Gelben Heft - Arno Kauflin, Marianne Burri, Wandbilder

Arno Kauflin
und Marianne
Buri betrachten
ihr Werk. Das
ausgefallenste
ist die bemalte
Fassade des
Alternativladens
«Gibi 6»: Nur die
Fenster sind echt.
Der grosse Wassertropfen weist
den Weg zur
Theatertoilette.
Frucht, Gemüse
und Getreide
schmücken die
Wände eines
vegetarischen
Restaurants. Ob
sich wohl jemand
findet, der das
gemalte Kind
hochhebt?
Der Dekorateur und Grafiker
Arno Kauflin hat sich auf ein
neues Fach spezialisiert: Mit
originellen Bildern schmückt
er alte und neue Häuser.
Seine Werke sollen den Leuten Freude bereiten und die
Phantasie anregen.
Wenn Arno Kauflin aus Ennetbürgen NW am Werk ist, geht
kaum einer vorbei, ohne einen
Blick auf die ungewöhnliche
Arbeit des Malers zu werfen.
Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Marianne Buri
verwandelt der 39jährige Dekorateur seit bald zehn Jahren
kahle Mauern in Traumlandschaften.
Die seltsamen Gebilde, die
von den beiden mit Vorliebe
an Häuserfassaden, aber auch
in Hauseingänge, an Restaurant oder Wohnungswände
gepinselt werden, finden meist
Anklang. Auch bei Leuten, die
sonst mit Kunst Mühe haben.
«Sogar zwei patrouillierende
Polizisten haben uns einmal
spontan gratuliert», schmunzelt Kauflin, «und mitunter
bekamen wir auch zu hören,
solche Sachen sähe man sonst
nur in Paris.»
All diese Reaktionen haben
ihm die Gewissheit verschafft,
dass der Arbeitsprozess gerade so wichtig sein kann wie
das Resultat: «Es ergeben sich
nicht nur neue Kontakte und
Beziehungen, die Leute verstehen dann auch unsere Malereien besser. Und die Flachmaler
unter den Zuschauern glauben
endlich, dass wir die feinen
Farbabstufungen nicht mit der
Spritzpistole, sondern mit dem
Pinsel erzielen.»
Angefangen hat alles vor neun
Jahren, als Arno Kauflin seine
Stelle als Werbegrafiker aufgab, um sich «mit null Rappen
Startkapital» selbständig zu
machen. Zuerst begnügte er
sich, seine Auftraggeber mit
geometrischen
Dekormalereien zufriedenzustellen bis
er eines Tages die Idee hatte,
«einmal etwas anderes zu machen».
Die gelungene Ausschmückung eines kleinen Drucke-
reibetriebes sprach sich bald
herum, und Kauflin bekam die
Aufgabe, die Eingangshallen
einer Reihe von neuen Mehrfamilienhäusern freundlicher zu
gestalten. Vom Zahnarztwartezimmer bis zum ShoppingCenter, vom Betriebszentrum eines
Grossverteilers bis zum Kleintheaterfoyer reicht heute die
Referenzliste des Malers. Am
spektakulärsten geriet ihm die
Renovation des Alternativladens «Gibi 6» an der Luzerner
Gibraltarstrasse, an der rund
anderthalb Monate gearbeitet
wurde. An der Fassade verwirren heute die verblüffendsten
Einfälle das Auge des Betrachters. Riesige Blumen umranken falsche Balkone, auf denen
sich ebenso nur gemalt Menschen tummeln. Treppen- Attrappen führen nirgendwohin,
und ein blondes Kind versucht
in ein hoch plaziertes (echtes)
Schaufenster zu schauen.
Als Kunst mag Arno Kauflin
seine Werke eigentlich nicht
verstehen der Begriff «künstlerische Gestaltung» sei ihm
lieber. Immerhin verbindet er
mit seiner Malerei eine Art Botschaft: «Ich möchte die Phantasie der Leute wieder etwas
anregen. Vielleicht bringe ich
sie dazu, dass sie wieder links
und rechts schauen, statt nur
geradeaus.»
Diese Absicht ist zwar lobenswert, doch scheint sie sich trotz
den vielen positiven Reaktionen nicht überall gleich gut zu
verwirklichen. So antworteten
kürzlich verschiedene Kunden
eines Zuger Kaufhauses, das
Kauflin verschönert hatte, auf
die entsprechende Frage, sie
hatten die Malereien noch nie
gesehen... Vielleicht haben sie
sich die Bilder nachher‚ doch
noch angeschaut.
Georg Anderhub
Das Gelbe Heft 27.10.1981