch in den städtischen Gemeinden und unter den Laien. Durch Frömmigkeitsübungen und religiöse Leistungen versuchten die Gläubigen Heilssicherheit zu gewinnen; so wollten sie für sich selbst, aber auch für die bereits verstorbenen Angehörigen den Weg zur ewigen Seligkeit öffnen. Neben dieser mehr vom äußeren Tun bestimmten Frömmigkeit entwickelte sich eine von der inneren und personalen Gotteserfahrung getragene Spiritualität. Die unmittelbare Gottesbegegnung des Individuums, vor allem in der Hinwendung zum leidenden und gekreuzigten Jesus Christus rückte in den Vordergrund. Die Gemeinschaft der Kirche und Gemeinde, ihre Binde- und Lösegewalt konnte dabei in den Hintergrund treten. Die Frömmigkeit zeigte zunehmend einen individuelleren und subjektiveren Zug. Die spätmittelalterliche Welt durchzog in Glaubensdingen eine gewaltige Spannung zwischen Gnade und Gericht, Heilserwartung und Heilsangst, Erlösung und Verwerfung, eine Erfahrung, die in besonderer Weise auch Martin Luther umtrieb. Indem er den Blick allein auf Christus, sein Evangelium und sein Gnadenwirken lenkte, half er sich und vielen seiner Zeitgenossen, eine auf das ganze religiöse Leben bestimmende Leistungsmentalität abzulegen. Damit stand aber auch das spätmittelalterliche Frömmigkeitsleben zur Disposition. Schließlich wurde darüber hinaus die Mittlerschaft der Kirche in ihrer hierarchischen Ordnung radikal in Frage gestellt. Die bisherige Frömmigkeitspraxis, angefangen von der katholischen Messe über den Heiligenkult bis hin zu den Benediktionen und Sakramentalien, verlor für viele Gläubige ihren Sinn. Die Gnadenbilder der Wallfahrtsorte – gerade noch massenhaft aufgesucht – galten nun vielen als Götzenbilder. Das gemeinsame Glaubens- und Frömmigkeitsleben, das große und sogar bunte Tuch der spätmittelalterlichen Kirche, bekam Risse und ist schließlich gerissen. Die Ideen Martin Luthers konkretisierten sich schnell in neuen kirchlichen Formen und Ordnungen. In Franken kam es so in der Reichsstadt Nürnberg bereits ab 1523 zu Änderungen bei der Feier der Gottesdienste. Zu nennen sind: Kommunionempfang unter beiderlei Gestalten, Messe ohne Opferung und Kanon, deutscher Taufritus, keine stillen Messen und Privatmessen. Es etablierte sich ein neues Kirchenwesen unter dem Regiment des Rates ohne Rücksicht auf die Rechte des Bischofs von Bamberg. Der Rat wollte aber gleichzeitig eine unterschiedliche Religionsausübung nicht 13 dulden. In Nürnberg durfte auf reichsstädtischem Gebiet ab 1525 keine Messe im altkirchlichen Ritus mehr gehalten werden; auf Wünsche von Anhängern des alten Glaubens – z. B. der Klarissin Caritas Pirkheimer – wurde keine Rücksicht genommen. Ein reli giös einheitlicher Untertanenverband galt Alt- wie Neugläubigen unverzichtbar für ein funktionierendes Gemeinwesen. Das kann aber schon als Reaktion auf das Vorgehen der alten Kirche gegen Luther und seine Anhänger gewertet werden. Die Verteidiger der alten Lehre, allen voran der Theologe Johannes Eck (1486-1543), hatten Martin Luther zu einem theologischen Streitgespräch, einer Disputation, herausgefordert. Sie fand 1519 in Leipzig statt. Eck und Luther wollten sich ursprünglich über den freien Willen in seiner Beziehung zur göttlichen Gnade und den guten Werken auseinandersetzen. Im Disput geriet aber die Frage nach dem päpstlichen Primat in den Vordergrund. Ecks Anliegen war es, Luther als Häretiker zu entlarven. Dies ist ihm im gewissen Sinn auch gelungen, aber er erreichte damit keine Lösung des Konflikts, ganz im Gegenteil. Er spitzte ihn nur zu, erzwang Luthers Bekenntnis, dass weder Papst noch Konzil höchste Autorität in Glaubensdingen besitzen. Das nun folgende römische Verfahren war von dem Interesse bestimmt, ihn definitiv als Häretiker und Feind der Kirche bloßzustellen. Schließlich folgte der römische Bann Luthers im Januar 1521. Luther war nun exkommuniziert. Er durfte als (katholischer) Priester nicht mehr die Messe zelebrieren oder die Kommunion empfangen. Die Folge waren schließlich zwei Abendmahlgemeinschaften, die des alten und des neuen Glaubens. Aber auch die Reformatoren kämpften bald um die wahre Neuerung, wie der Konflikt zwischen Martin Luther und Huldreich Zwingli zeigt. 1529 trafen sich in Marburg Luther und Zwingli, um sich bezüglich ihrer unterschiedlichen Abendmahlvorstellungen zu verständigen. Über die Auffassung vom Abendmahl gab es zwischen beiden Differenzen, die Luther als kirchentrennend betrachtete. Im Hauptstreitpunkt blieben die Standpunkte unversöhnlich. Für Luther war Christus im Abendmahl real gegenwärtig. Er betonte die schöpferische Kraft des Wortes Gottes und verwies auf die neutestamentliche Überlieferung – „Hoc est“. Dies ist mein Fleisch, dies ist mein Blut – und sah im Abendmahl ein Gnadenmittel. Dies lehnte Zwingli ab; er sah im Abendmahl nur ein Bekenntnis- und Erinnerungshandeln der Gemeinde. Das Abendmahl sei nur ein Zeichen für das Gnadenhandeln Gottes, indem es auf sein einmaliges, geschichtlich verbürgtes Erlösungshandeln verweist. In neugläubig orientierten fränkischen Herrschaften, wie Nürnberg und Brandenburg-Ansbach, stießen die Sakramentierer, wie man die Anhänger Zwinglis und seiner Vorstellungen bezeichnete, auf offene Ablehnung. Dies bezeugten dann auch die von den Anhängern Luthers formulierten Schwabacher Artikel, die dann in das Augsburger Bekenntniss von 1530 einflossen. So entspann sich auch innerprotestantisch ein Streit um die Wahrheit und um das angemessene Bekenntnis und lutherische Stände gingen mit äußerster Konsequenz gegen die Sakramentierer, aber auch andere reformatorische Abweichler vor. Es liegt die tiefste Tragik der Entwicklung wohl darin, dass, was als Erneuerung im Geiste des Evangeliums begann, in einen heftigen Streit um das Bekenntnis einmündete und der Glaubenskampf zum Signum der Epoche wurde. Das Trennende mit den nun formulierten Unterscheidungslehren sowie die damit verbundenen Verwerfungen prägten die Epoche. Sie dominierten oft genug auch Katechese und Predigt, und zwar in einer oft noch vereinfachten und zugespitzten Form. Vorurteile waren erwünscht und schlummern auch heute manchmal in uns. Als die Auseinandersetzung zwischen alt- und neugläubigen Kräften des Deutschen Reiches in der Mitte des 16. Jahrhunderts zu keiner politischen und militärischen Entscheidung führte, sicherte der Augsburger Religionsfriede von 1555 den evangelischen Landesherren des Augsburger Bekenntnisses freie Religionsausübung zu. Gleichzeitig betonte er das Reformationsrecht des Fürsten und damit das Recht, die Konfession des Untertanen zu bestimmen. Zusammengefasst wurde diese Regelung später in der Losung „cuius regio, eius religio“ (wessen Land, dessen Religion). Die religiöse Freiheit der Untertanen oder religiöse Toleranz für den Einzelnen sah der Religionsfrieden nicht vor und waren dem Zeitalter weitgehend fremd. Im Horizont der Zeit war das im Religionsfrieden festgelegte „ius emigrandi“, also dass der Untertan auswandern konnte, wenn er nicht die Konfession des Landesherrn annehmen wollte, sogar ein Zugeständnis, das auch nur für die beiden reichsrechtlich anerkannten Konfessionen (katholisch und evangelisch-lutherisch) galt. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts hatte die neue Lehre in Gebieten katholischer, auch geistlicher Landesherrn – wie im Hochstift Würzburg – großen Zuspruch erlangt. Als sich nach dem Konzil von Trient die altkirchlichen Kräfte stabilisierten, gewannen diese aber zunehmend die Initiative zurück. Im Zusammenwirken von katholischer Reform, also der inneren Erneuerung, und Gegenreformation, der äußeren Rekatholisierung auch mit obrigkeitlichen Mitteln, gelang es ihnen ebenfalls, konfessionell homogene Territorien zu schaffen. Geradezu modellhaft vollzog sich dies im Hochstift Würzburg unter Friedrich von Wirsberg und vor allem Julius Echter von Mespelbrunn. 14 dem Vorbehalt, auch den Katholiken die Mitbenutzung zu gewähren. Johann Philipp von Schönborn dachte sogar an eine Wiedervereinigung der getrennten Konfessionen. Gleichwohl war er treuer Anhänger der katholischen Kirche. Sein Ziel war es, die Evangelischen nicht durch Zwang, sondern Überzeugung für den katholischen Glauben zu gewinnen. Aus diesem Grund sorgte er für die Ansiedlung der Kapuziner und Ursulinen in Kitzingen. Ein durchschlagender Erfolg blieb ihm aber versagt. Westfälischer Friede in Münster Noch ausgenommen war von der reichsrechtlichen Regelung des Augsburger Religionsfriedens die Confessio Helvetica. Dieses Bekenntnis fand erst mit dem Westfälischen Frieden, der 1648 den 30-jährigen Krieg beendete, seine Anerkennung im Deutschen Reich. Der Westfälische Friede beinhaltete noch eine weitere wichtige Festlegung in Konfessionsangelegenheiten. Es kam zur sogenannten Normaljahrregelung, mit deren Hilfe die kirchlichen (und damit auch konfessionellen) Vermögens- und Rechtsverhältnisse nach dem Stand vom 1. Januar 1624 entscheidend waren. Die Untertanen durften nun ihre Konfession nach den Verhältnissen dieses Stichtages behalten, auch wenn der Landesherr eine andere Konfession annahm oder bei Territorialveränderungen schon besaß. So war es zum Beispiel Gemeinden im Hochstift Würzburg, die unter Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg (1583-1631, regierend seit 1623) rekatholisiert worden waren, nunmehr erlaubt, zum evangelischen Bekenntnis zurückzukehren. Damit war aber nicht das Recht verbunden, dass die Untertanen jeweils die Konfession frei wählen durften – sie konnten nur die bisherige behalten. Diese Regelung führte schließlich dazu, dass die konfessionelle Verteilung in Deutschland von nun an weitgehend stabil blieb. In Verbindung damit verfestigten sich die Konfessionskulturen und -mentalitäten als jeweiliges Signum einer Region, ja oft nur einer einzelnen Ortschaft. Gleichwohl ist festzuhalten, dass sich das Zeitalter eines mit militärischen Mitteln operierenden Konfessionalismus in Deutschland infolge der schrecklichen Erfahrungen des 30-jährigen Krieges seinem Ende entgegen neigte. Dies spiegelt auch die Politik des Würzburger Fürstbischofs Johann Philipp von Schönborn (16051673, regierend seit 1642) wider, der es den Kitzinger Bürgern ermöglichte, bei der Augsburger Konfession zu bleiben, obwohl der Ort an sich nicht unter die Normaljahrregelung fiel. Bereits vor dem Westfälischen Frieden erlaubte er am 5. Mai 1647 den Kitzinger Protestanten die evangelische Religionsausübung, weil „wir unsere der Augsburger Confession verwandten Bürger zu Kitzingen nicht gesinnt sind, zu unserer katholischen Religion zu zwingen, sondern ihnen ihre Gewissensfreiheit zu lassen“. Am 17. Dezember 1650 kam es zur endgültigen Regelung im Gnadenbrief des Fürstbischofs. Diesem gemäß wurde den Protestanten die Kirche in der Kitzinger Vorstadt Etwashausen überlassen – allerdings mit Solche Ansätze von Toleranz mehrten sich in der Folge, vor allem mit dem Fortschreiten der Aufklärung. Religiöse Toleranz wurde zunehmend als unverzichtbare Konsequenz der Menschenwürde und der Menschenrechte gesehen. Schließlich erhob sich die weitergehende Forderung nach allgemeiner Religions- und Gewissensfreiheit. Dazu war aber noch ein weiter Weg zu gehen. Erst nach der Säkularisation des Hochstifts Würzburg kam es durch die neue bayerische Regierung mit dem Religionsedikt für Entschädigungslande vom 10. Januar 1803 zu einer Gleichstellung der katholischen und evangelischen Konfession. Bis 1871 dauerte es, bis dann die Juden die rechtliche Gleichstellung erhielten. Das Grundrecht auf Religions- und Gewissensfreiheit garantierte in Deutschland erst die Weimarer Verfassung von 1919. Mit dieser Entwicklung tat sich besonders die katholische Kirche mit ihrem Wahrheitsanspruch schwer. Lange war hier die These bestimmend: „Nur die Wahrheit hat Recht, der Irrtum hat keinerlei Recht.“ Erst „Die Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae“ des Zweiten Vatikanischen Konzils beinhaltete eine grundsätzliche Neuausrichtung. Die Erklärung sieht die Religionsfreiheit nicht allein als Frucht menschlicher Einsicht, sondern als die der Offenbarung. In Abschnitt neun verkündet das Konzil: Es „hat diese Lehre von der Freiheit ihre Wurzeln in der göttlichen Offenbarung, weshalb sie von Christen um so gewissenhafter beobachtet werden muss“. Die Religionsfreiheit ist daher Teil unserer Glaubenswahrheiten und kann nicht zu Gunsten anderer Wahrheiten relativiert werden. Es fiel Christen nicht immer leicht, diesen Zusammenhang zu erkennen. Ja, man muss sogar sagen, in den meisten Zeiten der Kirchengeschichte war er verschüttet, vor allem das aus der Reformation resultierende konfessionelle Zeitalter erkannte ihn nicht. Es ist geradezu bizarr, dass sich erst im Irrweg der Religionskriege eine Neubesinnung anbahnte. Es ist aber nicht weniger befremdlich, dass in späterer Zeit im Namen der Freiheit und der Befreiung Verfolgung und unerträgliches Leid in die Welt kamen. Nicht weniger beschäftigt uns auch heute die Pilatusfrage „Was ist Wahrheit?“ und noch mehr das vorausgehende Wort Jesu „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“. Kontakt: Prof. Dr. Wolfgang Weiss Professur für Fränkische Kircheng eschichte und Kirchengeschichte in der Katholisch-TheologischeN Fakultät der Universität Würzburg [email protected] www.theologie.uni-wuerzburg.de 15 ÖKUMENE AUF dem weg des Wandels Domvikar Dr. Petro Müller Im G espr äch Ökumenereferent Dr. Petro Müller stellte im Interview sechs Fragen an Bischof Friedhelm Hofmann und Regionalbischöfin Gisela Bornowski 1 Dr. Petro Müller: Sehr geehrte Frau Regionalbischöfin, sehr geehrter Herr Bischof, am 31. Oktober 2016 trafen sich Papst Franziskus und der Präsident des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib Younan, zu einem ökumenischen Gottesdienst anlässlich der Eröffnung des Gedenkjahres 500 Jahre Reformation in Lund (Schweden). Ein ausgesprochen feierlicher Gottesdienst mit ökumenischen Partnern auf Augenhöhe, bei der auch eine gemeinsame Erklärung mit der Verpflichtung zu mehr Gemeinsamkeiten zwischen unseren Kirchen unterschrieben wurde. Welche Gedanken oder auch Gefühle sind Ihnen beiden bei diesem weltweiten Auftakt durch den Kopf oder durchs Herz gegangen? Gisela Bornowski: Besonders bewegt hat mich der Umgang des Papstes mit den Frauen in kirchenleitender Position, allen voran der Erzbischöfin von Uppsala. In Lund ging es um die lutherische Weltkirche, die augenfällig durch den bunten und global aufgestellten Chor hinter den Liturgen sichtbar wurde. Vielleicht besitzen die lutherischen Kirchen außerhalb Deutschlands einen unverstellteren Blick auf die Ökumene und die röm.-kath. Kirche als das deutsche Luthertum, da sie viele leidige Erfahrungen aus der Geschichte nicht mit im Gepäck haben. Augsburg 1999 und Lund 2017 sind ökumenische Meilensteine. Ich hoffe, es bleibt nicht bei der Verpflichtung zu mehr Gemeinsamkeiten auf dem Papier, sondern nimmt Gestalt an in der konkreten Gemeindearbeit vor Ort. Ich bin froh über dieses große Ereignis und zugleich auch verhalten optimistisch, was die Konkretionen angeht. Diese Verpflichtung muss nun durchbuchstabiert werden ins Leben hinein. Allerdings hängt das gegenseitige ökumenische Verständnis nun nicht mehr allein an Personen, sondern ist unverzichtbarer Bestandteil der christlichen Verkündigung. Dr. Friedhelm Hofmann: Unerwartete Bilder waren das für viele. Aber es waren richtungsweisende Eindrücke, die vielleicht mehr sagen als manche Worte. Und es war Papst Franziskus in all seiner Konsequenz, der auf vielen Ebenen Wege aufeinander zu geht, ein Miteinander und Versöhnung sucht. Wir können 2017 nicht die Spaltung unserer Kirche feiern, das ist klar. Aber wir können gemeinsam dieses Jahr als Gedenken nutzen. Es ist eine Chance, mit dem großen Abstand der Jahrhunderte die Dinge differenziert zu betrachten. 16 Papst Franziskus (r.) und Munib Younan in der Kathedrale Lund Papst Franziskus sagte am 31. Oktober 2016 in Lund über Martin Luther: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Das ist die Frage, die Luther ständig umtrieb. Tatsächlich ist die Frage nach der rechten Gottesbeziehung die entscheidende Frage des Lebens...“ Dieser Zugang erlaube es auch, Martin Luthers geistliches Ringen um den rechten Weg ernst zu nehmen. Es ist heute an der Zeit, um auf das Verbindende zu sehen und weniger auf das, was uns trennt. Auch darüber war man sich in Lund am 31. Oktober 2016 einig. Das bedeutet nicht Gleichmacherei, sondern das Bewusstsein, die Stärken des jeweils anderen wahrzunehmen. Und was braucht unsere Zeit mehr, als dass wir Christen nicht gegeneinander sprechen, sondern miteinander unsere Gesellschaft mitgestalten? 2 Dr. Petro Müller: Das Jahr 2017 birgt noch ein zweites Jubiläum: Auf Weltebene sind die Katholische Kirche und der Lutherische Weltbund 50 Jahre miteinander in einem fruchtbaren Dialog. Wie erleben Sie diese starken und inzwischen geschwisterlichen Kontakte in Ihrer pastoralen Arbeit? Dr. Friedhelm Hofmann: Gemeinsame liturgische Feiern sind uns mittlerweile selbstverständlich geworden, sei es bei der Ökumenischen Kreuzbergwallfahrt, dem Gottesdienst mit Flüchtlingen in der Adventszeit, oder auch dem gemeinsamen Gottesdienst 2017 in Kitzingen zum „Healing of Memories“. Viele Pfarreien vor Ort pflegen die Ökumene gerade auch mit den lutherischen Brüdern und Schwestern im Engagement für Flüchtlinge, in öku- menischen Gottesdiensten oder Besuchskreisen. Auf zahlreichen Gebieten der Seelsorge, aber auch in der Schulpastoral ist ökumenische Zusammenarbeit selbstverständlich. Selbst bei Wallfahrten und Prozessionen gibt es gemeinsame Gehversuche. Ich habe den Eindruck, wir lernen wieder mehr voneinander, was unsere Schätze sind; das mag liturgisch gelten für die Bedeutung des Wortes Gottes, aber auch für die Stille oder den reichen Schatz der Musik. Natürlich gilt das auch im Blick auf die Spiritualität. Zum Glück können wir heute gemeinsam vieles überwinden, was noch vor Jahrzehnten in Dörfern und Gemeinden Menschen behindert und verletzt hat. Gisela Bornowski: Wir gehen unbefangen und freundschaftlich miteinander um. Wo wir zusammen auftreten oder wirken, ist das von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt. Es gibt in unterschiedlichen Bereichen der pastoralen Arbeit eine gute Zusammenarbeit: z. B. in der Flüchtlingshilfe, in der Krankenhausseelsorge, bei der Notfallseelsorge oder Telefonseelsorge, in der Hospizarbeit oder bei der palliativen Sterbebegleitung. Das meiste ginge gar nicht mehr ohne ökumenische Zusammenarbeit. Wir feiern gemeinsam Gottesdienste. Wir erkennen die Taufe gegenseitig an. Es gibt ein gemeinsames Formular für ökumenische Trauung. Auch in den Schulen wird oft ein gutes ökumenisches Miteinander gepflegt, wenn es z. B. um Schulgottesdienste und Andachten geht, bis hin zum Gaststatus im Religionsunterricht. Wir haben schon viele Trennungen überwinden können. Ökumenisches Miteinander ist an der Basis oft sehr lebendig. Gott sei Dank. 17 3 Gisela Bornowski: Ich glaube, dass in der Versöhnung eine große Kraft liegt. Beide Kirchen haben ihren Teil dazu beigetragen, dass Jesu Auftrag zur Einheit nicht genügend umgesetzt wurde. Nicht immer gelingt uns „die versöhnte Verschiedenheit“. Wir anerkennen unsere unterschiedlichen Sichtweisen oft nicht, und streben noch zu wenig und zu wenig leidenschaftlich nach einem wirklichen Miteinander im Leib Christi. Versöhnung hat eine heilende Kraft. Darauf hoffe ich. Es geht nicht um eine „Rückkehr-Ökumene“. Aber der Gottesdienst hat nur dann Sinn, wenn die Bitte um Vergebung kein Lippenbekenntnis bleibt. Dr. Petro Müller: Wenn Sie jeweils in Ihrer eigenen Biografie zurückdenken – wann ist Ihnen das erste Mal aufgegangen, wie wichtig die Ökumene für Ihre eigene Kirche ist? Dr. Friedhelm Hofmann: Erlauben Sie mir dieses Wort: meine Familie war gelebte Ökumene. Mein Vater war viele Jahre evangelisch, und er wurde später aus eigenem Antrieb katholisch. Wir hatten also beides im täglichen Miteinander, beide Konfessionen ... damit bin ich groß geworden, und das hat mich von Kindesbeinen an geprägt. 6 Gisela Bornowski: Ich komme aus dem evangelischen Kernland in Westmittelfranken. Bis ich selber Pfarrerin wurde, hatte ich ehrlich gesagt kaum Kontakt zu katholischen Mitchristen. Als junge Pfarrerin erlebte ich dann konfessionsverschiedene Ehen, im Nachbarort gab es eine katholische Kirche. Es gab festliche Anlässe, wo wir beide – katholischer Pfarrer und evangelische Pfarrerin – gemeinsam auftraten. Mir wurde bald klar: Wollen wir in unserer säkularisierten Welt noch als Kirche, als Christen, wahrgenommen werden, dann sollten wir uns zusammentun. Denn nur gemeinsam sind wir stark und werden wirklich gehört. Inzwischen gehören katholische Schwestern und Brüder zu unserem Freundeskreis und zu unserer Familie. 4 Dr. Petro Müller: Sowohl die Bayerische Landeskirche in ihrer Ökumene-Konzeption als auch die Katholische Kirche seit dem II. Vatikanum sehen die Ökumene als wesentliche Aufgabe an, also nicht als Kür, sondern als Pflicht. Wo sehen sie noch weitere Spielräume oder konkreten pas toralen Bedarf für eine größere Nähe zwischen Katholiken und Lutheranern, gerade zwischen Kirchenkreis und Diö zese? Gisela Bornowski: Ich kann mir vorstellen, dass wir in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Veränderungen und des weiteren Rückgangs unserer personellen und finanziellen Ressourcen noch sehr viel stärker kooperieren können: bei der Nutzung unserer Gebäude oder auch bei gemeinsamen Gottesdiensten und Gruppenangeboten. Auch bei den Vorgaben zum Patenamt wäre eine Veränderung nötig. Auch die weiterhin in der katholischen Trauanmeldung lesbare Klausel zur Taufe etwaiger Kinder stößt oft auf Unverständnis in unseren Gemeinden. Auch im Umgang mit den konfessionsverbindenden Ehen, wo die Menschen ihren Glauben gemeinsam leben und auch gemeinsam zum Abendmahl gehen wollen, wären Verbesserungen wichtig – um der Menschen willen. Und bei Festgottesdiensten am Sonntagvormittag, wo wir gemeinsam angefragt werden, sollten wir einen gangbaren Weg finden. Die Menschen verstehen oft nicht, warum das nicht möglich ist. Dabei ist das gemeinsame Zeugnis gegenüber der Welt so wichtig! 18 Dr. Friedhelm Hofmann: Ich bin sicher, dass Kirchenkreis und Diözese den gemeinsamen Weg konsequent weitergehen werden. Hinter das Miteinander, das durch die Jahrzehnte, etwa durch die starken ökumenischen Akzente meines Vorgängers, Bischof Paul-Werner Scheele, erreicht wurde, wird es in Zukunft ganz selbstverständlich kein Zurück mehr geben. Dazu werden auch die intensiven Kontakte und die Wertschätzung, wie ich sie mit den Regionalbischöfen Schmidt und Bornowski teilen darf, beitragen. Wir müssen auf dieser Basis bereit sein, noch mehr Miteinander vor Ort anzubahnen, und dazu vor allem auch allen Haupt- und Ehrenamtlichen Mut zu machen, die das ermöglichen und fördern können. Es gilt hier auch die Kreativität anzustoßen, neue Wege gemeinsam zu suchen. Es ist hier viel mehr möglich, als man denken kann. Was gemeinsam getan werden kann, vielfach auch im karitativen und sozialen Bereich, sollte auch gemeinsam getan werden. Das stärkt das Hineinwirken in unsere Gesellschaft heute. 5 Dr. Petro Müller: Der Rat der EKD sowie die Deutsche Bischofskonferenz haben für den Vorabend des 2. Fastensonntags, den 11. März 2017, einen ökumenischen Gottesdienst in der Hildesheimer Michaelskirche angekündigt, der einer „Heilung der Erinnerung“ zwischen unseren Kirchen dienen soll. Man will zurückschauen, gemeinsam die Vergangenheit betrachten, Gott um Versöhnung bitten, seine gnädige Vergebung erbitten und ihm zugleich danken für das wachsende Zueinander der letzten 50 Jahre. Sie beide feiern einen ähnlichen Gottesdienst am Tag darauf in der evangelischen Stadtkirche in Kitzingen. Welche Akzente wollen Sie besonders betonen? Dr. Friedhelm Hofmann: Es tut heute mehr denn je Not, dass wir uns der gemeinsamen Mitte versichern: Nur aus Gott heraus können wir versöhnt und verbunden in eine Zukunft gehen, die uns als Christen sicherlich manches abverlangen wird. Die Menschen suchen nach Orientierung, nach Antworten auf Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach dem Miteinander der Kulturen, nach einem friedlichen Zusammenleben. Wenn wir uns also der Kraft vergewissern, die wir aus dem Wort Gottes schöpfen dürfen, dann gelingt an diesem gemeinsamen Gedenktag nicht nur der Blick in die Vergangenheit, sondern ein wacher und ehrlicher Blick auf das Hier und Jetzt, und von hier aus in eine herausfordernde Zukunft. Dr. Petro Müller: Wenn Sie in die Zukunft schauen könnten – wo meinen Sie, stehen unsere beiden Kirchen in 20 Jahren? Welche Hoffnungen haben Sie? Dr. Friedhelm Hofmann: Wir werden noch selbstverständlicher als heute unsere Brüder und Schwestern gegenseitig einladen, mit ihnen Leben und Glauben teilen, vielleicht noch mehr in Bereichen wie der Jugendarbeit oder den sozialen Kreisen mit einer Stimme sprechen und in Gemeinschaft aktiv werden. Mir ist da um die Zukunft unserer beiden Kirchen überhaupt nicht bange, wenn wir nicht zu sehr um uns selbst kreisen, sondern unseren Herrgott in die Mitte stellen. Und letztlich müssen wir immer darauf hinarbeiten und die Sehnsucht nie begraben, als der eine Leib Christi in die Zukunft zu gehen. Wie auch immer diese Einheit genau aussehen wird, da vertraue ich ganz auf Gottes Geist. Gisela Bornowski: Ich habe die Hoffnung, dass wir uns in unserem Amtsverständnis und damit auch in unserem Abendmahlsverständnis annähern und einmal gemeinsam zum Tisch des Herrn gehen können. Christus will zu uns kommen und uns versöhnen. Wir sollten seine Einladung nicht ausschlagen und seinem Heiligen Geist alles zutrauen. Die Sehnsucht vieler Menschen nach Halt und Orientierung, nach der Frohen Botschaft und Heilwerden wird nur ökumenisch stimmig erkennbar. Dazu wird es auch eucharistische Einheit brauchen. Wir verkünden doch, dass Christus uns den Frieden schenkt und in uns wirkt. Dieser Prozess der nach und nach wieder erreichten Einheit nach einer leidvollen Geschichte der Trennung wird richtungsweisend für diese Welt sein, die sich gerade momentan mitunter leichtfertig an vielen Stellen trennt. Das Grab ist weiterhin leer. Christus ist unterwegs, immer und überall. Das sollte uns nicht verunsichern, sondern – ganz im Gegenteil – wir sollten darüber ganz gelassen werden und freudig erkennen und suchen, wo er gerade am Werk ist. Kontakt: Domvikar Dr. Petro Müller, Privatdozent an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Würzburg, Ökumenereferent im Bistum Würzburg [email protected] www.oekumene.bistum-wuerzburg.de 19 Ökumene der Gaben Schätze wechselseitig zeigen und teilen B ereits das II. Vatikanische Konzil hatte die ökumenische Erkenntnis, dass es nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der katholischen Kirche „vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit“ gibt, die insgesamt „als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen“ (LG 8). Ökumene – so führte Papst Johannes Paul II. 30 Jahre später in der bisher einzigen Ökumene-Enzyklika „Ut unum sint“ diesen Gedanken fort – dürfe daher nicht nur ein gedanklicher Dialog sein, sondern müsse immer zu einem „Austausch von Gaben und Geschenken“ führen (UUS 28). Ausführlich spricht seine Enzyklika – wie das Konzil – vom Vorrang der geistlichen Ökumene, gerade im Gebet (UUS 21-27), und vom Austausch der „Elemente der Heiligung und der Wahrheit“ (UUS 11-13), die das Fundament der wechselseitigen Gemeinschaft sind. „Christus ruft alle seine Jünger zur Einheit“ (UUS 1). So ist der ökumenische Weg der Kirche ein „Imperativ“ an das christliche Gewissen, die Einheit zu suchen, und zwar auf den Grundlagen der „Bekehrung des Herzens“ und der „Evangelisierung“ (UUS 15). Auch das Ökumenische Direktorium (ÖD) von 1993 nennt „gewisse Elemente und Güter“, die den anderen Kirchen bzw. kirchlichen Gemeinschaften als Wesensmerkmale der Kirche Christi gegeben sind: „die Heilige Schrift, die Sakramente und andere heilige Handlungen; Glaube, Hoffnung und Liebe und andere Gaben des Geistes“ (ÖD 63). Die Früchte und geistlichen Schätze anderer Kirchen zu kennen und in der gottesdienstlichen und geistlichen Praxis zu wertschätzen, führt die Christen entsprechend näher zusammen (vgl. ebd.) In diesen drei Texten liegt der „rote Faden“ einer später so genannten „Elementen-Ekklesiologie“. Diese meint, dass die in allen Kirchen vorhandenen Gaben und Güter, insofern sie entdeckt, 20 Domvikar Dr. Petro Müller Zum THEMA gepflegt und miteinander geteilt werden, als geistliche Schätze der Ökumene wahrgenommen werden sollten. Wenn man um sie weiß und sie miteinander teilt, werden sie ein wirksamer Ausdruck der wachsenden Gemeinschaft der Christen sein bis hin zur „communio plena“, der vollkommenen Gemeinschaft der Christen (vgl. LG 13-15; UR 4;15). Eine gegenseitige Ergänzung der spirituellen und theologischen Traditionen, das einander Vertrautmachen und eine wechselseitige Teilhabe (Teilnehmen bzw. Teilgeben) schafft für alle ökumenischen Beziehungen ein tragfähiges Fundament, da hier letztlich die geistlichen Gaben Gottes geteilt werden, die geteilt dazu da sind, dass „das Zeichen Christi auf dem Antlitz der Kirche klarer erstrahle“ (LG 15). Glaubens Grenzen oder gar Mauern zog, um das je Eigene zu profilieren, zu sichern oder zu behüten, weicht einer Kultur des Zeigens und Teilens. Niemand muss seine Kostbarkeiten verstecken oder sie für sich allein bewahren. Da es eben Gottesgaben sind, die den verschiedenen Konfessionen geschenkt sind, wird das Entdecken und Teilen zum gemeinsamen Schatz und im wechselseitigen Entdecken wird auch der Geber der Schätze sichtbar. Mit dem Anderen teilen, kann zur reicheren Erfahrung der Einheit und sogar der Gottesbegegnung werden. Der Andere und seine Schätze werden nicht nur geachtet, sondern als wertvoll geschätzt. Wir erkennen das Andere außerhalb des Eigenen und darin das Wesentliche der Gabe des Geistes. Bereits zur Veröffentlichung des jüngsten bilateralen Dokuments zwischen Lutherischem Weltbund und Päpstlichem Rat für die Einheit der Christen „Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Gemeinsames lutherisch-katholisches Reformationsgedenken im Jahr 2017“ hatte der damalige EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider im Juni 2013 genau dieses Gabenteilen angesprochen, als er zum Dokument Folgendes formulierte: „Neben der Last der Erinnerung sollte die gemeinsame Freude über die geistlichen Gaben der Reformation an die Christenheit nicht aus dem Blick geraten. Der Rat der EKD freut sich darauf, mit vielen Kirchen und Konfessionen ins Gespräch über eine ,Ökumene der Gaben‘ zu kommen. Denn eine Ökumene der Gaben kann die Brücke werden, über die ein gemeinsamer Weg zum Reformationsjubiläum 2017 zu finden ist.“ Die gemeinsame Freude an Gott, an seinem Evangelium, an litur gischen Traditionen, an Gebetsformen und dem praktisch und diakonisch Gelebten ist schon heute ökumenisch möglich. Vielerorts gehören solche geteilten Gaben bereits zur Gemeindepraxis. Jeder geteilte Schatz wird zum Geschenk der Ökumene und ermuntert zum noch genaueren Hinschauen: Welchen weiteren Schatz können wir mit unseren christlichen Nachbarn teilen und gemeinsam dafür danken? Das Ziel ist klar: „Mit aller Weisheit und Einsicht reich beschenkt“, ist es Gottes Beschluss, „die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist“ (Eph 1,9f). Kontakt: Domvikar Dr. Petro Müller, Privatdozent an Damit liegt ein ökumenischer Ansatz vor, der aus neuerer Per spektive jenseits aller Kontroversen der Vergangenheit ein deutliches partizipatives Miteinander befürwortet. Ein bisheriges Lagerdenken, das um die jeweilige Interpretation des christlichen der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Würzburg, Ökumenereferent im Bistum Würzburg [email protected] www.oekumene.bistum-wuerzburg.de 21 Zum THEMA „Ihr alle seid einer in Christus Jesus.“ Kirchenrat Andreas Werner Unter diesem Zitat aus dem Galaterbrief (3,28) steht die 2009 herausgegebene „Handreichung für die Ökumene in den Gemeinden“ des Bistums Würzburg. Allen Hauptamtlichen in der Seelsorge und allen Pfarrgemeinderatsvorsitzenden wurde sie unmittelbar nach dem Erscheinen zugesandt. Das Heft aus der Ökumenekommission hat zum Ziel, einen ökumenischen Gleichklang in den Gemeinden des Bistums zu fördern. Gerade die Pfarreiengemeinschaften und ihre Seelsorger/-innen, die immer wieder neue Wege ökumenischer Zusammenarbeit ergründen müssen, finden darin einen textlichen und inhaltlichen Rückhalt. Ökumenisches Bewusstsein ist nicht in allen pastoralen Bereichen gleich ausgeprägt. Insofern bietet die Handreichung tatsächlich Hilfen an unter der Zielvorgabe „knapp und verständlich über Möglichkeiten der Ökumene in den Gemeinden (zu) informieren und so zu ökumenischem Handeln (zu) ermutigen“; so kann „zuverlässige, nachhaltige Ökumene vor Ort ... gefördert werden, damit das gemeinsame Zeugnis der Christen in der Welt glaubwürdig ist“ (Einführung S. 9). Vom Konflikt zur Gemeinschaft Entsprechend ist die Handreichung in acht Kapitel gegliedert: Nach der Einführung (Kap. 1.) werden kurz und bündig wichtige Grundlagen der Ökumene genannt, begründet im Neuen Testament und kirchlich umgesetzt seit dem Reformprozess des II. Vatikanum (Kap. 2.). Danach werden einige Dimensionen der Ökumene thematisiert: Geistliche Ökumene, Begegnung und gegenseitiges Wahrnehmen, der Dia log der theologischen Ökumene und schließlich die praktische Zusammenarbeit und das Zeugnis des Lebens (Kap. 3). Reformationsgedenken im Jahr 2017 E in richtungsweisendes Motto für ein gemeinsames lutherisch – römischkatholisches Reformationsgedenken im vor uns liegenden Jahr 2017. 500 Jahre nach der Veröffentlichung der 95 Thesen Luthers, die als Initialzündung der Refor mation gelten, ein Motto, das in eine gesegnete Zukunft im Miteinander unserer Kirchen zu führen vermag. Denn sicherlich – wenn auch lange von Martin Luther und anderen, Philipp Melanchthon an vorderster Stelle, ungewollt – war ja das reformatorische Geschehen zunächst die Umkehrung dieses Wortes, nämlich von der Gemeinschaft zum Konflikt. Die Aufkündigung der Gemeinschaft, die gegenseitige Polemik über Jahrhunderte hinweg, eine Krise auch christlicher Verkündigung. Klar und deutlich sind die Schäden bis in unsere Zeit sichtbar und spürbar, die der Bruch der Gemeinschaft verursachte. Mit Trauer müssen wir erkennen, wie sehr wir die Einheit in Christus geringachteten. Bis hin zu Krieg, Mord und Totschlag. Aber nun, im Zeitalter der Ökumene, spiegelt der Titel eine Zäsur. Diese ist eine Frucht jahrzehntelanger ökumenischer Bemühungen und erfolgreicher Annäherung. 22 Herausragend war hier sicherlich die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung von 1999 und die damit verbundene Feststellung, dass die gegenseitigen Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts unzutreffend sind. Mit großer Spannung und auch Hoffnung blicken wir nach Lund. Dort wurde 1947 der Lutherische Weltbund gegründet. Der Besuch des Papstes am 31. Oktober ist somit auch Symbol dafür, dass es eine Begegnung auf weltkirchlichem Niveau sein wird, was nicht unwichtig für eine globalisierte Welt ist. Schön, dass Franziskus dieses Zeichen im schwedischen Lund setzt und somit auch ziemlich viel Last von den Schultern des deutschen Luthertums nimmt. Denn es ist mitunter auch Bürde lutherischer Christ im „Land der Reformation“ zu sein. Lutherische Christen außerhalb Deutschlands haben oftmals einen unverstellteren Blick auf die römisch-katholische Kirche. Und umgekehrt darf das auch für Papst Franziskus gelten, wenn er einem Weltluthertum begegnet. Völlig klar dabei ist, dass es ein weiterer Schritt sein wird, der uns gemeinsam vom Konflikt zur Gemeinschaft führen wird. Wichtig erscheint mir dabei zu sein, dass wir die gemeinsame Geschichte nicht anders, sondern neu erzählen. Das bedeutet nichts zu beschönigen, sondern im Licht eines Zeitalters der Ökumene neu zu reflektieren. Selbstkritisch und eine Versöhnung im Blick habend. Ganz in diesem Sinne hat die Lutherisch/Römisch-Katholische Kommission für die Einheit ihren Bericht zum gemeinsamen lutherisch-katholischen Reformationsgedenken 2017 übertitelt. Vom Konflikt zur Gemeinschaft. freue ich mich auch angesichts gewaltiger Herausforderungen, die auf unsere Kirchen warten, in die Zukunft zu gehen. Dann wären wir ein Beispiel für eine erlösungsbedürftige Welt, die an so vielen Stellen den Weg von der Gemeinschaft zum Konflikt wählt. Dann werden wir der Welt das Heil vollständig verkünden: Jesus Christus. Danach (Kap. 5) geht es v. a. um Fragen der praktischen Ökumene, konkret deren Brennpunkte: Beteiligung bei Taufe und Firmung (Stichwort: Patenamt), ökumenischer Stand bei Eucharistie und Abendmahl, Ökumene in Ehe und Familie, die Frage der ökumenischen Gottesdienste und ihre Ausnahmeregelungen an Sonn- und Feiertagen. Die pastoralen Felder bzw. kirchlichen Grundvollzüge, angefüllt mit ökumenischen Ideen und Möglichkeiten, stehen unter der Überschrift „Ökumene – was geht? Was ist praktisch möglich?“ (Kap. 6). Inzwischen liegt auch eine ökumenische Gottesdienstordnung vor, die von den Ökumenereferaten unserer Kirchen an alle unsere Gemeinden gesandt wurde. Was wäre es segensreich, wenn diese Gottesdienstordnung in vielen ökumenischen Feiern Verwendung fände. Denn selbstverständlich braucht Ökumene immer und ständig das gemeinsame Gebet und die Rückbindung an die Heilige Schrift. Wenn wir in diesem Sinne evangelisch sind, zugleich aber auch katholisch, wenn wir verstehen und lernen gemeinsam erlittene Geschichte und Verletzungen Gott vorzulegen, damit er endlich heilsam wirkt, dann Ein herausragender Abschnitt sind die ökumenischen Grundhaltungen (Kap. 4.), wie ein tatsächliches Kennenlernen-Wollen, Respekt voreinander, Bereitschaft zur eigenen Glaubensvertiefung, die Wechselspiele von gesamtkirchlich und gemeindlich, von Geduld und „heiliger Ungeduld“, das Aufgreifen und Verstehen der Anliegen der ökumenischen Partner und die Zielgerade einer aufrichtigen Suche nach Wahrheit und Fülle. Ein Ausblick (Kap. 7) erinnert an die Perspektive bzw. das ökumenische Leitbild des Konzils, nämlich das Anstreben der „sichtbaren Einheit“. Wir fangen in der Ökumene nie „bei Null“ an, andere sind schon gemeinsame Wege gegangen, darauf lässt sich zielgerichtet aufbauen. Das letzte Kapitel (Kap. 8) ist schließlich ein praxisorientierter Anhang: Hier findet man Adressen, Links, eine Auswahl an Literaturhinweisen, ein Abkürzungsverzeichnis und schließlich als offizielle kirchliche Stimme die „Leitlinien“ der Freisinger Bischofskonferenz „für ökumenisches Handeln in pastoraler Verantwortung“. Kontakt: Kirchenrat Andreas Werner Evang.-Luth. Kirchengemeinde Die Handreichung kann nach wie vor im Ökumenereferat der Diözese kostenfrei bestellt werden, man kann sie aber auch im Netz herunterladen unter www.oekumene.bistum-wuerzburg.de/texte/handreichung-fuer-die-oekumene-in-den-gemeinden Mellrichstadt [email protected] Dr. Petro Müller 23 Das Ökumenische Zentrum Würzburg-Lengfeld D as Ökumenische Zentrum Würzburg-Lengfeld ist ein einheitlicher Gebäudekomplex mit einer katholischen (Heilig-Kreuz-Chor) und einer evangelischen Kirche (HeiligGeist-Chor). Es wurde 1975 eingeweiht und verdankt sich zweier ökumenischer Basisinitiativen Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Das eine war eine lokale Basisinitiative in WürzburgLengfeld. Der zweite Entstehungsfaktor war der allgemeine ökumenische Aufbruch in den 70er Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Die Hoffnungen waren groß, es würde, wenn nicht eine baldige Kirchengemeinschaft, so doch eine baldige Abendmahls- und Eucharistiegemeinschaft geben. Diese Sehnsucht nach der Gemeinschaft am Tisch des Herrn prägt bis heute unser Zent rum. In unseren Kirchengemeinden sind ökumenisch viele gute Beziehungen gewachsen, die die menschliche Grundlage unseres Miteinanders in unserem Ökumenischen Zentrum sind. Zugleich haben unsere ökumenischen Beziehungen ein tiefes geistliches Fundament. Es besteht im gemeinsamen christlichen Glauben, in der Wertschätzung der Eucharistie bzw. des Abendmahls und in der Sehnsucht nach einer gemeinsamen Feier. In jüngerer Zeit rückt ebenso das Sakrament der Taufe als gemeinsames Fundament in den Mittelpunkt. Nach Paulus hat der Geist Gottes uns in PFARRER Harald Fritsch Einheit wächst auf dem gemein samen Weg PFARRER Christoph Lezuo au s der Pr a xis der Taufe in einen einzigen Leib, in den Leib Christi aufgenommen (1 Kor 12,12f.27). An wichtigen Stationen des Kirchenjahres feiern wir ökumenische Gottesdienste, wobei immer wieder auch der eigenen Taufe gemeinsam gedacht wird: Im Advent – dies ist zugleich unser Weihe gottesdienst – am Jahresschluss, in der Fastenzeit (österlichen Bußzeit) und am Pfingstmontag. Im Sommer feiern wir einen gemeinsamen Gottesdienst als Beginn unseres Sommerfestes, das unser gemeinsames Gemeindefest ist. Daneben haben wir ökumenische Gottesdienste für bestimmte Zielgruppen: für Senioren anlässlich ihres runden Geburtstages, für Kleinkinder und viermal im Jahr für die Schüler der Grundschule, wo wir beide auch Religionsunterricht geben. Wir wollen uns in unseren Gottesdiensten aus allen spirituellen Traditionen des Christentums bereichern lassen. Seit 2007 veranstalten wir zusammen mit der Akademie Domschule jährlich einen Vortragsabend mit einer Persönlichkeit aus dem Bereich der Ökumene. Im diakonischen Bereich gibt es eine ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe und eine jährliche Weihnachtspaketaktion für Häftlinge der Justizvollzugsanstalt. Wir haben einen gemeinsamen Pfarrbrief, der monatlich erscheint, und eine gemeinsame Website (www.kirche-lengfeld.de). Wir verstehen unser ökumenisches Miteinander als Teil eines Ganzen. Wir Christen im Ökumenischen Zentrum sind in unserer jeweiligen Kirche beheimatet und praktizieren von da aus Ökumene. Wir sind keine Gemeinschaft, in der die konfessionellen Unterschiede abgeschliffen sind. Wir sind Teil des ökumenischen Lebens unserer Kirchen und machen die Erfahrung, dass die Einheit, die uns grundlegend in Christus geschenkt ist, auf dem gemeinsamen Weg wächst und uns bereichert. Kontakt: Harald Fritsch katholischer Pfarrer [email protected] 24 25 Ökumenisches Kirchenliedersingen PFARRER Stephan Eschenbacher au s der Pr a xis „Gott geb uns allen seiner Gnade Segen“ Ö kumenisches Kirchenliedersingen im Jahr des Reformationsgedenkens und anderes aus der Pfarreiengemeinschaft St. Kilian Haßfurt: Als Leiter der Pfarreiengemeinschaft St. Kilian Haßfurt habe ich im Wesentlichen mit drei evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden zu tun: Haßfurt, Oberhohenried und Königsberg i. Bay.. Während wir uns auf dem Gebiet der Stadt Königsberg i. Bay. als katholische Pfarrei in der Diasporasituation befinden, leben in den restlichen Pfarreigebieten mehrheitlich katholische Christen. Mit allen evangelischen Kirchengemeinden und ihren Vertreterinnen und Vertretern gibt es ein gutes geschwisterliches und konstruktives Miteinander. Für das Gedenkjahr der Reformation 2017 haben wir uns gemeinsam zunächst einmal darauf verständigt, das bewusst weiterzuführen, was in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen ist; manche ökumenischen Veranstaltungen werden dann sicher unter dem Eindruck des Reformationsjubiläums einen eigenen inhaltlichen Akzent bekommen. Besonders hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die ökumenische Kinderkirche in Unterhohenried, die parallel zu beiden Sonntagsgottesdiensten im evangelischen Gemeindehaus angeboten wird. Oder in Königsberg i. Bay. auf ein Vespergebet in der evangelischen Marienkirche, zu dem sich evangelische wie katholische Christen gleichermaßen einfinden. In Haßfurt treffen und beraten wir uns schon seit langem am ökumenischen runden Tisch, der aus Vertreterinnen und Vertretern der katholischen Pfarrei, der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde und der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde besteht. In diesem Rahmen haben wir für 2017 folgende besondere Veran staltungen geplant: Es wird einen Vortragsabend geben zum Stand des ökumenischen Prozesses: was haben wir erreicht und wie wird 26 es weitergehen. Im Mai wollen wir ein „ökumenisches Liedersingen“ auf die Beine stellen. Hintergrund dieser Veranstaltung ist die Tatsache, dass sich die Reformation vor allem durch entsprechendes Liedgut in der Bevölkerung verbreitet und Luther selbst ja auch Kirchenlieder gedichtet hat, die mittlerweile auch im katholischen Gotteslob zu finden sind zusammen mit vielen weiteren ökumenischen Liedern. Liedtexte spiegeln also eine gemeinsame Spiritualität unter den verschiedenen Konfessionen wider, was an diesem Abend besonders zum Tragen kommen soll. Es werden die Kirchenchöre und Kinderchöre der christlichen Gemeinden sowie der Posaunenchor der evangelischen Gemeinde genauso Stücke vortragen, wie es die Gelegenheit geben wird, gemeinsam Kirchenlieder zu singen. Des Weiteren ist geplant, dass das Kindermusical, das jedes Jahr im Juni stattfindet und vom evangelischen und katholischen Kinderchor gemeinsam aufgeführt wird, im nächsten Jahr das Leben Luthers thematisiert. Und auch der jedes Jahr stattfindende ökumenische Kinderbibeltag wird ein Thema aufgreifen, das für Luthers biblische Theologie wichtig war. Eine Idee, die noch nicht ganz ausgereift ist in dem Sinn, als dass sich noch keine konkrete Veranstaltung damit verbindet, möchte ich abschließend noch erwähnen. Das Reformationsgedenken kann auch ein guter Anlass sein, die konfessionsverschiedenen (oder -verbindenden) Ehen in irgendeiner Form zu würdigen, die sicher oft mit viel Geduld, Ausdauer und Selbstbewusstsein den ökumenischen Prozess – bewusst oder unbewusst – maßgeblich geprägt und vorangebracht haben. Kontakt: Pfarrer Stephan Eschenbacher Pfarrgasse 8 , 97437 Hassfurt [email protected] 27 au s der Pr a xis Impuls (e) PFARRER Peter Neubert Einheit der Christen FÜR EINE LEBENDIGE EINHEIT DER CHRISTEN Erfahrungen mit der Gebetswoche für die Einheit der Christen in Miltenberg am Main (Unterfranken) I n der Kleinstadt Miltenberg am Main wurde 2003 nach vielen guten Jahren des ökumenischen Zusammenwirkens die ACK Miltenberg (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen) gegründet: Neben der römisch-katholischen und der evangelischlutherischen Kirchengemeinde waren damals auch die beiden evangelischen Freikirchen mit dabei. Seitdem gestaltet und veranstaltet die ACK Miltenberg ein lebendiges und spannendes ökumenisches Programm mit rund zehn Veranstaltungen jährlich. Eine davon war von Anfang an ein Gottesdienst im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen an einem Werktag-Abend zwischen dem 18. und 25. Januar. Der Ort wechselt jedes Jahr, weitere Veranstaltungen (z. B. die Medita tionen und Gebete zu den acht Tagen der Gebetswoche) werden nicht durchgeführt. In der Regel passt ein kleines Vorbereitungsteam bei einem einmaligen Treffen den Vorschlag der ACK Deutschland zur Gestaltung des Gottesdienstes an unsere Miltenberger Situation an: Die meist (zu) ausführlichen Texte werden dabei gekürzt, die (oft) unbekannten Lieder durch gängige, singbare ersetzt. Gerne aber folgen wir dem Thema, den (kreativen) Anstößen und dem liturgischen Ablauf. Musikalisch gestaltet meist unsere ökumenische Schola den Gottesdienst mit, die Predigt wird jährlich wechselnd von einem der Geistlichen gehalten. So selbstverständlich und ansprechend die ACK den Gottesdienst jährlich feiert, so enttäuschend ist allerdings auch immer wieder der Besuch der Gemeindeglieder. Wäre da nicht die Schola, deren Sängerinnen und Sänger oft auch ihre Familien mitbringen, kommen nur 20 bis 30 Miltenberger zum Gottesdienst. Das mag verschiedene Gründe haben: →Ein einmaliger Termin in einem jährlichen Rhythmus fällt allzu leicht unter den Tisch. →Ein Gottesdienst, in dem „vor allem“ gebetet wird, ist nicht attraktiv genug bzw. zieht nur Christen mit einer gewissen Frömmigkeit an. →Der wechselnde Ort führt dazu, dass tendenziell Mitglieder der eigenen Gemeinde teilnehmen. Der Weg in eine „fremde“ Kirche scheint recht weit. →Das Anliegen selbst, die Einheit der Christen, genießt, so ist zu befürchten, nicht erste Priorität in unseren Gemeinden!? Demgegenüber wird das jährliche ökumenische Pfarrfeste, ein Gottesdienst im Rahmen des Stadtfestes oder auch der ökumenische Kinderbibeltag besser wahr- und in Anspruch genommen. Nichtsdestotrotz steht der Gottesdienst im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen als wichtiger und fester Termin der ACK Miltenberg im Kalender. Ja, der Termin ist eigentlich das Zentrum unseres ökumenischen Arbeitens. Nicht zufällig wurde die ACK 2003 im Rahmen der Gebetswoche zur Einheit der Christen gegründet. Einmal im Jahr (mindestens) beten wir also um Einheit, um die Überbrückung der ökumenischen Trennung, um Versöhnung dort, wo konfessionelle Grenzen immer noch manche Köpfe und Herzen sperrig und traurig machen. Wir feiern die Einheit der unsichtbaren Kirche, die uns als Verheißung und Aufgabe immer wieder neu begegnet. Die Gebetswoche für die Einheit der Christen ist für uns in Miltenberg unverzichtbar, „damit sie eins werden in deiner Hand“! (Hesekiel 37,17). Kontakt: Peter Neubert, Pfarrer der Evang.-Luth. Kirchengemeinde Miltenberg „Wir sind die Kirche des Landes der Reformation. Die Kirchengeschichte unseres Landes ist geprägt von der Geschichte der großen Glaubensspaltung in der abendländischen Christenheit. Darum wissen wir uns jener gesamtkirchlichen, wahrhaft „katholischen“ Aufgabe, nämlich dem Ringen um eine neue lebendige Einheit des Christentums in der Wahrheit und in der Liebe, in vorzüglicher Weise verpflichtet. Die Impulse des jüngsten Konzils in diese Richtung verstehen wir deshalb auch als besondere Wege und Weisungen für unsere Kirche in der Bundesrepublik Deutschland. Wir wollen das offensichtlich neu erwachte Verlangen nach Einheit nicht austrocknen lassen. Wir wollen den Skandal der zerrissenen Christenheit, der sich angesichts einer immer rascher zusammenwachsenden Welt tagtäglich verschärft, nicht bagatellisieren oder vertuschen. Und wir wollen die konkreten Möglichkeiten und Ansatzpunkte für eine verantwortliche Verwirklichung der Einheit nicht übersehen oder unterschätzen. Diese Einheit entspringt der einheitsstiftenden Tat Gottes, aber doch durch unser Tun in seinem Geist, durch die lebendige Erneuerung unseres kirchlichen Lebens in der Nachfolge des Herrn. Die Redlichkeit und Lebendigkeit unseres Willens zur Einheit soll sich nicht zuletzt verwirklichen und bezeugen in der besonderen geistlichen Verbundenheit und praktischen Solidarität mit allen Christen in der Welt, die um des Namens Jesu willen Verfolgung leiden.“ (Würzburger Synode, Beschluss „Unsere Hoffnung“ IV, 1). „Die Einheit des Glaubens wurzelt in jener Wahrheit, die der Vater in Jesus Christus offenbar gemacht hat und die kraft seines Heiligen Geistes durch die Gemeinschaft der Kirche Gestalt gewinnt in jedem Leben, das von Glaube, Hoffnung und Liebe bestimmt ist. Wo Kirchen und kirchliche Gemeinschaften gemäß der Schrift Jesus Christus, wahren Gott und wahren Menschen, als einzigen Mittler des Heils zur Ehre Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, bekennen, ist eine grundlegende Einheit im Glauben gegeben.“ (Würzburger Synode, Beschluss „Pastorale Zusammenarbeit der Kirchen im Dienst an der christlichen Einheit“ 3.2.1) „Der Glaube erschöpft sich nicht in der Annahme von Glaubenssätzen. In der Welt von heute erfährt der Christ stärker als früher, daß es beim christlichen Glauben um eine von der Gnade Gottes getragene Grundentscheidung geht, in der sich der Mensch „als ganzer in Freiheit Gott überantwortet“ (DV 5). Dabei erfährt er eindringlich die Spannung zwischen freier Entscheidung und dem ‚Gehorsam des Glaubens‘ (Röm 16, 20). Darum muß eine Einigung im Glauben begleitet sein vom Willen zur gemeinsamen Nachfolge Jesu im Dienst an den Menschen und in der Verherrlichung Gottes. Die im Glauben vollzogene Grundentscheidung, die sich im Bekenntnis und in der gesamten Lebensorientierung äußert, verlangt auch gemeinsames Tun.“ (Würzburger Synode, Beschluss „Pastorale Zusammenarbeit der Kirchen im Dienst an der christlichen Einheit“ 3.2.5) „Einheit der Kirche meint nicht zuerst Organisation und Lehre, sondern vor allem Leben in der Gnade Gottes. Das heißt: Einheit ist letztlich Gottes freies Geschenk; heißt aber auch: Einheit der Kirche ist notwendig mit der Umkehr der Christen zu Gott verbunden. Das Rufen nach Einheit bleibt Lippenbekenntnis, wenn die Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften ihr Leben nicht im Geist Christi erneuern.“ (Würzburger Synode, Beschluss „Pastorale Zusammenarbeit der Kirchen im Dienst an der christlichen Einheit“ 4.2) [email protected] 28 29 130 Jahre Weltgebetstag der Frauen Dr. Irene Tokarski au s der Pr a xis S eit 500 Jahren streiten mehrheitlich männliche Theologen um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen. Und wahrscheinlich werden sie das nochmals 500 Jahre tun. Währenddessen haben Frauen aus allen christlichen Kirchen seit 130 Jahren konkret die Ökumene praktiziert: Der Weltgebetstag der Frauen wurde 1887 von methodistischen und presbyterianischen Frauen in den USA gegründet, denen Mann es nicht zutraute, als Missionarinnen in die Welt zu ziehen. Also taten sie das, was ihnen keiner verwehren konnte: Sie fingen an zu beten. Aus diesem Gebet ist die älteste und größte ökumenische Bewegung weltweit entstanden. Der Weltgebetstag der Frauen (WGT) wird jedes Jahr von christlichen Frauen aus einem anderen Land vorbereitet und dann am ersten Freitag im März nacheinander durch die verschiedenen Zeitzonen hindurch in mehr als 100 Ländern rund um den Globus insgesamt 24 Stunden lang gefeiert. Eine ökumenische Basisbewegung, die sich seit 130 Jahren der männlichen Dominanz in den Kirchen entgegenstellt und Frauen weltweit auf vielfältige Weise ermutigt, ihren Platz einzunehmen in Kirche und Gesellschaft. Da übernehmen Frauen aus dem Viertel die Leitung der Gottesdienste, trauen sich vor großem Publikum aufzutreten, was sie in ihrem „normalen“ Leben kaum tun würden. Wer von den hauptamtlichen Kirchenprofis am ersten Freitag im März vor Ort ist, mag manches dilettantisch finden, mit wenig theologischem Wissen oder liturgischem Gespür. Diese Frauen tun es trotzdem, nicht, weil sie plötzlich dem Größenwahn verfallen wären, sondern weil sie sich von einer weltweiten Gemeinschaft getragen fühlen, der die Heilige Geistkraft etwas ganz Besonderes anvertraut hat: das alle Grenzen überschreitende gemeinsame und lauthalse Gebet. Erste Grenzüberschreitung: Da sind zunächst eine Million Frauen, Kinder und Männer, die in Deutschland über ihren Kirchturm hinausschauen und sich jedes Jahr mit der Situation von Frauen 30 in einem anderen Land, mehrheitlich des globalen Südens, auseinandersetzen. Keine andere Initiative der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit in Deutschland erreicht eine nur annähernd vergleichbar große Zielgruppe. Da geht es zwar auch um Kochrezepte aus dem jeweiligen Land, aber bei weitem nicht nur. Am Beispiel des philippinischen Gottesdienstes für diesen 3. März 2017 erklären Frauen am Thema Reis, wie der Welthandel funktioniert – oder besser: nicht funktioniert, welchen Anteil wir im Norden daran mit unserem Konsumverhalten haben und wie die Korruption vor allem die Länder des Südens im Würgegriff hat. Bei tausenden von Vorbereitungstreffen in ganz Deutschland wird aber auch aufgezeigt, wie Reis die Theologie der Philippinen geprägt hat. Im Gottesdienst werden kleine Reistütchen verteilt werden, damit wir ihn zu Hause unter den eigenen mischen können, uns also buchstäblich einmischen. Und sicher wird es in vielen Gemeinden Reis mit Kokosnuss (ein Hauptexportgut der Philippinen) als kleine Nachspeise nach dem Gottesdienst geben. So näh(e)rt sich frau ganzheitlich an die entwicklungspolitische Fragestellung auf den Philippinen und weltweit an. Das gemeinsame Gebet überschreitet zweitens dabei bewusst die über Jahrhunderte blutig verteidigten Grenzen der christlichen Konfessionen: Gerade im Reformationsjahr bekennen Frauen beim deutschen Weltgebetstag laut und sichtbar: 500 Jahre Trennung sind genug, wir beten zusammen, wir beten die Welt zusammen. Während mehrheitlich männliche Theologen und Kirchenobere weiter über Ökumene streiten, wird diese von den Frauen – in der Regel ohne Ämter und Würden – einfach gelebt und herbeigebetet. Bei den bundesweiten Schulungen der Multiplikatorinnen im letzten Jahr konnte frau erleben, wie nach Tagen der intensiven gemeinsamen Arbeit plötzlich die Frage nach den anwesenden Konfessionen auftauchte. Es war eine Frage des Interesses an den anderen, des sich noch besser Kennenlernens, nicht der Abgrenzung. Für den Weltgebetstag 1982 haben Frauen aus dem überwiegend katholischen Irland und dem stark protestantisch geprägten Nordirland gemeinsam den Gottesdienst vorbereitet – lange vor dem Friedensabkommen im Jahr 1998. Dritte Grenzüberschreitung: Der Weltgebetstag ist eine Basisbewegung von Frauen, die keine Hierarchie braucht. In vielen Ländern gibt es kaum Strukturen. Es ist also im besten Sinne des Wortes eine charismatische Bewegung. Frauen treffen sich Anfang des Jahres, studieren die Gebets- und Bibeltexte, informieren sich über das jeweilige Land, trommeln andere zusammen, bereiten den Gottesdienst vor. In zahlreichen Ländern und Konfessionen auch gegen den Willen ihrer Kirchenoberen, und ohne finanzielle Mittel – ausser dem, was jede einzelne beisteuert. Aber sie lassen sich nicht beirren oder entmutigen. Es ist jener zähe, positive Graswurzel-Widerstand, der schon die biblischen Frauengestalten wie Rahab oder Ruth im Ersten oder die syro-phönizische Frau im Zweiten Testament ausgezeichnet hat. In Deutschland gibt es ei- nen gemeinnützigen Verein, der mit schlanker Organisation die Beteiligung der Frauen aus zwölf Mitgliedsorganisationen und neun verschiedenen Konfessionen an den Entscheidungen sichert. Zum Leben kommt der WGT vor Ort aber durch tausende ehrenamtliche Frauen. Die vierte Grenzüberschreitung ist eine urchristliche und spirituelle, die seit dem Beginn des Christentums selbstverständlich war und es trotzdem nicht immer ist. Wer für andere betet, darf es nicht bei frommen Sprüchen belassen. Im Motto des internationalen Weltgebetstages kommt dies klar zum Ausdruck: Informiert beten – betend handeln. In jedem Gottesdienst ist deshalb die konkrete Hilfe für Menschen in Not Teil des Weltgebetes. Dabei kommt es nicht auf die Höhe der Gabe an, es geht um gelebte Solidarität. Der unscheinbare Obulus einer armen Witwe aus Syrien wiegt genauso schwer wie 2,7 Millionen Euro Kollekte beim Weltgebetstag in Deutschland. Mit der deutschen Kollekte werden Frauenprojekte weltweit unterstützt. Auch die WGT-Förderpolitik ist mehr ausgerichtet auf begleitende und mutmachende Unterstützung als auf große Geldsummen. In den Philippinen unterstützt der WGT unter anderem mehrere Organisationen, die Rechtsberatung für Arbeitsmigrantinnen im Ausland anbieten: Für philippinnische Haushaltshilfen in den arabischen Staaten, die oft Muslimas sind, Krankenschwestern in Deutschland oder Kindermädchen in den USA – und dies zum Teil seit mehr als 20 Jahren. Es geht um Ermächtigung, damit Frauen ihre Rechte einfordern und durchsetzen können. Diese gelebte Solidarität kennt keine Grenzen und findet ihren Ausdruck natürlich auch in tausenden von unentgeltlichen Arbeitsstunden, die Frauen jedes Jahr in ihren Gemeinden leisten: In der Sorge für Flüchtlinge oder verarmte und alte Menschen oder im Kindergottesdienst. Das meiste davon wird im Verborgenen einfach getan, ohne Aufhebens. Doch einmal im Jahr kommen diese Frauen zusammen und sagen es laut und weltweit: Jeder Mensch dieser Erde hat das Recht auf Leben und die gleiche Würde und ist von Gott geliebt. Für die Frauen des Weltgebetstages rückt die Welt enger zusammen. Um mit John Wesley zu sprechen – denn schließlich waren an der Gründung wesentlich methodistische Frauen beteiligt: Die ganze Welt ist ihre Pfarrei. Sie fangen an, Menschen aus anderen Kontinenten auf Augenhöhe zu begegnen. Sie öffnen ihre Türen – sowohl ihrer Wohnungen als auch ihres Herzens. Das ist der einzige Weg, wie Ökumene geht. Sie streiten auch über theologische Unterschiede, aber vor allem handeln sie – informiert und betend. Kontakt: Dr. Irene Tokarski Geschäftsführerin und theologische Referentin Weltgebetstag der Frauen - Deutsches Komitee e.V. www.weltgebetstag.de www.facebook.com/weltgebetstag 31 au s der Pr a xis Ökumenische Tradition Schon seit vielen Jahren verstehen sich die Seelsorgerinnen und Seelsorger am Uniklinikum Würzburg (UKW) als ökumenisches Team (ÖT). Unterschiedliche Berufsgruppen und Ehrenamtliche leisten den seelsorgerlichen Dienst an den Kranken, den Angehörigen und dem Personal der Klinik. 14 Angestellte der evangelischen und katholischen Kirche gehören zum ÖT. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Klinikseelsorge von der Krankenseelsorge weiterentwickelt hin zur Seelsorge für die Menschen in einer Institution. Insofern ist die Klinik mit ihren Menschen für uns wie eine Gemeinde. Kontakt: Christian Hohm Pastoralreferent, Klinikseelsorger [email protected] www.seelsorge-im-krankenhaus. bistum-würzburg.de Stationsprinzip Am UKW ist für jede Station jeweils ein Seelsorger zuständig. Dort besucht er alle Patienten unabhängig von deren Konfession und Religion. Auch wenn der Wunsch nach seelsorgerlicher Begleitung bei konfessionslosen oder religiös „unmusikalischen“ Menschen besteht, hält sich ein Ansprechpartner bereit. Falls ein Patient einen Vertreter der eigenen Konfession wünscht, wird das gerne vermittelt. Ökumene plus Ökumenische KlinikSeelsorge am Uniklinikum Würzburg 32 Christian Hohm Ökumenisch und trotzdem konfessionell Die Aufgaben im Team werden zum großen Teil unabhängig von der Konfession übernommen. In der Leitung und den verschiedenen Arbeitsgruppen der Seelsorge gilt: ökumenisch vor konfessionell. Trotzdem gibt es für alle Patienten auch weiterhin die Möglichkeit zu ausgesprochen konfessioneller Zuwendung: Feier des Abendmahls am Krankenbett oder auch die Spendung der Sakramente der Krankensalbung und der Versöhnung. Auch die Kommunion kann den Patientinnen und Patienten zu unterschiedlichen Zeiten gereicht werden und nicht nur konzentriert am Sonntag. Diese wichtige pastorale Aufgabe übernehmen sehr gerne unsere Ehrenamtlichen im Team des Kommuniondienstes. Verschwimmende Konfessionsgrenzen bedeuten Chancen Die konfessionelle Zugehörigkeit der Patienten wie der Seelsorger spielt kaum noch eine Rolle. Als Seelsorger brauchen wir nicht viel mehr als ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Menschen. Das eröffnet viel Freiheit und Offenheit. So erzählte mir die evangelische Pfarrerin, dass sie am Sterbebett einer katholischen Patientin „Segne du, Maria“ gesungen hat. Und die katholischen Kollegen haben gar keine Mühe, am Krankenbett die Lutherübersetzung zu verwenden, wenn z. B. ein Psalm gewünscht wird. habende Seelsorger an den Kollegen. Oft geht es dabei z. B. um die Spendung der Krankensalbung durch einen Priester. In Sterbesituationen ist nicht mehr selbstverständlich wie früher die Krankensalbung gefragt, z. B. weil sie im Verlauf der Krankheit bereits gespendet wurde oder weil es oft eher um die Begleitung eines Sterbenden geht als um die Begleitung in Krankheit. So ist die Krankensalbung auch im theologischen Sinn nicht zuerst (oder sogar gar nicht) Sterbesakrament, sondern Sakrament der Stärkung bei Krankheit. Seit dem Jahr 2014 gibt es vom Bischof in Kraft gesetzt die Möglichkeit, Sterbende mit der Feier des Sterbesegens zu begleiten. Diese Form kann von allen Seelsorgern mit sterbenden Menschen gefeiert werden. Was es dafür braucht, ist ökumenische Offenheit. Überlegungen für die Zukunft Unsere Gottesdienste sind aktuell konfessionell ausgerichtet. Alle Menschen können daran teilnehmen. Volle Einheit gibt es aber leider auch nicht am UKW. Was macht einen Gottesdienst zu einem ökumenischen Gottesdienst? Ein Antwortversuch ist: Ein Gottesdienst wird nicht zu einem ökumenischen Gottesdienst, wenn die offiziellen Amtsträger, also katholischer und evangelischer Pfarrer oder Hauptamtlicher der Feier vorstehen. Da wird oft noch sehr amtstheologisch gedacht und zwar in beiden Konfessionen. Gerade im Krankenhaus gibt es mehr Handlungsspielräume. Denn zur gleichen Uhrzeit müssen sonntags nicht mehrere unterschiedliche Gottesdienste gefeiert werden (klassische Messfeier, evangelisches Abendmahl und „katholische“ Wort-Gottes-Feier, jeweils mit geringen Besucherzahlen), nur weil man gerade noch personell gut ausgestattet ist. Wirklich ökumenisch könnte so sein: Sonntags gibt es einen Gottesdienst, alle – auch die ehrenamtlichen – Seelsorgerinnen und Seelsorger – leiten abwechselnd diese Feier und sie bekommt ihr Gepräge jeweils durch die Mitfeiernden. Experimenteller Mut in Leitungsfragen Im Team suchen wir nach synodalen und demokratischen Leitungsformen und experimentieren auch damit. Neben den formalen Dienststellenleitern können auch vom Team gewählte Vertreterinnen im Leitungsgremium sein. Dieses ist auf Zeit gewählt, wie wir es aus der Tradition der Orden kennen. Außerdem müssen nicht automatisch die Pfarrer im Leitungsgremium mitarbeiten, wenn sie bei sich andere Charismen bemerken. So wird deutlich, dass Seelsorge nicht an Titeln und Ämtern hängen muss, sondern vom Engagement derjenigen getragen ist, die die Seelsorge in solch einer Institution verantworten. Ökumenische Neuausrichtungen – Rufbereitschaft – Sterbesegen Unsere Rufbereitschaft ist ökumenisch. Ein Seelsorger ist rund Zusammen sind wir mehr – Ökumene plus um die Uhr erreichbar, an jedem Tag der Woche, auch an allen Gesamtkirchlich, aber auch konkret in unserer „Gemeinde Uniklinik Feiertagen. Das ist uns ganz wichtig und unterscheidet uns von Würzburg“ erlebe ich noch genug Angst, von den anderen, also z. B. mancher Situation in den „normalen“ Gemeinden. Über die Tele- der Mehrheitskonfession, überrollt und vereinnahmt zu werden. fonzentrale der Klinik erreicht man die diensthabende Seelsorge- Umgekehrt darf das Vertrauen noch wachsen, dass die Minderrin, die dann vor Ort ihren Dienst tut: seelsorgerliches Gespräch, heitskonfession aus ihrer Tradition wertvolle Beiträge zur pastoGebet und/oder ein Segensgebet. Falls darüber hinaus Bedarf ralen Entwicklung leisten kann. Wir dürfen selbstbewusst sagen: besteht für konfessionelle Seelsorge, dann vermittelt der dienst- „Zusammen sind wir mehr als evangelisch und katholisch allein“. 33 Chancen für eine multilaterale Ökumene PFARRER Stefan Meyer au s der Pr a xis Lokale Arbeitsgemeinschaften christlicher Kirchen E s ist ja fast schon normal, wenn sich katholische und evangelische Christen zu Gottesdiensten und Bildungsveranstaltungen zusammen finden. Das verstehen wir dann landläufig auch unter Ökumene: Ein funktionierendes „Tandem“ der beiden großen Volkskirchen, und dabei ist es ziemlich unwichtig, wer gerade vorne oder hinten sitzt. Und das ist auch gut so! Aber dieses ökumenische Tandem ist doch sehr eingeschränkt, denn weitere Mitfahrer kommen da häufig nur sehr unangemessen vor. Und da ist es gut, auch einmal auf ein anderes Fahrzeug umzusteigen, eines mit mehreren Rädern und weitaus mehr Mitfahrern. Denn immer mehr wird uns bewusst, dass wir, Katholiken und Evangelische, nicht die Einzigen sind. Man braucht nur die Augen zu öffnen, um zu erkennen, dass noch viel mehr christliche Kirchen unterwegs sind: Evangelische Freikirchen wie z. B. die Methodisten und Baptisten genauso wie orthodoxe und orientalische Kirchen. Die Möglichkeit, sich in dieser Vielfalt zu begegnen, bietet die Gründung einer lokalen Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (kurz: ACK). 22 gibt es davon bereits in Bayern, und die jüngste von ihnen ist die ACK Main-Mömling-Elsava. Sie umschließt die Orte Obernburg, Elsenfeld, Erlenbach am Main und Mömlingen und sie hat neben drei katholischen Pfarreiengemeinschaften, zwei evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden und zwei orthodoxen Gemeinden auch die Katholische Krankenhausseelsorge als Mitglied. 34 Vor allem aber: Gemeinsam sind wir mehr … nicht nur an Personen, sondern auch an Ideen, an Traditionen, an Erfahrungen, und wir können uns gegenseitig befruchten und auch gemeinsam feiern: Segnungsgottesdienste für konfessionsverbindende Ehen, ökumenische Pfingstvespern und gegenseitige Einladung z. B. zu Altarweihe, Wassersegnung und Ordination werden selbstverständlich! Denn christliches Leben ist von seinem Wesen her immer vielseitig, und doch stets gegründet auf Gottes Wort … und auf der Bereitschaft, auch auf kritische Fragen der Partner offen und ehrlich einzugehen. Kontakt: Pfarrer Stefan Meyer Vorsitzender ACK Main-Mömling-Elsava Dekanats-Ökumenebeauftragter [email protected] Das regelmäßige Treffen von Haupt- und Ehrenamtlichen, die gemeinsamen Aktivitäten und die persönlichen Kontakte verbessern merkbar das Verständnis der Christen untereinander. Gerade die in Bayern kleinen Kirchen, wie z. B. die Orthodoxen, können davon profitieren: Die öffentliche Wahrnehmung, z. B. bei Segenshandlungen und Empfängern, verändert sich; geschwisterliche Beziehungen und Freundschaften zwischen Menschen der verschiedenen Konfessionen und Gemeinden wachsen. 35 „Erste Hilfe für die Seele“ Ulrich Wagenhäuser au s der Pr a xis Notfallseelsorge – von einer ökumenischen Initiative zur Institution N otfallseelsorge gibt es, seit es Seelsorge gibt. Die Sorge um den Menschen in Not galt schon immer als eine Kernaufgabe, derer sich kein Christ entziehen soll. Dies zeigen die Botschaft und das Handeln Jesu, der sich von der Not der Menschen ansprechen ließ. Die „Werke der Barmherzigkeit“ geben hiervon Zeugnis. „Die Kirche der Zukunft ist eine Kirche an den Lebenswegen der Menschen. Dies gilt selbstverständlich auch in Notfällen und Krisensituationen. Hier hilft die Notfallseelsorge als ,Erste Hilfe für die Seele‘ mit verlässlicher Präsenz und Begleitung, sie hilft auf der Suche nach Wegen, Gefühlen Ausdruck zu geben, sie hilft durch Zuhören, durch Beten und Bezeugen, sie hilft auch durch das Angebot von Riten des Abschieds und der Trauer, oftmals allein durch stille Anwesenheit.“ (Quelle: Grußwort des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Dr. h.c. Nikolaus Schneider, und des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen, Kassel, 2012) In der Diözese Würzburg existiert die Notfallseelsorge seit 1995; angefangen im Kleinen (Schweinfurt, Würzburg), z. B. wenn ein Seelsorger gleichzeitig in der Feuerwehr oder im Rettungsdienst verwurzelt war, waren die ersten Schritte der Notfallseelsorge stets ökumenisch ausgelegt und geprägt, getragen von Seelsorgern und Seelsorgerinnen beider Konfessionen, die persönlich in geschwisterlicher Verbundenheit ihren Glauben lebten und daraus handelten. Und das gilt bis heute. Heute können wir im Bereich der Diözese Würzburg, sprich in Unterfranken, eine flächendeckende Versorgung durch die öku- 36 menische Notfallseelsorge verzeichnen, vereinzelt regional in enger Kooperation mit Kriseninterventionsteams (KIT) der Hilfsorganisationen, wie z. B. die Malteser und das Bayerische Rote Kreuz. Im Mittelpunkt der Notfallseelsorge steht der hilfsbedürftige Mensch in akuter Notsituation; somit ist Kirche erreichbar: unmittelbar, überkonfessionell, professionell. Notfallseelsorge geschieht in ökumenischer Weite und Offenheit, mit interreligiöser Kompetenz und in besonderer Sensibilität für die kulturspezifischen Prägungen aller Betroffenen. Des weiteren sind die Seelsorgerinnen und Seelsorger in der Notfallseelsorge im Kontext der extremen Situation des nahen und plötzlichen Todes, „Botschafter des Lebens an der Grenze des Todes“, d. h., sie werden getragen vom österlichen Mysterium, von Jesu Leiden, Jesu Tod, Jesu Auferstehung und der Zusage seiner bleibenden Nähe. Jeder, der in der Notfallseelsorge Dienst leistet, bezieht u. a. aus dieser Zusage Kraft und Mut: Nicht Ohnmacht, Schmerz und Leere des Todes haben das letzte Wort, sondern Gott will das Leben! Und dies will die Notfallseelsorge in der konkreten Situation präsent machen. Ein Bestandteil des Selbstverständnisses der Notfallseelsorge ist ihre Verlässlichkeit. Weil eben die beiden Kirchen in ökumenischer Gemeinsamkeit Menschen angesichts des plötzlichen Todes Begleitung anbieten, ist die Notfallseelsorge, wie auch hier in der Diözese Würzburg, rund um die Uhr zuverlässig erreichbar. Die Anforderung dieses kirchlichen Dienstes erfolgt durch die Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste über die drei integrierten Leitstellen in Aschaffenburg, Schweinfurt und Würzburg. In der Diözese Würzburg wird die Notfallseelsorge vor Ort in ökumenischer Verantwortung wahrgenommen. Katholische und evangelische Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie vereinzelt ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Notfallseelsorge arbeiten zum Wohl der Betreuten intensiv und vertrauensvoll zusammen. Dazu trägt auch eine gute, persönliche Beziehung und Wertschätzung der Kolleginnen und Kollegen beider Kirchen untereinander bei (die „Gesichter“ sind konfessionsverbindend untereinander bekannt). Sichergestellt wird dies u. a. durch die fundierte Aus- und Fortbildung gemäß den „Gemeinsamen Qualitätsstandards und Leitlinien zu Maßnahmen der Psychosozialen Notfallversorgung“, die die katholische und evangelische Kirche zusammen mit den großen Rettungsorganisationen in Deutschland vereinbart haben (2013). Die Aus- und Fortbildung geschieht in den Systemen der Diözese, sprich in Unterfranken, im Raum der beiden Kirchen mit Einbeziehung des jeweilig anderen, ökumenischen Pedant. Der hohe Qualitätsstandard der Notfallseelsorge wäre ohne solch eine qualifizierte Grundausbildung und konsequente Fortbildung nicht möglich. Des weiteren spiegelt sich die ökumenische Zusammenarbeit in der engen und vertrauensvollen Kooperation der jeweiligen Dekanats- oder Systembeauftragten, die den Dienst der Notfallseelsorge in ihrem Bereich koordinieren, wider. Diese Struktur findet man auch auf überregionaler Ebene in Person der Diözesanbeauftragten und der Beauftragten der Landeskirchen. Auch hier ist die Kooperation gute ökumenische Tradition. Als Fazit ist festzustellen: Die Arbeit der ökumenischen Notfallseelsorge hat inzwischen einen hohen Stellenwert im Bereich der Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten inne (dies gilt im häuslichen Bereich, wie z. B. Betreuung nach frustraner Reanimation, Überbringung einer Todesnachricht mit der Polizei, als auch bei größeren Schadenslagen, wie z. B. Verkehrsunfälle, Brände oder wie zuletzt in Würzburg/Heidingsfeld, nach einer Amoklage). So gesehen entwickelt sich die Notfallseelsorge in der Diözese Würzburg ständig weiter. Dabei geht es nicht nur um Optimierung von Strukturen, sondern auch um Aktualisierung von Inhalten: Als „Dienst am Menschen“ muss sich die Notfallseelsorge den sich wandelnden Herausforderungen von Zeit und Gesellschaft stellen. Mit dieser ökumenischen Geschwisterlichkeit entwickelte sich die Notfallseelsorge von einer Initiative zu einer In stitution, die heute aus der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken ist. Kontakt: Ulrich Wagenhäuser, Diakon Diözesanbeauftragter für Notfallseelsorge/ Seelsorge in Feuerwehr und Rettungsdienst [email protected] www. notfallseelsorge.bistum-wuerzburg.de 37 Impuls (e) Pfarrerin Dr. Claudia Jahnel au s der Pr a xis Christliches Zeugnis in einer multi religiösen Welt So aktuell, kurz und konkret sind ökumenische Erklärungen selten! In 1.500 Worten skizziert das in Deutschland unter dem Titel „Mission Respekt“ rezipierte „Christliche Zeugnis“ eine Ethik der Mission. Der erste Absatz fasst das Programm zusammen: Es ist für ChristInnen unverzichtbar, Gottes Wort zu verkünden. Ebenso unverzichtbar ist es auch, dass dies „im Einklang mit den Prinzipien des Evangeliums geschieht, in uneingeschränktem Respekt vor und Liebe zu allen Menschen“. Das mag auf den ersten Blick als nichts Neues erscheinen. Wer genauer hinschaut, wird aber mehrfach überrascht. Zuerst von den Herausgebern: Das 2011 veröffentlichte Dokument wurde von drei Institutionen erarbeitet, die hinsichtlich der Themen Mission und christliches Zeugnis in der Vergangenheit mehr zu trennen als zu verbinden schien: dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) und dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog (PCID). Anlass für diese erstmalige Kooperation ist die Wahrnehmung, dass interreligiöse Spannungen weltweit zunehmen bzw. dass Religionen für politische Auseinandersetzungen missbraucht werden. Auch ChristInnen werden freiwillig oder unfreiwillig, aktiv oder passiv oftmals in diese Konflikte einbezogen. Überraschend ist ferner, dass aus einem Diskussionsprozess, der zunächst primär die Religionsfreiheit im Blick hatte, ein Dokument wurde, das selbstkritisch Übergriffe innerhalb der christlichen Missionspraxis ahndet. Abgelehnt wird jegliche missionarische Aktivität, die Gewalt anwendet: sei es physische, psychische oder soziale Gewalt an Einzelnen; seien es Diskriminierung und Unterdrückung durch religiöse oder säkulare Autoritäten oder von heiligen Gebäuden, Texten oder Orten; oder sei es Gewalt, die die Würde des Menschen verletzt, indem sie die Verwundbarkeit und das Bedürfnis nach Heilung von Menschen ausnutzt. Dringlicher denn je sind heute auch jene „Prinzipien“, die interreligiösen Dialog und christliches Zeugnis als Einheit verstehen und die Selbstverpflichtung zum respektvollen Zusammenarbeiten der Religionen für Frieden, Gerechtigkeit und Gemeinwohl als Ausdruck des christlichen Glaubens und der Mission der Kirche bewerten. „Christliches Zeugnis“ ist ein wichtiges Zeugnis des Geistes der Ökumene, der auch Menschen anderen Glaubens in Respekt und Liebe einbezieht. Sonne der Gerechtigkeit Gotteslob 481 Pfarrerin Dr. Claudia Jahnel leitet das theologische Bildungs- und Grundsatzreferat bei Mission EineWelt (Centrum für Partnerschaft, Entwicklung und Mission der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern) und ist Privatdozentin am Lehrstuhl für Religions- und Missionswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Kontakt: Pfarrerin Dr. claudia jahnel Mission EineWelt, Neuendettelsau [email protected] 38 39 Konfessioneller Religionsunterricht Konfessionelle Zusammenarbeit im Religions unterricht als locus theologicus D er Religionsunterricht eröffnet den Schülerinnen und Schülern eine besondere Perspektive auf die Welt. Beispiele aus dem Alltag werden aus der Sicht des Glaubens gedeutet und reflektiert. Religiöse Überlieferung wird mit den Augen des Alltags neu gelesen und mit unserer Gegenwart in Beziehung gebracht. Das ist sowohl individuelles als auch gemeinschaftliches Geschehen. Der Synodenbeschluss von 1974 hat die religiöse Bildung und Erziehung auf die beiden Pfeiler der Konfessionalität und den ökumenischen Geist gestellt. Religiöse Weltdeutung ist Vollzug in einem in sich stimmigen konfessionellen Deutungsraum, der dem Einzelnen verbindliche Orientierung ermöglicht. Der Religionsunterricht kann das nur dann leisten, wenn er konfessionell ist und sich zugleich ökumenisch ausgerichtet weiß. Die Einlösung der Konfessionalität als Grundbedingung religiösen Lernens sucht in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Heterogenität neue Mittel und Wege. Insbesondere in Diasporagebieten sind inno vative und standortsensible Konzepte gefragt. Dazu gehört eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den christlichen Konfessionen. Schon jetzt bestehen dafür vielfältige Möglichkeiten im und außerhalb des Religionsunterrichts. Gemeinsame Themen in den Lehrplänen fördern die Zusammenarbeit innerhalb des Unterrichts. Außerhalb des Religionsunterrichts kooperieren Religionslehrkräfte beider Konfessionen in Schulprojekten für die Dritte Welt, bei religiösen Schulfeiern zu Schuljahresbeginn oder –ende sowie bei konkreten Anlässen wie dem Tod eines Mitglieds der Schulfamilie. Kirche fresh-X Sophie Zaufal Quo vadis? 2 Die konfessionellen „Tandems“ der evangelischen und katholischen Religionslehrer weisen mit ihren Projekten vor Ort nicht nur Wege zum positiven Umgang mit organisatorischen Herausforderungen. Sie schmieden – gleichsam nebenbei – ein „heißes Eisen“ christlicher Lebenspraxis im besten Sinne. Religionsunterricht wird in konfessioneller Zusammenarbeit zum performativen Schauplatz christlichen Bekenntnisses: Die Konfessionalität als Grundbedingung religiöser Kompetenz wird gerade dann deutlich, wenn im Religionsunterricht auch die konfessionelle Kooperation gepflegt wird. Die Begegnung fordert die Schülerinnen und Schüler heraus und fördert den Dialog über religiöse Fragestellungen. Die Erfahrung von Identität und Differenz, die zur Reflexion einlädt, kann durch die konfessionelle Kooperation im Religionsunterricht in besonderer Weise entstehen. Im Erkennen der vielen Gemeinsamkeiten und gleichzeitigen Unterschieden beider Bekenntnisse, die auf den Glauben an den dreieinen Gott und seine Offenbarung in Jesus Christus gründen, wird die eigene Tradition greifbar und das Evangelium tiefer erschlossen. Maria Herrmann au s der Pr a xis auf der Suche nach einer Kirche von und für morgen. Das in Kürze zu erwartende Wort der Deutschen Bischöfe zur konfessionellen Zusammenarbeit im Religionsunterricht ermutigt zu einer weiteren Kooperation. Es stellt die schon bisher erfolgreichen Aktivitäten auf eine sichere Grundlage und eröffnet Handlungsräume für die zukünftige Zusammenarbeit nach den Bedingungen des konkreten Standorts. Damit eröffnen die demografischen Veränderungen auch einen neuen, künftig zu entdeckenden locus theologicus. Die Begegnung mit der Vielfalt der christlichen Bekenntnisse weist auf die – stets offene – Frage nach Gott und nach der gelingenden Gestaltung des eigenen Lebens hin. Die Frage trägt den Religionsunterricht als konfessionellen Unterricht und fordert zu immer neuer Entscheidung („confession“) auf. Das verwirklicht sich nicht zuletzt durch die Religionslehrerinnen und -lehrer, deren Engagement Zeugnis für ihr jeweiliges Christsein ablegt. So wird der Religionsunterricht in konfessioneller Zusammenarbeit in spezifischer Weise zu einem „heißen“ theologischen Ort, der die „großen Themen der Rede von Gott an den kleinen Orten seines Volkes“ verhandelt: „neugierig, bodennah und erfahrungssatt“ (Christian Bauer). Kontakt: Sophie Zaufal Wissenschaftliche Referentin (Real- und Wirtschaftsschulen) Seit etwa 10 Jahren sind Referentinnen und Referenten der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und des Bistums Hildesheim gemeinsam auf der Suche nach einer Kirche von und für morgen. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in der Ökumene, im Bereich (lokaler) Kirchenentwicklung und bei den missionarischen Diensten. Dass diese Themen unbedingt miteinander zu tun haben, wurde zum ersten Mal explizit, als man sie im Frühjahr 2013 bei einem ökumenischen Kongress in Hannover zusammen bedacht hat, der seither der Bewegung einen Namen gibt: Kirche2. Immer deutlicher wurde, dass eine partizipativ angelegte Suchbewegung für eine Zukunft der Kirche stets in Prozessen mündet, die weit über engmaschige »Projektzeiträume« hinweg Begleitung bedürfen, um eine regenerative Kraft in unserer Kirchenlandschaft zu entfalten. Daher schaffte man mit der Beauftragung zweier Theologinnen in Landeskirche und Bistum einen gemeinsamen Raum, in dem seither Zukunftsfragen dezidiert ökumenisch reflektiert werden. Hier widmet man sich auch weiterhin weltkirchlichen Erfahrungen, unter anderem jenen aus der Anglikanischen Kirche, die Gemeindegründungen in neuen Kontexten unter dem Fachterminus der Fresh Expressions of Church (freshX) beschreiben. So stehen freshX und Ökumene für Kirche2 in einem energetischen Kraftfeld zueinander: Fresh Expressions, also frische Ausdrucksformen von Kirche, und die grundlegende Ekklesiologie von einer Kirche, die sich von ihrer Sendung her formt (missionshaped church), können in der großen Frage nach den Zeichen der Zeit und nach der missio dei inspirierende Diskurse eröffnen und neue Kirchenbilder zeichnen, wenn wir wahr- und ernstnehmen, dass wir in einer Ökumene der Sendung stehen. Doch auch umgekehrt lässt es sich denken: Durch die Besinnung auf die Sendung der Kirche, die Frage nach dem Woraufhin, dem Wozu und dem Warum des Kircheseins, stellen sich noch einmal ganz andere und auf vielen Ebenen befreiende Anfragen an das, wie wir unter Ökumene verstehen, wie wir sie leben und wie wir sie weitergeben. Damit entsteht eine neue und frische Dimension der Ökumene – für eine Kirche der Zukunft. Maria Herrmann (Dipl.-Theologin), Studium in Würzburg und Salamanca, Referentin Kirche2 in der Hauptabteilung Pastoral im Bistum Hildesheim. Sie arbeitet derzeit an einem Dissertationsprojekt im Bereich der Pastoraltheologie zu den Fresh Expressions of Church und der Mission-Shaped Church. St. Bonifaz-Jugendhaus [email protected] Kontakt: Maria Herrmann, Ökumenische Bewegung Kirche² www.rpz-bayern.de im Bistum Hildesheim, Hauptabteilung Pastoral [email protected], [email protected] 40 41 au s der Pr a xis „O b das gut gehen kann?“ – Diese besorgte Frage meiner Mutter und anderer Erwachsener habe ich noch im Ohr, wenn im Bekanntenkreis eines der erwachsenen Kinder einen nicht-katholischen Partner heiraten wollte. Das hatte es einfach früher nicht gegeben, die Probleme im Familienalltag schienen vorgezeichnet. Dahinter standen eine große Fremdheit und Unsicherheit, ja Misstrauen: Irgendwie glaubten „die“ doch etwas Falsches, oder? Längst sind die Gräben zwischen den beiden großen christlichen Konfessionen nicht mehr so tief. Dass man sich heute gegenseitig anerkennt und vieles gemeinsam möglich ist, könnte nicht zuletzt ein Verdienst derer sein, die es „damals“ trotz aller Befürchtungen und Vorbehalte gewagt haben zu heiraten, obwohl der Partner / die Partnerin einer anderen Kirche angehörte. Sie haben vielfach gezeigt, dass es durchaus gut gehen kann. Konfessionsverbindende Ehen und Familien gibt es praktisch in allen Gemeinden. Wie andere Paare oder Familien sind sie mehr oder weniger integriert, engagieren sie sich mehr oder weniger in den Gremien der Pfarreien und in verschiedenen kirchlichen Gruppen, und das oft nicht nur in ihrer „eigenen“ Kirche. Der Weg dorthin ist nicht immer einfach. Das wird im Gespräch mit diesen Paaren und Familien allerdings ebenfalls klar – je älter die Betroffenen sind umso mehr. Oft leiden gerade die älteren Paare noch heute darunter, dass ihr Partner oder sie selbst wegen der 42 „falschen“ Konfession von ihrer jeweiligen Schwieger-Familie abgelehnt wurden. Nicht jede Familie konnte sich im Lauf der Zeit mit dieser „Mischehe“ aussöhnen, viele Verletzungen sind aus der Ablehnung entstanden und oft leider geblieben. Eine solche Ablehnung aufgrund der konfessionellen Zugehörigkeit dürfte (und sollte) heute nicht mehr geschehen. Dennoch hat ein evangelisch-katholisch gemischtes Paar von Anfang an einige Entscheidungen zu treffen: In welcher Kirche, bei welchem Pfarrer lassen wir uns trauen? Wohin gehen wir, wenn wir gemeinsam an einem Gottesdienst teilnehmen wollen? Zu welcher Kirche sollen unsere Kinder gehören – und wie sieht „christliche Erziehung“ konfessionsverbindend aus? Auf diese Fragen gibt es nicht „die eine“ Lösung. Die Forderung der katholischen Kirche an den katholischen Partner, die Kinder katholisch zu erziehen, ist dabei nicht hilfreich, sondern eher belastend, kommt diese Erwartung doch einer Abwertung der anderen Konfession gleich. Doch die Familien suchen – und brauchen – sinnvolle Lösungen. Manchmal ergibt sich die Anbindung an eine bestimmte Gemeinde ganz pragmatisch, beispielsweise, wenn ein Partner noch an dem Ort wohnt, in dem er oder sie in der Jugendarbeit der Pfarrei aktiv war und auch der Ehepartner dort willkommen ist. Nur selten erlebe ich, dass beide Partner gleichermaßen in ihren jeweiligen „Heimatkirchen“ verwurzelt bleiben. Gerade wenn ein Paar neu in einen Ort zieht, werden die Partner eher eine gemeinsame Glaubensheimat suchen, und da können dann die Gemeinden vor Ort und die persönlichen Erfahrungen darin, das Kirchengebäude oder auch der Gemeindeleiter den Ausschlag geben. Glaubensunterschiede werden so ganz praktisch „gelöst“. Aufgelöst werden sie damit natürlich nicht. Vor allem dann, wenn beiden Partnern eine Zugehörigkeit zu einer Gemeinde wichtig ist, die Entscheidung aber nicht eindeutig ausfallen kann, wird es spannend: Spätestens dann ist nötig, über den Glauben und die eigene Glaubensgeschichte ins Gespräch zu kommen. Es ist die Chance, die gerade konfessionsgemischte Familien haben: sich selbst darüber klar zu werden, was ich glaube, was mir an meiner Religion, an meiner Kirche wichtig ist, was ich an meine Kinder (nicht) weitergeben möchte. Dieses Gespräch über „Glaubensdinge“ wünsche ich übrigens allen Paaren, und das nicht nur am Anfang ihrer Beziehung! Konfessionsverbindende Paare und Familien sind der praxiserprobte Beleg dafür, dass Ökumene funktionieren kann. Der Dialog zwischen den Konfessionen findet hier nicht auf einer hohen theologischen Ebene statt, sondern betrifft das alltägliche Leben. Die gemeinsame christliche Basis erweist sich im konkreten und praktischen Miteinander durchaus als tragfähig. Lucia Lang-Rachor Eine Familie, zwei Kirchen Ökumene im Praxistest Die erbitterte Auseinandersetzung ist längst dem Gespräch und dem Handeln miteinander gewichen. Doch die nächsten religiösen Herausforderungen sind in unseren Familien schon längst angekommen – und lassen die Unterschiede zwischen „katholisch“ und „evangelisch“ noch unbedeutender erscheinen: Wie sieht es aus mit dem Dialog zwischen Katholiken und den Christen aus Süd und Ost? Der Toleranz gegenüber Nichtgetauften? Dem Zusammenleben und -lieben mit Muslimen? Die Herausforderungen innerhalb einer solchen gemischten Partnerschaft sind groß – und doch gibt es auch hier viele Paare und Familien, die zeigen: es geht. Vermutlich nicht ohne Spannungen und sicher nicht ohne viel Vertrauen und Toleranz. Aber hoffentlich mit viel Austausch und Dialog! Kontakt: Lucia Lang-Rachor Pastoralreferentin, Diözesanehe- und familienseelsorgerin im Bistum Würzburg [email protected] 43 Gemeinsam Gutes tun Ökumenisches Handeln im Dienst an den Menschen A ls im Jahr 2001 die katholische Pfarrgemeinde St. Josef in Würzburg-Grombühl und die Caritas-Sozialstation St. Franziskus eine ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe gründen wollten, war für die Verantwortlichen sofort klar, dass dieses Unterfangen gemeinsam mit der evangelischen Thomaskirche angegangen werden sollte. Eine Anfrage beim evangelischen Pfarrer brachte Klarheit: Sowohl Pfarrer als auch der gesamte Kirchenvorstand votierten dafür, dieses Vorhaben gemeinsam mit der katholischen Gemeinde anzugehen. Und auch auf der katholischen Seite war der Wunsch nach einem ökumenischen Miteinander nicht nur Sache des Pfarrers, sondern auch Anliegen der Gremien Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung. Die Tatsache, dass zu dieser Zeit sowohl der Caritasverband als auch das Diakonische Werk ihre Zusammenarbeit mit ihren jeweiligen Kirchengemeinden ausbauten, kam dem Ansinnen entgegen. Und so konnte der Aufbau der Nachbarschaftshilfe nicht nur mit den beiden Kirchengemeinden, sondern auch mit den Fachdiensten des jeweiligen Wohlfahrtsverbandes vorangetrieben werden. Nach etwa einem Jahr konnte dann das Projekt Nachbarschaftshilfe mit dem Namen „Eine Stunde Zeit füreinander“ an den Start gehen. Bis heute unterstützt es Hunderte von Menschen und erleichtert ihnen das Leben, sei es durch Besuche bei älteren Menschen zu Hause und in Altenheimen, sei es durch gelegentliche Besorgungen oder Hausaufgabenbetreuung und Fahrdienste. Mittlerweile sind in Würzburg und Umgebung und auch unterfrankenweit insgesamt mehr als 50 ehrenamtliche ökumenische Nachbarschaftshilfen nach diesem Muster entstanden, mehr als 1.000 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind tätig. Und auch in anderen Tätigkeitsfeldern wie z. B. bei der Sorge um Flüchtlinge und Asylbewerber zeigt sich dieses ökumenische Mit- 44 Klaus Korbmann au s der Pr a xis einander zunehmend. Christen aus beiden Konfessionen merken, dass das Da-Sein für Andere zum Wesenskern ihres christlichen Glaubens gehört und dass es für sie bereichernd ist, gemeinsam mit Menschen der anderen Konfession diesen Dienst zu leisten. Sie spüren, dass es ihnen gut tut, Menschen der jeweils anderen Konfession kennen zu lernen und über den eigenen Kirchturm hinaus zu schauen. Und sie merken, dass dies die beiden Konfessionen mehr eint als trennt. Dass es auf dem Weg zu einem ökumenischen Miteinander nicht immer ohne Irritationen abging, soll nicht verschwiegen werden. Wenn z. B. der bisherige Versicherungsschutz der katholischen Pfarrgemeinden nicht mehr greift, da eine evangelische Kirchengemeinde „mit im Boot sitzt“, kann manchem katholischen Christen auf den ersten Blick sehr merkwürdig erscheinen. Doch auch für dieses Problem konnte ein gangbarer Weg gefunden werden, weil Verantwortliche das ökumenische Miteinander als wichtig erachtet haben. Und so bleibt zu hoffen, dass dieser Weg hin zu einem geschwisterlichen Miteinander der Konfessionen sowohl von Verantwortlichen als auch von katholischen und evangelischen Christen weiter begangen wird und sowohl im diakonischen Tun als auch in anderen Feldern die Menschen froh macht. Kontakt: Klaus Korbmann Dipl.-Theol.; Dipl.-Soz.-päd. Fachbereichsleiter Gemeindecaritas Caritasverband für die Diözese Würzburg e.V. [email protected] 45 Geflüchtete Christen und Ökumene „I nfolge der gegenwärtigen Fluchtbewegungen steigt auch die Zahl der Katholiken mit Migrationshintergrund. Viele Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten gehören einer der mit Rom unierten katholischen Ostkirchen an. Die klassischen muttersprachlichen Missionen, die vor Jahrzehnten für die katholischen Arbeitsmigranten errichtet wurden, können dem seelsorglichen Unterstützungsbedarf für christliche Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten jedoch allein nicht entsprechen. Unabhängig von den strukturellen Fragen, die es zu lösen gilt, muss vor allem dafür Sorge getragen werden, dass die christlichen Flüchtlinge sich inmitten unserer Kirche willkommen fühlen. Auch ist auf die seelsorglichen Anliegen der orthodoxen Christen unter den Geflüchteten zu achten.“ (aus: Leitsätze des kirchlichen Engagements für Flüchtlinge, DBK, Arbeitshilfen Nr. 282, S. 11) Robert Hübner Zum THEMA ist es gelungen, Geflüchtete bei Pfarrfesten einzubeziehen oder gemeinsam mit ihnen in (inter-)religiösen Andachten der Angehörigen in den Kriegsgebieten und auf der Flucht Verstorbenen zu gedenken und um Frieden zu beten. Unzählige Gottesdienste in den Gemeinden greifen die Thematik von Krieg, Flucht und der gebotenen Hilfestellung auf. Viele der zu uns gekommenen geflüchteten Menschen werden versuchen, sich in Deutschland eine Existenz aufzubauen. Ob sie je wieder zurück in ihre Heimat gehen können, ist fraglich. So wird sich zunehmend die Frage nach dem weiteren Einleben stellen. Dazu gehört auch, wie und wo sie ihre Religion ausüben können. Wie können wir dabei helfen? Bei der Umsetzung dieser Anliegen stoßen wir oft noch an Grenzen. Das beginnt mit der Schwierigkeit, aktuelle Zahlen von staat lichen Stellen zu erfahren, wer unter den Geflüchteten welcher Konfession angehört. Zudem geben sich christliche Geflohene häufig nicht sofort als solche zu erkennen. Das mag auch damit zusammenhängen, dass sie unter einer Mehrheit muslimischer Geflüchteten leben (von den 15.551 im März 2016 in Unterfranken untergebrachten Asylbewerber/innen befanden sich 6,2 Prozent Christen); zum anderen aber, dass ganz andere Fragestellungen wichtiger sind, als der Zugang zu einem Gottesdienst, nämlich wann werde ich endlich als asylberechtigt anerkannt, wann und wo kann ich die deutsche Sprache lernen, zur Schule gehen, eine Ausbildung beginnen, arbeiten und wohnen? Häufig ist auch die Frage nach den Angehörigen, Familiennachzug oder die Zusammenführung von Verwandten vordringlich. Über persönliche Kontakte wird der Zugang zu unseren christlichen Gemeinden eröffnet und mehrsprachige Erklärungen zu liturgischen Feiern helfen über sprachliche Barrieren hinweg. Kontakte zu bereits bestehenden ostkirchlichen/orthodoxen Gemeinden können über die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK), das Ökumenereferat und die Asylseelsorge hergestellt werden. Die Arbeitshilfe der DBK „Christen aus dem Orient“ liefert einen Überblick über die verschiedenen ostkirchlichen Konfessionen und gibt Auskunft über Regelungen zur Glaubens-, Gebetsund Sakramentengemeinschaft. Viele ehrenamtliche Helfer/innen, auch aus dem kirchlichen Bereich, unterstützen geflüchtete Menschen, ungeachtet deren Religionszugehörigkeit und sprachlicher Barrieren und werden so zu Botschafter/innen christlicher Nächstenliebe. In einigen Fällen Kontakt: Robert Hübner 46 Diözesanbeauftragter für Asylseelsorge [email protected] www.asylseelsorge.bistum-wuerzburg.de 47 Einheit und Pluralismus Frère Alois au s der Pr a xis Gemeinsam weitergehen Erfahrungen aus Taizé zur Ökumene Noch nie gab es eine solche Vielfalt unterschiedlicher Kirchen und christlicher Gemeinschaften wie heute. Dies entspricht sicherlich einem Bedürfnis vieler Menschen, die Christus aufrichtig lieben, aber wir dürfen dabei nicht vergessen, dass Christus uns durch sein Kreuz und seine Auferstehung in einen einzigen Leib, in einen neuen Bund mit Gott zusammengeführt hat. Ja, er hat sein Leben hingegeben, um – wie Johannes schreibt – „die verstreuten Kinder Gottes zusammenzubringen“. Damit sind alle, die Christus lieben, in seiner Nachfolge in eine große Gemeinschaft eingeladen. Diese Gemeinschaft kann dazu beitragen, die Wunden der Menschheit zu heilen und eine weltweite Solidarität voranzutreiben, die niemanden mehr ausschließt, kein Volk, keinen einzigen Menschen. Suchen wir einen neuen Ausgangspunkt! Diese Situation stellt uns vor eine doppelte Herausforderung: Eine Gemeinschaft aller Christen kann zum einen nur entstehen, wenn wir die bestehende Vielfalt annehmen, zum anderen muss sie sichtbare Gemeinschaft sein, um Orientierung bieten zu können. Die sichtbare Einheit muss also einen großen Pluralismus anerkennen. Papst Franziskus veranschaulicht dies mit dem Bild eines Polyeders. Für ihn ist die Kirche „Verschiedenheit, die in Gemeinschaft vereint ist, nicht in Gleichheit, sondern in Harmonie“. Von „Einheit“ und „Verschiedenheit“ zu sprechen, ist zunächst mit zwei Gefahren verbunden: Die eine besteht darin, mit unserer Verschiedenheit die bestehenden Trennungen zu rechtfertigen. Die andere wäre, Einheit als Einförmigkeit misszuverstehen. Wie also kann man diese beiden Gefahren umgehen, um Einheit und Verschiedenheit miteinander in Einklang bringen? Wir müssen dazu – anstatt von dem uns Trennenden – vom auferstandenen Christus ausgehen. Er führt Menschen aller Stände und Schichten, aller Sprachen und Kulturen, und selbst verfeindeter Völker in eine einzige Gemeinschaft zusammen. schreibt diesbezüglich: „Es handelt sich nicht nur darum, Informationen über die anderen zu erhalten, um sie besser kennenzulernen, sondern darum, das, was der Geist bei den anderen gesät hat, als ein Geschenk anzunehmen, das auch für uns bestimmt ist.“ Schon in frühen Jahren hat unsere Communauté versucht, auch ihre Gemeinschaft mit der orthodoxen Kirche zum Ausdruck zu bringen. 1965 sandte der ökumenische Patriarch Athenagoras von Konstantinopel Mönche nach Taizé, um für mehrere Jahre das monastische Leben mit uns zu teilen. Frère Roger hat eine vertrauensvolle Beziehung mit der russisch-orthodoxen Kirche aufgebaut, die bis heute besteht. Dieses ökumenische Zusammenleben stellt in unserem Alltag etwas Selbstverständliches dar. Es bringt natürlich auch Einschränkungen mit sich und verlangt Verzicht. Aber es gibt keine Versöhnung ohne Verzicht. Man kann die Geschichte von Taizé als Versuch ansehen, gemeinsam unter einem Dach zu leben. Heute nehmen Jugendliche aus aller Welt an unserem gemeinsamen Gebet in Taizé teil. Sie teilen miteinander ihre Suche nach Gott, genauso wie das tägliche Leben, die Mahlzeiten und die anfallenden Arbeiten. Auf diese Weise sind auch sie Teil des „Gleichnisses der Gemeinschaft“, das die Communauté verwirklichen will. Sie versuchen nicht, ihren Glauben auf einen „kleinsten gemeinsamen Nenner“ zu bringen oder ihre Wertvorstellungen einzuebnen. Ziehen wir unter ein gemeinsames Dach! Ich möchte deshalb folgenden Vorschlag machen: Müssten die christlichen Kirchen nicht den Mut haben, „unter ein Dach“ zu ziehen, auch wenn noch nicht alle theologischen Fragen geklärt sind? Ein solcher Schritt verlangt viel Fantasie. Aber der Heilige Geist kann sie uns schenken. Es wird immer Unterschiede geben. Sie werden stets eine Aufforderung zum offenen Dialog sein, der uns gegenseitig bereichert. Ist es nicht an der Zeit, das uns Gemeinsame an die erste Stelle zu setzen, nämlich unsere christliche Identität als Getaufte? In allen Kirchen wird bis heute die konfessionelle Identität betont: Man ist in erster Linie katholisch, evangelisch oder orthodox. In Wirklichkeit müsste jedoch die Tatsache an erster Stelle stehen, dass wir Getaufte sind! An dieser Stelle möchte ich etwas zu unserem Leben in Taizé sagen: Unsere Communauté besteht aus evangelischen und katholischen Brüdern, die die zukünftige Einheit vorwegnehmen möchten, indem sie einen konkreten „Austausch der Gaben“ leben. Papst Franziskus 48 Dennoch machen sie im gemeinsamen Leben, im Miteinanderteilen und im respektvollen Umgang miteinander die erstaunliche Erfahrung einer tiefen Einheit. Sie machen im Grunde genommen eine Erfahrung von Kirche. Warten wir also nicht länger, begeben wir uns unter ein gemeinsames Dach! Wenn alle Christen eine Familie bilden, ist es auch die normalste Sache der Welt, unter einem Dach zu leben und nicht zu warten, bis alle in allem einer Meinung sind! Christus gibt die Einheit wann und wie er will; sie ist ein Geschenk. Aber wir müssen dieses Geschenk auch annehmen! Wie kann Christus uns die Einheit schenken, wenn wir uns nicht unter ein gemeinsames Dach begeben? Die Apostel, Maria und einige andere Frauen und Männer haben den Heiligen Geist empfangen, als sie unter dem Dach des Obergemaches in Jerusalem zusammen waren. Genauso vereint uns der Heilige Geist mit all unserer Verschiedenheit! 49 Wie können wir diesen Schritt konkret vollziehen? · Wir können uns innerhalb unserer Ortsgemeinde, zwischen Nachbarn und Familien, wie eine Art „Basisgemeinde“ zusammentun, um gemeinsam zu beten, um uns gegenseitig zu helfen und uns näher kennenzulernen. · Beispiele einer gemeinsamen Bibelarbeit zwischen Gemeinden verschiedener Konfessionen, eines gemeinsamen Sozial- und Seelsorgedienstes sowie eines gemeinsamen Religionsunterrichts gibt es bereits. Diese Zusammenarbeit ist ausbaufähig: Jede Gemeinde könnte mit den Christen der anderen Konfessionen alles gemeinsam tun, was gemeinsam getan werden kann. Man könnte sich vornehmen, nichts mehr zu unternehmen, ohne die anderen mit einzubeziehen. · Könnten nicht der Dom oder die Hauptkirche an vielen Orten zu einem Haus des Gebets für alle Christen der Stadt werden? · Der theologische Dialog muss weitergehen! Doch könnte er nicht noch mehr als bisher im Rahmen eines gemeinsamen Gebets geführt werden, aus dem Bewusstsein heraus, dass wir bereits beisammen sind? Wo man zusammenlebt und gemeinsam betet, werden auch die theologischen Fragen anders angegangen. · Alle Glaubenden haben die Berufung, füreinander Sorge zu tragen. Die Kirche braucht aber auch auf den verschiedenen Ebenen ein Dienstamt der Einheit. Auf Weltebene ist dies traditionellerweise mit dem Bischof von Rom verbunden. Könnte man ihn nicht als Diener anerkennen, der für die Eintracht seiner Brüder und Schwestern in ihrer großen Verschiedenheit Sorge trägt? Könnten die einzelnen Kirchen nicht mit diesem Dienstamt verbunden sein, wenn auch auf unterschiedliche Weise? · Müssten die Kirchen, die sosehr darauf bestehen, dass für den gemeinsamen Kommunionempfang die Einheit im Glauben und das Einverständnis über das Amt Voraussetzung sind, nicht mit ebenso großem Nachdruck auf der Einmütigkeit in der geschwisterlichen Liebe bestehen? Ich denke dabei an die katholische und orthodoxe Kirche. Könnten sie nicht denen, die ihre Sehnsucht nach Einheit bekunden und an die Realpräsenz Christi glauben, eine weitreichendere eucharistische Gastfreundschaft gewähren? Die Eucharistie ist nicht nur der Höhepunkt der Einheit, sondern auch der Weg zu ihr. 50 In diesen Vorschlägen geht es ganz wesentlich um die gegenseitige Gastfreundschaft. Eine Ökumene der Gastfreundschaft! Wenn wir diese noch mehr ins Zentrum stellen würden, läge der Schwerpunkt nicht mehr so sehr auf der Arbeit von Dialogkommissionen, sondern auf dem Leben und dem Alltag der Gläubigen. Die interkonfessionelle wie die interreligiöse Gastfreundschaft verlangen zunächst einmal, dass wir uns die Mühe machen, uns in den Anderen hineinzuversetzen und ihm unsere Glaubens- und Frömmigkeitsformen zu erklären. Diese sind für den anderen wie eine fremde Sprache, die wir ihm übersetzen müssen. Weil wir dem anderen aber nie alles übersetzen können, sind Begegnung und Gastfreundschaft nicht ohne Vergebung möglich, wo Intoleranz und Ablehnung des anderen das geschwisterliche Zusammenleben verletzt haben. Man kann Vergebung jedoch nicht einfordern. Gastfreundschaft bedeutet auch, den anderen als anderen anzuerkennen. Könnten wir nicht dort, wo sich uns die Wahrheit des Glaubens eines anderen verschließt, zumindest die Aufrichtigkeit seines Glaubens und seiner Suche sehen? Dann können wir auch das, was wir an anderen nicht verstehen, als Geheimnis achten und staunend für den anderen dankbar sein. Dies brächte mehr Freude in unser ökumenisches Leben! Gemeinsam der Wahrheit entgegengehen! „Die Wahrheit ist niemals im Besitz eines Menschen. Sie ist immer Geschenk!“, sagt Papst Benedikt. Müsste die Theologie in den verschiedenen Kirchen nicht noch mehr der Tatsache gerecht werden, dass sich Gott nicht in Gedankengebäude einsperren lässt? Hier kann uns die apophatische Theologie helfen, die in erster Linie hervorhebt, was Gott nicht ist, anstatt zu versuchen, Gott zu definieren. Dies käme auch dem Anliegen der Reformatoren entgegen, die immer wieder die Unverfügbarkeit Gottes betont haben. Dennoch bedeuten Freiheit und radikale Transzendenz Gottes nicht, dass die Wahrheit unerreichbar wäre. Nach den Worten des Evangelisten Johannes wird der unsichtbare und alles übersteigende Gott zugänglich in der Person Jesu und in der geschwisterlichen Liebe. Für Johannes gibt es nur einen Weg, um in der Wahrheit Christi zu bleiben: zusammenkommen und uns gemeinsam auf den Weg machen. Das ist, was Papst Benedikt mit den Worten ausdrückt: „Nur wenn wir einander in Liebe begegnen, enthüllt sich die Wahrheit.“ So stellt sich nun die Frage: Bringen wir den Mut auf, uns unter ein gemeinsames Dach und an einen gemeinsamen Tisch zu begeben, um zusammen der Wahrheit entgegenzugehen, die sich nicht anders offenbaren kann? Die Schönheit der Berufung der Kirche Wenn die Christen an einem Ort, in einer Stadt, in einem Land und selbst weltweit versuchen, sich in Liebe zu begegnen, wie Mitglieder ein und derselben Familie, wie Bewohner eines gemeinsamen Hauses, dann legen sie Zeugnis ab für den Frieden Christi und können selbst in schwierigsten Situationen Frieden stiften. Viele Christen und die meisten Kirchen und christlichen Gemeinschaften möchten gemeinsam solche Zeugen des Friedens sein. Die ökumenischen Gespräche haben Wege dazu gebahnt. Zögern wir also nicht länger, die Konsequenzen daraus zu ziehen und gemeinsam weiterzugehen! Gehen wir von Christus aus: begeben wir uns unter ein gemeinsames Dach und gehen wir gemeinsam der Wahrheit entgegen! Damit betreten wir Neuland und müssen uns auf das Wort des Propheten Jesaja stützen, der sagt: „Die Blinden will ich auf dem Wege leiten, den sie nicht wissen; ich will sie führen auf den Steigen, die sie nicht kennen. Ich will die Finsternis vor ihnen her zum Licht machen.“ Wir vertrauen uns dem Heiligen Geist an, der uns auf Wege führt, auf denen wir noch nie gegangen sind. Er zeigt uns, wie wir zu wahrhaftigen Zeugen der Gemeinschaft werden. Gekürzte Fassung des Vortrags bei der Tagung „1517–2017“. „Gemeinsam erinnern, voneinander lernen, miteinander weitergehen“ im Kloster Himmelspforten Würzburg, 26.02.2016 in KNA Dokumentation, Ökumenische Information 15, 12.04.2016 Kontakt: Frére Alois Communauté de Taizé 71250 Taizé, Frankreich 51 AKTUELLES EDITIOR AL Gedenken an Julius Echter anlässlich des 400. Todestags des Fürstbischofs Im Jahr 2017 jährt sich der Todestag des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn (1545–1617) zum 400. Mal. Julius Echter hat in seiner Regierungszeit Mainfranken nachhaltig und bis heute sichtbar geprägt. An Echter erinnern Kirchen sowie Herrschafts- und Schulbauten ebenso wie die Universität Würzburg und Sozialstiftungen. Die Diözese Würzburg plant für das Jahr 2017 eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Echter-Zeit in Tagungen und Publikationen. Eine Ausstellung soll Person und Wirken Echters in ihren unterschiedlichen Facetten beleuchten. Angebote der Domschule, des Katechetischen Instituts und des Medienhauses wollen eine Brücke vom Konfessionellen Zeitalter ins Heute schlagen. Das 2017 stattfindende 500. Gedenkjahr der Reformation bildet hierbei den größeren Rahmen. Damit eröffnet sich zugleich die ökumenische Perspektive in diesem vielfältigen Gedenkjahr 2017. Tagung Bischöfe und Bischofsamt im Heiligen Römischen Reich 1570 bis 1620 Ideal und Praxis 22. bis 24. Juni 2017 Veranstalter: Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum e.V. und Würzburger Diözesangeschichtsverein Veranstaltungsorte: Neubaukirche Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg Ausstellungen Beiträge zur Religionspädagogik Kleines Stadttheater Gerolzhofen Arbeitsmaterialien Wandeltheater an vier Spielstätten Reformation erinnern – Christus feiern Diese Unterrichtsmaterialien thematisieren auf knapp 100 Seiten die Reformation als theologisches Ereignis der Rückbesinnung auf Jesus Christus als dem Fundament von Glaube und Kirche. Aufgeteilt in Grundlagen und einen unterrichtspraktischen Teil, ergänzt um Gedanken zur Kunst, will das in 2016 erstellte und erstmals veröffentlichte Material eine Hilfestellung für einen differenzierten und spannenden Religionsunterricht sein. Entstanden in Kooperation mehrerer Diözesen und der Deutschen Bischofskonferenz. Alle Materialien stehen zum kostenlosen Download und zur Verwendung im Unterricht zur Verfügung. 500 Jahre Reformation, 400. Todesjahr des Fürstbischofs und Gegenreformators Julius Echter, fünf historische Spielorte in Gerolzhofen: ein Theaterstück. www.rpp-katholisch.de An Originalschauplätzen werden die Menschen des späten 16. Jahrhunderts mit ihren Gedanken, Freuden, Sorgen und Nöten lebendig. Woran müssen, woran wollen sie glauben? An die althergebrachte Lehre oder an die neue des Dr. Luther aus Wittenberg? Oder ist womöglich manchmal die Sicherung der eigenen Existenz dringlicher als derartige Glaubensfragen? Geschichte wird erlebbar und es zeigt sich die Bedeutung dieser Zeit radikaler Umbrüche für unsere Gegenwart. Wahrheit und Wahrnehmung. Julius Echter – kompetenzorientierte Zugänge Das Katechetische Institut hat ein neues Würzburger Heft erstellt, das auf der Grundlage des neuen LehrplanPlus für Gymna sien, Realschulen und Mittelschulen konzipiert ist. Der Inhalt des Heftes ist dreigeteilt: Das erste Kapitel enthält die religionspädagogischen und historischen „Grundlagen“ des Heftes mit Beiträgen von Prof. Dr. Stefan Heil und Prof. Dr. Johannes Merz. Das zweite Kapitel besteht aus kompetenzorientierten „Arbeitshilfen“ für die Sekundarstufe I zum Thema Wahrnehmung heute, zum zeitlichen Kontext sowie zur Person Julius Echters. Autorinnen und Autoren sind Dr. Christian Back, Dr. Hans Bauer, Linda Furth, Barbara Mack, Thomas Riebel sowie Oliver Ripperger. Der dritte Teil schließlich umfasst einen Bilderpool zu Julius Echter. Das Heft ist im Katechetischen Institut der Diözese Würzburg erhältlich. www.ki-wuerzburg.de Uraufführung 24. Mai 2017 Weitere Vorstellungen 25.–28. Mai 2017 01.–05. Juni 2017 Julius Echter (1573-1617) Der umstrittene Fürstbischof 23. Juni bis 17. September 2017 Museum am Dom, Diözese Würzburg Julius Echter, Patron der Künste Konturen eines Fürsten und Bischofs der Renaissance 25. Juni bis 24. September 2017 Martin-von-Wagner-Museum der Universität Würzburg Kontakt: TOURIST-INFORMATION GEROLZHOFEN Altes Rathaus, Marktplatz 20, 97447 Gerolzhofen Telefon (09382) 903512, Telefax (09382) 903513 Weitere und stets aktuelle Informationen: [email protected] echter2017.de www.du-musst-dran-glauben.de 52 53 AKTUELLES Anzeig e Würzburger katholisches Sonntagsblatt Kirchenzeitung der Diözese Würzburg 500 Jahre Reformation 2017 Das 500-jährige Reformationsgedenken im Jahr 2017 ist weltweit in vollem Gang. Am 31.10.2016 gedachte im schwedischen Lund sogar ein Papst – zum ersten Mal überhaupt – mit Vertretern des Protestantismus der Reformation. Die Domschule Würzburg und das Rudolf-Alexander-Schröder-Haus setzen in diesem Jahr das gemeinsame Bildungsangebot fort, das an das Ereignis der Reformation und ihr zentrales Schlagwort „Rechtfertigung“ erinnert und deren Bedeutung vergegenwärtigt. Mit dem Online-Kurs „MOOC Die Reformation“ werden wir dabei auch ein Angebot auf der technischen Höhe des digitalen Zeitalters anbieten können. Prof. Dr. Rainer Leng vom Institut für Geschichte der Universität Würzburg ist damit beauftragt. Der Kurs startet im Mai. Sie sind herzlich eingeladen! Die Reformation ein Massive Open Online Course (MOOC) von Prof. Dr. Rainer Leng, Universität Würzburg Der MOOC soll medial attraktiv aufbereitetes Wissen zur Reformation als historisches Phänomen in Form eines Online-Seminars zugänglich machen. Über 12 Wochen gibt es Einführungsfilme, Kursmaterialien, Quizze und Hausaufgaben. Zeitgenössische Quellen, Thesen, Theorien und Forschungskontroversen werden allgemeinverständlich dargeboten. Wann? Kursstart im Mai 2017 Wo? Auf einer internationalen E-Learning-Plattform Wie? Einfache Registrierung, keine Teilnahmebeschränkung Kosten? Die Teilnahme ist kostenlos. Gebühren fallen nur für freiwillige Kurszertifikate oder Online-Prüfungen an. Reformation vor Ort Vortragsreihe Donnerstag, jeweils 19.00-21.00 Uhr am 30.03.2017 | 06.04.2017 | 27.04.2017 Ein epochaler Prozess und seine lokalen Auswirkungen: · Martin Luther. Vom Reformer zum Reformator · Die Reformation und die Stufen der Bekenntnisbildung · Konfessionalisierung und Rekatholisierung am Beispiel Würzburg Reformation und katholische Reform Ringvorlesung jeweils 19.30-21.00 Uhr April 25.04.2017 Mai 02.05.2017 | 09.05.2017 | 16.05.2017 | 23.05.2017 30.05.2017 Juni 13.06.2017 | 20.06.2017 | 24.06.2017 | 27.06.2017 Juli 04.07.2017 | 11.07.2017 | 18.07.2017 Augustinus und Luther Zur Verwandtschaft zweier „Kirchenväter“ Studientag Freitag 19.05.2017, 09.00-18.00 Uhr Wer mitreden will, muss informiert sein. Wer das Sonntagsblatt liest, ist informiert über: Würzburger katholisches •das Bistum Würzburg amilien: •die Kirche in Der Tipp für F latt im Deutschland Das Sonntagsb ombi-Abo mit K Würzburg n e Diözese Kirchenzeitung der preisgünstig •die Weltkirche PATZ derzeitschrift S in K r e d •und vieles andere tt + SPATZ t Sonntagsbla nlos tz Je mehr Wochen koste Sonntagsblatt für 4 testen! Würzburger katholisches Sonntagsblatt Kardinal-Döpfner-Platz 5 . 97070 Würzburg Postfach 110363 . 97030 Würzburg Telefon (0931) 38611-200 . Fax (0931) 38611-299 [email protected] . www.sobla.de Rückmeldung erwünscht! Au sblick Wenn Sie Fragen, Tipps und Anregungen zum Thema haben, bitte schreiben Sie dem Verantwortlichen für diese Ausgabe oder rufen Sie an! Papst Franziskus und das Reformationsgedenken in Lund Vortrag Freitag 30.06.2017, 19.30-21.00 Uhr Domvikar Dr. Petro Müller Privatdozent an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Würzburg, Ökumenereferent im Bistum Würzburg Sterngasse 16, 97070 Würzburg, Telefon (0931) 386-100 99 [email protected] Uns interessiert auch, ob das Themenheft als solches hilfreich und sinnvoll für Ihre Praxis ist, welche Themen Sie interessieren und was Sie sonst noch sagen wollen. Bitte richten Sie sich damit direkt an den Herausgeber: Bischöfliches Ordinariat Hauptabteilung Seelsorge St. Kilianshaus . Kürschnerhof 2 . 97070 Würzburg . Telefon (0931) 386-65101 [email protected] . www.bistum-wuerzburg.de 54 Weitere und stets aktuelle Informationen: Themen der weiteren Ausgaben: www.domschule-wuerzburg.de BIBEL · JugenD · Religion 55
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